Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragsberechnung nach einem "angemessenen Maßstab" iS des § 40 Abs 1 KVLG 1989. Ermittlung eines korrigierten Flächenwertes. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Erfolgt die Beitragsfestsetzung zur Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte nach einem korrigierten Flächenwert, der sich an dem durchschnittlichen Hektarwert in der Gemeinde orientiert, so hält sich die zugrundeliegende Satzung an die gesetzliche Ermächtigung des § 40 Abs 1 S 2 KVLG 1989 zur Bestimmung eines angemessenen Maßstabs (vgl BSG vom 31.7.1980 - 11 RK 7/79 = SozR 5420 § 65 Nr 4).

2. Diese Gewinnermittlung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft den Beitragsmaßstab in der Kranken- und Pflegeversicherung der Landwirte in Niedersachsen.

Der Kläger ist versicherungspflichtiger Landwirt. Er betreibt ökologischen Landbau mit Viehhaltung (24 Kühe, 28 Bullen, 20 Kälber und 10 Schweine) und bewirtschaftet landwirtschaftliche Nutzflächen von 34,96 Hektar.

Mit Bescheid vom 30. Dezember 2005 setzte die Beklagte die vom Kläger zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 1. Januar 2006 neu fest, da seit diesem Zeitpunkt die Beitragsberechnung für landwirtschaftliche Unternehmen auch im Zuständigkeitsbereich der ehemaligen H. nach dem “korrigierten Flächenwert„ erfolgte. Der Flächenwert errechnet sich dabei durch die Multiplikation der bewirtschafteten Fläche mit dem des durchschnittlichen Hektarwertes der Gemeinde des Betriebssitzes und berücksichtigt ergänzend die tatsächlichen Einkommensverhältnisse von Testbetrieben (fünfjähriger Durchschnitt der Gewinne der für den Agrarbericht der Bundesregierung ausgewerteten landwirtschaftlichen Testbetriebe (über 5000 landwirtschaftliche Unternehmer) - Anlage 1 und 2 zur Arbeitseinkommensverordnung in der Landwirtschaft - AELV-). Der durchschnittliche Hektarwert beträgt in Seefeld, der Gemeinde des Betriebssitzes des Klägers, 1938,00 DM.

Auf der Basis des korrigierten Flächenwertes (34,96 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, Hektarwert 1938 DM, Flächenwert 67.752,48 DM) ergaben sich für den Kläger in der Beitragsklasse 10 monatliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab Januar 2006 in Höhe von 242,13 Euro monatlich und ab März 2006 in Höhe von 280,82 Euro monatlich. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass das tatsächlich erzielte Einkommen als Maßstab zur Beitragserhebung herangezogen werden müsse.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006 zurück. Der Beitragsmaßstab sehe die Berücksichtigung der individuellen Einkommenssituation bei der Beitragsbemessung auf Basis des jeweiligen Einkommensteuerbescheides nicht vor. Diese vom Gesetzgeber zunächst vorgesehene Beitragsbemessung sei durch eine Gesetzesänderung wieder gestrichen worden. Ursächlich sei die Feststellung, dass die Einkünfte laut Einkommenssteuerbescheid von Jahr zu Jahr teilweise erheblich schwankten, eine verlässliche Kalkulationsbasis daher kaum vorhanden sei und dass das Einkommen im Steuerrecht insbesondere von größeren landwirtschaftlichen Unternehmen durch Investitionen beeinflusst werden könnte. § 40 Abs. 7 der Satzung enthalte zudem eine Härtefallregelung für den Fall, dass der nach dem durchschnittlichen Hektarwert der Betriebssitzgemeinde berechnete Flächenwert um mehr als 20 v. H. vom individuellen Hektarwert (Einheitswertbescheid für Eigentumsflächen) abweiche.

Seine am 17. Februar 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, dass sich weder seine bewirtschaftete Fläche noch sein Einkommen erhöht hätten, die Beiträge jedoch um 66 Prozent gestiegen seien. Die Beklagte gehe bei der Beitragsbemessung von willkürlichen Grundsätzen und nicht von realen Einkommensverhältnissen aus. Sie betreibe Strukturpolitik. Er begehre eine Gleichbehandlung mit freiwilligen Mitgliedern, deren Beiträge nach Einkommen gestaffelt seien. Die pauschale Berücksichtigung des Hektarwertes berücksichtige die Unterschiedlichkeit der jeweiligen Böden nicht. Der Beziehungswert benachteilige kleine landwirtschaftliche Betriebe. Ein ökologischen Landbau betreibender Landwirt bewirtschafte seine Flächen nicht intensiv, sondern extensiv.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. März 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Regelung des § 40 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) 1989 einer politischen Grundentscheidung entspreche und Verfassungsrecht nicht verletzte. Die Beklagte habe den Bodenwirtschaftswert zum Ausgangspunkt ihrer Satzungsregelung machen dürfen; das Gericht könne nicht in die Satzungsautonomie der Beklagten eingreifen. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht sei nicht erkennbar. Soweit der Kläger die in der Höhe abgeflachte Staffelung der Beiträge (Beitragsklassen und deren Kappung) angreife, entspreche diese den im Recht der gesetzlichen Sozialversicheru...

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