Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Verfahrensgang
Thüringer OVG (Beschluss vom 06.12.2006; Aktenzeichen 2 EO 916/04) |
Tenor
- Die Vollziehung des Beschlusses des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2006 – 2 EO 916/04 – wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Antragstellers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
- Der Freistaat Thüringen hat dem Antragsteller die für das Verfahren über die einstweilige Anordnung notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller erstrebt die Aussetzung des Vollzugs einer Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die im Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes ergangen ist. Mit dieser wurde die im März 2004 erfolgte Anordnung des Sofortvollzugs der verwaltungsbehördlichen Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Konsums des Rauschmittels Metamphetamin im Dezember des Jahres 2003 bestätigt, nachdem das Verwaltungsgericht zunächst die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage wieder hergestellt hatte. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen vor.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 111, 147 ≪152 f.≫).
Bei – wie hier – offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hat, gegen die Nachteile abzuwägen, die entstehen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen wird, der Beschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen ist (vgl. BVerfGE 112, 321 ≪330≫; stRspr).
Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, wird die angegriffene Entscheidung jedoch auf die von dem Antragsteller erhobene Verfassungsbeschwerde hin als verfassungswidrig aufgehoben, besteht die dringende Gefahr, dass der Antragsteller infolge der sofort vollziehbaren Entziehung seiner Fahrerlaubnis seine berufliche Existenz verliert. Der Antragsteller hat nach seinen glaubhaften Angaben als Monteur mit dem Firmenwagen wechselnde Einsatzstellen im gesamten Bundesgebiet anzufahren.
Ergeht die einstweilige Anordnung, bleibt die Verfassungsbeschwerde jedoch erfolglos, wiegen die damit verbundenen Nachteile weniger schwer. Der Antragsteller ist in diesem Fall bis auf weiteres als zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet anzusehen, kann den zur Zeit sichergestellten Führerschein herausverlangen und entsprechend dem Umfang seiner Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teilnehmen. Angesichts der besonderen Gefahren, die durch die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr drohen, begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn einem Fahrerlaubnisinhaber zur Gefahrenabwehr Nachteile in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Oktober 1998 – 2 BvQ 32/98 –, JURIS, zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO). Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drogenkonsum liegt im vorliegenden Fall indes mehr als drei Jahre zurück. Der Antragsteller hat nach den von der Fahrerlaubnisbehörde bestätigten Erkenntnissen von der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs durch das Verwaltungsgericht im Mai 2004 bis zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts im Dezember 2006 beanstandungsfrei als Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen, ohne dass sich das Oberverwaltungsgericht mit dieser Tatsache auseinandergesetzt hätte. Angesichts dessen kann hingenommen werden, dass der Antragsteller einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnimmt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller im Februar 2007 alkoholisiert im Straßenverkehr angetroffen wurde. Aus den glaubhaft gemachten Angaben des Antragstellers und der Verfügung der Staatsanwaltschaft Gera vom 22. Februar 2007 ergibt sich, dass der Vorfall sich nach strafrechtlichen Bestimmungen beim derzeitigen Stand der Ermittlungen aller Voraussicht nach nicht unmittelbar darauf auswirken wird, ob der Antragsteller seine Fahrerlaubnis behalten darf.
Die einstweilige Anordnung ergeht wegen der Dringlichkeit der Sache gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ohne umfassende vorherige Anhörung aller im Hauptsacheverfahren Beteiligten und Äußerungsberechtigten.
Unterschriften
Bryde, Eichberger, Schluckebier
Fundstellen
BA 2008, 73 |
www.judicialis.de 2007 |