Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.09.2008; Aktenzeichen 5/26 KLs 6350 Js 203391/06 ≪4/08≫) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Beschwerdeführer wenden sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Begründung einer gegen andere Personen ergangenen strafrechtlichen Verurteilung wegen Betruges. Sie rügen eine Verletzung der Unschuldsvermutung und des Rechts auf ein faires Verfahren, die darin liege, dass in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils von einer Beteiligung der Beschwerdeführer ausgegangen werde.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor; die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
Die Anfechtung eines Urteils durch eine an dem zum Urteil führenden Verfahren nicht beteiligte Person ist allerdings nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. Entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer geltend machen kann, durch die Gerichtsentscheidung unmittelbar rechtlich und nicht nur mittelbar faktisch betroffen und damit beschwert zu sein (BVerfGE 15, 256 ≪262 f.≫; 51, 386 ≪395≫; vgl. auch BVerfGE 106, 28 ≪35≫). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Die grundgesetzliche Unschuldsvermutung als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips erzwingt ein prozessordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, die die Feststellung von Schuld erfordern. Sie schützt den Beschuldigten auch vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist. Sie verbietet zum einen, im konkreten Strafverfahren ohne gesetzlichen, prozessordnungsgemäßen Schuldnachweis Maßnahmen gegen den Beschuldigten zu verhängen, die in ihrer Wirkung einer Strafe gleichkommen und ihn verfahrensbezogen als schuldig zu behandeln; zum anderen verlangt sie den rechtskräftigen Nachweis der Schuld, bevor dem Verurteilten diese im Rechtsverkehr allgemein vorgehalten werden darf. Die Unschuldsvermutung verwehrt es den Strafverfolgungsorganen jedoch nicht, verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen (stRspr, vgl. BVerfGE 74, 358 ≪370 ff.≫; 82, 106 ≪114 ff.≫; jeweils m.w.N.).
Danach schützt die Unschuldsvermutung die Beschwerdeführer von vornherein nicht vor faktischen Belastungen, die sich daraus ergeben, dass im Rahmen eines gegen Dritte ergangenen Strafurteils Feststellungen über eine Beteiligung ihrerseits getroffen werden. Den Beschwerdeführern gegenüber liegt in einem solchen Urteil keine Entscheidung, die eine Feststellung von Schuld – ihrer Schuld – erforderte. Die Beschwerdeführer können auch nicht geltend machen, dass sie Nachteilen ausgesetzt würden, die Schuldspruch oder Strafe gleichkämen. Die in einem Strafverfahren gegen andere Personen getroffenen Feststellungen binden die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden weder für das gegen die Beschwerdeführer nach deren Angaben noch anhängige Ermittlungsverfahren, noch können sie eine Bindungswirkung in anderen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren entfalten, an welchen die Beschwerdeführer in Zukunft beteiligt sein mögen. Auf der Grundlage dieses Urteils kann den Beschwerdeführern vielmehr allgemein eine Schuld noch nicht vorgehalten werden; hiervor schützt sie gerade die Unschuldsvermutung. Dass die – in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren getroffenen – Sachverhaltsfeststellungen des Landgerichts nicht nur die in dem abgeschlossenen Verfahren Verurteilten, sondern auch die Beschwerdeführer betreffen, ist letztlich eine unvermeidbare Folge der Tatsache, dass Strafverfahren in komplexen Angelegenheiten kaum je gegen alle Beschuldigten gleichzeitig geführt und beendet werden können.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen