Orientierungssatz
Sind die Vorschriften des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes vom 27.6.1977 und des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom gleichen Tage insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar, als sie für die nach § 2 Abs 1 Nr 11 des AVG der Angestelltenversicherung auf Antrag beigetretenen Pflichtversicherten nicht das Recht vorsehen, die Pflichtversicherung wieder rückgängig zu machen oder zu beenden?
Normenkette
AVG § 2 Abs. 1 Nr. 11 Fassung: 1972-10-16; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 Fassung: 1972-10-16; RAG 20 Fassung: 1977-06-27; KVKG Fassung: 1977-06-27; GG Art. 2 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 3 Fassung: 1949-05-23, Art. 28 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seinen Beitritt zur Angestelltenversicherung wieder rückgängig machen kann. Er ist 1917 geboren und seit 1947 als Rechtsanwalt selbständig tätig. Nachdem das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 auch für Selbständige allgemein einen Beitritt zur Angestelltenversicherung als Pflichtversicherte zugelassen hatte (§ 2 Abs 1 Nr 11 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-), stellte der - bisher nicht versichert gewesene - Kläger im Dezember 1974 einen entsprechenden Antrag. Außerdem beantragte er im Dezember 1975, ihm die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach den - ebenfalls durch das RRG in Art 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) eingefügten - § 44a Abs 3 und § 49a Abs 1 zu gestatten; die Beiträge sollten für 41 Monate der Jahre 1940 bis 1945 sowie für 60 Monate der Jahre 1956 bis 1960 in Höhe von insgesamt 11.772,-- DM, zahlbar in mehreren Raten, nachentrichtet werden.
Die Beklagte entsprach beiden Anträgen mit Bescheiden vom 12. Mai 1975 und 7. Mai 1976. Für die Jahre 1975 und 1976 entrichtete der Kläger daraufhin Pflichtbeiträge, nach seinen Angaben in Höhe von 5.616,-- und 2.790,-- DM; freiwillige Beiträge hat er dagegen bisher nicht nachentrichtet.
Im Juli 1977 schrieb er der Beklagten, er fechte seine Erklärungen aus allen Rechtsgründen an und widerrufe sie; durch das Zwanzigste Rentenanpassungsgesetz (20. RAG) und das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG), beide vom 27. Juni 1977, seien wesentliche gesetzliche Grundlagen, die seinerzeit für seinen Beitritt zur Rentenversicherung entscheidend gewesen seien, insbesondere eine Krankenversicherung als Rentner und eine Anrechnung seiner Berufsausbildungszeit, geändert worden; die Versicherung sei deshalb für ihn zwecklos geworden, er wäre ihr nie beigetreten, wenn ihm die Möglichkeit der späteren Gesetzesänderungen vorher erkennbar gewesen wäre. Demgemäß forderte er die Beklagte auf, "die gegenseitigen Verpflichtungen zu stornieren" und ihm die bereits entrichteten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte behandelte das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen ihre Bescheide vom 12. Mai 1975 und 7. Mai 1976. Durch Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1977 wies sie den Widerspruch unter Hinweis auf die Bindungswirkung ihrer früheren Bescheide und die Unzulässigkeit einer Irrtumsanfechtung zurück.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Frankfurt/M vom 28. Februar 1979; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts -LSG- vom 27. November 1979). Nach Ansicht des LSG hat die Beklagte sich zu Recht auf die Bindungswirkung ihrer Bescheide berufen. Diese seien nicht nichtig und wegen Ablaufs der Anfechtungsfristen auch nicht mehr angreifbar. Eine nachträgliche Durchbrechung der Bindungswirkung sei nur auf gesetzlicher Grundlage möglich. Insoweit komme allein § 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Betracht, der aber eine Aufhebung von Bescheiden wegen Gesetzesänderungen nicht vorsehe. Eine wirksame Anfechtung würde im übrigen voraussetzen, daß Erklärungen des Klägers durch objektiv unrichtige Angaben der Verwaltung oder arglistige Täuschung herbeigeführt worden seien. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen, da die Beklagte bei Erlaß ihrer Bescheide von der späteren Rechtsänderung keine Kenntnis hätte haben können. Wenn den nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG der Angestelltenversicherung Beigetretenen wegen der durch das 20. RAG und das KVKG erfolgten Rechtsänderungen nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, aus der Versicherung unter Rückzahlung der entrichteten Beiträge wieder auszuscheiden, so sei dies mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere mit dem Rechtsstaatsprinzip, vereinbar. Bei diesen Änderungen habe sich der Gesetzgeber noch im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gehalten.
Mit der Revision hat der Kläger geltend gemacht, sein - durch einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt erfolgter - Beitritt sei im Kern ein auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag gewesen. Aus ihm folge eine strikte beiderseitige Bindung. Wenn aus Gründen des Gemeinwohls diese Bindung aufgehoben werden müsse, so entfalle damit auch seine Verpflichtung zur Gegenleistung. Entgegen der Ansicht des LSG sei die Möglichkeit zur Rücknahme oder Aufhebung eines Verwaltungsakts im geltenden Recht nicht erschöpfend geregelt. Verwaltungsakte müßten jedenfalls bei Vorliegen erheblicher Mängel rücknehmbar sein. Als ein solcher Mangel sei auch die Änderung der rechtlichen Verhältnisse anzusehen. Die im Jahre 1977 eingetretenen Rechtsänderungen würden sich in seinem Fall erheblich auswirken. Allein der Wegfall des Krankenversicherungsschutzes als Rentner würde ihn etwa in Höhe der zu erwartenden Rente belasten. Derart einschneidende Änderungen seien verfassungswidrig.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts
vom 27. November 1979 und des Sozialgerichts
Frankfurt/M vom 28. Februar 1979 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 12. Mai 1975 und den Widerspruchsbescheid
vom 11. Oktober 1977 aufzuheben und festzustellen,
daß er der Versichertengemeinschaft der Beklagten
nicht als Pflichtversicherter angehört, ferner:
die Beklagte zur Zahlung von
a) 5.616,-- DM Zug um Zug gegen Übergabe der
Beitragsmarken für 1975,
b) 2.790,-- DM aufgrund erfolgter Barzahlung
sowie
c) 375,18 DM Kosten des Rentenberechnungsdienstes
nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil und hält nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Eherechtsreformgesetz und zur Abwertung von Ausbildungs-Ausfallzeiten vom 28. Februar 1980 und vom 1. Juli 1981 die durch das 20. RAG und das KVKG erfolgten Einschränkungen der Rechte des Klägers nicht für verfassungswidrig.
Entscheidungsgründe
Der Kläger wendet sich im Revisionsverfahren nur noch gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 1975 und ihren Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1977. Die Klage gegen den Bescheid vom 7. Mai 1976, der ihn für berechtigt erklärt hat, freiwillige Beiträge in bestimmtem Umfange nachzuentrichten, verfolgt der Kläger nicht weiter, nachdem ihn der Senat darauf hingewiesen hat, daß eine - vom Kläger offenbar zunächst angenommene - Verpflichtung, die fraglichen Beiträge nachzuentrichten, nicht bestehe, daß er vielmehr von einer Nachentrichtung auch absehen könne.
In dem - weiterhin angefochtenen - Bescheid vom 12. Mai 1975 hat die Beklagte entsprechend einem Antrag des Klägers vom Dezember 1974 entschieden, daß für ihn nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG vom 1. Dezember 1974 an Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten für die Dauer der Selbständigkeit eingetreten ist. Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung dieser - im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Oktober 1977 bestätigten - Entscheidung sowie die Feststellung, daß er der Versichertengemeinschaft der Beklagten nicht als Pflichtversicherter angehöre, außerdem die Erstattung bestimmter inzwischen entrichteter Beiträge und aufgewendeter Kosten.
Diese Klage ist zulässig, obwohl der Kläger sein Aufhebungsbegehren nicht damit begründet hat, daß die Entscheidung der Beklagten im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen sei, sondern ihre Aufhebung nur deswegen verlangt, weil seine Rechtsposition durch spätere Gesetze verschlechtert worden sei. Richtig wäre es zwar gewesen, w enn die Beklagte dieses, erstmals im Juli 1977 erhobene Begehren des Klägers nicht als Widerspruch gegen ihren früheren Bescheid, sondern als einen - neuen - Antrag auf Aufhebung ihres Bescheides angesehen und erst nach dessen Ablehnung und nachfolgendem Widerspruch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt hätte. Wenn die Beklagte anders verfahren ist und den Aufhebungsantrag des Klägers vom Juli 1977 als "Widerspruch" gegen ihren früheren Bescheid behandelt hat, so ist dies jedoch im Ergebnis unschädlich. Denn das Aufhebungsbegehren des Klägers ist jedenfalls in zweiter Verwaltungsinstanz von dem zuständigen Ausschuß sachlich geprüft und in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid auch beschieden worden. Damit hat ein Widerspruchsverfahren als Voraussetzung für die Erhebung einer Klage stattgefunden, auch wenn ein auf den Aufhebungsantrag des Klägers vom Juli 1977 ergangener "erstinstanzlicher" Verwaltungsakt fehlt (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl, § 95 RdZiff 3).
Der Antrag des Klägers, die Entscheidung der Beklagten, daß er in der Angestelltenversicherung versicherungspflichtig sei, aufzuheben - vom Erfolg dieses Antrags hängt der Erfolg der übrigen Anträge des Klägers ab -, zielt der Sache nach in erster Linie auf Rückgängigmachung, dh auf rückwirkende Aufhebung seiner mit dem 1. Dezember 1974 eingetretenen Versicherungspflicht; er enthält zugleich - hilfsweise - das Begehren nach Beendigung der Versicherungspflicht von einem späteren Zeitpunkt an. Beide Ansprüche finden in Vorschriften des AVG oder sonstigen Vorschriften und Grundsätzen des einfachen Rechts keine Stütze.
Nach dem AVG endet eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 11 "mit dem Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für die Versicherung entfallen" (§ 2 Abs 2 Satz 3, 2. Halbsatz). Zu diesen Voraussetzungen gehört zunächst, daß nicht schon nach anderen Vorschriften Versicherungspflicht besteht (vgl dazu BSGE 49, 38), ferner, daß eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht nur vorübergehend ausgeübt wird. Entfällt eine dieser Voraussetzungen, indem entweder Versicherungspflicht nach anderen Vorschriften eintritt oder die selbständige Tätigkeit auf Dauer aufgegeben wird, so endet auch die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG. Ein früher vom Versicherungsträger erteilter Bescheid über den Eintritt der Versicherungspflicht (§ 2 Abs 2 Satz 2 AVG) ist dann mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (vgl § 48 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - -SGB 10- vom 18. August 1980, BGBl I 1469; zum Inkrafttreten dieser Vorschrift vgl Art 2 $ 40 Abs 2 des Gesetzes). Beim Kläger ist bisher keine der genannten Voraussetzungen entfallen; er ist nach wie vor als Rechtsanwalt selbständig tätig und nicht nach anderen Vorschriften versicherungspflichtig.
Die Entscheidung der Beklagten über die Versicherungspflicht des Klägers könnte, abgesehen vom nachträglichen Wegfall ihrer Voraussetzungen, auch dann aufzuheben sein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Eintritt von Anfang an nicht vorgelegen haben. Zu diesen Voraussetzungen gehört nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG außer den schon genannten, daß der zu versichernde Selbständige die Versicherung beantragt. Liegt ein solcher Antrag nicht vor, ergeht aber gleichwohl ein Bescheid des Versicherungsträgers über den Eintritt der Versicherungspflicht, so ist dieser Bescheid rechtswidrig, möglicherweise sogar nichtig (vgl dazu Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 15. Oktober 1981 - 5b/5 RJ 90/80 -). Das gilt auch, wenn ein zunächst gestellter Antrag später wirksam zurückgenommen wird. Dies kann indessen nur so lange geschehen, wie der Bescheid des Versicherungsträgers nicht unanfechtbar und damit bindend geworden ist (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 52. Nachtrag, S 621 f; Kommentar zum 4. und 5. Buch der RVO, herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, 19. Ergänzung, § 1227 RdZiff 49; enger RVO-Gesamtkommentar, 17. Lieferung, § 1227 Anm 19, und Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl, Anm 27: Rücknahme des Antrags nur bis zur Zustellung bzw bis zum Zugang des Bescheids; zur Rücknahme von Anträgen nach allgemeinem Verfahrensrecht vgl Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl, Vorbem 12 vor § 9 und RdZiff 33 ff zu § 22). Der streitige Bescheid der Beklagten vom 12. Mai 1975 war zu der Zeit, als der Kläger seinen im Dezember 1974 gestellten Versicherungsantrag widerrief und anfocht (Schriftsatz vom 5. Juli 1977), bereits unanfechtbar geworden; er konnte deshalb nicht mehr wirksam zurückgenommen werden. Auf diesem Wege kann der Kläger mithin eine Aufhebung des genannten Bescheids nicht erreichen. Eine Anfechtung seines Antrags wegen Irrtums würde im übrigen schon daran scheitern, daß er sich bei der Antragstellung nicht in einem Erklärungs-, sondern allenfalls in einem Motivirrtum befunden hat.
Der Kläger kann sein Aufhebungsbegehren auch nicht mit einem nachträglichen Wegfall der "Geschäftsgrundlage" für die von ihm beantragte Pflichtversicherung begründen. Entgegen seiner Ansicht ist der Versicherung nicht dadurch die Grundlage entzogen worden, daß sich das Recht, das zur Zeit seines Beitritts zur Versicherung galt, später in für ihn wesentlichen Beziehungen (Krankenversicherung der Rentner, Bewertung der Ausbildungszeiten bei der Berechnung der Rente) geändert hat. Zwar ist das im Zivilrecht entwickelte Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auch im öffentlichen Recht anwendbar. Fraglich ist jedoch schon, ob dies auch für solche Beziehungen gilt, in denen sich die Beteiligten nicht als gleichgeordnete Vertragspartner (vgl dazu § 59 SGB 10), sondern im Verhältnis der über- und Unterordnung gegenüberstehen. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, bliebe es zweifelhaft, ob auch ein Versicherungsverhältnis des öffentlichen Rechts - bei gebührender Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft - in seinem Fortbestand von Umständen der genannten Art, insbesondere von einer Weitergeltung des bisherigen Rechts, abhängig gemacht werden kann. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die dies zuläßt, kann dies jedenfalls nicht angenommen werden. Eine derartige Regelung fehlt aber für die Antragsversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 11 AVG.
Sie kann nach Ansicht des Senats auch nicht dem Gesamtzusammenhang des Sozialversicherungsrechts entnommen werden. Die einzige Vorschrift, die sich mit einer Beendigung der Antragsversicherung befaßt, ist die schon erwähnte Regelung in § 2 Abs 2 Satz 3 AVG. Sie sieht ein Ende der Versicherung nur bei einem (nachträglichen) Wegfall ihrer gesetzlich geforderten Voraussetzungen vor. Schon dies spricht dafür, daß der Versicherte daneben kein freies Austrittsrecht haben soll. Daß ein solches Recht in der Tat dem Willen des "Gesetzgebers" widersprechen würde, ergibt sich auch aus der parlamentarischen Entstehungsgeschichte der Antragsversicherung, die auf einen Gesetzentwurf der CDU/CSU zurückgeht (BT-Drucks VI/2153); danach soll "ein Austritt aus der durch den Antrag begründeten Pflichtversicherung nicht möglich (sein), solange vor dem Versicherungsfall die selbständige Erwerbstätigkeit weiterhin ausgeübt wird. Eine derartige Möglichkeit würde mit dem Grundsatz gleicher Rente und gleicher Pflichten aller Versicherten nicht in Einklang stehen" (aaO S 16 zu § 1 Nr 1 Buchst d).
Auch ein Vergleich mit anderen Vorschriften des Versicherungsrechts spricht gegen die Annahme eines freien "Austrittsrechts". In Betracht kommen vor allem Regelungen der Rentenversicherung, die - als Gegenstück zu der von einem Antrag abhängigen Begründung einer Versicherungspflicht - eine ebenfalls antragsgebundene Befreiung von ihr betreffen, und hier wiederum Bestimmungen, die den von der Versicherungspflicht befreiten Personen einen Wiedereintritt in die Versicherung durch Verzicht auf die Befreiung gestatten. Die Rechtsprechung hat bisher ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschriften einen solchen Wiedereintritt in die Versicherung durch Verzicht auf die Befreiung nicht zugelassen. Das gilt insbesondere für Angestellte, die vor 1968 wegen Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze der Angestelltenversicherungspflicht zunächst nicht unterlegen hatten, bei einer der verschiedenen Erhöhungen der Versicherungspflichtgrenze oder ihrem schließlichen Wegfall (1. Januar 1968) aber versicherungspflichtig geworden waren und sich daraufhin unter Abschluß einer privaten Befreiungsversicherung von der Versicherungspflicht hatten befreien lassen, nachträglich jedoch wieder in die gesetzliche Rentenversicherung zurückkehren wollten. Diese Möglichkeit ist ihnen vom Gesetzgeber jeweils nur in bestimmten Fällen und innerhalb bestimmter Fristen eröffnet worden (vgl Art 2 § 1 Abs 4 AnVNG, aber auch Art 2 § 5a AnVNG)*-. Daraus ist mit Recht gefolgert worden, daß die genannte Möglichkeit in anderen Fällen nicht gegeben ist (vgl Kommentar zum AVG von Koch/Hartmann/von Altrock/Fürst/Kaltenbach/Maier, 2. und 3. Aufl, Anm D III zu § 5 AVG, S V 80d). Auch soweit bestimmte Versorgungsempfänger, zB pensionierte Beamte, die sich nach Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von der Versicherungspflicht haben befreien lassen (§ 7 Abs 1 AVG), früher das Recht hatten, auf die Befreiung wieder zu verzichten (§ 7 Abs 6 AVG aF, aufgehoben durch Gesetz vom 3. Juni 1976, BGBl I 1373), ist eine analoge Anwendung dieser Regelung auf andere Gruppen von befreiten Personen, insbesondere auf die unter § 7 Abs 2 AVG fallenden, abgelehnt und auch eine verfassungskonforme Ausdehnung des § 7 Abs 6 AVG aF auf andere Fälle nicht zugelassen worden (vgl dazu BVerfGE 38, 41).
Ist hiernach das Aufhebungsbegehren des Klägers aus Vorschriften oder Grundsätzen des "einfachen" Rechts nicht zu begründen, so wäre seine Revision zurückzuweisen, es sei denn, das Fehlen entsprechender Vorschriften verstieße gegen übergeordnetes Verfassungsrecht. Dies ist nach Ansicht des Senats in der Tat der Fall.
Der Senat geht dabei mit dem BVerfG davon aus, daß die Vorschriften des 20. RAG über die Abwertung von Ausbildungs-Ausfallzeiten, deretwegen der Kläger ua seine Versicherung rückgängig machen will, als solche mit dem GG, insbesondere mit der Eigentumsgarantie des Art 14, vereinbar sind (Beschluß des BVerfG vom 1. Juli 1981, 1 BvR 874/77 ua; 1 BvL 33/80 ua). Der Senat ist weiter der Auffassung, daß auch die Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung und der damit in Zukunft verbundene Ausschluß bestimmter Personen von einer bisher beitragsfreien gesetzlichen Krankenversicherung sich noch im Rahmen der verfassungsrechtlich zulässigen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hält (der Senat verweist insoweit auf seine Äußerung gegenüber dem BVerfG vom Oktober 1980 in den Sachen 1 BvL 5/80 und 1 BvR 602/78). Nach dieser Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung sind ua Personen, die - wie der Kläger - seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950, bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens während der Hälfte der Zeit Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung waren, als Rentner grundsätzlich nicht mehr beitragsfrei pflichtversichert (§ 165 Abs 1 Nr 3 RVO nF); gleichzeitig ist ihnen allerdings, sofern ihr Gesamteinkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet, eine Versicherungsberechtigung in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeräumt worden (§ 176 Abs 1 Nr 9 RVO nf). Machen sie davon Gebrauch, so werden ihnen zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung (wie auch zu einer privaten Krankenversicherung) aus der Rentenversicherung Beitragszuschüsse in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Rente gewährt (§ 83e AVG idF des 20. RAG); daran wird sich auch nach der am 1. Januar 1983 in Kraft tretenden Neuregelung der Rentnerkrankenversicherung im Grundsatz nichts ändern (§ 83e Abs 1 Nr 2, Abs 2 AVG idF des RAG 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl I 1205, vgl dessen Art 3 Nr 6 iVm Art 20 Abs 2 Nr 4).
Für Antragsversicherte iS des § 2 Abs 1 Nr 11 AVG bedeuten diese Regelungen des 20. RAG und des KVKG, daß sie - sofern ihre Antragsversicherung bestehen bleibt - zwar weiterhin Beiträge in der gleichen, nach ihrem Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit bemessenen Höhe entrichten müssen, daß sie aber bei Eintritt des Versicherungsfalls unter Umständen erheblich geringere Leistungen erhalten werden, als sie im Zeitpunkt ihres Beitritts zur Rentenversicherung angenommen hatten. Soweit es sich um die Abwertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten handelt, ist der Eingriff in das Leistungsrecht allerdings durch das RAG 1982 für bestimmte Fälle während einer Übergangszeit gemildert worden (vgl § 12b AnVNG idF von Art 6 Nr 2 RAG 1982). Alle anderen durch das 20. RAG und das KVKG angeordneten Leistungseinschränkungen sind jedoch bestehen geblieben. Sie treffen vor allem diejenigen Antragsversicherten, die - wie der Kläger - erst in vorgeschrittenem Lebensalter der Versicherung beigetreten sind und - ihrem Einkommen entsprechend - hohe oder gar höchste Beiträge entrichtet haben. Selbst wenn sie bis zur Erreichung der Altersgrenze von 65 Jahren noch in der Lage sind, die für das Altersruhegeld erforderliche große Wartezeit von (180 Kalendermonaten =) 15 Jahren zurückzulegen (etwa mit Hilfe von Ersatzzeiten oder durch freiwillige Nachentrichtung von Beiträgen), könnte sich, sofern Ausbildungs-Ausfallzeiten anzurechnen sind (§ 36 Abs 1 Nr 4 AVG: bis zu 9 Jahren), durch die Abwertung der auf diese Ausfallzeiten entfallenden Werteinheiten die Rente um fast 20 % mindern. Die Rentenminderung würde noch wesentlich stärker ausfallen, wenn bis zum Eintritt des Versicherungsfalls (zB einer vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit) nur die kleine Wartezeit von (60 Kalendermonaten =) 5 Jahren zurückgelegt ist; sie würde dann bei einer Versicherungszeit von insgesamt 14 Jahren (5 Beitragsjahre und 9 Jahre Ausfallzeit) und bei einer Halbierung der auf 9/14 der Rente entfallenden Werteinheiten mehr als 30 % betragen. Rechnet man zu solchen Rentenminderungen noch die durch den Wegfall der beitragsfreien Rentnerkrankenversicherung entstehenden Nachteile hinzu, so können die durch das 20. RAG und das KVKG herbeigeführten Leistungsminderungen zusammen in besonders ungünstigen Fällen wirtschaftlich bis in die Nähe von 50 % der aus der Rentenversicherung zu gewährenden Leistungen kommen.
Da solchen Leistungsminderungen auf seiten der Versicherten unverändert hohe Beitragsverpflichtungen gegenüberständen, würde eine Regelung, die die Versicherten auch gegen ihren Willen an der von ihnen durch den freiwilligen Beitritt zur Rentenversicherung gewählten Sicherungsform festhielte, einen unter Umständen schwerwiegenden Eingriff in ihre persönliche Dispositionsfreiheit bedeuten. Dieser Eingriff könnte weit über die unmittelbaren Folgen der durch die genannten Gesetze bewirkten Leistungsminderungen hinausgehen, weil die Versicherten nunmehr gezwungen wären, ihre Versicherung mit zwar den gleichen Beiträgen wie bisher, aber erheblich eingeschränkten Leistungsanwartschaften fortzuführen, ohne daß sie ihre Alterssicherung auf andere Weise, etwa durch eine private Zusatzversicherung, aufstocken oder ergänzen könnten, sofern ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten durch die Weiterzahlung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erschöpft wären. In einem solchen Falle müßten sie sich dann mit einer aus ihrer Sicht unzureichenden, weil ihre Bedürfnisse nur teilweise deckenden Alterssicherung begnügen, während sie sich, wenn sie die unter anderen Voraussetzungen gewählte Rentenversicherung wieder beenden könnten, mit den dann frei werdenden Mitteln möglicherweise eine für sie wesentlich günstigere Alterssicherung verschaffen könnten. Daß ihnen diese Möglichkeit einer Umdisposition durch den Gesetzgeber, der durch seine Eingriffe in das Leistungsrecht erst den Anlaß zu solchen Überlegungen gegeben hat, nicht eingeräumt worden ist, hält der Senat mit den Freiheitsgrundrechten, insbesondere mit dem Grundrecht des Art 2 Abs 1 GG, aber auch mit allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht für vereinbar (die Frage, ob es verfassungsrechtlich berechtigt ist, die von der Abwertung der Ausbildungs-Ausfallzeiten Betroffenen an der Antragsversicherung "festzuhalten", ist in dem schon genannten Beschluß des BVerfG vom 1. Juli 1981 ausdrücklich offen gelassen worden).
