Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsvormündervergütungsgesetz
Beteiligte
Rechtsanwälte Christian Bill und Koll. |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde zweier Berufsbetreuerinnen richtet sich unmittelbar gegen das Berufsvormündervergütungsgesetz (Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern – BVormVG – vom 25. Juni 1998 ≪BGBl I S. 1586≫), nach dem die Höhe der erreichbaren Vergütung an formale Bildungsabschlüsse geknüpft wird und es der Ländergesetzgebung überlassen bleibt, gesetzliche Vorkehrungen für eine vergütungssteigernde Nachqualifikation von Berufsbetreuern zu schaffen.
1. Die maßgeblichen Vorschriften des Berufsvormündervergütungsgesetzes, das als Art. 2 a des Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz – BtÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl I S. 1580) ergangen ist, lauten:
§ 1
Vergütung des Berufsvormunds
(1) Die nach § 1836 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung beträgt für jede Stunde der für die Führung der Vormundschaft aufgewandten und erforderlichen Zeit fünfunddreißig Deutsche Mark. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich diese Vergütung
- auf fünfundvierzig Deutsche Mark, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind;
- auf sechzig Deutsche Mark, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. …
(2) …
(3) Das Gericht kann für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2000 bei der Festsetzung der Vergütung für einen Vormund, der bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren Vormundschaften berufsmäßig geführt hat, abweichend von Absatz 1 einen höheren, sechzig Deutsche Mark jedoch nicht übersteigenden Stundensatz zugrundelegen. Die sich aus der Abweichung ergebende Vergütung soll sich an der bisherigen Vergütung des Vormunds orientieren.
§ 2
Umschulung und Fortbildung von Berufsvormündern
(1) Durch Landesrecht kann bestimmt werden, daß es einer abgeschlossenen Lehre im Sinne des § 1 Satz 2 Nr. 1 gleichsteht, wenn der Vormund besondere Kenntnisse im Sinne dieser Vorschrift durch eine dem Abschluß einer Lehre vergleichbare Prüfung vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle nachgewiesen hat. Zu einer solchen Prüfung darf nur zugelassen werden, wer
- mindestens drei Jahre lang Vormundschaften oder Betreuungen berufsmäßig geführt und
- an einer Umschulung oder Fortbildung teilgenommen hat, die besondere Kenntnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 vermittelt, welche nach Art und Umfang den durch eine abgeschlossene Lehre vermittelten vergleichbar sind.
(2) Durch Landesrecht kann bestimmt werden, daß es einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 gleichsteht, wenn der Vormund Kenntnisse im Sinne dieser Vorschrift durch eine Prüfung vor einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle nachgewiesen hat. Zu einer solchen Prüfung darf nur zugelassen werden, wer
- mindestens fünf Jahre lang Vormundschaften oder Betreuungen berufsmäßig geführt und
- an einer Umschulung oder Fortbildung teilgenommen hat, die besondere Kenntnisse im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 vermittelt, welche nach Art und Umfang den durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule vermittelten vergleichbar sind.
(3) Das Landesrecht kann weitergehende Zulassungsvoraussetzungen aufstellen. Es regelt das Nähere über die an eine Umschulung oder Fortbildung im Sinne von Absatz 1 Satz 2 Nr. 2, Absatz 2 Satz 2 Nr. 2 zu stellenden Anforderungen, über Art und Umfang der zu erbringenden Prüfungsleistungen, über das Prüfungsverfahren und über die Zuständigkeiten. Das Landesrecht kann auch bestimmen, daß eine in einem anderen Land abgelegte Prüfung im Sinne dieser Vorschrift anerkannt wird.
Nach § 1908 i Abs. 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 1836 a BGB und § 1 Abs. 1 BVormVG richtet sich damit der Stundensatz (35 DM, 45 DM oder 60 DM zuzüglich Mehrwertsteuer) des Berufsbetreuers mittelloser Personen nach der Ausbildung des Betreuers und dem damit unterstellten Wissens- und Kenntnisstand. Die Einordnung ist nicht unproblematisch; sie wird in der Literatur zum Teil kritisiert (vgl. Knieper/Mahr, in: HK-BUR, Heidelberger Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, Stand: August 1999, § 1 BVormVG Rn. 15 ff.; vgl. auch Zimmermann, FamRZ 1999, S. 630 ≪634≫).
2. Umschulung und Fortbildung von Berufsvormündern haben erst spät in das Gesetzgebungsverfahren Eingang gefunden (vgl. Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Protokoll der 112. Sitzung des Rechtsausschusses vom 25. März 1998, S. 41; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften vom 1. April 1998, BTDrucks 13/10331, S. 29; StenBer der 228. Sitzung des 13. Deutschen Bundestages vom 3. April 1998, Plenarprotokoll 13/228, S. 20966). Dies geschah vor allem auf Initiative der neuen Länder, wo der Beruf von einer großen Zahl von Quereinsteigern und nicht – wie in den alten Ländern – hauptsächlich von Angehörigen mit Bildungsabschlüssen im Sozialbereich oder von Personen mit einer juristischen Ausbildung ausgeübt wurde. Um zu vermeiden, dass trotz langjähriger, anerkannter und erfolgreicher Arbeit solche Betreuer nach den neuen Vergütungsregelungen nur Anspruch auf die niedrigste Vergütung hätten, müssten Fortbildungsmöglichkeiten geschaffen werden, damit insgesamt die Betreuungen sichergestellt blieben (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung von Brandenburg, LTDrucks 2/6279, S. 1 f.; ebenso Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Thüringer Ausführungsgesetz zum Berufsvormündervergütungsgesetz vom 18. Mai 1999, LTDrucks 2/3709, S. 1 f.; vgl. Vorlage zur Beschlussfassung über ein Gesetz zur Ausführung des Berufsvormündervergütungsgesetzes, Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks 13/3912, S. 1 f.).
3. Beide Beschwerdeführerinnen sind Berufsbetreuerinnen. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist seit Mitte 1995 als Berufsbetreuerin tätig. Sie verfügt nicht über einen Hochschulabschluss, jedoch über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie führt Betreuungsfälle mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad; überwiegend sind ihr sehr aufwendige und schwierige Betreuungen übertragen. Die Beschwerdeführerin zu 2) ist seit 1996 als Berufsbetreuerin tätig. Ihr wurden ebenfalls viele sehr aufwendige und schwierige Betreuungen übertragen. Auch sie verfügt nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium.
In zahlreichen gerichtlichen Beschlüssen zur Festsetzung der Betreuervergütung nach altem Recht sind den Beschwerdeführerinnen besondere Fachkenntnisse attestiert und Stundensätze von 75 DM festgesetzt worden.
Im März 1999 wandten sich die Beschwerdeführerinnen in getrennten Schreiben an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Anfrage, ob und gegebenenfalls wann eine landesrechtliche Regelung zur Nachqualifizierung erwartet werden könne. Das Ministerium teilte mit, dass nicht beabsichtigt sei, ein entsprechendes Landesgesetz zur Nachqualifikation oder zur Anerkennung einer in einem anderen Bundesland erworbenen Nachqualifikation vorzulegen. Das sei in Nordrhein-Westfalen nach Recherchen aus der Sicht der Justiz für den Fortbestand qualifizierter Betreuungsarbeit nicht erforderlich. Der weitaus größte Teil der Betreuungen werde ohnehin ehrenamtlich geführt. Der Anteil derer, die nach neuem Recht mangels entsprechender Berufsausbildung künftig eine geringere Vergütung erhalten würden als bisher, sei gering.
4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass § 1 BVormVG sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Zur Begründung tragen sie vor:
§ 1 BVormVG könne vor Art. 12 Abs. 1 GG nur Bestand haben, wenn es vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls entspreche, eine Differenzierung nach dem formalen Bildungsabschluss vorzunehmen. Das sei nicht der Fall, wenn es nicht mehr auf die Schwierigkeit der Betreuungsführung im Einzelfall ankomme, sondern nur noch darauf, ob die Fachkenntnisse durch eine spezielle Ausbildung erworben worden seien. Das Unterscheidungskriterium sei für die Frage der Nutzbarkeit von Fachkenntnissen ungeeignet, weil es zu unzutreffenden Ergebnissen führe. Entscheidend sei vielmehr, ob über diese Fachkenntnisse verfügt werde. Der Gesetzgeber selbst stelle für den Fall eines vermögenden Mündels hierauf nicht ab; auch nach der Neuregelung komme es insoweit auf Umfang und Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte an. Die Ungeeignetheit der getroffenen Maßnahme zeige sich auch daran, dass überhaupt kein Studium konkret für Betreuungen nutzbar sei. Selbst bei den Laufbahnen für Beamte sei eine Durchlässigkeit zwischen einfachem und mittlerem, gehobenem und höherem Dienst gegeben. Den Beschwerdeführerinnen müsse deshalb der Nachweis gestattet werden, dass sie über die gleichen Fachkenntnisse verfügten wie ein Hochschulabsolvent, soweit diese für die Führung einer Betreuung notwendig und nutzbar seien.
Durch die Weigerung des Landes Nordrhein-Westfalen, eine Nachqualifizierung zuzulassen, werde den Beschwerdeführerinnen praktisch der Nachweis der Qualität ihrer Arbeit abgeschnitten. Das widerspreche dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz. Den Beschwerdeführerinnen werde seit 1995/96 höchste Qualifikation bescheinigt; dann dürfe ihnen der Nachweis nicht verwehrt werden, ab dem 1. Juli 2000 genauso qualifiziert weiterzuarbeiten. Lägen nutzbare Fachkenntnisse vor, sei es mit vernünftigen Erwägungen im Interesse des Gemeinwohls nicht zu erklären, dass es allein darauf ankomme, wie diese Fachkenntnisse erworben worden seien. Die angegriffene Regelung verletze deshalb zugleich Art. 3 Abs. 1 GG.
Im Übrigen könne § 1 BVormVG im Lichte von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG so ausgelegt werden, dass die höhere Vergütung schon dann zuzusprechen sei, wenn die besonderen Kenntnisse nicht durch eine Ausbildung im Sinne von Absatz 1 Satz 2 erworben worden seien.
Vor Art. 12 Abs. 1 GG sei es auch nicht zu rechtfertigen, dass die Bundesländer die Nachqualifizierungsregelung von einer Bedürfnisprüfung abhängig machten. Denn die Tätigkeit von akademisch vorgebildeten und nicht akademisch vorgebildeten Berufsbetreuern unterscheide sich praktisch überhaupt nicht.
5. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich das Bundesministerium der Justiz namens der Bundesregierung, die Länder und der Vormundschaftsgerichtstag e.V. geäußert.
a) Das Bundesministerium der Justiz hält die angefochtenen Regelungen für verfassungsgemäß. Sie enthielten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierung, die erforderlich geworden sei, um die Handhabung in der Praxis zu erleichtern. Die von den Beschwerdeführerinnen kritisierte Anknüpfung an formale Ausbildungskriterien habe auch in anderen Berufsbereichen Einfluss auf die Höhe der Vergütung. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus Vorkehrungen getroffen, um mit der Neuregelung die für die Betroffenen verbundenen Härten zu mildern, nämlich durch § 2 BVormVG und die Übergangsvorschrift des § 1 Abs. 3 BVormVG.
b) Die Stellungnahmen der Länder beschränken sich überwiegend auf eine Darstellung der Rechts- und Tatsachenlage im Lande; nur das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich zur Sache geäußert. Es geht davon aus, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung für den Landesgesetzgeber, von der Möglichkeit des § 2 BVormVG Gebrauch zu machen, nicht besteht. Die Norm ziele auf die Lage in den neuen Ländern ab. Solange geeignete und für den jeweiligen Einzelfall ausreichend qualifizierte Betreuer in genügender Anzahl zur Verfügung stünden, was in Nordrhein-Westfalen der Fall sei, bestehe aus der Sicht der Landesregierung keine Veranlassung, den Betreuern ohne Berufsausbildung oder Studium eine vergütungssteigernde Nachqualifikation zu ermöglichen. Deshalb bestehe auch kein Anlass, auswärtige Nachqualifikationen anzuerkennen.
