Verfahrensgang
LG Bamberg (Urteil vom 21.01.2000; Aktenzeichen 3 S 135/99) |
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 21. Januar 2000 – 3 S 135/99 – verletzt die Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) in ihrem Grundrecht aus Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bamberg zurückverwiesen.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 8) wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Freistaat Bayern hat den Beschwerdeführern zu 1) bis 7) und 9) die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen Fragen der Duldungspflicht von Wohnungseigentümern im Falle der Überleitung von Versorgungsleitungen.
1. Die Beschwerdeführer und der Beklagte zu 1) des Ausgangsverfahrens bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte zu 1) ist überdies Eigentümer eines weiteren Grundstücks, das an das im Miteigentum stehende Grundstück angrenzt. Der Beschwerdeführer zu 8) hat als Mieter der von ihm an anderer Stelle im Stadtgebiet belegenen Kanzleiräume mit den Stadtwerken, der Beklagten zu 2) des Ausgangsverfahrens, einen Gasversorgungsvertrag abgeschlossen. Die anderen Beschwerdeführer werden von der Beklagten zu 2) nicht mit Gas versorgt. Um das Nachbargrundstück des Beklagten zu 1) mit Gas zu versorgen, verlegte die Beklagte zu 2) aufgrund eines Anschlussvertrages mit dem Beklagten zu 1) über das Grundstück der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Gasleitung, ohne zuvor die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer einzuholen.
Die Beschwerdeführer verlangten mit ihrer vor dem Amtsgericht erhobenen Klage von den Beklagten die Entfernung der Versorgungsleitung. Die Beklagten vertraten die Ansicht, die Beschwerdeführer seien nach § 1004 Abs. 2 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) vom 21. Juni 1979 (BGBl 1979 I S. 676 ≪678≫) zur Duldung der Gasleitung verpflichtet. Die Vorschrift lautet:
§ 8
Grundstücksbenutzung
(1) Kunden und Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung die Zu- und Fortleitung von Gas über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke, ferner die Verlegung von Rohrleitungen und den Einbau von Verteilungsanlagen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke, die an die Gasversorgung angeschlossen sind, die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gasversorgung eines angeschlossenen Grundstücks genutzt werden oder für die die Möglichkeit der Gasversorgung sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist. Sie entfällt ferner, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde.
(2) …
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Gasleitung stelle einen störenden Eingriff in das Eigentum der Beschwerdeführer nach § 1004 BGB dar, zu dessen Duldung diese rechtlich nicht verpflichtet seien.
Auf die Berufung der Beklagten wies das Landgericht die Klage jedoch ab. Die Beschwerdeführer seien nach § 8 Abs. 1 AVBGasV, der eine mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbare Sozialbindung des Eigentums darstelle, verpflichtet, die Gasleitung über das in ihrem Miteigentum stehende Grundstück zu dulden. Der Beschwerdeführer zu 8) unterhalte im Versorgungsgebiet der Beklagten zu 2) einen Gasanschluss und habe daher das Verlegen der Gasleitung auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer zu dulden. Nach § 8 Abs. 1 AVBGasV habe ein Kunde nicht nur die Nutzung des Grundstücks zu dulden, auf dem er Gas abnehme, sondern unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 AVBGasV auch die Nutzung aller seiner Grundstücke, die im Versorgungsgebiet lägen. Ohne Bedeutung sei, dass die übrigen Beschwerdeführer keine Gasanschlussnehmer der Beklagten zu 2) seien. Es sei anerkannt, dass sich die Duldungspflicht aus § 8 Abs. 1 AVBGasV auf das gesamte Eigentum erstrecke, wenn nur einer der Miteigentümer duldungspflichtig sei. Dies ergebe sich aus der rechtlichen Einordnung des Bruchteilseigentums, bei dem sich die Miteigentumsanteile nicht auf tatsächliche Grundstücksteile bezögen, sondern nur auf einen gedachten Anteil am Grundstück.
2. Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 und Art. 80 Abs. 1 GG vor.
Das Landgericht habe das durch Art. 14 GG geschützte Miteigentum der Beschwerdeführer verletzt, indem es die Grenzen der Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt habe. Da die Belastung einer im Miteigentum mehrerer stehenden Sache regelmäßig nach den Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft beziehungsweise die Wohnungseigentümergemeinschaft einen entsprechenden Mehrheitsbeschluss erfordere, müsse dieses erst recht auch für Duldungspflichten gelten. Überdies habe das Landgericht den schuldrechtlichen Charakter der in § 8 Abs. 1 AVBGasV normierten Duldungspflicht verkannt, welche keine dingliche Wirkung zu Lasten der übrigen Miteigentümer entfalten könne, ohne gegen das Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter zu verstoßen. Die vom Gericht vorgenommene Auslegung des § 8 Abs. 1 AVBGasV verstoße weiterhin gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, da die so ausgelegte Vorschrift nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sei. Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Rechtsauffassung des Landgerichts den einfachgesetzlichen Regelungen widerspreche. Auch sei es mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, dass die Beschwerdeführer im Vergleich zu anderen Grundstückseigentümern, die nicht Vertragspartner der Beklagten zu 2) seien und keiner Duldungspflicht unterlägen, ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt würden. Schließlich verstoße die Argumentation des Landgerichts gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, da sie bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheine.
3. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs, dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und den Beklagten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs war nach der vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs übermittelten Stellungnahme des Vorsitzenden dieses Senats mit den einschlägigen Rechtsfragen bisher nicht befasst.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) für begründet; die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 8) sei hingegen unbegründet. § 8 Abs. 1 AVBGasV sei mit Art. 14 Abs. 1 GG und sonstigem Verfassungsrecht vereinbar. Die in dieser Vorschrift normierte Duldungspflicht sei eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie nur solche Personen belaste, die als Kunden oder Anschlussnehmer an den Vorteilen der öffentlichen Gasversorgung teilnähmen. Daher sei zwar der Beschwerdeführer zu 8) nicht in seinem Eigentumsrecht verletzt, wohl aber seien es die übrigen Beschwerdeführer, die, ohne selbst Anschlussnehmer zu sein, aufgrund des angegriffenen Urteils mit einer solchen Duldungspflicht belegt würden.
Der Beklagte zu 1) hält das landgerichtliche Urteil für verfassungsgemäß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung ihres Eigentumsgrundrechts angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen insoweit vor (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 68, 361 ≪372 f.≫; 70, 230 ≪240≫; 74, 203 ≪214 f.≫; 81, 29 ≪33≫; 81, 156 ≪205≫; 87, 273 ≪279≫).
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 8) wird hingegen nicht zur Entscheidung angenommen, da insoweit die Voraussetzungen für ihre Annahme nicht vorliegen (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) ist zulässig und begründet. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts verletzt diese Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Das Urteil beruht allerdings entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht auf der Anwendung einer verfassungswidrigen Rechtsnorm. Ein Verstoß des § 8 Abs. 1 Satz 1 AVBGasV gegen Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich.
Die Vorschrift ist ergangen auf der Grundlage des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13. Dezember 1935 in der Fassung des § 26 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 (BGBl I S. 3317 ≪3323≫), dem § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG –) vom 24. April 1998 (BGBl I S. 730) entspricht. Diese Ermächtigungsgrundlage genügt nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. August 1990 – 1 BvR 1340/89 –).
Das Privateigentum an Grundstücken ist Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden aber Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Unter diesen Inhalts- und Schrankenbestimmungen versteht das Grundgesetz die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪27 f.≫; 58, 300 ≪330≫; 72, 66 ≪76≫). Gesetz in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm (vgl. BVerfGE 8, 71 ≪79≫). Hierzu gehört auch die im Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Norm des § 8 Abs. 1 AVBGasV, die das freie Verfügungsrecht des Eigentümers einschränkt (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 1989 – 1 BvR 1631/88 –, RdE 1989, S. 143 im Hinblick auf die entsprechende Regelung des § 8 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden – AVBEltV – vom 21. Juni 1979 (BGBl I S. 684 ≪686≫). Die in § 8 Abs. 1 AVBGasV geregelte Pflicht, die Verlegung von Gasleitungen für Zwecke der örtlichen Versorgung zu dulden, ist eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Bestimmung der Schranken des Eigentums. Denn die nur in den Grenzen der Notwendigkeit und Zumutbarkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 3 AVBGasV) bestehende Duldungspflicht beschränkt die Privatnützigkeit des Grundeigentums im Interesse einer leistungsfähigen Gasversorgung der örtlichen Gemeinschaft und ist auf solche Grundstückseigentümer beschränkt, die die Vorteile der Gasversorgung für ihr Grundeigentum selbst in Anspruch nehmen. Unter diesen Voraussetzungen regelt die Vorschrift lediglich einen angemessenen Beitrag gasabnehmender Grundeigentümer zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Gasversorgung und ist damit Ausdruck der von Art. 14 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Sozialbindung des Eigentums. Die Inanspruchnahme allein der Grundeigentümer, die aus der Gasversorgung selbst Vorteile ziehen, beinhaltet auch keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare unsachliche Differenzierung (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. August 1990 – 1 BvR 1340/89 – zu § 8 Abs. 1 AVBEltV).
b) Das Landgericht hat jedoch bei der Auslegung und Anwendung des § 8 Abs. 1 AVBGasV die Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie verkannt, indem es – abweichend von der vom Normgeber bei Bestimmung des nach § 8 Abs. 1 AVBGasV duldungspflichtigen Personenkreises vorgenommenen Interessenabwägung – auch die Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) als duldungspflichtig angesehen hat.
Das Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz als Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem – hier von der Duldungspflicht betroffenen – Miteigentumsanteil an gemeinschaftlichen Teilen und dem Grund und Boden ist als Modifikation des Privateigentums an Grundstücken Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Eigentumsgarantie bindet nicht nur den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums. Auch die Fachgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 53, 352 ≪357 f.≫; 55, 249 ≪258≫; 68, 361 ≪372 f.≫; stRspr). Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 42, 64 ≪74≫). Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erreicht, wenn die Entscheidung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Fall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 79, 292 ≪303≫; stRspr). Dabei ist es den Fachgerichten nicht nur untersagt, die gesetzlich auferlegten Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig zu verstärken und ihnen einen Inhalt zu geben, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgewährleistung hätte festlegen können. Hat dieser in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehandelt, ist es vielmehr auch ihre Aufgabe, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 ≪31 f.≫).
24
Der Gesetzgeber hat den Versorgungsunternehmen kein grundsätzliches Recht zugebilligt, fremde Grundstücke ohne Enteignung für ihre Anlagen in Anspruch zu nehmen. Vielmehr war der Normgeber bei Erlass des § 8 Abs. 1 AVBGasV – wie oben bereits dargelegt – bestrebt, einen angemessenen Ausgleich herbeizuführen. Dabei hat er Verpflichtungen – wie Satz 1 zeigt – nur auf Kunden und Anschlussnehmer bezogen und sie in Satz 2 zusätzlich begrenzt. Auch die gesetzliche Ermächtigung des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13. Dezember 1935 in der Fassung von § 26 AGB-Gesetz geht nur von der Festlegung von Rechten und Pflichten für die Vertragspartner, nicht etwa für Dritte, aus. Dementsprechend ist die Auferlegung einer Duldungspflicht nur gegenüber solchen Grundstückseigentümern vorgesehen, die gleichzeitig Kunden oder jedenfalls Anschlussnehmer des Gasversorgungsunternehmens sind. Dies entspricht auch dem gesetzgeberischen Ziel, einen angemessenen Ausgleich unter Berücksichtigung von Vor- und Nachteilen zu erreichen. Die unentgeltliche Inanspruchnahme ist auf Personen begrenzt, die als Kunden oder Anschlussnehmer einen Vorteil von einer möglichst kostengünstigen Gasversorgung haben, welche davon abhängig ist, dass in dem betreffenden Versorgungsgebiet Grundstücke zum Zwecke der Leitungsverlegung kostenlos genutzt werden können. In den Fällen, in denen die Voraussetzungen einer Inanspruchnahme nicht gegeben sind, müssen sich die Versorgungsunternehmen mit dem betreffenden Grundstückseigentümer entweder über eine entgeltliche Regelung einigen oder ein Enteignungsverfahren nach dem jetzigen § 12 EnWG beantragen (vgl. BRDrucks 77/79 vom 15. Februar 1979, S. 46). Diese Vorgaben haben die Gerichte bei ihrer Entscheidungsfindung zu respektieren. Es steht nicht in ihrer Rechtsmacht, sie unter Rückgriff auf Art. 14 Abs. 2 GG zu korrigieren oder durch ein eigenes Abwägungsergebnis zu ersetzen; denn nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Aufgabe des Gesetzgebers, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Insoweit sind der richterlichen Entscheidungsmacht Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGE 81, 29 ≪33≫).
25
Diese durch die Verfassung gezogenen Grenzen überschreitet das Landgericht in dem angegriffenen Urteil. Die Annahme einer generellen Duldungspflicht auch der Mehrheit der nicht von der Gasversorgung profitierenden Miteigentümer unterläuft die in der gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommende abgewogene Berücksichtigung aller widerstreitenden Interessen und führt zu einer unzulässigen Aushöhlung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (vgl. BGHZ 66, 37 ≪41 f.≫ zu Abschnitt III Nr. 3 AVB), indem entgegen dem Willen des Gesetzgebers auch solche Grundeigentümer der Duldungspflicht unterworfen werden, die nicht die Vorteile der Gasversorgung für sich selbst in Anspruch nehmen. Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführer mit dem Beklagten zu 1) in einer Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sind. Zwar ist der sich aus dem Wohnungseigentum bei Beeinträchtigungen grundsätzlich ergebende Anspruch aus § 1004 BGB im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander durch die Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) beschränkt (vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl. 1999, S. 333). Die Beschränkungen dienen aber nur dazu, Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern, die aus der Nutzung des Gemeineigentums entstehen können, vorzubeugen und sichern damit gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 1989 – 1 BvR 1212/89 –, NJW 1990, S. 825). Der Beklagte zu 1) hat hier jedoch nicht den Anschluss seines Wohnungseigentums, sondern eines anliegenden Grundstücks an die Gasversorgung begehrt.
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Da das angegriffene Urteil, soweit die Klage der Beschwerdeführer zu 1) bis 7) und 9) abgewiesen worden ist, bereits aufgrund der Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts aufzuheben ist, kann dahinstehen, ob es auch unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG ergangen ist.
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2. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 8) ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie jedenfalls unbegründet ist (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Da der Beschwerdeführer zu 8) selbst mit der Beklagten zu 2) einen Gasversorgungsvertrag abgeschlossen hatte, kann er nach dem oben Gesagten insbesondere nicht wie die übrigen Beschwerdeführer geltend machen, unter Verletzung seines Eigentumsgrundrechts mit einer Duldungspflicht belastet worden zu sein.
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Dennoch ist das Urteil des Landgerichts auch insoweit aufzuheben, als es die Klage des Beschwerdeführers zu 8) abgewiesen hat. Denn die Beschwerdeführer machen im Ausgangsverfahren einen Anspruch aus dem ihnen gemeinschaftlich zustehenden Eigentum geltend. Sie bilden daher im Prozess eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne von § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO, mit der Folge, dass ihnen gegenüber nur eine einheitliche Entscheidung in der Sache ergehen kann (vgl. BGHZ 121, 22 ≪28 f.≫; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., 2001, § 62 Rn. 11, 13).
29
3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
30
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
31
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1267224 |
NZM 2001, 750 |
RdE 2002, 15 |