Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlass von Steuerabzugsbeträgen wegen "Missbrauch" des Steueraufkommens
Leitsatz (redaktionell)
Lehnt es jemand aus Gewissensgründen ab, über die vom Lohn abgezogenen Steuern den von der NATO unter Beteiligung der Bundeswehr gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien geführten „Aggressionskrieg” mitzufinanzieren, führt dies nicht zum Erlaß der Steuern. Die Pflicht zur Steuerzahlung lässt mithin den Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit unberührt.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1, Art. 110; EStG §§ 39b, 51a; AO § 227
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde möchten die Beschwerdeführer sinngemäß den Erlass von Steuerabzugsbeträgen (Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag) für einen Teil des Monats März 1999 erreichen: Sie lehnten es aus Gewissensgründen ab, über die ab dem 24. März 1999 von ihrem Lohn abgezogenen Steuern den von der NATO unter Beteiligung der Bundeswehr gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien geführten „Aggressionskrieg” mitzufinanzieren.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
Eine Steuer ist ein Finanzierungsinstrument des Staates, aus dessen Aufkommen die Staatshaushalte allgemein – ohne jede Zweckbindung – ausgestattet werden (vgl. hierzu und zum Folgenden Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 1991 – 1 BvR 752/87 –, HFR 1991, 722; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 1992 – 2 BvR 478/92 –, NJW 1993, 455). Über die Verwendung dieser Haushaltsmittel entscheidet allein das Parlament (Art. 110 Abs. 2 und 3 GG) Durch die strikte Trennung von Steuererhebung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung gewinnt der Staat rechtsstaatliche Distanz und Unabhängigkeit gegenüber dem ihn finanzierenden Steuerpflichtigen und ist deshalb allen Bürgern in gleicher Weise verantwortlich. Auf der Grundlage dieser Trennung zwischen steuerlicher Staatsfinanzierung und haushaltsrechtlicher Verwendungsentscheidung ist für den einzelnen Steuerpflichtigen weder rechtserheblich noch ersichtlich, in welchen Haushalt seine Einkommensteuerzahlungen – hier in Form von Lohnsteuer und einer Zuschlagsteuer (§ 51a EStG) – fließen und welchem konkreten Verwendungszweck sie innerhalb eines bestimmten Haushalts dienen. Die Pflicht zur Steuerzahlung lässt mithin den Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) unberührt. Deshalb können auch die rechtlichen Grundlagen des von den Beschwerdeführern kritisierten Einsatzes von Streitkräften dahingestellt bleiben.
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen Erlassantrag zu entscheiden hat. Deshalb ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Finanzbehörde auch im Billigkeitsverfahren eine Steuerherabsetzung wegen der Art der Steuerverwendung ablehnt, wenn sich der Steuerpflichtige auf die Freiheit seines Gewissens beruft.
Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
NJW 2003, 2600 |
NVwZ 2003, 1507 |
JuS 2003, 1243 |
JT 2004, 127 |