c) Der Vormundschaftsgerichtstag hält es nicht für sachgerecht, dass die Höhe der Vergütung ausschließlich an die formale Qualifikation anknüpft. Diese sei im Einzelfall nur sehr begrenzt aussagefähig im Hinblick auf die tatsächliche Eignung des Betreuers. Der Vormundschaftsgerichtstag habe daher im Gesetzgebungsverfahren auch vorgeschlagen, stattdessen die Vergütung an den im Einzelfall tatsächlich erforderlichen Fachkenntnissen zu orientieren, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass bei jeder Betreuung höchst unterschiedliche Anforderungen an den Betreuer gestellt würden und daher auch sehr unterschiedliche Fachkenntnisse und Handlungskompetenzen die Qualität der Betreuung ausmachten. Jedenfalls sollten in allen Ländern entsprechende landesrechtliche Regelungen zur Nachqualifizierung geschaffen werden. In den Ländern, in denen kein konkreter Bedarf für Maßnahmen zur Nachqualifizierung bestünde, sollten zumindest auswärtige Abschlüsse anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zur Abhängigkeit der Vergütung von der durch einen Berufsabschluss nachgewiesenen Qualifikation, zu den unvermeidbaren Härten, Unebenheiten, Friktionen und Mängeln von Besoldungsordnungen, zu Härten oder Ungerechtigkeiten bei notwendig typisierenden Regelungen und zur Notwendigkeit von Übergangsregelungen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG bei neu eingeführten Ausbildungs- oder Prüfungserfordernissen für bereits tätige Berufsangehörige sowie zur möglichen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die Ungleichbehandlung von Normadressatengruppen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. Beschluss des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 – 1 BvR 1904/95 u.a. –, AnwBl 2000, S. 204 ≪206≫; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2000 – 1 BvR 1970/99 u.a. –; vgl. im Übrigen BVerfGE 26, 141 ≪158 f.≫; 26, 265 ≪275 f.≫; 58, 68 ≪79 f.≫; 68, 272 ≪284≫; 76, 256 ≪295≫; 98, 265 ≪310≫; 98, 365 ≪385≫; 99, 367 ≪389≫).
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerinnen angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 und 2 Satz 2, § 1836 a BGB und § 1 Abs. 1 BVormVG in der Fassung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl I S. 1580) sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Die Beschwerdeführerinnen werden nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 3 Abs. 1 GG vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫).
In der angegriffenen Regelung macht der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen solchen Berufsbetreuern, die entweder durch Berufserfahrung oder durch Fortbildungsmaßnahmen nutzbare Fachkenntnisse für die Führung von Betreuungen angehäuft haben, und Berufsbetreuern, die einen formalen Berufsabschluss, wie beispielsweise ein Fachhochschul- oder Hochschulstudium nachweisen können, durch das ihnen entsprechend der einschlägigen Ausbildungsordnung nutzbare Kenntnisse vermittelt worden sind. Dieser Unterschied zwischen den Normadressatengruppen je nach ihrem formalen Bildungsabschluss rechtfertigt eine vergütungsrechtliche Ungleichbehandlung. Das gilt auch dann, wenn man im Einzelfall bei Angehörigen beider Gruppen identische nutzbare Kenntnisse unterstellt, weil eine Vergütungsregelung für Massengeschäfte auch in ihrer Anwendung praktisch handhabbar bleiben muss. Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung soll die Kalkulierbarkeit der Einnahmen für die Betreuer selbst sichergestellt werden, indem sich die in DM ausgedrückten Vergütungssätze vorrangig an der Qualifikation des Betreuers orientieren; im Interesse problemloser Handhabbarkeit wird die Qualifikation nach der Art der Ausbildung typisiert (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 13/7158, S. 14 rechte Spalte). Zugleich wird den für die Festsetzung zuständigen Gerichten die Arbeit erheblich erleichtert. Diese Gründe tragen die Differenzierung.
