Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsabkommen für Ansprüche wegen faktischer Enteignung durch die DDR
Beteiligte
Rechtsanwälte White & Case, Feddersen |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Abkommen vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche (BGBl 1992 II S. 1223).
I.
1. Dieses Pauschalentschädigungsabkommen gilt die Ansprüche der von (faktischen) Enteignungsmaßnahmen der DDR betroffenen US-amerikanischen Staatsbürger in Bezug auf ihr in Deutschland belegenes Vermögen ab, Art. 2. Nach Art. 1 erfasst das Abkommen neben Ansprüchen aus „Verstaatlichung”, „Enteignung” und „staatlichem Eingriff” auch solche aus „sonstigen Wegnahmen oder besonderen Maßnahmen”. Den Berechtigten war nach Art. 3 Abs. 1 des Abkommens das bis zum 31. Dezember 1992 auszuübende Recht eingeräumt, ob sie einen Teil des Abfindungsbetrags nach dem Abkommen annehmen oder ihre Ansprüche im innerstaatlichen Verfahren der Bundesrepublik Deutschland geltend machen wollten. Trifft ein Berechtigter keine Entscheidung, so wird unterstellt, dass er sich für die Alternative Annahme eines Teils des Abfindungsbetrags entschieden hat, Art. 3 Abs. 3 des Abkommens. Das Abkommen stellt eine vollständige und abschließende Regelung und Abwicklung der Ansprüche der amerikanischen Staatsangehörigen, die ihren Anteil am Abfindungsbetrag in Anspruch nehmen oder für die dies unterstellt wird, dar. Rechtstitel dieser Personen in Bezug auf Vermögenswerte in der Bundesrepublik gehen auf den Bund über, Art. 3 Abs. 9. Nach Art. 2 des (deutschen) Gesetzes zu dem Abkommen endet die staatliche Verwaltung über Vermögenswerte, die von dem Abkommen erfasst werden, vier Monate nach Inkrafttreten des Abkommens.
2. Die Beschwerdeführerin ist US-amerikanische Staatsbürgerin. Sie ist Erbeserbin ihres Onkels, eines wohl österreichischen Staatsbürgers jüdischer Abstammung. Dieser war Eigentümer des streitigen, im Ostteil Berlins belegenen Grundstücks. Der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Berlin stellte mit Bescheid vom 8. Juni 1998 fest, dass das Grundstück auf Grund des Abkommens vom 13. Mai 1992 in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Gegen den Antrag der Oberfinanzdirektion Berlin, einen Verfügungsgenehmigungsvorbehalt gem. § 11c Satz 5 VermG zu Gunsten der Bundesrepublik Deutschland einzutragen, erhob die Beschwerdeführerin Klage, die letztinstanzlich vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wurde. Das Eigentum an dem streitigen Grundstück sei auf Grund von Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens auf den Bund übergegangen. Das Grundstück unterfalle auch dem Abkommen. Es liege jedenfalls eine sonstige Wegnahme oder besondere Maßnahme im Sinne des Art. 1 des Abkommens vor. Mangels einer Äußerung der Beschwerdeführerin sei nach Art. 3 Abs. 3 des Abkommens zu unterstellen, dass die Beschwerdeführerin einen Anteil an der Abfindungssumme gewählt habe.
3. Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Sie sei bis zum Abschluss des Abkommens Eigentümerin des streitigen Grundstücks gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, § 93a Abs. 2 BVerfGG. Die durch sie aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt, da die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.
1. Die Verfassungsbeschwerde wirft im Wesentlichen zwei Fragen der Auslegung des Abkommens – eines völkerrechtlichen Vertrags – auf: Eigentumsentziehung durch völkerrechtlichen Vertrag und sachlicher Anwendungsbereich des Vertrags.
2. Prüfungsmaßstab ist nicht Art. 14 Abs. 1 GG. Der Eigentumseingriff liegt in einer Handlung des Heimatstaats der Beschwerdeführerin, also der USA, da diese mit Wirkung für ihre Staatsangehörige über deren Rechtsposition durch Abschluss des Abkommens verfügt (vgl. Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 2000 – 2 BvR 36/00 –, DVBl 2001, S. 64). Dieser Grundrechtseingriff ist bei wertender Betrachtung der Bundesrepublik Deutschland nicht zurechenbar (vgl. BVerfGE 66, 39 ≪59 ff.≫; 43, 203 ≪209≫).
3. Prüfungsmaßstab für die angegriffenen Urteile ist Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Auslegung und Anwendung des die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkervertragsrechts ist Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht überprüft die Auslegung und Anwendung des Völkervertragsrechts grundsätzlich nach den für die Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen allgemein geltenden Maßstäben (vgl. BVerfGE 18, 441 ≪450≫; 99, 145 ≪160≫; Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 2000 – 2 BvR 36/00 –, DVBl 2001, S. 64). Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot ist verletzt, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die getroffene Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Völkerrechtliche Verträge sind ausgehend von ihrem Wortlaut im Zusammenhang nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des allgemeinen Völkerrechts auszulegen. Von Willkür kann auch bei der Auslegung und Anwendung von Völkerrecht nicht gesprochen werden, wenn das Fachgericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinander setzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 89, 1 ≪13 f.≫).
b) Die angegriffenen Urteile werden den aufgezeigten Anforderungen gerecht. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, Art. 1 des Abkommens erfasse mit Ansprüchen aus „sonstigen Wegnahmen oder besonderen Maßnahmen” auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Ansprüche, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Auslegung, als eine sonstige Wegnahme oder besondere Maßnahme könne auch der faktische Ausschluss des Bucheigentümers von jeglicher Eigentümerbefugnis anzusehen sein, ist nachvollziehbar. Für die Rechtsauffassung des Gerichts spricht etwa der im Wortlaut der Vorschrift und der Systematik des Abkommens zum Ausdruck kommende Gedanke einer umfassenden Regelung und Abgeltung von Vermögensansprüchen auf Grund von Eigentumseingriffen durch DDR-Behörden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Jentsch, Di Fabio
Fundstellen
Haufe-Index 743215 |
VIZ 2002, 515 |
WM 2002, 1130 |
www.judicialis.de 2002 |