Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge zur Rentenversicherung vom Krankengeld
Orientierungssatz
1. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 1385b Abs 1 S 2, als nach dieser Regelung auch solchen Versicherten Beiträge vom Krankengeld abgezogen werden, denen für die Beiträge eine Ausfallzeit nicht angerechnet wird, weil sie die Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO) nicht erfüllen.
2. Der Vorlagebeschluß wurde durch Beschluß vom 21.6.1990 - 12 RK 25/90 aufgehoben, da nach Verkündung des RRG 1992 vom 18.12.1989 die Anrechnung und Bewertung von beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten neu geregelt worden ist. Der Aufhebungsbeschluß ist nicht gesondert dokumentiert.
Normenkette
RVO § 1385b Abs 1 S 2 Fassung: 1983-12-22; GG Art 3 Abs 1; RVO § 1259 Abs 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin gemäß § 1385b Abs 1 Satz 2 Halbs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen hat.
Die 1953 geborene Klägerin war arbeiterrenten- und krankenversicherungspflichtig beschäftigt und bei der beklagten Ersatzkasse, der sie schon vor der Aufnahme der Beschäftigung angehört hatte, gegen Krankheit versichert. Im Juli 1984 wurde sie arbeitsunfähig krank. Nach Ende der Lohnfortzahlung erhielt sie vom 11. September 1984 an Krankengeld in Höhe von 55,02 DM kalendertäglich. Davon behielt die Beklagte Versicherten-Anteile der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) ein (bis Ende 1984 in Höhe von täglich 5,09 + 1,27 = 6,36 DM, ab 1985 wegen Veränderung der Beitragssätze in Höhe von täglich 5,14 + 1,21 = 6,35 DM).
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin, ihr die einbehaltenen Beiträge auszuzahlen, mit Bescheid vom 16. Januar 1985 ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. März 1985).
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat die Klage nach Beiladung der Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg und der BA durch Urteil vom 18. September 1985 abgewiesen. Es hat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen eine Beitragserhebung von ihrem Krankengeld für unbegründet gehalten.
Die Klägerin hat gegen das Urteil die zugelassene Sprungrevision eingelegt und sie auf die Beiträge zur Rentenversicherung beschränkt. Daraufhin hat der Senat die Beiladung der BA aufgehoben.
Die Klägerin macht im wesentlichen geltend: Es sei verfassungswidrig, für Bezieher von Lohnersatzleistungen (hier: von Krankengeld) eine Beitragspflicht ohne Versicherungspflicht einzuführen. Denn damit habe der Gesetzgeber das von ihm selbst gewählte System durchbrochen, wonach in der Rentenversicherung die Beitragspflicht stets an eine Versicherungspflicht geknüpft sei. Ferner liege im Vergleich zu anderen Beitragszahlern eine Ungleichbehandlung vor. Derjenige, der vom Krankengeld Beiträge zu entrichten habe, könne damit - anders als Versicherungspflichtige mit den von ihnen zu tragenden Beiträgen - die Wartezeiten nicht erfüllen. Für ihn komme die Zeit der Arbeitsunfähigkeit nur als Ausfallzeit in Betracht. Deren Anrechnung hänge jedoch davon ab, daß die Halbbelegung des § 1259 Abs 3 RVO erfüllt sei. Dazu könne aber die Beitragsentrichtung vom Krankengeld nicht verhelfen, weil dessen Bezug keine Versicherungspflicht begründe. Bei Beginn des Krankengeldbezuges habe sie (die Klägerin) die Halbbelegung nicht erfüllt gehabt; es sei auch ungewiß, ob sie sie in Zukunft noch erfüllen könne. Da dem geforderten Beitrag demnach eine gesicherte Gegenleistung nicht entspreche, handele es sich in Wirklichkeit um eine Sonderabgabe. Mit ihr würden gerade die Bezieher von Krankengeld belegt, die bereits mit ihren Beiträgen vom Arbeitsentgelt die - ihrem Wesen nach beitragsfreien - Ausfallzeiten finanziert hätten.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des SG Reutlingen vom 18. September 1985 |
und den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1985 |
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März |
1985 hinsichtlich ihrer Beiträge zur Rentenversicherung |
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr diese |
Beiträge zu erstatten. |
Die Beklagte und die beigeladene LVA beantragen,
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die Revision zurückzuweisen. |
Sie halten die beanstandete Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz (GG).