Die Kammer hat bereits im Beschluss vom 16. März 2000 (1 BvR 1970/99 u.a., S. 13 f. des Umdrucks) darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei gesetzlichen Vergütungsregelungen nicht nur eine einzige Möglichkeit der Ausgestaltung hat, sondern dass auch die Festsetzung von Stundensätzen in Abhängigkeit von nutzbaren Kenntnissen sachgerecht erscheint. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Betreuungsrechtsänderungsgesetz heißt es zu der beanstandeten Einstufungsregelung (vgl. BTDrucks 13/7158, S. 28 linke Spalte):
Maßgebend ist danach für die Vergütungshöhe, ob der Vormund über Fachkenntnisse verfügt, die für die Führung der konkreten Vormundschaft nutzbar … und durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Bejahendenfalls ist zu unterscheiden, ob der Erwerb der Fachkenntnisse auf einer abgeschlossenen Lehre oder einer vergleichbaren Ausbildung oder auf einem abgeschlossenen Hochschulstudium – sei es Fachhochschul–, sei es Universitätsstudium – beruht. Die Verfügbarkeit solcher Fachkenntnisse und die verschiedene Art ihres Erwerbs bilden zusammengenommen ein dreistufiges Vergütungsraster, das den unterschiedlichen Vergütungswert der Tätigkeit von Berufsvormündern grob typisierend erfaßt, sich auf aus dem Erwerbsleben bekannte Bewertungsmaßstäbe stützen kann, von den Gerichten leicht zu handhaben ist und eine einheitliche Vergütungspraxis sicherstellt.
Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte in erster Linie für die Auswahl des Vormunds eine Rolle spielt; die Wahl sollte stets auf eine Person mit angemessener Qualifikation fallen. Die Fachkenntnisse, die der Vormund dann in die Führung der Vormundschaft einbringt, bestimmen ihrerseits wieder das Maß der Vergütungshöhe (vgl. BTDrucks 13/7158, S. 26 linke Spalte). Hierin liegt zugleich eine sachliche Rechtfertigung für eine Typisierung in Anlehnung an eine formale Qualifikation: Sofern in einem Ausbildungsbereich für das Betreuungswesen nutzbare Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, ist die Vermutung des Gesetzgebers nicht fern liegend, dass der in dieser Weise formal Qualifizierte die Anforderungen an die Führung einer berufsmäßigen Betreuung auch erfüllen kann.
Im amtsgerichtlichen Massengeschäft der Betreuungsvergütungsanträge wird überdies die Handhabbarkeit der Regelungen hierdurch erheblich erleichtert. Das war auch erforderlich, nachdem die alte Regelung zahlreiche Vergütungsstreitigkeiten zur Folge hatte, in denen jede einzelne Entscheidung im Hinblick auf die individuellen Fachkenntnisse und deren Erforderlichkeit für die konkrete Betreuung zu begründen war. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach alldem nicht erkennbar.
b) Die Beschwerdeführerinnen werden auch nicht in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzt.
Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird (vgl. BVerfGE 94, 372 ≪390≫). Mit den Zielsetzungen Rechtssicherheit, Kalkulierbarkeit der Einnahmen und Ausgaben, leichtere Handhabbarkeit, Entlastung der Gerichte sowie Begrenzung der Staatsausgaben verfolgt die angegriffene gesetzliche Regelung legitime Gemeinwohlzwecke, wie sich bereits aus dem Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1999 (vgl. AnwBl 2000, S. 204 ≪206≫) ergibt.
Die Regelung ist auch geeignet, diese Zielvorstellungen des Gesetzgebers zu fördern (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2000 – 1 BvR 1970/99 u.a. –, Umdruck S. 13). Gebührenordnungen jeder Art weisen für die Betroffenen Vor- und Nachteile auf. Das gilt für ein Stundensatzsystem ebenso wie für Fallpauschalen oder die Anknüpfung an den Gegenstandswert. Welchen gesetzlichen Regelungen in einer bestimmten Situation der Vorzug gegeben wird, richtet sich nach der Einschätzung des Gesetzgebers auf der Grundlage verfügbarer Erkenntnisse. Die Bewertung des Gesetzgebers, dass es ein weniger beeinträchtigendes Mittel gleicher Wirksamkeit zur Erreichung der von ihm nunmehr vorrangig verfolgten Zwecke nicht gibt, ist vertretbar. Die Handhabbarkeit hätte möglicherweise noch weiter verbessert werden können, wenn sich der Gesetzgeber auch dazu geäußert hätte, welche Ausbildungsgänge seiner Auffassung nach nutzbare Fachkenntnisse vermitteln. Diese Variante hätte jedoch nicht zu einem geringeren Eingriff in die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen geführt.
