Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 19.01.1999; Aktenzeichen 1 Qs 4/99) |
AG Amberg (Beschluss vom 10.03.1997; Aktenzeichen Cs 5 Js 10148/96) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, und zwar unabhängig von der Frage, ob dem Beschwerdeführer gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte.
Dem Beschwerdeführer wird eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 1.500,- DM (in Worten: eintausendfünfhundert Deutsche Mark) auferlegt.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorläufige Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens.
- Durch einen Strafbefehl des Amtsgerichts wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, einen antiken Holzschrank aus einem von seiner Ehefrau ersteigerten Haus, in dem sich im Erdgeschoß ein Ladengeschäft befand, entwendet zu haben. Weil ihm vorgeworfen wurde, in dieser Sache vier Zeugen zum Meineid angestiftet zu haben – deswegen wurde er später zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt –, beschränkte das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung gemäß § 154 Abs. 2 StPO, weil die in dem Diebstahlsverfahren zu erwartende Strafe gegenüber der wegen Anstiftung zum Meineid in vier Fällen zu erwartenden Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fiel. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Landgericht als unzulässig.
- Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie von Art. 6 Abs. 2 MRK mit der Begründung, die Einstellung enthalte eine unrechtmäßige strafrechtliche Schuldzuweisung, weil er wegen der Zubehöreigenschaft des Schrankes bereits dessen Eigentümer gewesen und damit erwiesenermaßen unschuldig sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil ein Annahmegrund im Sinne des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Trotz anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Es fehlt an der nach § 90 Abs. 1 BVerfGG erforderlichen verfassungsprozessualen Beschwer. Aus dem angegriffenen Beschluß des Amtsgerichts, durch den das Strafverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt wurde, erwachsen dem Beschwerdeführer, worauf das Landgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zutreffend hingewiesen hat, keine Rechtsnachteile. Der Beschwerdeführer steht weiter unter dem Schutz der Unschuldsvermutung. Die Fortführung eines Strafverfahrens mit dem Ziel des Nachweises der Unschuld kann grundsätzlich niemand verlangen; das Strafverfahren dient vielmehr der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs. Die mit dem Fortbestehen eines Tatverdachts möglicherweise verbundenen faktischen Belastungen sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerfG – Vorprüfungsausschuß –, NStZ 1984, S. 228 f.). Zwar ist in Ausnahmefällen ein verfassungsgerichtliches Eingreifen bei grobem prozessualen Unrecht möglich, insbesondere wenn eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden oder offensichtlich unhaltbaren Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 46). Anhaltspunkte dafür sind indes weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere steht die Annahme des Landgerichts, der Schrank sei kein Zubehör im Sinne der §§ 90, 55 ZVG, 97 Abs. 1, 98 Nr. 1 BGB, weil das Erdgeschoß, in dem sich das Ladengeschäft befand, nicht für einen bestimmten Gewerbebetrieb ausgestaltet und eingerichtet sei, im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung (vgl. BGHZ 62, 49 ≪51≫; BGHZ 124, 380 ≪392≫; weitere Nachweise bei Palandt, BGB, 58. Aufl., § 98, Rn. 3, § 97, Rn. 11 und Holch, Münchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 97, Rn. 30 ff.) und ist auch angesichts des Umstandes, daß der Schrank sich nicht in den geschäftlich genutzten Räumen befand, jedenfalls von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
III.
Die Auferlegung einer Mißbrauchsgebühr in Höhe von 1.500 DM beruht auf § 34 Abs. 2 BVerfGG.
Es ist Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben und die Allgemeinheit von Bedeutung sind, und – wo nötig – die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht gehalten hinzunehmen, daß es in der Erfüllung dieser Aufgaben durch – wie hier – an gravierenden Zulässigkeitsmängeln leidende Verfassungsbeschwerden behindert wird (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, NJW 1995, S. 1418, NStZ 1998, S. 363). Dem Beschwerdeführer war zuzumuten, wenigstens durch seinen anwaltlichen Vertreter vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem Umfang der Nachprüfung strafgerichtlicher Entscheidungen im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu ermitteln. Eine Sorgfaltspflichtverletzung seines Verfahrensbevollmächtigten muß sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen. Sollte die Einlegung der Verfassungsbeschwerde auf unzulänglicher anwaltlicher Beratung beruhen, mag der Beschwerdeführer gegebenenfalls einen Regreßanspruch geltend machen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Winter, Hassemer
Fundstellen