Die Beklagte hat dem Senat auf Anfrage mitgeteilt, der Krankengeldbezug habe bis zum 27. August 1985 gedauert. Der Senat hat sich zur Prüfung, ob die beanstandete Regelung mit dem GG vereinbar ist, von der Beigeladenen den Versicherungsverlauf der Klägerin und eine Berechnung der Halbbelegung vorlegen lassen (Ausdrucke vom 21. Mai 1986, vom 10. Dezember 1986 und vom 11. Juni 1987). Danach hat die Klägerin die Halbbelegung bisher nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig. Die Entscheidung in der Sache hängt allein davon ab, ob die Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanstandete Beitragserhebung mit dem GG vereinbar ist.
Nach § 1385b Abs 1 RVO, der am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist (Haushaltsbegleitgesetz - HBegleitG- 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1532, Art 1 Nr 53 iVm Art 39 Abs 1), zahlen ua die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für Ausfallzeiten von Personen, die von ihnen Krankengeld beziehen, für die Zeit des Bezugs dieser Leistung Beiträge, wenn die Personen vor Beginn der Leistung zuletzt nach diesem Buch oder dem Handwerkerversicherungsgesetz pflichtversichert waren (Satz 1). Die Beiträge sind von den Beziehern des Krankengeldes, sofern es - wie im Falle der Klägerin - nicht in Höhe der Leistungen der BA zu zahlen ist, sowie von den Leistungsträgern je zur Hälfte zu tragen (Satz 2, 1. Halbs). Nach Satz 3 iVm § 1397 Abs 1 Satz 1 RVO müssen sich die Bezieher des Krankengeldes bei der Krankengeldzahlung ihren Beitragsanteil vom Krankengeld abziehen lassen.
Aufgrund dieser Vorschriften hat die beklagte Ersatzkasse für die Klägerin, die vor Beginn des Krankengeldes zuletzt in der Arbeiterrentenversicherung pflichtversichert war, Rentenversicherungsbeiträge an die zuständige LVA gezahlt und der Klägerin die Hälfte der Beiträge vom Krankengeld abgezogen. Dabei hat sie die Krankengeldbezugszeit als Ausfallzeit iS von § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO angesehen. Nach dieser Vorschrift, die wie § 1385b RVO am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist (HBegleitG 1984, Art 1 Nr 38 iVm Art 39 Abs 1), sind Ausfallzeiten Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit oder durch Maßnahmen zur Rehabilitation unterbrochen worden ist, wenn nach dem 31. Dezember 1983 für diese Zeiten oder einen Teil von ihnen ua Krankengeld bezogen worden ist.
Nach Feststellung des SG war die versicherungspflichtige Beschäftigung der Klägerin durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen, während der sie vom 11. September 1984 an Krankengeld bezogen hat, und zwar nach der Mitteilung der Beklagten bis zum 27. August 1985. Anschließend hat sie, wie sich aus dem Versicherungsverlauf ergibt, Leistungen der Arbeitslosenversicherung bezogen. Ihre mit einem Krankengeldbezug verbundene Arbeitsunfähigkeit hat somit nicht dazu geführt, daß sie aus dem Kreis der im Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer ausgeschieden ist. Es liegt hier also kein Fall vor, in dem mit der Arbeitsunfähigkeit zugleich dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, in dem mithin die versicherungspflichtige Beschäftigung nicht nur vorübergehend "unterbrochen" (§ 1259 Abs 1 Satz 1 RVO), sondern beendet worden ist und schon aus diesem Grunde eine Beitragspflicht nach § 1385b Abs 1 RVO ausscheidet (Urteil des Senats vom 19. Juni 1986 - 12 RK 7/86 - SozR 2200 § 1385b Nr 2). Die Zeit des Krankengeldbezuges vom 11. September 1984 bis zum 27. August 1985 ist bei der Klägerin vielmehr - außer der Zeit vom 1. bis 25. Januar 1985, für die der Versicherungsverlauf (wegen einer für 1984 nachgezahlten Urlaubsabgeltung) einen Pflichtbeitrag ausweist - eine Unterbrechungs- und damit Ausfallzeit iS der genannten Vorschriften. Das gilt auch, soweit einzelne Monate (September 1984, Januar 1985) nur teilweise mit einer Ausfallzeit, im übrigen mit einer Beitragszeit belegt sind. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Juni 1986 - 12 RK 54/85 - (BSGE 60, 134, 136 = SozR 2200 § 1385b Nr 1) näher ausgeführt. Die Klägerin hat hiernach durch ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und den Bezug von Krankengeld den Tatbestand einer Ausfallzeit iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO nF verwirklicht und damit zugleich die Voraussetzungen des § 1385b Abs 1 RVO erfüllt, so daß sie nach Satz 2 dieses Absatzes für die genannte Zeit an sich auch die auf sie entfallenden Beitragsanteile zur Rentenversicherung zu tragen hätte. Dieses zieht auch die Klägerin selbst nicht in Zweifel. Sie begründet ihr Begehren allein damit, daß die dargelegte gesetzliche Regelung verfassungswidrig sei. Dieser Auffassung stimmt der Senat für Fälle der vorliegenden Art zu. Er hat sich bereits in dem zuletzt genannten Urteil vom 19. Juni 1986 mit den verfassungsrechtlichen Bedenken befaßt, die gegen die Beitragspflicht von Krankengeldbeziehern vorgebracht worden sind. Dabei hat er nach Darstellung der Entwicklung der gesetzlichen Regelung und des Zusammenhangs, in dem sie zu sehen ist, ausgeführt, daß die Einführung einer Beitragspflicht ohne Versicherungspflicht zwar dem bisherigen System der Rentenversicherung widerspricht, dies allein aber einen Verfassungsverstoß nicht begründet.
Gegen die Regelung ist weiter vorgebracht worden, Krankengeldbezieher stünden hinsichtlich der Anrechenbarkeit und Bewertung der Krankengeldbezugszeiten im Leistungsfall schlechter als Arbeitnehmer, die sich einen entsprechenden Beitragsanteil vom Lohn abziehen lassen müßten; die Beiträge vom Krankengeld würden möglicherweise sogar nutzlos entrichtet. Mit diesem Vorbringen wird zwar die Verfassungswidrigkeit einer beitragsrechtlichen Regelung vornehmlich mit Nachteilen begründet, die im Versicherungsfall auf der Leistungsseite eintreten können. Bedenken, die gegen die Berücksichtigung eines solchen Vorbringens in einem Beitragsstreit an sich möglich sind, greifen aber nicht durch (so der Senat schon in BSGE 60, 134, 140). In der gesetzlichen Rentenversicherung kommt der Beitragsbezogenheit der Leistungen besondere Bedeutung zu, weil nach dem hier geltenden Versicherungsprinzip die geleisteten Beiträge den Erwerb von Rentenanwartschaften und die Rentenhöhe maßgeblich beeinflussen (vgl BVerfGE 63, 119, 126/127). Ebenso wie nach dieser Entscheidung des BVerfG Beitragszeiten nicht ausnahmslos von Ausfallzeiten verdrängt und damit bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben dürfen, ist es grundsätzlich nicht zulässig, von Versicherten Beiträge zu erheben, mit denen Rentenanwartschaften nicht erworben werden können. Wenn also solche Anwartschaften mit Beiträgen von Krankengeldbeziehern überhaupt nicht oder nur in wesentlich geringerem Maße als mit Beiträgen von sonstigen Versicherten, insbesondere von Lohnempfängern, begründet werden, so berührt dies auch die Berechtigung der Beitragserhebung und nicht allein das Leistungsrecht.
