Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 21.11.2008; Aktenzeichen 2 StR 437/08) |
BGH (Beschluss vom 10.09.2008; Aktenzeichen 2 StR 320/08) |
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.04.2008; Aktenzeichen 5/27 Kls 740 Js 19120/86-30/07) |
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.03.2008; Aktenzeichen 5/3 Kls-23/07-48/43 Js 13289/90) |
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Der Antrag des Beschwerdeführers zu 2) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts S… wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen ihre – nachträglich angeordnete – Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und mittelbar gegen die zugrunde liegende Vorschrift des § 66b Abs. 3 StGB.
I.
1. Durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1838) wurden unter anderem § 66b Abs. 3 StGB (gültig seitdem in unveränderter Form) und § 67d Abs. 6 StGB (gültig heute in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007, BGBl I S. 513) in das Strafgesetzbuch eingefügt. Nach § 67d Abs. 6 StGB erklärt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) für erledigt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre. Nach § 66b Abs. 3 StGB kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 StGB für erledigt erklärt worden ist, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat. Voraussetzung ist neben formellen Anforderungen (§ 66b Abs. 3 Nr. 1 StGB), dass die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden (§ 66b Abs. 3 Nr. 2 StGB).
2. Hintergrund der Einführung dieser Vorschriften sind Probleme bei der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB: Die Strafvollstreckungsgerichte hatten im Wege der Rechtsfortbildung und in analoger Anwendung des § 67c Abs. 2 Satz 5 StGB den Rechtssatz entwickelt, dass sich bei Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 StGB die Unterbringung erledigte und nicht weiter vollstreckt werden durfte, so dass der Untergebrachte sofort zu entlassen war, selbst wenn von ihm erneute Straftaten in der Freiheit zu erwarten waren (vgl. nur BGHSt 42, 306 ≪310≫). Diese Rechtsprechung fand allgemeine Zustimmung (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.) und ist auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. Dezember 1994 – 2 BvR 1914/92 –, NJW 1995, S. 2405 ≪2406≫). Als kriminalpolitisch problematisch angesehen wurden allerdings Fälle, in denen die untergebrachte Person ungeachtet des Fehlens oder Fortfalls der Voraussetzungen des § 63 StGB weiterhin gefährlich war (vgl. näher Schneider, NStZ 2004, S. 649 ≪650 ff.≫).
3. In der Folge des Senatsurteils vom 10. Februar 2004 (BVerfGE 109, 190) entschloss sich der Bundesgesetzgeber, die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bundesrechtlich zu regeln und dabei auch die beschriebene Problematik aufzugreifen. Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung führte insofern zu § 66b Abs. 3 StGB (neu) aus, die Vorschrift solle vor allem in denjenigen Fällen Anwendung finden, in denen der Untergebrachte von dem erkennenden Gericht für schuldunfähig gehalten und deshalb nur die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden sei, ohne dass parallel eine Freiheitsstrafe habe verhängt werden können. Erfasst würden von der Vorschrift daneben aber auch die Fälle, in denen das Gericht unter Anwendung des § 21 StGB neben der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine Freiheitsstrafe verhängt habe, in denen die Freiheitsstrafe aber in Umkehrung der regelmäßigen Vollstreckungsreihenfolge bereits vor dem Vollzug der Maßregel vollständig vollstreckt worden sei und somit der Untergebrachte nunmehr aus der Maßregel in Freiheit zu entlassen wäre. In Fällen, in denen nach Erledigung der Maßregel noch eine parallel verhängte Freiheitsstrafe zu vollstrecken sei, ergebe sich demgegenüber zunächst kein Bedürfnis für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung. Hier komme gegebenenfalls vor Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB – neu – in Betracht (vgl. BTDrucks 15/2887, S. 14).
4. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung legt der Bundesgerichtshof § 66b Abs. 3 StGB dahingehend aus, dass die Vorschrift keine Anwendung findet, wenn im Zeitpunkt der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB noch die Verbüßung von (Rest-) Freiheitsstrafe aussteht (vgl. BGH – Großer Senat für Strafsachen –, Beschluss vom 7. Oktober 2008 – GSSt 1/08 –, NStZ 2009, S. 141 m. Anm. Ullenbruch).
II.
1. a) Der Beschwerdeführer zu 1) ist mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Februar 1992 wegen Mordes in drei Fällen sowie wegen versuchten Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden; daneben wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Beschwerdeführer hatte jeweils junge Frauen aus sexuellen Motiven erwürgt und dies in einem weiteren Fall erfolglos versucht. Das Gericht stellte fest, der Beschwerdeführer leide an einer sexuellen Triebdevianz, zu der er sich nicht bekenne. Es liege eine Hirnschädigung vor. Die Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers sei im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt gewesen. Die Voraussetzungen des § 63 wie des § 66 StGB lägen vor; der Beschwerdeführer sei für die Allgemeinheit gefährlich, solange keine Aufarbeitung erfolge. Die Erfolgsaussichten einer Therapie seien unsicher, gleichwohl sei ein Therapieerfolg auch nicht ganz ausgeschlossen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei daher gegenüber der Sicherungsverwahrung vorrangig. Die Maßregel sei vor der Strafe zu vollstrecken.
b) Auf der Grundlage dieses Urteils war der Beschwerdeführer vom 11. März 1992 bis 17. April 1994 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Nachdem ein Therapieansatz nicht gefunden worden war, wurde auf Beschluss der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Marburg ab 18. April 1994 die Vollstreckung der Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt fortgesetzt. Am 13. Februar 2006 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, entlassen zu werden; die Freiheitsstrafe sei bei Anrechnung der Zeit der Unterbringung bereits am 20. März 2005 verbüßt gewesen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde daraufhin ab 10. April 2006 die Vollstreckung der Maßregel fortgesetzt. Nach Erlass und Aufhebung eines ersten Unterbringungsbefehls gegen den Beschwerdeführer erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel mit Beschluss vom 5. April 2007 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Abs. 6 StGB mit der Begründung für erledigt, dass von Anfang an kein Zustand vorgelegen habe, der die Anordnung der Maßregel gerechtfertigt hätte. Mit Beschluss vom gleichen Tag erging gegen den Beschwerdeführer ein Unterbringungsbefehl gemäß § 275a Abs. 5 StPO.
c) Mit dem angefochtenen Urteil vom 13. März 2008 hat das Landgericht Frankfurt am Main gegen den Beschwerdeführer die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB angeordnet. Die formellen Anforderungen der Vorschrift seien erfüllt; insofern sei unerheblich, ob die für erledigt erklärte Unterbringung seinerzeit aufgrund einer Fehldiagnose erfolgte und daher hätte vermieden werden können. Entscheidend sei allein der Zustand im Zeitpunkt der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts; § 66b Abs. 3 StGB setze neue Tatsachen nicht voraus. Auch die materiellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 StGB lägen vor. Die Kammer habe das Vorliegen eines Hanges des Beschwerdeführers zu erheblichen Straftaten im Sinne einer auf charakterlicher Anlage beruhenden und durch Übung erworbenen intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen bejaht, so dass offen bleiben könne, ob ein solcher Hang im Sinne einer einschränkenden Auslegung des § 66b Abs. 3 StGB erforderlich sei. Nach den eingeholten Sachverständigengutachten, denen sich die Kammer anschließe, bestehe nach sämtlichen anerkannten Prognosekriterien eine sehr ungünstige Legalprognose. Schon die seinerzeitige Tatserie deute auf Rückfallgefahr hin; hierfür sprächen auch der sadistische Hintergrund der Taten, das emotionale Defizit des Beschwerdeführers und die auch von Zeuginnen, die den Beschwerdeführer im Vollzug betreut hätten, bestätigte fehlende Bereitschaft des Beschwerdeführers zur Aufarbeitung der Taten. Es bestehe daher die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer erneut den damaligen Delikten vergleichbare Straftaten begehen werde.
d) Mit der Revision erhob der Beschwerdeführer die Sachrüge und führte aus, § 66b Abs. 3 StGB sei verfassungswidrig. Der Generalbundesanwalt beantragte die Verwerfung der Revision und führte unter Bezugnahme auf den Kammerbeschluss vom 23. August 2006 (BVerfGK 9, 108) aus, § 66b Abs. 3 StGB sei verfassungsgemäß und verstoße insbesondere nicht gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz; auf der Grundlage der Vorschrift könne lediglich eine Form der unbefristeten Unterbringung durch eine andere Form ersetzt werden. Diesem Antrag entsprechend verwarf der Bundesgerichtshof die Revision mit Beschluss vom 10. September 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
e) Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des § 66b Abs. 3 StGB und der auf dieser Grundlage gegen ihn ergangenen Entscheidungen geltend. Die Norm verletze Art. 103 Abs. 2 GG und verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG). Sei die Sicherungsverwahrung – wie in seinem Fall – bereits rechtskräftig abgelehnt worden, liege in der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung eine erneute strafrechtliche Anknüpfung an bereits abgeurteilte Straftaten unter Durchbrechung der Rechtskraft der ersten Verurteilung, in der Sache also eine Wiederaufnahme zu Ungunsten des Verurteilten. Neue Wiederaufnahmegründe könne der Gesetzgeber aber nicht nach Belieben schaffen; vielmehr sei von Verfassungs wegen zu fordern, dass die Sicherungsverwahrung nur bei Vorliegen neuer Tatsachen angeordnet werden könne. Dass er – der Beschwerdeführer – nach der Erledigung der Unterbringung gemäß § 63 StGB nicht entlassen, sondern in der Sicherungsverwahrung untergebracht worden sei, verletze ihn auch in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Schließlich sei Art. 103 Abs. 3 GG verletzt; bei der nach Verbrauch der Strafklage durch die erste Verurteilung angeordneten Sicherungsverwahrung handle es sich um eine weitere strafrechtliche Sanktion, die auch gegenüber der zunächst vollzogenen Unterbringung nach § 63 StGB andersartig sei, da die Sicherungsverwahrung einen reinen Verwahrvollzug darstelle.
2. a) Der Beschwerdeführer zu 2) wurde mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. August 1987 wegen Vergewaltigung in vier Fällen unter anderem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Das Landgericht stellte fest, der Beschwerdeführer leide an einer hochgradigen Persönlichkeitsstörung mit einer sexuellen Deviation und habe die ihm vorgeworfenen Straftaten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen. Er leide unter paranoiden Ängsten, gegen die er sich aggressiv zur Wehr setze. Infolge seines Zustands seien von ihm auch in Zukunft erhebliche Aggressionsdelikte zu erwarten, solange er sich nicht einer Therapie unterziehe. Eine solche sei für den Beschwerdeführer nur in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich. Zwar seien auch die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gegeben; diese erscheine aufgrund ihres ausschließlichen Verwahrcharakters und mangels konkreter Behandlungsmöglichkeiten gegenüber der Maßregel nach § 63 StGB als eindeutig weniger geeignetes Mittel.
b) Nach Rechtskraft des Urteils wurde der Beschwerdeführer zunächst in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Einer therapeutischen Bearbeitung seiner Taten, die er stets leugnete und noch heute in Abrede stellt, stand der Beschwerdeführer von Anfang an ablehnend gegenüber. Mit Beschluss vom 19. Februar 1992 ordnete die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg den Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe an; dieser fand ab 8. April 1993 statt. Ab 20. Oktober 1995 befand sich der Beschwerdeführer aufgrund einer weiteren Entscheidung der Strafvollstreckungskammer wiederum im psychiatrischen Krankenhaus. Mit Beschluss vom 24. Juli 2007 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt. Der bei dem Beschwerdeführer anzunehmende Hang zu schweren Straftaten habe sich seit dem Urteil nicht wesentlich verändert. Eine dissoziale oder sadistische Persönlichkeitsstörung sei heute nicht mehr nachzuweisen. Gleichzeitig erließ die Strafvollstreckungskammer einen Unterbringungsbefehl gemäß § 275a Abs. 5 StPO. Auf dessen Grundlage wurde der Beschwerdeführer am 29. August 2007 in eine Justizvollzugsanstalt verbracht; unter dem 24. September 2007 reichte die Staatsanwaltschaft eine Antragsschrift mit dem Ziel der nachträglichen Sicherungsverwahrung ein. Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Unterbringungsbefehl aufgehoben hatte, befand sich der Beschwerdeführer vom 8. Januar bis 22. Januar 2008 auf freiem Fuß, wobei er polizeilich observiert wurde. Zur Hauptverhandlung am 22. Januar erschien der Beschwerdeführer nicht; er wurde an diesem Tag von der Polizei rund 50 km vor der Luxemburger Grenze festgenommen, woraufhin ein Hauptverhandlungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO erging.
c) Mit dem angefochtenen Urteil vom 9. April 2008 hat das Landgericht Frankfurt am Main die Unterbringung des Beschwerdeführers in der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB angeordnet. Die formellen Voraussetzungen der Vorschrift seien erfüllt. In Übereinstimmung mit den gerichtlich bestellten Sachverständigen gehe die Kammer von einer hochgradigen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers dahingehend aus, dass von diesem weitere erhebliche sexuell motivierte Straftaten zu erwarten seien, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden, sobald der Beschwerdeführer wieder in die Freiheit entlassen werde. Eine Entwicklung des Beschwerdeführers während der gesamten Zeit der Unterbringung und Inhaftierung habe durch die Kammer auf der Grundlage der übereinstimmenden Zeugen- und Sachverständigenangaben ebenso wenig festgestellt werden können wie ein ernsthafter Versuch der Aufarbeitung der Taten und seiner Persönlichkeit durch den Beschwerdeführer.
d) Mit der Revision machte der Beschwerdeführer unter anderem im Rahmen der Sachrüge die Verfassungswidrigkeit des § 66b Abs. 3 StGB geltend. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision mit Beschluss vom 21. November 2008 auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkte der Bundesgerichtshof, die Rüge, die Regelung des § 66b Abs. 3 StGB mache das Erfordernis neuer Tatsachen in willkürlicher Weise von dem aus Sicht des Betroffenen zufälligen Umstand des Vorwegvollzugs einer zugleich mit der Unterbringung nach § 63 StGB verhängten Strafe abhängig, habe keinen Erfolg. Der Anordnung des Vorwegvollzugs einer Strafe liege nicht Zufall, sondern eine sachlich begründete gerichtliche Entscheidung zugrunde. Entgegen der Ansicht der Revision gelte § 66b Abs. 3 in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB auch in Fällen, in denen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt werde, weil der von § 63 StGB vorausgesetzte Zustand von Anfang an nicht bestanden habe (Fehleinweisung). Die zusätzliche Feststellung eines Hanges zu erheblichen Straftaten setze § 66b Abs. 3 StGB nicht voraus, wenn die gemäß § 66b Abs. 3 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Gefahr festgestellt sei.