Das Gesagte gilt um so mehr, als plausible oder gar überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses für die Versagung eines "Austrittsrechts" nicht erkennbar sind. Zwar soll, wie schon erwähnt, nach der Entstehungsgeschichte der Antrags-Pflichtversicherung ein "Austritt" aus ihr nicht möglich sein, solange die selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, weil dies mit dem Grundsatz gleicher Rechte und Pflichten aller Versicherten nicht in Einklang stünde. Diese Bemerkung kann sich aber - da gesetzliche Eingriffe in das Leistungsrecht, wie sie im Jahre 1977 vorgenommen wurden, seinerzeit kaum im Blickfeld des Gesetzgebers gelegen haben - nur auf Fälle beziehen, in denen der Austritt aus persönlichen Gründen, etwa wegen Verschlechterung der eigenen wirtschaftlichen Lage, erfolgen soll. Insoweit mag die Versagung eines Austrittsrechts in der Tat sinnvoll und geboten sein. Den Austritt jedoch einem Antragsversicherten auch dann zu versagen, wenn die Austrittsgründe nicht in seinem Einflußbereich liegen, sondern auf Rechtsänderungen und damit auf Eingriffen desselben Gesetzgebers beruhen, der die Beitrittsmöglichkeit erst geschaffen hat, erscheint dem Senat vom Standpunkt einer gerechten Ordnung nicht erträglich. Das muß jedenfalls insoweit gelten, als der Versichertengemeinschaft durch Zulassung des Wiederaustritts eines Antragsversicherten keine Nachteile entstehen. Eben dies kann aber durch geeignete Vorkehrungen sichergestellt werden. So könnte die Versicherung, solange Beiträge vom Versicherten noch nicht geleistet worden sind, ohne Schaden für die Versichertengemeinschaft von Anfang an rückgängig gemacht werden. Sind dagegen schon Beiträge entrichtet worden, so könnte eine Erstattungsregelung Platz greifen, wie sie etwa in § 82 AVG vorgesehen ist. Eine solche hatte auch der Gesetzgeber in einem aus seiner Sicht vergleichbaren Fall - bei der (später vom BVerfG für unzulässig erklärten) Beendigung einer freiwilligen Rentenversicherung von Ausländern (vgl BVerfGE 51, 356) - angeordnet (Art 2 § 26a AnVNG). Eine ähnliche Regelung hätte im Zusammenhang mit dem 20. RAG und dem KVKG getroffen werden können; bei einer die Grundrechte des einzelnen und den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz angemessen berücksichtigenden Interessenabwägung hätte der Gesetzgeber sie auch treffen müssen.
Ob die Zahl derjenigen Antragsversicherten erheblich sein wird, die bei Einräumung eines - möglicherweise zu befristenden - Austrittsrechts von diesem auch Gebrauch machen werden, mag dahinstehen. Ein großer, vielleicht der weit überwiegende Teil der Antragsversicherten wird trotz der verminderten Leistungsanwartschaften die gesetzliche Rentenversicherung wegen ihrer sonstigen Vorteile, vor allem wegen der günstigen Nachentrichtungsmöglichkeiten, nicht aufgeben wollen. Ihnen den Austritt jedoch schlechthin zu verwehren und die Austrittswilligen entgegen dem Prinzip der Wahlfreiheit, auf dem die Antragsversicherung - anders als sonst die Pflichtversicherung - beruht, zur Fortsetzung einer aus ihrer Sicht unzureichend oder unwirtschaftlich gewordenen Sicherung zu zwingen, ohne daß dafür überwiegende oder auch nur verständliche Gründe des öffentlichen Interesses zu erkennen sind, hält der Senat für unvereinbar mit Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3, 28 Abs 1 GG), möglicherweise auch mit Art 14 GG.
Da von der Entscheidung dieser Frage der Erfolg des Klagebegehrens abhängt, der Senat die Frage aber nicht selbst entscheiden kann, hat er sie nach Art 100 Abs 1 GG, § 80 des Gesetzes über das BVerfG diesem vorgelegt.
Fundstellen