Nach Ansicht des Senats ist es mit Art 2 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) nicht vereinbar, daß Bezieher von Krankengeld Beiträge zur Rentenversicherung auch dann zu tragen haben, wenn die Voraussetzungen für die Anrechnung der Krankengeldbezugszeit als einer Ausfallzeit gemäß § 1259 Abs 3 RVO von ihnen nicht mehr erfüllt werden können, so daß die Nutzlosigkeit der Beiträge bereits feststeht. Das gleiche muß aber auch schon dann gelten, wenn die genannten Voraussetzungen bisher nicht erfüllt sind und unsicher ist, ob sie in Zukunft noch erfüllt werden.
Bei den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, die Beiträge vom Arbeitsentgelt entrichten, und den beitragspflichtigen Krankengeldbeziehern handelt es sich zwar nicht um zwei voneinander abgegrenzte Gruppen mit bestimmten unveränderlichen Merkmalen; jedoch werden solche Versicherte benachteiligt, deren entgeltliche Beschäftigung häufiger oder länger durch Zeiten des Krankengeldbezuges unterbrochen werden (BSGE 60, 134, 140). Rechtlich unterscheiden sich die Beiträge vom Arbeitsentgelt von den hier umstrittenen Beiträgen vor allem in ihrer Anrechenbarkeit im Leistungsrecht, wie der Senat aaO S 141 weiter ausgeführt hat. Die nach § 1227 Abs 1 Nr 1 RVO versicherungspflichtigen Arbeiter erwerben durch die Beitragsentrichtung vollwertige Versicherungszeiten. Diese werden auf die Wartezeiten für Rentenansprüche angerechnet (§§ 1246 Abs 3, 1247 Abs 3, 1248 Abs 7, jeweils iVm § 1249 Satz 1 und § 1250 Abs 1 Buchst a RVO); sie zählen bei Bewilligung einer Rente als anrechnungsfähige Versicherungszeiten (§ 1258 Abs 1 RVO) und werden schließlich auch dann berücksichtigt, wenn nach dem Gesetz - ggfs innerhalb von Rahmenfristen - für eine bestimmte Zeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung von bestimmter Dauer ausgeübt sein muß und darüber hinaus Beiträge hierfür entrichtet worden sein müssen (§ 1236 Abs 1a RVO; § 1246 Abs 2a RVO, angefügt durch Art 1 Nr 32 Buchst b HBegleitG 1984; § 1248 Abs 2 Satz 2 RVO; § 1248 Abs 3 RVO; § 1259 Abs 3 RVO; § 1260 Abs 1 Satz 2 RVO; Art 2 § 55a Abs 1 Satz 1 ArVNG).
Reichen nun die Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit Entrichtung von Pflichtbeiträgen ihrer Dauer nach nicht aus, um die Voraussetzungen aller genannten Vorschriften zu erfüllen, so wird doch mit Pflichtbeiträgen häufig eine Wartezeit von 60 Monaten erreicht und damit der Erwerb eines Rentenanspruchs überhaupt gesichert sein. Ist auch dieses nicht der Fall, kann wenigstens die für den Erwerb eines Rentenanspruchs erforderliche Mindestversicherungszeit von 60 Monaten durch die - zusätzliche - Entrichtung freiwilliger Beiträge erreicht werden. Diese Möglichkeit haben wegen des heute weit gezogenen Kreises der zur freiwilligen Versicherung Berechtigten (§ 1233 RVO) fast alle Versicherten.
Demgegenüber sind Zeiten, für die Krankengeldbezieher Beiträge nach § 1385b RVO entrichten, nicht auf die Wartezeit anzurechnen (§ 1249 Satz 1 iVm § 1250 Abs 1 Buchst a RVO idF des Art 1 Nr 35 HBegleitG 1984). Mit ihnen können, da während des Krankengeldbezuges keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird, auch wartezeitähnliche Tatbestände nicht erfüllt werden, die die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von gewisser Dauer verlangen. Die genannten Zeiten können bei der Rentenberechnung nur als Ausfallzeiten berücksichtigt werden (§ 1258 Abs 1 iVm § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b RVO). Dazu müssen die Krankengeldbezieher zunächst mit geeigneten Zeiten (außerhalb des Krankengeldbezuges) einen Rentenanspruch erwerben und zusätzlich für die Anrechnung der Krankengeldbezugszeit als Ausfallzeit die Voraussetzungen des § 1259 Abs 3 RVO erfüllen. Nach dessen Satz 1 Halbs 1 werden Ausfallzeiten nur angerechnet, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist (Halbbelegung). Bei der Ermittlung der Anzahl der Kalendermonate vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles bleiben nach § 1259 Abs 3 Satz 2 RVO die auf die Zeit nach Eintritt in die Versicherung entfallenden Ersatzzeiten, Zeiten der Kindererziehung vor dem 1. Januar 1986, Ausfallzeiten nach § 1259 Abs 1 Nr 1 bis 4 RVO, die gesamte Ausfallzeit nach Art 2 § 14 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) und Zeiten des Rentenbezuges unberücksichtigt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1259 Abs 3 RVO nicht erfüllt sind. Damit verkürzt sich zwar der Zeitraum, für den die Halbbelegung erfüllt sein muß, auch um die Zeit des Krankengeldbezuges. Da während des Krankengeldbezuges aber keine Versicherungspflicht besteht, kann in dieser Zeit trotz der zu entrichtenden Beiträge die Erfüllung der Mindestzeit von 60 Monaten (iS des § 1259 Abs 3 Satz 1 RVO) und der Halbbelegung nicht gefördert werden, auch sind dazu freiwillige Beiträge nicht geeignet, weil § 1259 Abs 3 Satz 1 RVO Pflichtbeiträge verlangt.
Trotz dieser ungleichen Auswirkungen der vom Arbeitsentgelt und vom Krankengeld entrichteten Beiträge hat der Senat die beanstandete Beitragserhebung als vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen, wenn die Halbbelegung des § 1259 Abs 3 RVO (und die dort genannte Mindestzeit von 60 Monaten) bereits unverlierbar, dh für alle in Betracht kommenden Versicherungsfälle erfüllt war. Denn dann steht bereits fest, daß der jetzt beitragspflichtige Krankengeldbezieher die Zeit des Krankengeldbezuges im Versicherungsfall als Ausfallzeit angerechnet bekommt. Dann ist die Beitragsentrichtung vom Krankengeld nicht nutzlos und in der Regel sogar günstiger als die Anrechnung einer Beitragszeit. Dieses ist in drei (im wesentlichen gleichlautenden) Urteilen vom 19. Juni 1986 (12 RK 54/85 = BSGE 60, 134, besonders 143 f; ferner 12 RK 53/85 und 12 RK 56/85) näher dargelegt, die Kläger mit unverlierbar erfüllter Halbbelegung betrafen. In gleicher Weise war ein Fall zu beurteilen, in dem die Halbbelegung derzeit erfüllt und ihre Erfüllung auch bei jedem denkbaren künftigen Versicherungsverlauf nicht ernstlich zweifelhaft war (Urteil des Senats vom 19. Juni 1986 - 12 RK 60/85 -).
Andererseits hat es der Senat schon in den genannten Entscheidungen (vgl BSG 60, 134, 144) als verfassungsrechtlich nicht unbedenklich bezeichnet, Beiträge vom Krankengeld auch dann zu erheben, wenn bereits feststeht, daß die entsprechende Zeit der Arbeitsunfähigkeit als Ausfallzeit nicht angerechnet werden kann, weil die Halbbelegung nicht mehr erfüllt werden kann; dies gelte uU auch dann schon, wenn ihre Erfüllung ernstlich zweifelhaft sei. Fälle dieser Art könnten vor allem bei Arbeitnehmerinnen auftreten, die nach ihrer Heirat zunächst für längere Zeit aus dem Berufsleben ausgeschieden seien; würden ihnen nach späterer Wiederaufnahme einer Beschäftigung Beiträge vom Krankengeld abgezogen, so wären diese bei Nichtanrechnung einer Ausfallzeit mangels Halbbelegung für sie "nutzlos" und würden in der Regel auch nicht erstattet. Nach erneuter Prüfung hält der Senat diese Bedenken für durchgreifend, und zwar nicht erst, wenn feststeht, daß die Halbbelegung nicht mehr erfüllt werden kann. Vielmehr ist die Beitragserhebung schon dann mit dem Grundgesetz nicht mehr vereinbar, wenn die Halbbelegung mit Pflichtbeiträgen (für mindestens 60 Monate) derzeit nicht erfüllt und unsicher ist, ob sie noch erfüllt wird. So ist es aber bei der Klägerin des vorliegenden Verfahrens.
Nach ihrem Versicherungsverlauf hat die Klägerin mit Beitragszeiten und Zeiten, die ihr aufgrund eines Versorgungsausgleichs nach § 1304a Abs 5 RVO anzurechnen sind, die Wartezeit von 60 Monaten (§ 1246 Abs 3, § 1247 Abs 3 Satz 1 Buchst a, § 1248 Abs 7 Satz 1, 3 RVO) erfüllt, nicht jedoch die Halbbelegung des § 1259 Abs 3 RVO. Sie ist im Jahre 1953 geboren und im September 1970 in die Rentenversicherung eingetreten. Der Zeitraum von dem auf den Eintritt folgenden Monat (Oktober 1970) bis einschließlich September 1984 (Beginn des Krankengeldbezuges) umfaßt 168 Monate (= 14 Jahre). Davon sind an Kindererziehungs- und Ausfallzeiten 32 Monate abzuziehen, so daß ein Zeitraum von 136 Monaten verbleibt, der mindestens zur Hälfte, also zu 68 Monaten, mit Pflichtbeiträgen belegt sein müßte. Die Klägerin hatte aber nur 53 Pflichtbeiträge aufzuweisen und damit bei Beginn des Krankengeldbezuges die Halbbelegung und außerdem die erforderliche Mindestzeit von 60 Monaten iS des § 1259 Abs 3 Satz 1 RVO verfehlt. Gleiches gilt, wenn die weitere Entwicklung mit zu berücksichtigen sein sollte. Der Versicherungsverlauf vom 11. Juni 1987 weist für die Zeit seit September 1984 nur noch einen Pflichtbeitrag für Januar 1985 auf, der auf der Beitragsentrichtung für eine Urlaubsabgeltung beruht. Im übrigen sind nur Krankheitszeiten und Zeiten des Leistungsbezuges aus der Arbeitslosenversicherung aufgeführt, die zwar den Halbbelegungszeitraum nicht verlängern, aber auch die Halbbelegung nicht fördern. Um diese zu erfüllen, wären nach dem neuesten Versicherungsverlauf statt der nunmehr vorhandenen 54 Pflichtbeiträge 68 erforderlich. Die Klägerin müßte, auch wenn sich der Halbbelegungszeitraum bis zum Eintritt eines Versicherungsfalles nur noch um Pflichtbeitragszeiten verlängern würde, für den doppelten Verlängerungszeitraum, dh für 28 Monate Pflichtbeiträge entrichten, um den Rückstand in der Halbbelegung auch nur aufzuholen. Ob sie hierzu in der Lage sein wird, ist trotz ihres Alters von heute erst 34 Jahren angesichts ihres neuesten Versicherungsverlaufs (54 Pflichtbeiträge in 197 Monaten) unsicher. Wegen der aufgetretenen längeren Krankheitszeiten ist auch der vorzeitige Eintritt eines Versicherungsfalles nicht auszuschließen. Da die Klägerin zu den zur freiwilligen Versicherung Berechtigten (§ 1233 RVO) gehört und es äußerst unwahrscheinlich ist, daß sie aus diesem Personenkreis einmal ausscheiden könnte, kommt für sie auch eine spätere Erstattung von Beiträgen nach § 1303 Abs 1, 8 RVO nahezu mit Sicherheit nicht in Betracht. Die Beitragsanteile, die der Klägerin vom Krankengeld einbehalten worden sind, und deren Nutzlosigkeit und Verlust daher nach dem derzeitigen Stand zu befürchten ist, belaufen sich bei einem Krankengeld von kalendertäglich 55,02 DM auf gut 150 DM im Monat, für die gesamte Krankengeldbezugszeit (11. September 1984 bis 27. August 1985) auf rund 1.800 DM.
Die Fälle, in denen Krankengeldbezieher durch die Belastung mit Rentenversicherungsbeiträgen aus den genannten Gründen benachteiligt werden, sind weder von ihrer Zahl noch von der Höhe des bereits feststehenden oder drohenden Nachteils her gesehen so gering, daß sie vernachlässigt werden könnten. Die Voraussetzungen des § 1259 Abs 3 RVO werden zwar, vor allem in der Rentenversicherung der Arbeiter, von einem hohen Anteil der Versicherten erfüllt werden. Es gibt jedoch - sonst wäre auch das Erfordernis des § 1259 Abs 3 RVO unverständlich - nicht wenige Versicherte, die die Halbbelegung verfehlen, so wenn - wie bei Frauen - die versicherungspflichtige Beschäftigung wegen Heirat und Kindererziehung für längere Zeit unterbrochen war. Wegen der Höhe des Krankengeldes, das heute in der Regel den Nettolohn erreicht, der Höhe des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und damit auch der Höhe des vom Krankengeldbezieher zu tragenden Beitragsanteils fallen die Beiträge selbst bei kürzerer Krankengeldbezugszeit ins Gewicht. Ein längerer Krankengeldbezug wie bei der Klägerin kommt zwar seltener vor, doch steigt bei ihm infolge seiner Dauer auch die gesamte Beitragssumme, die mit dem Risiko der Nutzlosigkeit behaftet ist.
Einen hinreichenden Grund für die beanstandete Regelung sieht der Senat nicht. Der Gesetzgeber war nicht gehindert, das Krankengeld als Lohnersatzleistung ebenso beitragspflichtig zu machen wie das Arbeitsentgelt. Er konnte sich aus den bereits in BSGE 60, 134, 142 ff dargelegten Gründen auch dazu entschließen, die Krankengeldbezugszeit gleichwohl nicht als Beitragszeit, sondern als Ausfallzeit zu behandeln. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit werden jedoch berührt, wenn in einem Rentensystem mit grundsätzlicher Beitrags- und Leistungsäquivalenz gerade bei Beziehern einer Sozialleistung (Krankengeld) im Rentenfall die Anrechnung der Bezugszeit als Ausfallzeit trotz dafür gezahlter Beiträge von einer weiteren Voraussetzung (Halbbelegung) abhängig gemacht wird, deren Erfüllung durch die Entrichtung der Beiträge vom Krankengeld nicht beeinflußt werden kann. Auch dieses kann indes noch hingenommen werden, wenn die Halbbelegung bereits unverlierbar erfüllt ist oder mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt wird und sich daher das Halbbelegungserfordernis praktisch nicht als Hindernis für die Anrechnung der Krankengeldbezugszeit als Ausfallzeit auswirkt. Ist die Halbbelegung dagegen schon endgültig verfehlt oder auch nur derzeit nicht erfüllt, ihre künftige Erfüllung aber unsicher, so zeigt sich die Bedenklichkeit der gesetzlichen Regelung, die vor allem darin liegt, daß einerseits mit den Beiträgen vom Krankengeld mangels Versicherungspflicht die Halbbelegung nicht erfüllt werden kann, andererseits diese Halbbelegung trotzdem Voraussetzung für die Anrechnung der Krankengeldbezugszeit als Ausfallzeit ist. Dieses Bedenken ist auch bereits bei Schaffung des § 1385b RVO gesehen worden, wenn es im Regierungsentwurf des HBegleitG 1984 dazu heißt: Die Anrechnung und Bewertung der beitragslosen und beitragsgeminderten Zeiten sollten mit dem Ziel größerer Beitragsbezogenheit bald neu geordnet werden; dabei sollten auch Unzuträglichkeiten beseitigt werden, die sich aus den geltenden Anrechnungsvoraussetzungen, insbesondere aus dem Erfordernis der sog Halbbelegung ergeben könnten (BT-Drucks 10/335, S 59). Die angekündigte Neuordnung ist bisher nicht erfolgt. Auch ist die beanstandete Regelung bisher nicht in anderer Weise korrigiert oder in ihren Auswirkungen gemildert worden. Der Senat hält daher ihre Anwendung in den erwähnten Fällen für verfassungswidrig.
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt von der Antwort auf die vorgelegte Frage ab: Ist die gesetzliche Regelung über die Beitragserhebung vom Krankengeld (§ 1385b Abs 1 Satz 2 RVO) auch bei Personen wie der Klägerin mit dem Grundgesetz vereinbar, muß ihre Revision zurückgewiesen werden. Im anderen Falle würde eine (teilweise) Nichtigerklärung der Vorschrift zu einem Erfolg der Revision führen. Aber auch wenn das BVerfG die Anwendung der Vorschrift auf Personen wie die Klägerin lediglich für unvereinbar mit dem GG erklären würde und dann der Gesetzgeber tätig werden müßte, bestünde für die Klägerin die Aussicht auf eine für sie günstigere Regelung. So könnte der Gesetzgeber bei einer Neuregelung das Halbbelegungserfordernis des § 1259 Abs 3 RVO überhaupt aufheben oder dies wenigstens für Ausfallzeiten tun, für die Beiträge verlangt werden, oder aber vorsehen, daß nutzlos entrichtete Beiträge für Ausfallzeiten erstattet werden, wenn es später nicht zu einer Anrechnung der Ausfallzeit kommt. Ob allerdings diese Lösungsmöglichkeiten allein schon eine Vorlage an das BVerfG zulassen würden, könnte fraglich sein. Denn die Klägerin müßte, auch wenn der Gesetzgeber eine Korrektur auf einem der genannten Wege vornehmen würde, die streitigen Beiträge zumindest einstweilen entrichten, so daß ihre Revision auch nach einer solchen Gesetzesänderung erfolglos bliebe. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber in den beanstandeten Fällen die Beitragspflicht als solche generell wieder beseitigt oder doch den betreffenden Krankengeldbeziehern die Möglichkeit eröffnet, die Beitragsentrichtung bis zur Erfüllung der Halbbelegung oder bis zum Eintritt des Versicherungsfalles aufzuschieben. Nach einer solchen Gesetzesänderung hätte die Revision Erfolg. Jedenfalls wegen dieser mit einer Vorlage an das BVerfG für die Klägerin verbundenen Chance ist die Vorlage eine andere Entscheidung als die Zurückverweisung der Revision im gegenwärtigen Zeitpunkt und deshalb die vorgelegte Rechtsfrage für den Senat entscheidungserheblich (vgl zuletzt BVerfGE 64, 158, 167/168; 68, 155, 169).
Fundstellen