Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung. Behörde. eigenhändige Unterschrift. Schriftlichkeit
Orientierungssatz
Entspricht die Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts nur mit der eigenhändigen Unterschrift des für ihren Inhalt Verantwortlichen der gesetzlichen Form oder genügt es, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk - mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels - versehen ist?
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 09.07.1976; Aktenzeichen L 3 J 173/75) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.06.1975; Aktenzeichen S 8 (14) J 212/74) |
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Die Sache wird dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung über die folgende Rechtsfrage vorgelegt:
Entspricht die Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt öffentlichen Rechts nur mit der eigenhändigen Unterschrift des für ihren Inhalt Verantwortlichen der gesetzlichen Form oder genügt es, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk - mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels - versehen ist?
Gründe
1. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat am 25. Juni 1975 die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) verurteilt, die fiktive Beitragszeit vom 1. Juni 1937 bis zum 26. Mai 1939 in vollem Umfang (sechs Sechstel) zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat durch Urteil vom 9. Juli 1976 die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die zugelassene Revision ist von der Beklagten eingelegt und innerhalb der bis 20. November 1976 verlängerten Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 17. November 1976 begründet worden. Dieser Schriftsatz ist wie folgt unterzeichnet:
gez. S (maschinenschriftlich)
Ltd. Verwaltungsdirektor
beglaubigt:
handschriftliche Unterschrift
(K)
Verwaltungsoberamtmann
Ein Stempel oder Siegel ist nicht beigefügt.
2. Für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision kommt es auf die Rechtsfrage an:
Ist die Revisionsbegründung auch ohne eigenhändige Unterschrift des für ihren Inhalt Verantwortlichen und ohne die Beifügung eines Dienstsiegels zum Beglaubigungsvermerk formrichtig?
Die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) muß schriftlich, dh durch einen mit einer Unterschrift versehenen Schriftsatz erfolgen.
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat für die Berufungsschrift (§ 151 Abs 1 SGG) entschieden, daß dem Erfordernis der "schriftlichen" Einlegung nur genügt sei, wenn das Schriftstück handschriftlich unterzeichnet sei, und daß die Beglaubigung nicht ausreiche (Urteil vom 11. April 1957 - 7 RAr 85/56 - BSGE 5, 110, 113). Der 2. Senat hat sich dem für die Revisionsbegründung angeschlossen (Beschluß vom 8. August 1957 - 2 RU 14/54 -, SozR Nr 26 zu § 164 SGG).
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und der Bundesfinanzhof (BFH) sind der Rechtsansicht, daß eine eigenhändige Unterzeichnung des für den Inhalt Verantwortlichen nicht erforderlich ist. Zwischen diesen obersten Gerichtshöfen besteht aber insofern eine Divergenz, als der Große Senat des BVerwG in den Gründen des Beschlusses vom 15. Juni 1959 - GrSen 1.58 - (BVerwGE 10, 1, 3) ausgeführt hat, es genüge ein handschriftlich unterzeichneter Beglaubigungsvermerk, gleichviel, ob mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels, während der BFH im Urteil vom 23. Mai 1975 - VI R 54/73 - (BFHE 116, 142, 145 = BStBl 75, 715) entschieden hat, eine Klage, die von der zur Erhebung befugten Person als Vertreter einer Behörde nicht eigenhändig unterschrieben worden sei, erfülle die Voraussetzungen der Schriftlichkeit nur, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem amtlich gesiegelten Beglaubigungsvermerk versehen sei, der von einem siegelführenden Beamten unterschrieben worden sei.
3. Der beschließende Senat will entscheiden, daß die Revisionsbegründung einer Körperschaft oder Anstalt öffentlichen Rechts nur mit der eigenhändigen Unterschrift des für ihren Inhalt Verantwortlichen der gesetzlichen Form entspricht und daß es nicht genügt, wenn der in Maschinenschrift wiedergegebene Name des Verfassers mit einem Beglaubigungsvermerk - mit oder ohne Beifügung eines Dienstsiegels - versehen ist. Damit würde er, wie ausgeführt, von Entscheidungen anderer oberster Gerichtshöfe abweichen. Deshalb war das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vorzulegen.
Fundstellen