Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 25.07.2012; Aktenzeichen 15 UF 60/12) |
AG Gifhorn (Beschluss vom 22.02.2012; Aktenzeichen 16 F 1382/10 VA) |
Tenor
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Juli 2012 – 15 UF 60/12 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.
2. Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 EUR (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen zum Versorgungsausgleich betreffen die Durchführung der externen Teilung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 17 VersAusglG.
1. Die Beschwerdeführerin heiratete im Jahr 1973. Sie brach ihre Ausbildung kurz nach der Eheschließung ab und war während der Ehe nicht erwerbstätig. Ihr Ehemann trat zum 1. Oktober 2010 in den Ruhestand. Die Ehe wurde mit Urteil des Amtsgerichts vom 24. November 2010 auf den bereits seit November 2004 rechtshängigen Scheidungsantrag hin geschieden; die Folgesache Versorgungsausgleich wurde abgetrennt. Neben Anwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hatte der Ehemann bei seinem Arbeitgeber Anwartschaften aus betrieblicher Altersvorsorge in Form von Direktzusagen erworben. Bei der sogenannten „Grundversorgung” betrug der vom Ehemann erworbene Ehezeitanteil 8.510,99 EUR Jahresrente (monatlich 709,25 EUR). Bei der Berechnung des Kapitalwerts dieser Anwartschaft gemäß § 47 VersAusglG legte der Versorgungsträger einen Rechnungszins von 5,25 % zugrunde, was dem der inländischen Handelsbilanz zugrundeliegenden Zinssatz gemäß § 253 Abs. 2 HGB entsprach. Den Kapitalwert der Versorgung gab der Versorgungsträger danach mit 100.988,86 EUR an, den hälftigen Ausgleichsbetrag dementsprechend mit 50.494,43 EUR. Der Versorgungsträger beantragte die externe Teilung der Versorgung. Bei der sogenannten „Zusatzversorgung I” betrug der vom Ehemann erworbene Ehezeitanteil 281,56 EUR Jahresrente (monatlich 23,46 EUR). Auch hier legte der Versorgungsträger bei der Berechnung des Kapitalwerts einen Rechnungszins von 5,25 % zugrunde. Den Kapitalwert der Versorgung gab der Versorgungsträger danach mit 3.454,07 EUR an, den hälftigen Ausgleichsbetrag dementsprechend mit 1.727,04 EUR. Er beantragte auch insoweit die externe Teilung der Versorgung.
2. Die Fachgerichte führten daraufhin den Versorgungsausgleich durch. Bezüglich der betrieblichen Rentenanrechte wurde eine externe Teilung angeordnet. Der Versorgungsträger wurde verpflichtet, den Ausgleichsbetrag in Höhe von insgesamt 52.221,47 EUR an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen. Die Gerichte waren der Auffassung, auf das Verfahren finde gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das seit dem 1. September 2009 geltende Recht Anwendung. Danach seien die Anwartschaften des Ehemannes extern zu teilen, da die Wertgrenze der § 17, § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG nicht erreicht werde. Der Ausgleichsbetrag in Höhe von 52.221,47 EUR sei nicht zu verzinsen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs komme eine Verzinsung des Ausgleichsbetrags dann nicht mehr in Betracht, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits Rente beziehe. Auch eine Verzinsung vom Ende der Ehezeit bis zum Beginn des Rentenbezugs sei nicht anzuordnen, da das für die spätere Rentenzahlung angesammelte Kapital Erträge einbringe und den Ausgleichsbetrag so erhöhe.
3. Die Beschwerdeführerin hält die Entscheidungen für verfassungswidrig.
a) Die vorgenommene Art und Weise des Ausgleichs der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG. Aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG folge, dass beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen partizipieren müssten. Vorliegend entstünden der Beschwerdeführerin durch die externe Teilung der Betriebsrente nicht mehr hinzunehmende Transferverluste, da sie statt der Hälfte der in der Ehezeit erworbenen monatlichen Betriebsrente in Höhe von etwa 365 EUR einen Ausgleichsbetrag erhalte, der nur zu einer monatlichen Rentenzahlung der Versorgungsausgleichskasse in Höhe von etwa 240 EUR führen werde.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verletze sie insoweit zudem in ihrem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Gericht sei verpflichtet gewesen, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach § 70 Abs. 2 FamFG zuzulassen. Das Oberlandesgericht sei bei der Art und Weise, nach der es den Ausgleichsbetrag berechnet habe, von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm zur Frage der Bewertung von Betriebsrenten im Versorgungsausgleichsverfahren abgewichen (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2012 – II-12 UF 207/10 –, juris). Das Oberlandesgericht Hamm vertrete im Gegensatz zum Oberlandesgericht Celle die Ansicht, dass bei einer externen Teilung betrieblicher Anrechte eine Wertkorrektur nach § 42 VersAusglG erforderlich sein könne.
b) Bezüglich der Frage der Verzinsung des Ausgleichsbetrags sei das Oberlandesgericht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abgewichen (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 – XII ZB 546/10 –, BGHZ 191, 36). Nach dieser hätte der Ausgleichsbetrag jedenfalls bis zum Eintritt des Ehemannes in die Rente verzinst werden müssen. Auch insoweit sei das Oberlandesgericht Celle gehalten gewesen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Dies sei willkürlich nicht geschehen, so dass die Beschwerdeführerin auch hierdurch in ihren Rechten aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sei.
4. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Niedersächsische Justizministerium und die durch die angegriffenen Entscheidungen Begünstigten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts der Beschwerdeführerin aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.
1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten, weil es hinsichtlich der Frage, ob bei der Berechnung des Ausgleichbetrags eine Anpassung wegen der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten „Transferverluste” infolge externer Teilung erforderlich ist, nicht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
a) Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
aa) Kommt ein Gericht der gesetzlich vorgesehenen Pflicht zur Zulassung eines Rechtsmittels nicht nach, so verstößt dies gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Entscheidung insoweit sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 42, 237 ≪241≫; 67, 90 ≪94 f.≫; 87, 282 ≪284 f.≫; 101, 331 ≪359 f.≫; entsprechend zu Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfGE 125, 104 ≪137≫; 134, 106 ≪117 f. Rn. 34≫). Hingegen genügt nicht bereits die einfachrechtlich fehlerhafte Handhabung der maßgeblichen Zulassungsvorschriften (vgl. BVerfGE 67, 90 ≪95≫; 87, 282 ≪284 f.≫; 101, 331 ≪359 f.≫).
Ob die Nichtzulassung eines Rechtsmittels danach gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, lässt sich insbesondere anhand der in der Entscheidungsbegründung wiedergegebenen Erwägungen überprüfen (siehe etwa BVerfGE 101, 331 ≪360≫). Dies setzt allerdings voraus, dass das Gericht seine Entscheidung, kein Rechtsmittel zuzulassen, mit einer Begründung versehen hat. Indessen bedürfen mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen, eingeschlossen solche über die Nichtzulassung eines Rechtsmittels, grundsätzlich auch von Verfassungs wegen keiner Begründung (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289 f.≫; 104, 1 ≪7 f.≫; 118, 212 ≪238≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 – 1 BvR 1382/10 –, juris, Rn. 12). Das gilt auch für die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG durch das Beschwerdegericht.
