Leitsatz (amtlich)
1. Das FRG findet im Rahmen des SVVtr YUG vom 1956-03-10 nur - subsidiär - Anwendung, soweit der Vertrag oder das ihn ergänzende SVVtrYUGVtrG vom 1958-06-25 keine Regelung enthält.
2. Der deutsche Rentenversicherungsträger hat vom jugoslawischen Träger mit den Daten ihres jeweiligen Beginns und Endes mitgeteilte ursprünglich jugoslawische Versicherungszeiten, die auf die deutsche RV übergegangen sind, ohne Kürzung um ein Sechstel anzurechnen (Anschluß an und Fortführung von BSG 1970-02-27 12 RJ 62/69 = BSGE 31, 54).
Normenkette
FRG § 19 Abs. 2 Fassung: 1965-06-09; SVVtr YUG Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1956-03-10, Art. 2 Fassung: 1956-03-10; SVVtrYUGVtrG Art. 2 Fassung: 1958-06-25, Art. 5 Fassung: 1958-06-25, Art. 3 Fassung: 1960-02-25
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 02.12.1975; Aktenzeichen L 16 Ar 571/74) |
SG Landshut (Entscheidung vom 24.10.1974; Aktenzeichen S 3 Ar 17/73 Ju) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 1975 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob vom jugoslawischen Versicherungsträger mitgeteilte Versicherungszeiten, die auf die deutsche Rentenversicherung übergegangen sind, ohne Kürzung um ein Sechstel angerechnet werden müssen.
Der 1905 geborene Kläger ist volksdeutscher Vertriebener aus Jugoslawien; er hält sich seit 1944 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 2. Februar 1971 Altersruhegeld; hierbei legte sie die Beschäftigungszeiten, die in dem im März 1940 ausgestellten jugoslawischen Arbeitsbuch bescheinigt sind, unter Kürzung auf fünf Sechstel zugrunde. Danach übersandte die Republikanische Sozialversicherungsanstalt Sarajewo eine Bescheinigung vom 1. März 1971, mit der sie aus ihrer Mitgliedskartei bestätigte, daß der Kläger während folgender Zeiten sozialversichert gewesen sei:
1. Januar 1926 bis 15. März 1926
14. März 1927 bis 28. Juni 1929
1. Juli 1929 bis 30. August 1934
29. Oktober 1934 bis 14. März 1935
15. März 1935 bis 31. Mai 1940
1. Oktober 1940 bis 19. März 1941
2. Mai 1941 bis 15. Oktober 1942.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1971 nahm die Beklagte die zugesicherte Neufeststellung des Altersruhegeldes vor; hierbei kürzte sie die mitgeteilten Zeiten auf fünf Sechstel. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, die vom jugoslawischen Träger mitgeteilten Versicherungszeiten ungekürzt anzurechnen (Urteil vom 24. Oktober 1974). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Dezember 1975): Anzuwenden sei der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 - "Vertrag" - (BGBl 1958 II 170); dadurch seien die vom Kläger bis zum 1. Januar 1956 in der jugoslawischen Rentenversicherung erworbenen Ansprüche in die deutsche Versicherungslast gefallen. Da nach Art 3 des Zustimmungsgesetzes vom 25. Juni 1958 zum Vertrag - "Zustimmungsgesetz" - (BGBl 1958 II 168) das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz vom 25. Februar 1960 - FANG - (BGBl 1960 I 93) entsprechend gelte, müsse auch die Kürzungsvorschrift des § 19 Abs 2 Fremdrentengesetz (FRG) Anwendung finden. Die jugoslawischen Zeiten würden wegen der Übernahme in die deutsche Versicherungslast wie deutsche Versicherungszeiten behandelt, so daß die entsprechende Anwendbarkeit des FANG zur weitgehenden Gleichbehandlung mit echten Fremdrentenzeiten führe. Da hier die jugoslawischen Unterlagen keine Auskunft über Krankheitszeiten oder sonstige Arbeitsunterbrechungen gäben, sondern lediglich Beginn und Ende der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse festgehalten seien, komme nach BSGE 38, 80 die ungekürzte Anrechnung nicht in Betracht.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision trägt der Kläger vor, Art 1 Abs 1 des Vertrages regele den Übergang der Versicherungslasten und verdränge innerstaatliche Vorschriften, so daß auf Vertragszeiten das FRG keine Anwendung finden könne. Selbst wenn aber die Anwendung des § 19 Abs 2 FRG grundsätzlich möglich wäre, seien hier die Beschäftigungszeiten ungekürzt anzurechnen, weil die Auskunft des jugoslawischen Trägers den Nachweis dieser Zeiten erbringe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. Dezember 1975 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Oktober 1974 zurückzuweisen. |
Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie ist der Ansicht, die in Art 3 des Zustimmungsgesetzes zugelassene entsprechende Anwendung des FANG müsse auch hinsichtlich des Umfangs der anzurechnenden Zeiten gelten. Zu berücksichtigen sei, daß von den jugoslawischen Trägern überwiegend negative oder teilweise negative Mitteilungen eingingen. In diesen Fällen müsse ohne entsprechende Anwendung des FRG die Anrechnung von Vertragszeiten abgelehnt und könne nur eine Überprüfung nach §§ 15, 16 FRG (beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen) vorgenommen werden. Den jugo - slawischen Arbeitsbüchern komme kein voller Beweiswert zu; nach jugoslawischem Recht unterbrächen Krankheitszeiten das bestehende Arbeitsverhältnis nicht und seien daher ebenfalls Pensionsversicherungszeiten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das landessozialgerichtliche Urteil muß aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden; die erste Instanz hat zu Recht entschieden, daß die vom jugoslawischen Versicherungsträger mitgeteilten Versicherungszeiten ungekürzt anzurechnen sind.
Zutreffend ist das LSG von der Anwendung des Vertrags ausgegangen. Der Kläger - Deutscher iS des Grundgesetzes (GG) - hatte am Stichtag (1. Januar 1956) seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland; soweit ihm bis zu dem genannten Zeitpunkt "Anwartschaften und Ansprüche" aufgrund der in der jugoslawischen Sozialversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten (Beitrags- und Ersatzzeiten) erwachsen sind, hat diese der (zuständige) Träger der deutschen Rentenversicherung nach Maßgabe innerstaatlichen Rechts mit dem Inkrafttreten des Vertrags (29. November 1958, BGBl 1958 II 753) übernommen (Art 1 Abs 1 Buchst a, Art 2 Buchst a des Vertrags). Das am 1. September 1969 in Kraft getretene deutsch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl 1969 II 1438) hat im Grundsatz die Regelung über den Austausch der Versicherungslasten nicht geändert; gewisse Sonderbestimmungen hierzu berühren den Kläger nicht (vgl Art 2 des Abkommens, Nr 1 d und 12 a, c des Schlußprotokolls zum Abkommen).
Allerdings würde durch den Vertrag allein nur ein Teil der hier strittigen Zeiten erfaßt, weil nach jugoslawischem Recht vor September 1937, dem Zeitpunkt der Einführung der gesetzlichen Invalidenversicherung, zurückgelegte (Beschäftigungs-) Zeiten nur angerechnet werden, wenn der Versicherte am 15. Mai 1945 in Jugoslawien in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat (vgl Schwarz, Die Bedeutung des deutsch-jugoslawischen Vertrages über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung für die Rentenversicherungsträger, BArbBl 1960, 59, 63). Insofern stellt indessen das Zustimmungsgesetz, um insbesondere die Anwartschaften und Ansprüche der schon vorher aus Jugoslawien nach Deutschland übergesiedelten (vertriebenen) Deutschen nicht zu schmälern, in seinem Art 5 Abs 1 eine Fiktion insofern auf, als es genügen läßt, wenn die in Art 1 Abs 1 Buchst a des Vertrages genannten Deutschen Zeiten zurückgelegt haben, die nach jugoslawischem Recht Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellte Zeiten wären, falls diese Personen bis zum 1. Januar 1956 im Gebiet der Förderaktiven Volksrepublik Jugoslawien in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten.
Die Beklagte möchte dem Art 3 des Zustimmungsgesetzes idF des Art 5 FANG, wonach das FANG entsprechend gilt, entnehmen, die Kürzung auf fünf Sechstel gemäß § 19 Abs 2 FRG komme auch in Betracht, soweit der jugoslawische Träger Zeiten einer Beschäftigung bescheinige; sie folgert dies daraus, daß die jugoslawischen Beitragszeiten "im Hinblick auf die völlige Übernahme in die deutsche Versicherungslast wie deutsche Versicherungszeiten" zu behandeln seien und damit "die entsprechende Anwendbarkeit des FANG zwangsläufig zu einer weitgehenden Gleichbehandlung mit echten Fremdrentenzeiten" führe, so daß sowohl Anrechnungs- wie Berechnungsvorschriften des FRG herangezogen werden müßten. Das ist jedoch vom Ansatz her und in dieser allgemeinen Form nicht richtig.