e) Mit seiner fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer zu 2) geltend, dass seine nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gegen Art. 103 Abs. 2 GG, Art. 103 Abs. 3 GG, den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und das Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verstoße. Sie stelle sich als Korrektur einer rechtskräftigen Entscheidung auf gleicher Tatsachengrundlage dar. Gegen die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens spreche jedoch der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Vorrang des Erkenntnisverfahrens und damit der primären Anordnung der Sicherungsverwahrung. Das Verfahren nach § 66b StGB diene nicht der Korrektur fehlerhafter, aber rechtskräftiger früherer Entscheidungen; dies habe der Gesetzgeber nicht gewollt. Soweit § 66b Abs. 3 StGB die Möglichkeit schaffe, nachträglich rechtskräftige Entscheidungen zu korrigieren, ohne dafür neue Tatsachen zu fordern, verstoße die Vorschrift gegen das Prinzip der Rechtssicherheit. Gleichzeitig sei dadurch das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, da es in der Folge allein von der Vollstreckungsreihenfolge abhänge, ob die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung neue Tatsachen (nach § 66b Abs. 1, Abs. 2 StGB) voraussetze oder nicht. Der Bundesgerichtshof habe zwar zu Recht angemerkt, dass die Vollstreckungsreihenfolge nicht zufällig sei; wie sie allerdings eine verfassungsrechtlich hoch relevante Ungleichbehandlung rechtfertigen solle, bleibe schleierhaft. Zur Anwendbarkeit des Art. 103 Abs. 2 GG trägt der Beschwerdeführer vor, dass die Sicherungsverwahrung in der Realität einen reinen Verwahrvollzug darstelle und daher als de-facto-Strafe betrachtet werden müsse.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Den Verfassungsbeschwerden kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu. In der Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts und seiner Kammern sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung und den nachträglichen Erlass entsprechender gesetzlicher Vorschriften hinreichend geklärt (vgl. BVerfGE 109, 133; 109, 190; BVerfGK 9, 108; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris). Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫; 96, 245 ≪248 ff.≫); denn die Verfassungsbeschwerden haben keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie sind unbegründet.
I.
§ 66b Abs. 3 StGB ist – ebenso wie die Vorschriften des § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB (vgl. dazu BVerfGK 9, 108 sowie BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris) – mit dem Grundgesetz vereinbar.
1. Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; denn als Mittel zum Schutz von Leben, Unversehrtheit und Freiheit der Bürger kann der Gesetzgeber unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen – insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – demjenigen die Freiheit entziehen, von dem ein Angriff auf diese Schutzgüter zu erwarten ist (vgl. BVerfGE 109, 190 ≪236≫). Die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 66b Abs. 3 StGB gewährleistet, dass die Maßnahme der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf dieser Grundlage nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, daher auf einige wenige Verurteilte beschränkt bleibt und somit als verhältnismäßige Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Insofern gilt nichts anderes als im Hinblick auf die Vorschriften des § 66b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. BVerfGK 9, 108 sowie BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris).
Wie die genannten Vorschriften setzt auch § 66b Abs. 3 Nr. 2 StGB voraus, dass die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Dabei muss es sich um eine konkrete, auf den Einzelfall bezogene hohe Wahrscheinlichkeit handeln; eine bloß abstrakte, auf statistische Wahrscheinlichkeiten gestützte Prognoseentscheidung reicht nicht aus (vgl. BVerfGE 109, 190 ≪242≫). Hinzukommen muss, dass von dem Betroffenen eine gegenwärtige erhebliche Gefahr ausgeht (vgl. BVerfG, a.a.O.). Durch den Aspekt ihrer Gegenwärtigkeit hebt sich die zu prognostizierende Gefährlichkeit von einer allgemeinen Rückfallwahrscheinlichkeit ab (vgl. BVerfGK 9, 108 ≪114≫ sowie näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris, Rn. 41, 47 f.). Weitere Voraussetzungen stellen die formellen Anforderungen des § 66b Abs. 3 Nr. 1 StGB sowie das Erfordernis einer zunächst angeordneten, dann für erledigt erklärten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dar. Das Verfahren entspricht der regulären Hauptverhandlung in Strafsachen, wobei Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden müssen (§ 275a Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 StPO).
Es ist danach von Verfassungs wegen auch nicht zu beanstanden, dass § 66b Abs. 3 StGB nach der vom Bundesgerichtshof im Fall des Beschwerdeführers zu 2) geäußerten – vom Wortlaut der Vorschrift gestützten – Auffassung die gesonderte Feststellung eines Hanges zu erheblichen Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht voraussetzt (vgl. dazu auch Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band III, 12. Aufl. 2008, § 66b Fn 339). Die Feststellung der psychologischen Tatsache eines Hanges zu erheblichen Straftaten ist nicht gleichbedeutend mit der geforderten Prognose der künftigen Begehung erheblicher Straftaten, kann aber eine Basistatsache für eine solche Prognose darstellen (vgl. BVerfGK 9, 108 ≪114≫). Die gesetzgeberische Wertung, die gesonderte Feststellung der Basistatsache im Fall des § 66b Abs. 3 StGB nicht für erforderlich anzusehen, ist insbesondere deshalb nachvollziehbar, weil der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, dass die Basistatsachen für die Gefährlichkeitsprognose bereits im Vorfeld der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung in hohem Maße aufgeklärt sein würden, nämlich im Zusammenhang mit der die Unterbringung nach § 63 StGB anordnenden Erstverurteilung und der weiter vorausgesetzten Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB. Hinzukommen können im Einzelfall weitere im Zuge von Überprüfungen (vgl. § 67e StGB, § 463 Abs. 4 StPO) oder auch sonst im Verlauf der Unterbringung durch das dort eingesetzte Fachpersonal gewonnene Erkenntnisse, wobei letztere – wie im Falle der Beschwerdeführer geschehen – über Zeugenvernehmungen in die Urteilsbildung des nachträglich über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Gerichts einfließen können.
2. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG oder das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG liegt nicht vor. Der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 2 GG ist auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient. Die Sicherungsverwahrung stellt demgegenüber eine präventive Maßnahme dar, deren Zweck es nicht ist, begangenes Unrecht zu sühnen, sondern die Allgemeinheit vor dem Täter zu schützen (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪167 ff.≫; 109, 190 ≪219≫). Auch das Doppelbestrafungsverbot des Art. 103 Abs. 3 GG verbietet nur die erneute Bestrafung als missbilligende und vergeltende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes Unrecht; es betrifft nicht die Verhängung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris, Rn. 25 m.w.N.; ferner Appel, Verfassung und Strafe, 1998, S. 135 ff.).
3. Auch das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht verletzt. Das gilt insbesondere auch in so genannten Altfällen wie denen der Beschwerdeführer, in denen sowohl die Anlasstaten als auch die darauf folgenden Verurteilungen vor Inkrafttreten der Norm stattgefunden haben.
a) § 66b Abs. 3 StGB führt in so genannten Altfällen zunächst zu einer verfassungsrechtlich gerechtfertigten tatbestandlichen Rückanknüpfung im Hinblick auf Verurteilungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes stattgefunden haben (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪182 f.≫). Das mit der Neuregelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziel eines effektiven Schutzes der Allgemeinheit vor einzelnen hochgefährlichen Straftätern, von denen weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, stellt ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Die vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative getroffene Wertung, die Vertrauensschutzbelange der von der Neuregelung betroffenen Verurteilten müssten hinter dieses Gemeinwohlinteresse zurücktreten, ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden; insoweit gilt nichts anderes als für den Wegfall der Höchstdauer einer erstmalig angeordneten Sicherungsverwahrung durch Art. 1a Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪180 ff.≫), die gesetzliche Einführung der Möglichkeit, gemäß § 66b Abs. 2 StGB unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich die Sicherheitsverwahrung anzuordnen, wenn erst nach einer Verurteilung Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen (vgl. BVerfGK 9, 108 ≪111 ff.≫), oder den in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB für die Fälle des § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmten Verzicht auf das Erfordernis neuer Tatsachen in Fällen, in denen die Anordnung der Sicherungsverwahrung ursprünglich aus rechtlichen Gründen nicht möglich war (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris).
b) Anders als die genannten Vorschriften kann die Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB im Einzelfall allerdings zudem zu einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. dazu BVerfGE 72, 200 ≪242≫; 97, 67 ≪78 f.≫) führen. Auch insofern sind die verfassungsrechtlichen Grenzen jedoch gewahrt.
aa) § 66b Abs. 3 StGB gibt den Gerichten in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB in so genannten Altfällen unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, rechtskräftig festgesetzte Rechtsfolgen abzuändern (vgl. zu diesem Aspekt der Rückbewirkung von Rechtsfolgen BVerfGE 109, 133 ≪183≫).
(1) Wird in einem Regelstrafverfahren oder im Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) über die Anordnung von Maßregeln entschieden, so erwächst die Entscheidung entsprechend der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausgeübten Kognitionspflicht in vollem Umfang in materielle Rechtskraft (vgl. Bechtoldt, Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des § 63 StGB, 2002, S. 209). An der materiellen Rechtskraft teil nimmt insbesondere auch die Entscheidung, eine Maßregel nicht anzuordnen, beispielsweise also die Ablehnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in den gegen die Beschwerdeführer geführten ursprünglichen Verfahren. Die Nichtanordnung entspricht einer Verneinung der Anordnungsvoraussetzungen; der staatliche Sicherungsanspruch ist damit verbraucht (vgl. Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. VI, 25. Aufl. 2001, § 414 Rn. 32, 34). Die Durchführung eines weiteren Verfahrens über denselben Prozessgegenstand ist unzulässig, auch wenn sich nach Urteilsrechtskraft beispielsweise ergibt, dass das Gericht die Gemeingefährlichkeit des Täters falsch eingeschätzt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 416 Rn. 9; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. VI, 25. Aufl. 2001, § 414 Rn. 34 f.; Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 414 Rn. 22; RGSt 69, 170 ≪172≫; BGHSt 11, 319 ≪322≫; 16, 198 ≪199≫).
(2) In ihrer Reichweite begrenzt ist die Rechtskraft durch den Prozessgegenstand des abgeschlossenen Verfahrens, hinsichtlich des Strafanspruchs also durch die prozessuale Tat, wie sie dem zuletzt entscheidenden Gericht aufgrund seiner Kognitionsbefugnis abzuurteilen rechtlich möglich war (vgl. Kühne, in: Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. I, 26. Aufl. 2006, Einl. K Rn. 88 ≪Juli 2006≫; Roxin, Strafverfahrensrecht, 25. Aufl. 1998, § 50 Rn. 11; BGHSt 6, 92 ≪95≫). Für Verfahren mit einem anderen Prozessgegenstand entfaltet die materielle Rechtskraft grundsätzlich weder eine Feststellungs- noch eine Bindungswirkung (vgl. Kühne, a.a.O., Rn. 94). In den Fällen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB reicht der Prozessgegenstand zunächst insofern über den des ursprünglichen Strafurteils hinaus, als im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nicht lediglich eine erneute Prüfung des bereits dem Tatgericht bekannten oder erkennbaren Sachverhalts stattfindet. Vielmehr ist auch das Verhalten des Verurteilten nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils von Bedeutung. Die durch das nachträglich entscheidende Gericht vorzunehmende Prognoseentscheidung basiert insofern auf einem Sachverhalt, der weder zum Zeitpunkt der Tat noch zu dem des Urteils oder des Inkrafttretens der Neuregelung abgeschlossen war (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪183≫; Peglau, NJW 2008, S. 1634 f.).
(3) Anders liegt der Fall jedoch, wenn die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ausschließlich oder im Wesentlichen auf der Grundlage von Tatsachen erfolgt, die bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung – mit der die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, obwohl möglich, abgelehnt wurde – dem Tatrichter bekannt oder für ihn erkennbar waren. § 66b Abs. 3 StGB setzt nach seinem Wortlaut neue, also erst nach der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstandene Tatsachen nicht voraus und erlaubt es daher auch in solchen Fällen, die Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2007 – 1 StR 268/07 –, juris, Rn. 19).
Das Erfordernis einer vorhergehenden Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB ändert hieran nichts; denn in Rechtsprechung und Literatur wird in Einklang mit der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 15/2887, S. 14) ganz überwiegend davon ausgegangen, dass es für die Frage der Erledigung nicht darauf ankommt, ob die Maßregelvoraussetzungen nachträglich weggefallen sind oder von Anfang an nicht vorgelegen haben (vgl. KG, Beschluss vom 7. Juni 2007 – 1 AR 651/07 – 2 Ws 330/07 –, juris, Rn. 20; OLG Dresden, Beschluss vom 7. Februar 2008 – 2 Ws 18/08 –, juris, Rn. 9 unter Klarstellung von OLG Dresden, Beschluss vom 29. Juli 2005 – 2 Ws 402/05 –, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 8. Februar 2007 – I Ws 438/06 –, juris, Rn. 5; Fischer, StGB, 56. Aufl. 2009, § 67d Rn. 23; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 67d Rn. 7; Rissing-van Saan/Peglau, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band III, 12. Aufl. 2008, § 67d Rn. 49; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 67d Rn. 14; Veh, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 2/1, 2005, § 67d Rn. 30; Berg/Wiedner, StV 2007, S. 434 ≪435≫; kritisch zur entsprechenden Haltung der Rechtsprechung vor der Reform Radtke, ZStW 110 ≪1998≫, S. 297 ≪306, 325≫ sowie Bechtoldt, Die Erledigungserklärung im Maßregelvollzug des § 63 StGB, 2002, S. 184 ff.). Eine Ausnahme wird – mit Billigung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 2006 – 2 BvR 1486/06 –, NStZ-RR 2007, S. 29 ≪30≫) – in Fällen gemacht, in denen ursprüngliche Fehleinweisungen nicht auf Fehleinschätzungen in tatsächlicher Hinsicht, sondern auf reinen Rechtsfehlern des ursprünglichen Tatrichters beruhen (vgl. Rissing-van Saan/Peglau, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.; Stree, a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2005 – 3 Ws 298/05 u.a. –, juris, Rn. 15 f.; LG Landau in der Pfalz, Beschluss vom 10. Mai 2007 – 1 StVK 86/06 –, NStZ-RR 2007, S. 354 ≪355≫; dagegen Berg/Wiedner, StV 2007, S. 434 ≪441≫).
Nur in den zuletzt genannten Fällen also wird der Verurteilte nach gegenwärtigem Stand der Rechtsprechung mittelbar auch in seinem Vertrauen auf die Beständigkeit der Ablehnung der Sicherungsverwahrung geschützt – freilich um den Preis der Rechtsbeständigkeit der (fehlerhaften) Unterbringung nach § 63 StGB. Ansonsten eröffnet § 66b Abs. 3 StGB unter der Voraussetzung einer Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB die Möglichkeit, Entscheidungen, in denen die originäre Anordnung der Sicherungsverwahrung fehlerhaft abgelehnt worden ist, nachträglich aufgrund einer im Lichte neuer Beweismittel (das heißt vor allem: neuer Sachverständigengutachten) veränderten Bewertung einer tatsächlich unveränderten Situation zu korrigieren. Hierdurch unterscheidet sich § 66b Abs. 3 StGB von den Vorschriften des § 66b Abs. 1, Abs. 2 StGB, wonach (wesentliche) neue, erst nachträglich entstandene Tatsachen oder eine nachträgliche Erweiterung der Kognitionsbefugnis vorliegen müssen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 749/08 –, juris, Rn. 34 sowie BGHSt 50, 121 ≪125 f.≫; 50, 275 ≪278≫; 51, 185 ≪187 f.≫).
bb) Das Rechtsstaatsprinzip, hier in Verbindung mit dem Freiheitsgrundrecht, steht einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen freilich nur entgegen, soweit diese sich zum Nachteil eines betroffenen Grundrechtsträgers auswirkt (vgl. BVerfGE 109, 133 ≪183≫). Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB bringt verfassungsrechtlich relevante Nachteile jedoch nur in begrenztem Ausmaß mit sich. Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung zu § 66b Abs. 3 StGB – ebenso wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Fall des Beschwerdeführers zu 1) – zutreffend betont, dass es im Falle des § 66b Abs. 3 StGB nicht um die erstmalige Anordnung einer zeitlich nicht begrenzten freiheitsentziehenden Maßnahme, sondern im Kern um die Überweisung von einer derartigen Maßnahme in eine andere geht, wobei verschärfte Anordnungsvoraussetzungen eingreifen (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 – GSSt 1/08 –, NStZ 2009, S. 141 ≪143≫; kritisch Ullenbruch, Anmerkung, NStZ 2009, S. 143 ≪144≫). Nach § 66b Abs. 3 StGB kann dem Verurteilten das Übel der Sicherungsverwahrung nur auferlegt werden, wenn zuvor das Übel der Unterbringung nach § 63 StGB beseitigt wird. Zwar kommt der Sicherungsverwahrung als einer von vornherein ausschließlich auf Sicherung, nicht auf Besserung ausgelegten Maßregel in besonderem Maße ultima-ratio-Charakter zu (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2002 – 1 StR 546/01 –, juris, Rn. 23, und vom 20. Februar 2002 – 2 StR 486/01 –, juris, Rn. 14, sowie Ullenbruch, Anmerkung, NStZ 2009, S. 143 ≪144 f.≫), doch stellt auch die Unterbringung nach § 63 StGB eine unbefristete Form der Freiheitsentziehung dar, die nach ihrer gesetzlichen Konzeption einen Besserungszweck zudem zwar regelmäßig verfolgt, aber nicht zwingend voraussetzt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Februar 2002 – 1 StR 546/01 –, juris, Rn. 24 m.w.N.). Im Kontext des § 72 Abs. 2 StGB hat der Bundesgerichtshof deshalb wiederholt ausgeführt, die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus stelle gegenüber der Sicherungsverwahrung im Grundsatz kein geringeres, sondern ein anderes Übel dar (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 21 sowie BGHSt 5, 312 ≪314≫; BGH, Beschluss vom 25. Juni 1981 – 4 StR 313/81 –, NStZ 1981, S. 390; Urteil vom 20. Februar 2002 – 2 StR 486/01 –, juris, Rn. 14). Auch die beiden Beschwerdeführer haben nicht substantiiert dargelegt, inwieweit sie im Ergebnis durch die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Vergleich zur Situation der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus schlechter gestellt worden wären. Die pauschale Behauptung, bei der Sicherungsverwahrung handle es sich um einen reinen „Verwahrvollzug”, genügt angesichts der entgegenstehenden Feststellungen des Zweiten Senats in dem Urteil vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 ≪153 ff.≫) jedenfalls nicht.
cc) Dennoch verbleibende Nachteile werden jedenfalls von den mit dem Gesetz verfolgten überragenden Interessen des Gemeinwohls (oben 1.) überwogen. Zwingende Gründe des gemeinen Wohls können auch eine Durchbrechung des grundsätzlichen rechtsstaatlichen Verbots der rückwirkenden Änderung von Rechtsfolgen zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigen (vgl. BVerfGE 72, 200 ≪258≫). Der Gesetzgeber hat für die nachträgliche Überstellung von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in die Sicherungsverwahrung sowohl hinsichtlich der materiellen Anordnungsvoraussetzungen (§ 66b Abs. 3 StGB) als auch, was das Verfahren angeht (§ 275a Abs. 2 ff. StPO), durchaus höhere Anforderungen aufgestellt als in anderen Fällen des nachträglichen Austausches freiheitsentziehender Maßregeln (vgl. § 67a StGB sowie § 463 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 in Verbindung mit § 462 StPO). Wenn § 67d Abs. 6 und § 66b Abs. 3 StGB in der ihnen von den Strafgerichten gegebenen Auslegung für die Frage der Erledigung der Unterbringung und der Anordnung der Sicherungsverwahrung allein auf den jeweiligen Entscheidungszeitpunkt abstellen, ohne eine zusätzliche Prüfung hinsichtlich des Vorliegens neuer Tatsachen vorzuschreiben, die stets mit praktischen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl. Schneider, NStZ 2004, S. 649 ≪650≫), erscheint das angesichts der letztlich jedenfalls begrenzten nachteiligen Folgen des Wechsels der Unterbringungsform nachvollziehbar und letztlich – noch – sachgerecht. Ob dies auch dann gilt, wenn nicht einmal neue Beweismittel vorliegen und die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zur Korrektur einer allein in rechtlicher Hinsicht fehlerhaften Entscheidung führen würde (vgl. aber oben aa) ≪3≫), kann vorliegend dahinstehen, weil dies in den den Verfassungsbeschwerden zugrunde liegenden Verfahren nicht der Fall war.
c) Entsprechend begegnet es auch keinen Bedenken, wenn § 66b Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB für die Zukunft dazu führt, dass Strafurteilen, in denen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch abgelehnt wird, von vornherein auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Strafurteils (formelle Rechtskraft) nur begrenzte Bindungswirkung (materielle Rechtskraft) zukommt (zur verfassungsrechtlichen Bedeutung der Rechtskraft vgl. allgemein BVerfGE 2, 380 ≪403 ff.≫; 22, 322 ≪329≫; 47, 146 ≪161≫).
4. Nach alledem verstößt es schließlich auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenn § 66b Abs. 3 StGB anders als § 66b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB neue, erst nach der ursprünglichen Verurteilung aufgetretene Tatsachen nicht voraussetzt. Ebenso wenig stellt es eine willkürliche, ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, wenn die Anwendbarkeit des § 66b Abs. 3 StGB nach der Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (oben A. I. 4.) davon abhängt, ob nach der Erledigung der Unterbringung noch Freiheitsstrafe zu vollziehen ist. Wie der Beschwerdeführer zu 2) selbst einräumt, hängt die Vollstreckungsreihenfolge nicht vom Zufall ab, sondern von einer sachlich begründeten gerichtlichen Entscheidung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 67 StGB. Wenn der Beschwerdeführer weiter meint, Unterschiede in der Vollstreckungsreihenfolge seien nicht ausreichend gewichtig, um über die Frage der Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB oder des § 66b Abs. 1, Abs. 2 StGB zu entscheiden, übersieht er, dass die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen im Hinblick auf § 66b Abs. 3 StGB von dem Bemühen getragen ist, die Vorschriften über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung restriktiv zu handhaben. Wenn dies in gewissen Grenzen zur Begünstigung einer Gruppe von Betroffenen führen sollte, zu welcher der Beschwerdeführer nicht zählt, würde dies jedenfalls nicht auf Willkür beruhen.
Dahingestellt bleiben kann daher, ob bei Zugrundelegung der vom Großen Senat vorgesehenen Maßstäbe für die Auslegung des § 66b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB in den Fällen der Erledigung einer Unterbringung mit anschließender Verbüßung einer (Rest-)Freiheitsstrafe (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2008 – GSSt 1/08 –, NStZ 2009, S. 141 ≪142 f.≫) die hiervon Betroffenen im Ergebnis tatsächlich noch besser gestellt werden als der Personenkreis, dem die Beschwerdeführer angehören (verneinend wohl Ullenbruch, Anmerkung, NStZ 2009, S. 143 ≪144 f.≫). Ebenso kann offen bleiben, ob diese Auslegungsmaßstäbe selbst einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten.
III.
Ausgehend von der Verfassungsmäßigkeit des § 66b Abs. 3 StGB sind die gegen die Beschwerdeführer ergangenen Urteile, mit denen deren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich angeordnet worden ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine verfassungsrechtlich fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB durch das Landgericht Frankfurt am Main oder den Bundesgerichtshof ist in beiden Fällen weder gerügt noch ersichtlich.
IV.
Der Antrag des Beschwerdeführers zu 2) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts S… war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 114 Satz 1 ZPO analog).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen
NStZ 2010, 265 |
EuR 2011, 405 |
NJ 2009, 479 |
BewHi 2010, 246 |
NPA 2011 |