Wenn die Entscheidung über die Nichtzulassung nicht näher begründet ist, kommen die Feststellung einer mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbaren Handhabung der Zulassungspflicht und die Aufhebung durch das Bundesverfassungsgericht gleichwohl in Betracht, wenn die Zulassung des Rechtsmittels unterblieben ist, obwohl sie nahe gelegen hätte und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist. Hat das Beschwerdegericht das Rechtsmittel nicht zugelassen, obwohl die Zulassung des Rechtsmittels objektiv nahe lag und finden sich weder in der Entscheidung noch anderweitig Anhaltspunkte dafür, aufgrund welcher – die Nichtzulassung möglicherweise sachlich rechtfertigenden – Überlegungen das Gericht von der Zulassung abgesehen hat, ist im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung, gegen die die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, grundsätzlich von einer verfassungswidrigen Nichtzulassung auszugehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. März 2012 – 1 BvR 2365/11 –, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2014 – 1 BvR 2851/13 –, juris, Rn. 23 ff.). Zwar gilt der Grundsatz, dass letztinstanzliche Entscheidungen, eingeschlossen solche über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde, von Verfassungs wegen keiner Begründung bedürfen, auch dann, wenn gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist. Weil dann jedoch das Beschwerdegericht, indem es die Rechtsbeschwerde nicht zulässt, gleichsam in eigener Sache unanfechtbar darüber entscheidet, dass seine Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht mehr überprüft werden kann, muss, wenn die Zulassung des Rechtsmittels nahe gelegen hätte, mangels nachvollziehbarer Begründung oder anderweitiger Anhaltspunkte grundsätzlich angenommen werden, dass sich das Beschwerdegericht in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen hat.
bb) Gemessen daran liegt hier eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter vor, soweit das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde nicht nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 FamFG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage zugelassen hat, ob vorliegend bei der externen Teilung bezüglich der Berechnung des Ausgleichbetrags eine Anpassung des sich aus § 253 Abs. 2 HGB ergebenden Zinssatzes erforderlich war.
(1) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 FamFG eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, wenn die zu treffende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht, in der ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet wird (vgl. Ansgar Fischer, in: Münchener Kommentar, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 70 Rn. 24; Meyer-Holz, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 70 Rn. 28; Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl. 2015, § 70 Rn. 6; ebenso zu § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO: BGH, Beschluss vom 29. Mai 2002 – V ZB 11/02 –, NJW 2002, 2473 ≪2474≫; Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02 –, NJW 2003, 1943 ≪1945≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Dezember 2010 – 1 BvR 381/10 –, juris, Rn. 16). Danach hätte hier die Zulassung der Beschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung von einer zeitlich vorgehenden Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts nahe gelegen. Das Oberlandesgericht Hamm hatte bereits, bevor die hier angegriffene Entscheidung ergangen ist, entschieden, dem bei der externen Teilung auftretenden Problem, dass die Verwendung eines am Kapitalmarkt nicht mehr erzielbaren Zinssatzes zu einer erheblichen Entwertung des Anrechts des Ausgleichsberechtigten führe, könne und müsse durch eine Korrektur des Ausgleichsbetrags nach § 42 VersAusglG begegnet werden (OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2012 – II-12 UF 207/10 –, juris, Rn. 10 ff.). Im vorliegenden Verfahren hat das Oberlandesgericht Celle eine solche Anpassung in der hier zur Prüfung gestellten Entscheidung nicht vorgenommen, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Da es nicht begründet hat, warum es die Rechtsbeschwerde nicht zulässt, und auch weder ausdrücklich noch der Sache nach dargelegt hat, warum es keine Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm erkennt, lassen sich aus der hier zu überprüfenden Entscheidung keine Gesichtspunkte gewinnen, unter denen das Absehen von der nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 FamFG nahe liegenden Zulassung der Rechtsbeschwerde sachlich gerechtfertigt erschiene. Solche Gesichtspunkte sind auch nicht anderweitig erkennbar.
(2) Es kann nicht angenommen werden, dass dem Oberlandesgericht Celle lediglich ein verfassungsrechtlich irrelevanter Fehler bei der Anwendung der einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften unterlaufen ist. Die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm war knapp sechs Monate vor der hier angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle ergangen und zum Zeitpunkt der vom Oberlandesgericht Celle getroffenen Entscheidung bereits veröffentlicht. Zwar handelt es sich bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm um die erste veröffentlichte Entscheidung, die bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags eine Abzinsung anhand des bilanzrechtlichen Zinssatzes des § 253 Abs. 2 HGB korrigierte (siehe nunmehr außerdem OLG Nürnberg, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 11 UF 1498/13 –, juris, Rn. 11 ff.; Beschluss vom 15. April 2014 – 7 UF 1115/13 –, juris, Rn. 38 ff.). Vorherige Entscheidungen hatten hingegen wie das Oberlandesgericht Celle eine entsprechende Abzinsung be-stätigt (so etwa OLG München, Beschluss vom 20. September 2011 – 16 UF 171/11 –, juris, Rn. 20 f.; Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – 4 UF 120/10 –, juris, Rn. 3; OLG Koblenz, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 11 UF 1132/11 –, juris, Rn. 22 ff.). Indessen waren auch diese Entscheidungen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts weniger als ein Jahr alt, betrafen ein Gesetz, welches ebenfalls erst seit knapp drei Jahren in Kraft war und haben bislang keine Bestätigung durch den Bundesgerichtshof erfahren. Auch in der Literatur war die Frage bereits zu diesem Zeitpunkt umstritten (für die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Korrektur im Falle starker Abweichung der Werte bei interner und externer Teilung damals etwa: Jaeger, FamRZ 2010, 1714 ≪1718≫; Hauß, FamRZ 2011, 88 ≪89≫; Norpoth, in: Erman, BGB, Band II, 13. Aufl. 2011, § 17 VersAusglG Rn. 1 sowie § 42 VersAusglG Rn. 8; Ruland, Versorgungsausgleich, 3. Aufl. 2011, Rn. 650; gegen eine gerichtliche Korrektur: Engelstädter/Kraft, BetrAV 2011, 344 ≪347 f.≫; Höfer, FamRZ 2011, 1539 ≪1542≫), ohne dass letzteres für sich genommen den Vorwurf willkürlicher Nichtzulassung tragen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 2004 – 1 BvR 864/03 –, juris, Rn. 32). Unter den geschilderten Umständen ist davon auszugehen, dass dem Oberlandesgericht Celle die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm bekannt war. Für die Annahme eines bloßen prozessrechtlichen Fehlers ohne verfassungsrechtliche Relevanz bleibt danach kein Raum.
b) Da die Verfassungsbeschwerde insoweit hinsichtlich der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die vorgenommene Art und Weise des Ausgleichs der betrieblichen Altersversorgung zudem gegen Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG verstößt.
2. Keine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt darin, dass das Gericht die Rechtsbeschwerde nicht wegen einer möglichen Abweichung von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. September 2011 bezüglich der Verzinsung des Ausgleichsbetrags (BGHZ 191, 36) zugelassen hat. Auch insoweit hat das Oberlandesgericht die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde zwar nicht eigens begründet. Aus den Gründen der Entscheidung geht jedoch hervor, dass und warum das Oberlandesgericht angenommen hat, dass es nicht von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht. Das Oberlandesgericht hat den streitgegenständlichen Sachverhalt von demjenigen abgegrenzt, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs komme eine Verzinsung des Ausgleichsbetrags nicht in Betracht, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte vor der rechtskräftigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits Rente beziehe. Im vorliegenden Verfahren sei dies jedoch der Fall, da der Rentenbezug des Ehemannes während des laufenden Verfahrens eingetreten sei. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme des Oberlandesgerichts, dass mangels Abweichung eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten sei, jedenfalls nicht schlechterdings unvertretbar.
3. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts gerichtet ist, bedarf es keiner Entscheidung der Kammer, weil infolge der Aufhebung der Entscheidung des Oberlandesgerichts der Rechtsweg vor den Fachgerichten wieder eröffnet ist (vgl. BVerfGE 129, 1 ≪37≫; 134, 106 ≪121≫).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
5. Die Entscheidung über den Gegenstandswert beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 ≪366 ff.≫).
6. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Britz
Fundstellen
FamRZ 2015, 2123 |
BetrAV 2016, 53 |
FF 2015, 509 |
FamRB 2016, 11 |
NZFam 2016, 66 |