Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall infolge selbst geschaffener Gefahr oder alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine 9 km lange Fahrt auf der Autobahn entgegen der zulässigen Fahrtrichtung kann nur so erklärt werden, daß der Fahrer die dadurch entstandene enorme Gefahr entweder bewußt auf sich genommen oder diese infolge Enthemmung durch Trunkenheit nicht richtig eingeschätzt hat; in beiden Fällen besteht kein Unfallversicherungsschutz.

 

Normenkette

RVO § 550 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. März 1971 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten Hinterbliebenenentschädigungen aus Anlaß des Todes ihres Ehemannes bzw. Vaters R K (K.). Dieser ist am 20. Juli 1969 auf der Autobahn zwischen D und H (S.) tödlich verunglückt. Das Berufungsgericht hat hierzu folgendes festgestellt:

" K . war als Arbeiter bei der Firma G KG, D die bei der Beklagten versichert ist, beschäftigt und hatte seit dem 17. April 1969 seinen Arbeitsplatz bei der Firma H AG in H. Dort hatte er im Auftrag der Firma G die Regulierung der Säureaufbereitung zu überwachen. Um die Arbeit aufzunehmen, fuhr er von seiner Wohnung, D, ..., entweder mit dem eigenen Pkw oder mit dem Werksbus nach H, das ca. 30 km von D entfernt ist.

K. verfuhr vor seinem Tod die letzte Schicht am Samstag, den 19. Juli 1969, von 6 Uhr bis 13 Uhr. An diesem Abend besuchte er alsdann den ihm bekannten B in I, den er um 22.30 Uhr verließ. In der ehelichen Wohnung in D traf K. am Sonntag, den 20. Juli 1969, gegen 9 Uhr ein. Die Nacht habe er, so hat K. es der Zeugin K am folgenden Tag dargestellt, im Wagen schlafend in der Landschaft verbracht. Um 5 Uhr früh sei er dann langsam nach D zurückgefahren. K. schlief dann bis 11 Uhr und besuchte alsdann, nachdem er für seine Ehefrau, die Klägerin zu 1), die damals die Gaststätte "...", D, ..., betrieben hat, Kästen mit Coca-Cola besorgt hatte, gegen 11.30 Uhr die Familie K, die im Haus ... im ersten Stock wohnt und der dieses Haus gehört. Bei dieser Familie hielt sich K. einige Stunden auf und begab sich dann in die Gaststätte seiner Ehefrau. Hier aß er im Beisein seiner Tochter, der Klägerin zu 2), zu Abend. Nach den Angaben der Klägerin zu 2) ging K. zwischen 19.30 Uhr und 20 Uhr, nach den Angaben der Klägerin zu 1) gegen 20,45 Uhr weg, um zur Arbeit zu fahren, da er in H um 22 Uhr die Nachtschicht aufnehmen mußte.

K. wurde alsdann wieder bemerkt, als er mit seinem Pkw gegen 21.20 Uhr entgegen der Fahrtrichtung die Bundesautobahn A - ... - von D nach H befuhr. Am Kilometer 27,61 gefährdete der entgegen der Fahrtrichtung fahrende K. den Wagen des ordnungsgemäß von H in Richtung L fahrenden Pkw des Herrn ..., der beim Ausweichmanöver ins Schleudern geriet und in die Böschung fahren mußte. K. setzte jedoch ungeachtet dessen die Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fort. K. beachtete auch die Warnzeichen - Hupe und Lichthupe - des ..., der auf der richtigen Fahrbahn von D nach H kurz hinter dem auf der anderen Seite des Mittel-Streifens fahrenden Pkw des K. fuhr, nicht. Kurz darauf stieß K. bei km 30,650 mit dem ordnungsgemäß auf der Überholspur von H in Richtung D fahrenden Pkw des Fräulein P frontal zusammen. K. und Fräulein P erlitten tödliche Verletzungen. Eine Blutprobe konnte K., wie der am Unfallort anwesende Amtsarzt festgestellt hat, nicht mehr entnommen werden, weil er erst nach längerer Zeit aus seinem Auto befreit werden konnte und dann schon ausgeblutet war. Die Entfernung von der Autobahnauffahrt D bis zur Unfallstelle beträgt ca. 9 km. Im Unfallzeitpunkt herrschte noch Dämmerung, die kurz darauf in die Dunkelheit überging."

Die Beklagte versagte durch Bescheid vom 27. April 1970 die begehrten Hinterbliebenenentschädigungen, weil K. einer selbst geschaffenen Gefahr erlegen, ein innerer Zusammenhang des Unfalls mit der betrieblichen Tätigkeit somit nicht gegeben sei.

Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat durch Urteil vom 13. Oktober 1970 der Klage stattgegeben. K. habe sich zwar verbots- und vernunftwidrig verhalten, diese Gefahrerhöhung sei aber noch wesentlich dem Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte zuzurechnen. Ein Handeln in Selbsttötungsabsicht sei ebensowenig nachweisbar wie Alkoholeinwirkung in einem Ausmaß, daß Fahruntüchtigkeit die allein wesentliche Ursache des Unfalls sei.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 31. März 1971 die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Ehemann der Klägerin sei zwar auf dem kürzesten Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte verunglückt. Der Unfall habe sich jedoch allein deshalb ereignet, weil K. auf der Fahrt dorthin die seiner Fahrtrichtung entgegenkommende Autobahn benutzt habe. Dies könne entweder bewußt und willentlich geschehen oder auf eine Bewußtseinsstörung und Enthemmung zurückzuführen sein. In jenem Fall sei die Ursache des Unfalls eine von K. selbst geschaffene Gefahr gewesen, in diesem könne nach den ermittelten Gesamtumständen nur ein die Fahrtüchtigkeit zumindest relativ ausschließender übermäßiger Alkoholgenuß ursächlich sein.

Eine willentliche und bewußte Fahrt auf der Gegenfahrbahn sei in so hohem Maße gefahrträchtig, vernunftwidrig und sorglos, daß demgegenüber die betriebsbezogenen Umstände als unwesentlich völlig in den Hintergrund gedrängt würden. K. sei über die Auffahrt D auf die Autobahn gelangt. Es handele sich um die der Wohnung Ks. nächstgelegene Autobahnauffahrt. Nach der Bekundung des Polizeiobermeisters D sei nach 21.00 Uhr über Polizeifunk ein im Gegenverkehr auf der Autobahn in Richtung H fahrendes Fahrzeug zwischen der Auffahrt D und dem ..., der nächstgelegenen Anschlußstelle, gemeldet worden; dies könne nur der Pkw des Ehemannes der Klägerin zu 1) gewesen sein. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung habe K. am ... auf zweierlei Weise auf die Gegenfahrbahn gelangen können, allerdings nur unter Nichtbeachtung gut sichtbarer Verkehrs- und Warnzeichen, Absperrungen und von Verkehrsvorschriften. Da nach der Aussage des Polizeiobermeisters D am 20. Juli 1969 kurz nach 21.00 Uhr im Streckenabschnitt ... eine mittlere Verkehrsdichte geherrscht habe, müsse - wie sich aus der Ortsbesichtigung ergebe - K. spätestens beim Einbiegen in die eigentliche Fahrbahn gemerkt haben, daß er sich auf der Gegenfahrbahn befinde. Zudem habe er hinreichende Ortskenntnisse gehabt, da er diese Strecke seit April 1969 mit seinem Pkw häufiger befahren habe. Trotzdem sei er auf der Gegenfahrbahn etwa 9 km mit unverminderter erheblicher Geschwindigkeit weitergefahren, obwohl er die Möglichkeit gehabt hätte, auf den Standspuren, die sich größtenteils auf der rechten Seite der Fahrbahn ... befänden, sowie an zahlreichen Stellen auf dem Mittelstreifen zwischen Leitplanke und Fahrbahnrand zu halten und damit die gefahrbringende Verkehrslage zu beenden. Außerdem hätte er am ... an zwei Stellen sowie an der Auffahrt E die Autobahn verlassen können. Schließlich hätte er auf einem Parkplatz sein Fahrzeug zum Halten bringen können. Hierzu hätte er um so mehr Veranlassung gehabt, weil er kurz zuvor einen Unfall verursacht habe. Da er trotzdem weitergefahren sei, habe er sich in einem Zustand einer ständig gefahrdrohenden, jedem Verkehrsteilnehmer mit Führerschein erkennbar lebensgefährlichen Verkehrssituation aufgehalten. Selbst wenn K., wie die Klägerinnen meinten, nach dem Erkennen der Gefahr einen Schock erlitten habe, der ihm zunächst die Fähigkeit genommen habe, auf die Gefahr sinnvoll zu reagieren, so sei damit sein Verhalten nicht erklärbar, daß er eine etwa 9 km lange Strecke mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren sei. Verständlich wäre allein gewesen, wenn er auch unter Verletzung von Verkehrsvorschriften versucht hätte, die Gegenfahrbahn zu verlassen. Falle es K. wegen der Dichte des Gegenverkehrs nicht möglich gewesen sei, auf die Standspur oder die Auffahrten am ... auszuweichen, hätte er sich in besonderem Maße gedrängt fühlen müssen, Warnsignale zu geben und seinen Wagen auf dem Mittelstreifen zum Halten zu bringen. In dem Aufrechterhalten eines gefahrdrohenden Zustandes liege ein in höchstem Maße leichtfertiges und vernunftwidriges Verhalten. Dieses sei als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen, so daß der UV-Schutz entfalle.

Der innere Zusammenhang eines Unfalls mit dem Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte sei ferner nicht gegeben, wenn der Unfall allein wesentlich auf eine durch übermäßigen Genuß von Alkohol verursachte absolute oder relative Fahruntüchtigkeit zurückzuführen sei. Sei der Ehemann der Klägerin auf die Gegenfahrbahn gelangt und vor allem auf dieser weitergefahren, weil er bewußtseinsgestört und enthemmt gewesen sei, so könne dies nach den ermittelten Gesamtumständen allein auf übermäßiger Alkoholeinwirkung beruhen. Ohne vorherigen Alkoholgenuß seien solche Erscheinungen bei K. nicht beobachtet worden. Ärzte hätten bei ihm keine Gesundheitsstörungen festgestellt, welche diese bewirkt hätten. Wohl aber seien derartige Erscheinungen bei K. nach dem Genuß größerer Mengen Alkohol aufgetreten. Dies ergebe sich aus der von der Klägerin zu 1) im Jahre 1966 eingereichten, später zurückgenommenen Ehescheidungsklage. Die Klägerinnen und Zeugen hätten allerdings angegeben, sie hätten nicht bemerkt, daß K. am Tage des Unfalls erheblich dem Alkohol zugesprochen oder einen betrunkenen Eindruck gemacht habe. Daraus könne jedoch nicht gefolgert werden, daß K. tatsächlich keine erheblichen Alkoholmengen zu sich genommen habe. Bei einem wie K. an den Genuß von Alkohol gewohnten Menschen könne aus der äußeren Erscheinung nicht auf den Umfang des Alkoholgenusses geschlossen werden. K. sei im August 1966 wegen Trunksucht für die Dauer von 6 Wochen in das Landeskrankenhaus ... eingewiesen worden. Er habe aber auch in der Folgezeit, wie sich aus den Angaben der Klägerin zu 1) ergebe, nicht auf den Konsum von Alkohol verzichtet. Im Jahre 1967 sei er bestraft worden, weil er mit einem Blutalkoholgehalt von 2 0 / 00 sein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr gelenkt habe. Der Hinweis der Klägerinnen, daß K. am Tag des Unfalls von früh 9.00 Uhr bis zu seiner Abfahrt zur Arbeitsstelle keine nennenswerten Mengen Alkohol getrunken haben könne, überzeuge nicht, weil K. in dieser Zeit mit ihnen oder anderen Personen nicht ständig zusammen gewesen sei. Wegen der unterschiedlichen Angaben der Klägerinnen und der Zeugen könnten sichere Feststellungen, wie K. den Tag zugebracht habe, nicht getroffen werden. Insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Zeitangaben sei nicht auszuschließen, daß K. nach dem Besuch der Eheleute K in der Gaststätte seiner Ehefrau alkoholische Getränke zu sich genommen habe oder nach der Wegfahrt von zu Hause noch eine andere Gaststätte aufgesucht habe. Dafür, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) im Zeitpunkt des Unfalls stark angetrunken gewesen sei, spreche neben der einschlägigen Vorgeschichte insbesondere, daß sein damaliges Verhalten eine gewisse Parallele mit dem zeige, welches zu seiner Verurteilung durch das Amtsgericht ... im Jahre 1967 geführt habe. K. habe am 18. Juni 1967 zwischen 23 und 24.00 Uhr mit seinem Pkw bei einem Blutalkoholgehalt von 2 0 / 00 aus "völlig unerfindlichen Gründen" eine Straße auf 20 bis 25 m länge rückwärts befahren und nur wenige cm vor dem Pkw eines anderen Verkehrsteilnehmers angehalten. Eine Stunde nach diesem Vorfall sei er bei einem rückwärtigen Wendemanöver in einen Straßengraben gefahren. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung sei Trunkenheit die naheliegende Erklärung dafür, daß K. am 20. Juli 1969 auf die Gegenfahrbahn gelangt sei. Umstände, welche ein alkoholbedingtes Fehlverhalten Ks. als zur betrieblichen Tätigkeit zugehörig erscheinen lassen könnten, seien nicht gegeben. Insbesondere sei nicht ersichtlich, daß es Ks. Bestreben entsprungen sei, pünktlich zur Arbeit zu gelangen.

Zwar könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß K. stark alkoholisiert gewesen sei. Nach den gesamten Umständen könne der Unfall aber wesentlich nur auf eine selbst geschaffene Gefahr oder eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit zurückgeführt werden. Jeder dieser Umstände schließe den UV-Schutz aus. Eine Wahlfeststellung für das Bestehen oder den Ausschluß von Leistungsansprüchen müsse auch für das Gebiet der gesetzlichen UV als zulässig angesehen werden. Da alleinige Ursache des Unfalls - sofern er nicht die Folge einer selbst geschaffenen Gefahrerhöhung gewesen sei - nur eine zumindest relative alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit gewesen sein könne und das Nichtbestehen von Anspruchsausschlußtatbeständen zu den Anspruchsvoraussetzungen gehöre, sei nicht entscheidend, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dem Versicherungsträger die Beweislast obliege, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerinnen haben dieses Rechtsmittel eingelegt und es im wesentlichen wie folgt begründet: Das Berufungsgericht habe trotz umfangreicher Beweisaufnahme keine sicheren Feststellungen treffen können, wie der Unfall zustande gekommen sei. Eine Wahlfeststellung sei unzulässig. Die Beweisaufnahme habe sichere Anhaltspunkte weder für die eine noch für die andere Feststellung ergeben. Die vom LSG zugrunde gelegten Umstände seien nicht derartig schwerwiegend, daß aus ihnen auf eine Alkoholbeeinflussung im Zeitpunkt des Unfalls geschlossen werden könne. Der vom Berufungsgericht an den Gesichtspunkt eines selbst geschaffenen Gefahrenbereichs angelegte Maßstab sei zu streng. Davon könne man nicht schon sprechen, wenn ein Kraftfahrer auf die Gegenfahrbahn der Autobahn gelange. Solche Fälle seien nicht so selten. Daraus, daß K. mehrere km auf der Gegenfahrbahn gefahren sei, könne noch nicht gefolgert werden, daß er dies vorsätzlich oder absichtlich getan habe. Entweder habe er die Tatsache nicht erkannt oder keinen anderen Ausweg gesehen als bis zum nächsten Durchlaß weiterzufahren. Ein Ausweichen nach links sei für ihn lebensgefährlich gewesen. Ein Anhalten möge ihm nicht richtig erschienen sein, da er habe versuchen wollen, die Gegenfahrbahn durch einen Durchlaß in der Mitte wieder zu verlassen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Klägerinnen beantragen,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, ihnen dem Grunde nach Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen UV wegen des Todes des Ehemannes der Klägerin zu 1) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revisionen sind nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat den inneren Zusammenhang des vom Ehemann der Klägerin zu 1) im Zeitpunkt des Unfalls zurückgelegten Weges mit der versicherten Tätigkeit verneint, obwohl K. sich damals mit seinem Pkw in Richtung auf seine Arbeitsstätte fortbewegt hat. K. ist tödlich verunglückt, als er eine Autobahn, auf der eine mittlere Verkehrsdichte herrschte, bei in Dunkelheit übergehender Dämmerung entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung befuhr und mit einem überholenden Pkw frontal zusammenstieß. Dabei hatte er vorher schon einen entgegenkommenden Pkw erheblich gefährdet, war aber - unter Nichtbeachtung der Warnzeichen eines anderen Kraftfahrers - trotzdem mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren. Eine Erklärung für dieses sich und andere Verkehrsteilnehmer in ungewöhnlichem Maße gefährdende Verhalten Ks. hat das LSG im Hinblick darauf, daß K. nur unter Nichtbeachtung gut sichtbarer Verkehrs- und Warnzeichen sowie Absperrungen und nicht etwa irrtümlich auf die Autobahn gelangt sein konnte, deren Benutzung ihm angesichts der von ihm gewählten Fahrtrichtung verboten war, allein darin zu erblicken vermocht, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) die äußerst gefährliche Verkehrssituation entweder aus freiem Willensentschluß oder infolge Enthemmung durch Trunkenheit in Kauf genommen hat. In dem einen wie in dem anderen Fall ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, ein Arbeitsunfall zu verneinen, da es an dem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit fehlt. Welcher von beiden Sachverhalten hier vorgelegen hat, hat das LSG trotz umfangreicher Beweisaufnahme nicht zu ermitteln vermocht. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils lassen allerdings erkennen, daß das Berufungsgericht aufgrund des Augenscheins sowie des Umstandes, daß K. dem Alkoholgenuß zugeneigt war, es für wahrscheinlicher hält, daß Trunkenheit für das außergewöhnliche verkehrswidrige Verhalten des Ehemannes der Klägerin zu 1) und den Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß K. im Zeitpunkt des Unfallereignisses infolge Trunkenheit jedenfalls relativ fahruntüchtig gewesen sei, hat die Revision nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Ihre Rüge, daß die nach Ansicht des LSG dafür sprechenden Umstände nicht derart zwingend seien, daß aus ihnen auf eine Alkoholbeeinflussung zu schließen sei, erschöpft sich in einer schlichten Gegenbehauptung. Sie genügt daher, da nicht dargetan ist, inwiefern das Berufungsgericht zu seinem Ergebnis auf verfahrensfehlerhafte Weise gelangt ist, nicht den Formerfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG. Bei dem festgestellten Sachverhalt hat das Berufungsgericht unbedenklich angenommen, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nach der Auffassung des täglichen Lebens die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen ist, so daß der UV-Schutz entfällt (BSG 12, 242, 246).

Das LSG hat ferner in Erwägung gezogen, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) die außerordentliche Gefahr, in die er sich - und damit zugleich andere Verkehrsteilnehmer - gebracht hat, bewußt auf sich genommen hat. Auch insoweit hat die Revision gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts keine formgerechte Verfahrensrüge erhoben, sondern lediglich ein anderes Ergebnis freier richterlicher Überzeugungsbildung für richtiger gehalten. Die Rüge einer - nach Meinung der Revision - unzutreffenden Beweiswürdigung ist für sich allein indessen nicht geeignet, einen wesentlichen Mangel des Verfahrens darzutun (BSG 2, 236, 237; SozR Nr. 34 zu § 128 SGG). Auch bei diesem Alternativtatbestand hat das LSG mit Recht den inneren Zusammenhang des von K. zurückgelegten Weges mit der versicherten Tätigkeit aus dem Gedanken der selbst geschaffenen Gefahrerhöhung verneint. Der erkennende Senat verwendet diesen Rechtsbegriff seit je her zwar nur mit größter Vorsicht. Nach dem für die gesetzliche UV maßgeblichen Begriff der rechtlich wesentlichen Ursache ist entscheidend, ob trotz der selbst geschaffenen Gefahr die Zurücklegung des Weges zur Arbeitsstätte eine Wesentliche Bedingung des Unfalls geblieben oder das Verhalten des Betreffenden in so hohem Grade vernunftwidrig war und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hat, daß der Weg zum Unternehmen nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen ist (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 15.8.1972, Band II S. 484 i ff mit umfangreichen Nachweisen). Das bewußte Befahren einer Autobahn, auf der eine mittlere Verkehrsdichte herrscht, entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung bei in Dunkelheit übergehender Dämmerung auf einer Strecke von 9 km mit unverminderter Geschwindigkeit kann indessen nur als in großem Maße vernunftwidrig bezeichnet werden (s. auch SozR Nr. 77 zu § 542 RVO aF). In diesem Fall ist für den Unfall des Ehemannes der Klägerin zu 1) sonach eine in dessen persönlichen Bereich fallende selbst geschaffene Gefahr ursächlich gewesen.

Die sich selbst in außergewöhnlichem Maße gefährdende Verhaltensweise des Ehemannes der Klägerin zu 1) ist für das Berufungsgericht nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel unter Würdigung der Persönlichkeit Ks. nach seiner freien richterlichen Überzeugungsbildung nur so zu erklären gewesen, daß dieser die Gefahr entweder bewußt auf sich genommen hat oder diese infolge Enthemmung durch Trunkenheit nicht richtig eingeschätzt hat. In dem einen wie dem anderen Fall handelt es sich um einen für das Revisionsgericht bindend festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG), bei dem die Voraussetzungen für die erhobenen Ansprüche auf Hinterbliebenenentschädigung nicht erfüllt sind. Eine solche aufgrund von Beweisschwierigkeiten manchmal nicht zu umgehende Alternativfeststellung von Tatsachen ist entgegen der Ansicht der Revision mit dem Verfahrensrecht der Sozialgerichtsbarkeit vereinbar (BSG 13, 51; SozR Nr. 26 zu § 41 VerwVG). Das Berufungsgericht ist Aufgrund dieser alternativen Feststellung mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben ist. Da das Berufungsgericht Trunkenheit als Unfallursache - wenn auch lediglich alternativ - festgestellt hat, ist hier die Frage, wer die Folgen der Nichterweislichkeit einer alkoholbedingten Unfallverursachung zu tragen hat (BSG 7, 249, 254; 13, 9, 12), nicht entscheidungsunerheblich(ähnlich BSG 30, 121, 124).

Die Revisionen waren deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670499

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