Die Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist, also die Betroffenen nicht übermäßig belastet sind (vgl. BVerfGE 83, 1 ≪19≫). Die angegriffene Regelung ist im engeren Sinne verhältnismäßig. Für diese Beurteilung sind die geförderten Belange und das Ausmaß des angestrebten Nutzens den beeinträchtigten Rechtspositionen und dem Gewicht ihrer Verkürzung gegenüberzustellen. Dem Ziel und dem erwarteten Nutzen von Rechtssicherheit, Kalkulierbarkeit und Entlastung der Gerichte steht das Erleiden einer zumindest hier nicht als existentiell dargestellten Einkommenseinbuße der Beschwerdeführerinnen gegenüber. Die Abwägung ergibt, dass diese Gemeinwohlbelange gegenüber dem Erwerbsinteresse der Beschwerdeführerinnen den Vorrang verdienen.
c) Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot des Vertrauensschutzes kann jedoch eine Übergangsregelung gebieten, die für die bisher im Beruf Tätigen Härten abmildert. Dies hat der Bundesgesetzgeber vorliegend so gesehen und durch die Übergangsregelungen in § 1 Abs. 3 und § 2 BVormVG einem solchen Vertrauensschutz Rechnung getragen, indem er den Ländern die Möglichkeit eingeräumt hat, eigene Nachqualifizierungskonzepte zu entwickeln oder die Nachqualifikation, die in anderen Bundesländern erworben worden ist, anzuerkennen. Damit hat der Bundesgesetzgeber die erkennbar gegenläufigen Interessen der Berufsbetreuer ohne formale Qualifikation und diejenigen der Länder an praktikablen Vorgaben bei der Vergütungsfestsetzung zu einem angemessenen Ausgleich gebracht. Er hat das Interesse der Berufsbetreuer, die über nutzbare Fachkenntnisse, nicht jedoch über einen formalen Bildungsabschluss verfügen, als erheblich eingestuft; sie sollen ihre qualifizierte Tätigkeit fortsetzen können und – nach erfolgreicher Prüfung – ebenso hoch bezahlt werden wie die formal Qualifizierten. Auf der anderen Seite wird damit immer noch das staatliche Interesse an einer leicht handhabbaren Vergütungsordnung mit kalkulierbaren Ergebnissen gewahrt.
Ob die bundesgesetzliche Regelung durch das Rechtsstaatsprinzip in vollem Umfang geboten gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Übergangsregelungen sind vor allem dann angezeigt, wenn eine geschützte Rechtsposition aufgehoben oder erheblich umgestaltet wird (vgl. BVerfGE 43, 242 ≪288≫). Bei der im Betreuungsrechtsänderungsgesetz vorgenommenen Verknüpfung von nutzbaren Kenntnissen, formalem Bildungsabschluss und Höhe der Vergütung geht es jedoch nicht um die Sperrung eines Teilbereichs bisher zulässiger beruflicher Tätigkeit. Die Beschwerdeführerinnen dürfen ihrem Beruf weiter nachgehen. Es erscheint eher fraglich, ob die bisher erreichbare Vergütungshöhe tatsächlich zu einer verfestigten Rechtsposition geführt hat, nur weil den Beschwerdeführerinnen auch ohne formal nachgewiesene Qualifikation schwierige Fälle übertragen worden sind. Der Bundesgesetzgeber war indessen im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis jedenfalls nicht gehindert, den bisher Tätigen Vertrauensschutz zuzubilligen und für die nicht formal qualifizierten Berufsbetreuer für eine begrenzte Zeit eine Übergangsregelung zu schaffen, in der sie die Voraussetzungen auch für die höchste Vergütungsstufe erwerben können.
