Beteiligte
Rechtsanwälte Wolfgang Wegenstein und Partner |
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 30.05.1995; Aktenzeichen 15 S 13/95) |
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 30.05.1995; Aktenzeichen 15 S 14/95) |
AG Fürstenwalde (Urteil vom 14.11.1994; Aktenzeichen 13 C 64/94) |
AG Fürstenwalde (Urteil vom 14.11.1994; Aktenzeichen 13 C 66/94) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen zivilgerichtliche Entscheidungen zur Beendigung vertraglicher Nutzungsverhältnisse im Beitrittsgebiet.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücks, die von den Beklagten der beiden Ausgangsverfahren genutzt werden. Grundlage sind 1989 geschlossene Verträge „für die Überlassung eines staatlich verwalteten Grundstücks an Bürger zur gärtnerischen Nutzung”. Die staatliche Verwaltung wurde im Januar 1991 aufgehoben. Darauf kündigte der Beschwerdeführer die Nutzungsverhältnisse noch im selben Monat. Er beabsichtigt für das fragliche Gebiet eine großflächige Bebauung mit Wohnhäusern.
Die Beklagten kamen der Aufforderung, die genutzten Grundstücksflächen zu räumen und herauszugeben, nicht nach. Das Amtsgericht hat die darauf erhobenen Herausgabeklagen abgewiesen. Sodann hat der Beschwerdeführer jeweils Berufung eingelegt und im März 1995 die Vertragsverhältnisse gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB erneut gekündigt. Das Landgericht hat die Berufungen zurückgewiesen:
Der Beschwerdeführer habe keinen Herausgabeanspruch, weil die Beklagten nach § 7 Abs. 3 des Schuldrechtsanpassungsgesetzes (SchuldRAnpG) vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2538) in Verbindung mit Art. 232 § 4 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 7, § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB und den §§ 312 ff. des Zivilgesetzbuchs der Deutschen Demokratischen Republik (im folgenden: ZGB) ein Recht zum Besitz hätten.
Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, daß mit Einfügung des Art. 232 § 4 a EGBGB am 20. Dezember 1993 die schon im Januar 1991 ausgesprochene Kündigung unwirksam geworden und damit diese Norm wegen des Rückwirkungsverbots belastender Gesetze verfassungswidrig sei, könne dem nicht gefolgt werden. Art. 232 § 4 EGBGB beruhe auf dem Einigungsvertrag und sei am 28. September 1990 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Nach Satz 1 des Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB gälten die §§ 312 ff. ZGB weiter, und nach Satz 2 habe sich der Gesetzgeber eine abweichende Regelung durch Gesetz vorbehalten. Deshalb liege in der Einführung des Art. 232 § 4 a EGBGB kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, weil die Kündigung durch den Beschwerdeführer nach Inkrafttreten des Art. 232 § 4 EGBGB ausgesprochen worden sei.
Die Ansicht des Beschwerdeführers, daß sowohl Art. 232 § 4 a EGBGB als auch die Regelungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes gegen Art. 14 GG verstießen, treffe ebenfalls nicht zu. Inhalts- und Schrankenbestimmungen und damit Eingriffe in dieses Grundrecht lägen vor, wenn die Eigentumsbefugnisse des Betroffenen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eingeschränkt würden. Das könne nicht festgestellt werden.
Bis zum Beitritt sei eine Kündigung des Nutzungsvertrags nur unter den Voraussetzungen des § 314 ZGB möglich gewesen. Mit der Wiedervereinigung sei es gemäß Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB weiter bei der Geltung der §§ 312 ff. ZGB verblieben. Im Interesse der Nutzer habe das Moratorium bis zum Erlaß einer gesetzlichen Regelung, dem Schuldrechtsanpassungsgesetz, eine Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen. Mit diesem Gesetz würden die Interessen sowohl der Eigentümer als auch der Nutzer hinreichend ausgewogen berücksichtigt. Auch eine Ungleichbehandlung der Nutzungsverträge im Verhältnis zu Mietverträgen über Wohnraum könne nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht darauf berufen, daß die Kündigung gemäß Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 314 Abs. 3 Satz 1 ZGB aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen wirksam sei. Das Merkmal der gesellschaftlich gerechtfertigten Gründe sei jetzt im Sinne von Treu und Glauben zu verstehen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben sei nicht gegeben, weil die Kündigung aufgrund des Art. 232 § 4 a EGBGB nicht wirksam sei. Aus dem gleichen Grund sei eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nach Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit § 314 Abs. 3 Satz 3 ZGB ausgeschlossen. Aber selbst wenn auf § 314 Abs. 3 Satz 3 ZGB abgestellt würde, sei die Kündigung unwirksam, weil sie nur auf dringenden Eigenbedarf habe gestützt werden können. Ein solcher liege nicht vor, weil die beabsichtigte Bebauung diesen Bedarf weit übersteige.
2. Mit den rechtzeitig erhobenen Verfassungsbeschwerden wendet sich der Beschwerdeführer jeweils gegen die Urteile des Amts- und des Landgerichts. Er rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 und Art. 20 GG.
In den angegriffenen Entscheidungen seien die nach § 314 ZGB ausgesprochenen Kündigungen als nach Art. 232 § 4 a EGBGB unwirksam angesehen worden. Danach seien Kündigungen, die vor Inkrafttreten dieser durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2182) eingefügten Vorschrift erfolgt seien, rückwirkend unwirksam. Das stelle eine echte Rückwirkung dar. Eine Ermächtigung dazu ergebe sich nicht aus Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB. Zwar habe sich der Gesetzgeber in Satz 2 dieser Vorschrift eine abweichende Regelung in einem besonderen Gesetz vorbehalten. Das Kündigungsmoratorium sei aber nicht in einem besonderen Gesetz, sondern im selben Gesetz, dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, enthalten. Es verletze verfassungsmäßige Rechte des Beschwerdeführers, weil er darauf habe vertrauen dürfen, nicht zu seinem Nachteil mit rückwirkenden gesetzlichen Regelungen überzogen zu werden.
Außerdem sei Art. 14 GG verletzt. Der Beschwerdeführer habe das vom Eigentumsgrundrecht umfaßte Recht zur Vertragsbeendigung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 314 ZGB nicht wahrnehmen können. Das „Spannungspotential” der in Rede stehenden Nutzungsverhältnisse sei durch das Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht maßvoll entschärft worden. Die darin festgesetzten Kündigungsfristen hätten enteignenden Charakter. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber das Erholungsinteresse der Nutzer über das Eigentumsrecht der Eigentümer gestellt habe. Soweit die gerichtlichen Entscheidungen auf § 23 SchuldRAnpG beruhten, verstießen die darin niedergelegten Kündigungsschutzfristen deshalb gegen das Eigentumsgrundrecht. Das betreffe den Beschwerdeführer, weil für ihn im Hinblick auf das beabsichtigte Bauvorhaben eine Kündigungsmöglichkeit erst ab dem 1. Januar 2000 bestehe.
Schließlich sei der allgemeine Gleichheitssatz verletzt. § 23 SchuldRAnpG gewähre dem Nutzer von Freizeit- und Erholungsgrundstücken einen weitergehenden Kündigungsschutz, als ihn Wohnraummieter genössen. Dies sei durch nichts zu rechtfertigen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.
1. Die Verfassungsbeschwerden haben keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung.
Wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 995/95, 2288/95 und 2711/95 - inzwischen geklärt hat, verstößt § 23 SchuldRAnpG, soweit vom Beschwerdeführer angegriffen, nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. § 23 SchuldRAnpG steht auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Einklang. Das Gegenteil läßt sich nicht daraus herleiten, daß der Kündigungsschutz für die Nutzer von Erholungs- und Freizeitgrundstücken anders geregelt ist als derjenige für die Mieter von Wohnungen; denn die insoweit bestehenden Unterschiede sind, wie in dem genannten Senatsbeschluß näher ausgeführt ist, sachlich gerechtfertigt.
Vor diesem Hintergrund hat auch die Frage nach der Vereinbarkeit des Art. 232 § 4 a Abs. 1 EGBGB mit Art. 14 Abs. 1 GG keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Es versteht sich von selbst, daß die Gründe, die den Ausschluß ordentlicher Kündigungen für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1999 in § 23 Abs. 1 SchuldRAnpG im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen, auch die Moratoriumsregelung in Art. 232 § 4 a Abs. 1 EGBGB für die davor liegende Zeit tragen. Dies gilt um so mehr, als auch Art. 232 § 4 EGBGB die Eigentumsgarantie nicht verletzte (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, DtZ 1993, S. 309) und Moratoriumsregelungen der in Art. 232 § 4 a Abs. 1 EGBGB enthaltenen Art zusätzlich dadurch gerechtfertigt werden, daß es nach der Wiedervereinigung unmöglich war, die komplizierten Rechtsbeziehungen zwischen Grundstückseigentümern und -nutzern im Beitrittsgebiet sofort und abschließend auf eine für beide Seiten zumutbare Art neu zu ordnen (vgl. zu Art. 233 § 2 a EGBGB BVerfGE 98, 17 ≪37 ff.≫ sowie – zu dem Regelungsvorbehalt in Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB – BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, a.a.O., S. 310).
Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung gewinnen die Verfassungsbeschwerden schließlich nicht dadurch, daß Art. 232 § 4 a Abs. 1 EGBGB mit der Beschränkung der Kündigungsgründe auf den des § 554 BGB die bis zu seinem Inkrafttreten geltende Kündigungsregelung des Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB gegenüber dem Grundstückseigentümer verschärft hat. Darin liegt entgegen der Annahme des Beschwerdeführers keine unzulässige Rückwirkung. Dies ergibt sich ohne weiteres schon daraus, daß Satz 2 des Art. 232 § 4 Abs. 1 EGBGB ausdrücklich abweichende Regelungen einem besonderen Gesetz vorbehalten hatte. Daß diese Regelungen, die zunächst im Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz und sodann im Schuldrechtsanpassungsgesetz getroffen wurden, die Rechtsstellung der Grundstückseigentümer nur verbessern würden, konnten diese nicht erwarten. Art. 232 § 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB schloß danach aus, daß sich insoweit schutzwürdiges Vertrauen bilden konnte.
2. Eine Annahme der Verfassungsbeschwerden ist auch nicht zur Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt. Da Art. 232 § 4 a Abs. 1 EGBGB und § 23 SchuldRAnpG, soweit Gegenstand dieses Verfahrens, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind und der Beschwerdeführer Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften in den Ausgangsverfahren über den Einwand hinaus, diese seien ihrem Inhalt nach verfassungswidrig, nicht angreift, haben die Verfassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen