Bei den Angehörigen freier Berufe werden Zusammenschlüsse immer häufiger. Neben der reinen Kooperation ist die Bürogemeinschaft der loseste Zusammenschluss. Anders als die mit ihr oft verwechselte Gemeinschaftspraxis bzw. Sozietät, in der sich mehrere freiberufliche Berufsträger zum Zwecke gemeinschaftlicher Ausübung der Praxis zusammenschließen, lässt die Praxis- oder Bürogemeinschaft die berufliche Selbstständigkeit der Beteiligten grundsätzlich unberührt.
Wirtschaftliche und sachliche Gründe
Aus Sicht der sich zusammenschließenden Anwälte sind u.a. folgende Gesichtspunkte interessant
- Auslastung- und Kostengesichtspunkte (technische Hilfsmittel, Bücher etc.) sowie
- Chance der besseren Personalauslastung,
- problemlose Urlaubs- und Krankheitsvertretung,
- zudem die Möglichkeit besserer eigener Spezialisierung,
- Austausch bei unterschiedlichem Fachwissen,
- klare Abgrenzung der mandatsbezogenen Zuständigkeiten, wenn jeder Berufsträger nur auf seinem speziellen Fachgebiet tätig wird.
- Nutzung von Synergieeffekten bei fachübergreifendem Beratungsbedarf,
- Prüfungsphase vor Eingehen einer Sozietät oder Übernahme des Anteils eines Gesellschafters.
Bürogemeinschaften haben den Vorteil, dass sie recht kurzfristig und problemlos beendet werden können. Bei einer Bürogemeinschaft besteht durch die berufliche Selbstständigkeit der Beteiligten aber auch grundsätzlich eine Konkurrenzsituation. Die Gefahr, dass ein Mandant nach einer Vertretung des eigentlichen Beraters oder aufgrund eines sonstigen Kontakts von dem anderen Berater betreut werden möchte, besteht daher immer. Wichtig ist es auch, verbindliche Regelungen dafür vorzusehen, wie bei allgemein an die Bürogemeinschaft herangetragenen Mandaten die Zuordnung unter den Mitgliedern der Bürogemeinschaft erfolgt.
DAV wirbt für Bildung von Kanzleinetzen für Anwälte
Beim Deutschen Anwaltstag 2022 war dies u. a. ein Thema. Kanzleinetze sind mehr als eine Bürogemeinschaft, bewahren aber auch die rechtliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit der einzelnen Kanzleien. Ziel eines Kanzleinetzes ist die Unterstützung und Förderung der eigenen Berufsausübung der einzelnen Kanzleien. Dazu sollte ein Gesellschaftsvertrag geschlossen werden.
BRAO-Reform und Berufsausübungsgesellschaften bzw. Bürogemeinschaften ab 1.8.2022
Die Möglichkeiten von Rechtsanwälten, sich mit anderen (freien) Berufen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden, werden wesentlich erweitert und erleichtert (s. § 59c Abs. 1 Nr. 4 BRAO). Neu ist der Begriff der Berufsausübungsgesellschaft (§ 59b BRAO), die nach § 59f BRAO grundsätzlich der Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer bedarf.
In § 59b Abs. 1 BRAO ist definiert, wann eine Berufsausübungsgesellschaft vorliegt. Danach muss diese der gemeinschaftlichen Ausübung des Berufs dienen. Die Definition einer Bürogemeinschaft findet sich in § 59q Abs. 1 BRAO. Die Bürogemeinschaft dient danach der gemeinschaftlichen Organisation der Berufstätigkeit der Gesellschafter unter gemeinschaftlicher Nutzung von Betriebsmitteln, sie tritt jedoch nicht selbst als Vertragspartner von rechtsanwaltlichen Mandatsverträgen auf.
Eine Bürogemeinschaft können ab 1.8.2022 Rechtsanwälte auch mit Personen eingehen, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, es sei denn, die Verbindung ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar und kann das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden. Eine Bürogemeinschaft kann insbesondere dann ausgeschlossen sein, wenn in der anderen Person ein Grund vorliegt, der bei einem Rechtsanwalt nach § 7 Nrn. 1, 2 oder 6 zur Versagung der Zulassung führen würde (§ 59 Abs. 2 BRAO).
Rechtlicher Hintergrund
Die Bürogemeinschaft ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Form einer Innengesellschaft im Verhältnis der Gemeinschaftsmitglieder zu ihren Mandanten, Außengesellschaft ist sie, wenn sie außerhalb von Mandatsverträgen als Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt.
Die Bürogemeinschaft als Innengesellschaft nimmt nach außen hin nicht am Rechtsverkehr teil. Sie ist kein eigener Rechtsträger und kann deshalb auch nicht Partei eines Prozesses sein.
Die Bürogemeinschaft ist nicht namensrechtsfähig und nicht grundbuchrechtsfähig. Die BGB-Gesellschaft als Außengesellschaft ist grundbuchrechtsfähig (§ 899a BGB und § 47 Abs. 2 GBO).
Änderungen für BGB-Gesellschaft als Außengesellschaft ab 1.1.2024
Nach § 705 Abs. 2 BGB n. F. kann eine GbR als solche "selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll (Anerkennung der Rechtsfähigkeit)". Die Rechtsfähigkeit der GbR ist aber nicht zwingend, denn die Gesellschafter können die GbR als "nicht rechtsfähige Gesellschaft" zur Ausgestaltung ihrer internen Rechtsverhältnisse errichten (§ 705 Abs. 2 BGB n. F.).
Ab 1.1.2024 können sich rechtsfähige GbRs in ein neu geschaffenes Gesellschaftsregister eintragen lassen, das an das H...