Art 2 des Zustimmungsgesetzes definiert "innerstaatliches Recht" iS des Art 2 Buchst a des Vertrages als die im Bundesgebiet (einschl. Land Berlin) geltende Gesetzgebung über Sozialversicherung, soweit sie den Bestimmungen des Vertrags und des Zustimmungsgesetzes nicht entgegensteht. Damit wird verdeutlicht, daß - entsprechend allgemeinen Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts - die zwischenstaatliche Vertragsregelung einschließlich des sie ergänzenden Zustimmungsgesetzes sonstigem innerstaatlichen Recht vorgeht. Art 5 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes schreibt neben der erwähnten fiktiven Gleichstellung vor, jugoslawische Versicherungszeiten wie Versicherungszeiten anzurechnen, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden sind. Die "Vertragszeiten" (vgl BSGE 31, 54, 58 unter Hinweis auf Pöschl, Der deutsch-jugoslawische Vertrag und das Auslandsrentenrecht, SV 1965, 36, 37) sind also kraft weiterer Fiktion hinsichtlich ihrer Anrechnung Bundesgebietszeiten gleichgestellt. Diese Systematik des Zustimmungsgesetzes macht deutlich, daß die von der jugoslawischen in die deutsche Versicherungslast übergegangenen Versicherungszeiten eine Sonderstellung einnehmen (vgl BSGE 31, 54, 58 und die dort zitierte Literatur), und zwar gleichviel, ob es sich ursprünglich um jugoslawische Beitragszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten handelte, oder ob nachträglich - aufgrund bis zum 1. Januar 1956 in Kraft getretener jugoslawischer Rechtsvorschriften - frühere beitragslose Beschäftigungszeiten als Versicherungszeiten gelten. Daraus folgt einmal, daß - wie auch LSG und Beklagte einräumen - für die Anrechnung der Vertragszeiten nicht die Voraussetzungen des § 1 FRG vorzuliegen brauchen (vgl BSGE 31, 54, 58), zum anderen aber auch, daß das nach Art 3 des Zustimmungsgesetzes entsprechend geltende FANG nur subsidiär, nämlich insoweit anwendbar ist, als Vertrag und Zustimmungsgesetz keine Regelung enthalten (vgl Koch/Hartmann/Schmidt/Klitscher, Das Angestelltenversichertengesetz, Teil VI, Stand August 1974, Anm zu Art 2 und 3 sowie Nr 6 zu Art 5 des Zustimmungsgesetzes).
Aus den Formulierungen des Zustimmungsgesetzes allein kann freilich noch nicht zwingend hergeleitet werden, ob und inwieweit § 19 Abs 2 FRG auf Vertragszeiten anwendbar ist. Das beruht in erster Linie darauf, daß der Vertrag und das Zustimmungsgesetz zur Zeit der Geltung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 - FAG - (BGBl 1953 I 848) ergangen sind, während § 19 Abs 2 FRG Jahre nach dem Vertrag sowie dem Zustimmungsgesetz entstanden und in Kraft getreten ist und keinen Vorgänger hat. Die Anrechnung nur glaubhaft gemachter (nicht nachgewiesener) Beitrags- und Beschäftigungszeiten zu fünf Sechsteln wirkt sich sowohl auf den Anspruchsgrund (Erfüllung der Wartezeit) als auch auf die Rentenberechnung (Zahl der anrechenbaren Versicherungsjahre) aus. Die in Art 5 des Zustimmungsgesetzes gebrauchte Formel ("werden wie Versicherungszeiten angerechnet, die in einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Bundesgebiet zurückgelegt worden sind") lehnt sich dagegen eng an den Wortlaut des § 4 Abs 1 Satz 1 letzter Satzteil FAG an, das in seinem § 6 iVm der 1. Durchführungsverordnung besondere Berechnungsvorschriften enthielt, die aber die Versicherungszeit nicht berührten, sich auf den Anspruch also nicht auswirken konnten. Deshalb gibt auch Art 10 des Zustimmungsgesetzes für die zu entscheidende Rechtsfrage keinen Aufschluß. Mit dieser Vorschrift wurde die Bundesregierung (ohne daß sie davon Gebrauch gemacht hat) ermächtigt, durch Rechtsverordnung in bestimmten Fällen Näheres über die Anrechnung zu bestimmen. Hier zeigt sich ebenfalls lediglich eine Parallele zum FAG; von Art 10 des Zustimmungsgesetzes entspricht Nr 1 dem § 4 Abs 1 Satz 4 FAG und Nr 2 dem § 6 Abs 1 Nr 3 FAG (Nr 3 berührt die vorliegende Rechtsfrage nicht).