Diese Regelung ist allerdings nur sinnvoll, wenn sie den Betreuern tatsächlich auf Dauer die Voraussetzungen für eine höhere Vergütungsstufe eröffnet. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber den Ländern verbindlich vorgegeben, dass der Vertrauensschutz der bisher tätigen Berufsbetreuer den Interessen der Länder an qualifizierter, aber besonders niedrig zu vergütender Betreuung vorgeht. Er hat es deshalb den Ländern nicht überlassen, wie sie die Vergütungen im Anschluss an die Nachqualifikation festlegen wollen, sondern dies bundesweit einheitlich geregelt. Angesichts dieser Vorgaben besteht für eine Bedürfnisprüfung der Länder, ob sie den bisher Tätigen einen qualifizierten Abschluss ermöglichen, nach der bundesgesetzlichen Konzeption kein Raum.
Für eine andere Auslegung können auch nicht die finanziellen Interessen der Länder, die in weitem Umfang für die Kosten der Betreuung aufzukommen haben, ins Feld geführt werden. Dadurch, dass § 1 Abs. 2 BVormVG es den Vormundschaftsgerichten erlaubt, auch formal qualifizierte Berufsbetreuer unterwertig, d.h. in niedrigen Vergütungsstufen einzusetzen, hat der Bundesgesetzgeber bereits Vorsorge dafür getroffen, dass ein Überangebot hoch qualifizierter Berufsbetreuer die Vergütung nicht unnötig in die Höhe treibt. Damit fehlen für eine bedarfsabhängige Ausgrenzung von Berufsbetreuern ausreichende Rechtfertigungsgründe. Eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls könnte hier – neben den leeren Kassen – lediglich die Sorge sein, dass die Richter von dem Instrument der unterwertigen Einstufung keinen Gebrauch machen werden. Dies genügt jedoch nicht, um das durch die bundesgesetzliche Regelung begründete Vertrauen der mehrjährig ohne formale berufliche Qualifikation tätigen Berufsbetreuer zu enttäuschen.
Diese Auslegung wird durch die Absicht des Bundesgesetzgebers, die Übergangsfrist des § 1 Abs. 3 BVormVG zu verlängern (vgl. Art. 7 Abs. 10 des Entwurfs eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro in der Fassung der Empfehlung des Bundestagsrechtsausschusses vom 12. April 2000, BTDrucks 14/3195), erneut bestätigt. Es ist nicht den Ländern überlassen, durch Untätigkeit bisher tätige Berufsbetreuer, die keinen Hochschulabschluss aufweisen, vom Markt zu verdrängen oder ihre gleich guten Leistungen zu günstigeren Tarifen in Anspruch zu nehmen, was einer Teilsperrung ihrer beruflichen Tätigkeit nahe kommen würde. Eine solche Ausgrenzung wäre sachwidrig, nachdem die vom Bundesgesetzgeber geschaffene Übergangsregelung zunächst das Vertrauen darauf geweckt hat, dass mit einem nachträglichen formalen Nachweis der beruflichen Erfahrung die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile der Neuregelung zumindest teilweise ausgeglichen werden können.
Diesen Erwägungen kann durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 BVormVG bei der Festsetzung der Vergütung im Einzelfall von den Fachgerichten Rechnung getragen werden. Wenn ein Berufsbetreuer in einem Bundesland tätig ist, das weder eine eigene Nachqualifikation noch eine Anerkennung anderer Nachqualifikationen vorsieht, und er die erforderlichen Prüfungsnachweise aus einem anderen Bundesland gemäß § 2 Abs. 2 und 3 BVormVG nachweist, gebietet es das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Vertrauensschutzprinzip, diese Ausbildung als „vergleichbare abgeschlossene Ausbildung” im Sinne des § 1 Abs. 1 BVormVG zu bewerten. Die Beschwerdeführerinnen werden allerdings von den Qualifizierungsangeboten anderer Länder Gebrauch machen müssen, wenn sich die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nicht ändern sollte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 565108 |
FamRZ 2000, 1277 |
JurBüro 2000, 591 |