Der Zusammenhang der Versicherungslastregelung im Vertrag (Art 1 Abs 1 Buchst a, Art 2 Buchst a) mit den in Art 2 und 5 des Zustimmungsgesetzes getroffenen Regelungen läßt jedoch - da das jugoslawische Sozialversicherungsrecht bezüglich Anspruchsvoraussetzungen sowie Art und Höhe der Leistungen vom deutschen Recht abweicht - den vom deutschen Gesetzgeber im Einklang mit dem Vertragswerk verfolgten Plan erkennen, nämlich zu gewährleisten, daß die Berechtigten durch den Übergang ihrer Ansprüche und Anwartschaften auf deutsche Rentenversicherungsträger nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie in Jugoslawien geblieben wären; die früheren jugoslawischen Zeiten oder nach dortigem Recht gleichgestellten Zeiten sollen mit allen Folgen und Auswirkungen wie deutsche Versicherungszeiten behandelt werden (vgl Schwarz, BArbBl 1960, 59, 63; anscheinend weniger weitgehend Pöschl, SV 1965, 36, 37 und das dort gegebene Beispiel). Einen zusätzlichen Hinweis bietet das Zustimmungsgesetz selbst, indem es in Art 5 Abs 2 vorschreibt, daß die Wartezeit auch erfüllt ist, wenn die nach jugoslawischem Recht für den Erwerb des Leistungsanspruchs vorgeschriebene Mindestbeitragszeit zurückgelegt worden ist. Auch wenn damit lediglich eine Sonderregelung für einen bestimmten Tatbestand, der dem Gesetzgeber besonders schutzwürdig erschienen sein mag, getroffen wurde, bleibt doch der gesetzgeberische Plan erkennbar, die in Jugoslawien erworbenen Ansprüche und Anwartschaften ungeschmälert bestehen zu lassen.
Aus vorgenannten Gründen kann nach der Ansicht des Senats die Kürzungsvorschrift des § 19 Abs 2 FRG jedenfalls dann keine Anwendung finden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der jugoslawische Träger Versicherungszeiten (Beschäftigungszeiten), die nach dem jugoslawischen Recht vom 1. Januar 1956 anrechenbar wären, mitgeteilt hat und wenn die Zeiten aufgeschlüsselt (zB auf den jeweiligen Arbeitgeber bezogen) sowie deren Beginns- und Enddaten genau (kalendertäglich) angegeben sind.
Die Argumentation des LSG und der Beklagten, es sei nicht auszuschließen, daß der Kläger während der bescheinigten Beschäftigungszeiten auch Krankheitszeiten zurückgelegt habe, zumal nach jugoslawischem Recht Krankheitszeiten das bestehende Arbeitsverhältnis nicht unterbrächen, vielmehr alle in einem regulären Arbeitsverhältnis in Jugoslawien zurückgelegten Zeiten als Pensionsversicherungszeiten anzurechnen seien, berücksichtigt nicht das Wesen und die Eigenart der Vertragszeiten. Diese werden, so wie sie das jugoslawische Recht nach dem Stande vom 1. Januar 1956 beurteilt, in die deutsche Versicherungslast übernommen. Wenn nach jugoslawischem Recht zB eine Beschäftigungszeit vor September 1937 als Beitragszeit auch insoweit gilt, als während eines Arbeitsverhältnisses Krankheitszeiten zurückgelegt wurden, dann ist diese Zeit insgesamt auf die deutsche Rentenversicherung als Beitragszeit übergegangen (Art 5 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes); es besteht nicht die Möglichkeit, sie in eine Beitragszeit und eine Ausfallzeit zu zerlegen. Andernfalls müßte im Ergebnis jugoslawisches Recht angewandt und bei manchen Zeiten im einzelnen untersucht werden, ob während einer Krankheitszeit (auch) Pensionsbeiträge gezahlt oder nur Geldleistungen aus der Gesundheitsversicherung (Krankenversicherung) bezogen worden sind. Deshalb kann hier auch nicht § 19 Abs 2 FRG Platz greifen; die uneingeschränkte Übernahmeregelung des Vertrags steht einer Übernahme der jugoslawischen Anwartschaften und Ansprüche in die deutsche Rentenversicherung zu nur fünf Sechsteln entgegen.
Gewisse Parallelen zu den im vorliegenden Fall hinsichtlich der Beurteilung von Vertragszeiten auftretenden Fragen finden sich - bei aller gebotenen Vorsicht, verschiedene sozialversicherungsrechtliche Vertragswerke zu vergleichen - im deutschpolnischen Abkommen vom 9. Oktober 1975 (BGBl 1976 II 396). Nach dessen Art 4 werden Renten der Rentenversicherung vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, nach den für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt (Abs 1). Dieser Träger "berücksichtigt bei Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären" (Abs 2). Die Regelung ähnelt Art 5 des Zustimmungsgesetzes (zum deutsch-jugoslawischen Vertrag) insofern, als sie zweiseitig etwa das beinhaltet, was einseitig, nämlich nur auf die deutsche Rente bezogen, in Art 5 des Zustimmungsgesetzes normiert wurde. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang Art 2 des Zustimmungsgesetzes zum deutsch-polnischen Vertrag vom 12. März 1976 (BGBl II 393), wo es in Abs 1 heißt: "Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, sind gemäß Art 4 Abs 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes ... zu berücksichtigen, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt". Dies bedeutet, daß insoweit die Kürzungsvorschrift des § 19 Abs 2 FRG ausgeschaltet ist (vgl Ludwig in DRV 1976, 219, 220). Dort ist demnach das Problem, Zeiten eines fremden Sozialversicherungssystems auf die deutsche Rentenversicherung zu übernehmen und zu übertragen, positiv damit gelöst worden, daß die Zeiten ihren Umfang behalten. Diese spätere Regelung legt nahe, im Verhältnis zu ursprünglich jugoslawischen Versicherungszeiten ebenso zu verfahren.
Sind hiernach die vom jugoslawischen Träger genau bezeichneten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten ungekürzt zu übernehmen, so bleibt für die entsprechende-subsidiäre-Anwendung des § 19 Abs 2 FRG dann Raum, wenn die Bescheinigungen der jugoslawischen Träger unvollständig oder mißverständlich sind und auch eine Rückfrage beim jugoslawischen Träger keine Klärung bringt (vgl Schreiben des BMA vom 27. Juni 1972 - VI/6 - 66 250 J 14, wo eine Kürzungsmöglichkeit nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung - VuVO - vom 3. März 1960 bejaht wird, während der Senat im Hinblick auf Art 3 des Zustimmungsgesetzes die entsprechende Anwendung des § 19 Abs 2 FRG für näherliegend hält, zumal auch die zu § 1256 Abs 3 RVO ergangene VuVO hier nicht direkt anwendbar wäre). Den Ausführungen der Beklagten, in den zahlenmäßig überwiegenden Fällen, in denen vom jugoslawischen Träger eine insgesamt oder teilweise negative Mitteilung eingehe, könne, falls man die Anwendung des § 19 Abs 2 FRG für Vertragszeiten ablehne, dann auch nur eine Überprüfung nach §§ 15 und 16 FRG - bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen - vorgenommen werden, vermag der Senat nicht zu folgen. Handelt es sich um Zeiten, die nach dem Vertrag und/oder Art 5 Abs 1 des Zustimmungsgesetzes auf die deutsche Rentenversicherung übergegangen sind, so ist aufgrund der subsidiären Anwendung des FANG und damit des § 19 Abs 2 FRG, der insoweit entsprechend gilt, die Kürzung möglich, sofern die Zeiten nicht nachgewiesen, wohl aber glaubhaft gemacht sind. Da es sich auch insoweit jedoch um Vertragszeiten handelt, brauchen die persönlichen Voraussetzungen des Fremdrentenrechts - etwa die Vertriebeneneigenschaft nach § 16 FRG - nicht vorzuliegen. Auch das folgt aus der - wie dargelegt - nur subsidiären Anwendung des FANG. Etwas anderes gilt lediglich für außervertragliche Zeiten; auf sie findet gegebenenfalls das FRG - unmittelbar - Anwendung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen