Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
I.
Die Beschwerdeführer sind Versicherungsberater. Mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde und dem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenden sie sich gegen die Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts.
1. Wer nach der gegenwärtigen Rechtslage als Versicherungsberater tätig sein will, bedarf hierfür einer Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). Über eine solche Erlaubnis verfügen die Beschwerdeführer.
Am 19. Dezember 2006 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts (BGBl I S. 3232) beschlossen, das der Umsetzung der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (im Folgenden: Richtlinie) dient. Das Gesetz, das in den hier relevanten Teilen am 22. Mai 2007 in Kraft treten soll, sieht in seinem Art. 1 Nr. 7 und Nr. 16 unter anderem die Einfügung folgender Bestimmungen in die Gewerbeordnung (im Folgenden: GewO) vor:
§ 34d
Versicherungsvermittler
(1) Wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will (Versicherungsvermittler), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer. … Die einem Versicherungsmakler erteilte Erlaubnis umfasst die Befugnis, Dritte, die nicht Verbraucher sind, bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen gegen gesondertes Entgelt rechtlich zu beraten. …
(2) Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn
1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; …
2. der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt; …
3. der Antragsteller den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung nicht erbringen kann oder
4. der Antragsteller nicht durch eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegte Prüfung nachweist, dass er die für die Versicherungsvermittlung notwendige Sachkunde über die versicherungsfachlichen … und rechtlichen Grundlagen sowie die Kundenberatung besitzt; …
(2) bis (9) …
§ 34e
Versicherungsberater
(1) Wer gewerbsmäßig Dritte über Versicherungen beraten will, ohne von einem Versicherungsunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhalten oder von ihm in anderer Weise abhängig zu sein (Versicherungsberater), bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und Handelskammer. … Die Erlaubnis beinhaltet die Befugnis, Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertreten. …
(2) § 34d Abs. 2 … (gilt) entsprechend.
(3) Versicherungsberater dürfen keine Provision von Versicherungsunternehmen entgegennehmen. …
§ 156
Übergangsregelungen
(1) und (2) …
(3) Abweichend von Absatz 1 müssen Personen mit einer Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auf dem Gebiet der Versicherungsberatung (Artikel 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Rechtsberatungsgesetzes) die Erlaubnis nach § 34e Abs. 1 … beantragen. … Die Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz erlischt mit der bestandskräftigen Entscheidung über den Erlaubnisantrag nach § 34e Abs. 1. …
Nach Art. 2 Nr. 1 des angegriffenen Gesetzes soll in das Gesetz über den Versicherungsvertrag (im Folgenden: VVG) unter anderem folgende Vorschriften eingefügt werden:
§ 42b
Beratungsgrundlage des Versicherungsvermittlers
(1) Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern zugrunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Dies gilt nicht, soweit er in einzelnen Fällen vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers diesen ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist.
(2) und (3) …
§ 42c
Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers
(1) Der Versicherungsvermittler hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien zu beraten sowie die Gründe für jeden erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrages zu dokumentieren.
(2) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach Abs. 1 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten ….
§ 42j
Versicherungsberater
Die für Versicherungsmakler geltenden Vorschriften des § 42b Abs. 1 Satz 1, des § 42c Abs. 1, … § 42e, … sind auf Versicherungsberater entsprechend anzuwenden. Weitergehende Pflichten des Versicherungsberaters aus dem Auftragsverhältnis bleiben unberührt.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG als verletzt.
Aufgrund der neuen Regelungen müssten sie auf ein wesentliches berufsprägendes Merkmal, nämlich die Zulassung nach dem Rechtsberatungsgesetz, verzichten. Die Berufsbezeichnung als zentrales rechtliches Informationsinstrument gehe verloren, weil § 34e GewO n.F. den überkommenen Begriff des Versicherungsberaters verwende, um darunter einen neuen, qualitativ nicht vergleichbaren Beruf zu schaffen. Aufgrund der Neuregelungen müssten die Beschwerdeführer ihre Berufstätigkeit dem neuen Berufsbild anpassen und dabei ihr Selbstverständnis als freier Beruf aufgeben und ihr Honorierungssystem und insgesamt das Wettbewerbsverhältnis zu anderen Versicherungsberatern ändern.
§ 34e Abs. 2 in Verbindung mit § 34d Abs. 2 GewO n.F. gestalte die Zulassung zum Versicherungsberater als Unterfall der Vermittlerzulassung aus und verlange keine selbständigen Zulassungsvoraussetzungen für Versicherungsberater. Hierdurch würden zwei Berufe willkürlich gleich behandelt, die nach dem gesetzgeberischen Willen unterschiedliche Tätigkeitsfelder und mit der Rechtsberatungsbefugnis auch unterschiedlich staatlich reglementierte Kompetenzen hätten.
Auch soweit die in § 42b und § 42c VVG n.F. beinhalteten Informations- und Dokumentationspflichten betroffen seien, liege ein ungerechtfertigter Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vor. Die dort vorgenommene Pflichtenkonkretisierung sei für Versicherungsberater untauglich. Gerade bei Dauerberatungsverhältnissen, aber auch bei der Erstberatung gebe es immer wieder Situationen, in denen Mandant und Versicherungsberater ein gemeinsames Interesse an einem geringen Beratungsaufwand hätten. Außerdem sei eine willkürliche Ungleichbehandlung gegeben, weil die Informations- und Dokumentationspflichten bei den Versicherungsberatern anders als bei den Versicherungsvermittlern nicht abdingbar seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht gegeben sind. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt (vgl. BVerfGE 21, 173 ≪180≫; 24, 236 ≪251≫; 25, 269 ≪292 f.≫; 106, 275 ≪298 f.≫). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführer angezeigt. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die angegriffenene gesetzliche Neuregelung verletzt die Beschwerdeführer nicht in ihrer grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
a) Es stellt keine unzulässige Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführer dar, dass ihre Tätigkeit als Versicherungsberater nicht mehr nach dem Rechtsberatungsgesetz, sondern ebenso wie die der Versicherungsvermittler nach der Gewerbeordnung erlaubnispflichtig ist.
Die Garantie der Berufsfreiheit schließt die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinheitlichung von Berufen nicht schlechthin aus (vgl. BVerfGE 21, 173 ≪180 ff.≫; 32, 1 ≪36≫; 34, 252 ≪256≫). Wo die verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Vereinheitlichung im Einzelnen zu ziehen sind, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Da die angegriffene Neuregelung des Berufs der Versicherungsberater deren berufliche Stellung weitestgehend unangetastet gelassen hat, sind die Beschwerdeführer in ihrer Berufsausübung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage nicht beeinträchtigt.
aa) Vor diesem Hintergrund scheidet ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführer aus. Zwar ist ihre Tätigkeit nicht mehr nach dem Rechtsberatungsgesetz, sondern nunmehr nach der Gewerbeordnung erlaubnispflichtig. Hierdurch werden jedoch insbesondere ihre berufliche Außendarstellung und ihre beruflichen Tätigkeitsfelder nicht verändert.
Die Berufsbezeichnung und die das Berufsbild der Versicherungsberater prägende Unabhängigkeit von der Versicherungswirtschaft, die sich vor allem in dem unbedingten Provisionsannahmeverbot (§ 34e Abs. 3 GewO n.F.) niederschlägt, bleiben erhalten.
Auch sind Versicherungsberater nach der gemäß § 34e Abs. 1 GewO n.F. erteilten Erlaubnis nach wie vor befugt, Dritte bei der Vereinbarung, Änderung oder Prüfung von Versicherungsverträgen oder bei der Wahrnehmung von Ansprüchen im Versicherungsfall rechtlich zu beraten und gegenüber dem Versicherungsunternehmen außergerichtlich zu vertreten. Art und Umfang der erlaubten Tätigkeit werden somit gegenüber der derzeitigen Rechtslage nicht verändert (vgl. Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG). Aus diesem Grund sind auch die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis nicht herabgesetzt worden. So sind ebenso wie nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 2 RBerG auch nach § 34d Abs. 2 in Verbindung mit § 34e Abs. 2 GewO n.F. die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit und genügende Sachkunde Voraussetzung für die Erlaubniserteilung. Darüber hinaus muss der Antragsteller den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung beibringen und darf nicht in ungeordneten Verhältnissen leben.
bb) Mit der Neuregelung ist auch keine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführer verbunden. Da den zur Prüfung gestellten Gesetzesnormen über die Änderung des rechtlichen Regimes hinaus keine berufsregelnde Tendenz zukommt, ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG auch unter diesem Gesichtspunkt nicht berührt (vgl. BVerfGE 106, 275 ≪299≫).
Hieran ändert es nichts, dass es nach Ansicht der Beschwerdeführer Einfluss auf die Stellung der Versicherungsberater am Markt hat, wenn ihre Tätigkeit nicht mehr nach dem Rechtsberatungsgesetz, sondern nach der Gewerbeordnung erlaubnispflichtig ist. Unabhängig davon, dass sich aus der Verfassungsbeschwerde nicht erschließt, woraus sich der behauptete negative Einfluss auf die Marktstellung der Versicherungsberater im Einzelnen ergeben soll, schützt Art. 12 Abs. 1 GG nicht davor, dass den Beschwerdeführern durch die Neuregelung in ihrem Beruf möglicherweise zusätzliche Konkurrenz erwächst. Aus dem Grundgesetz ergibt sich kein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des Geschäftsumfangs und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪408≫; 11, 168 ≪189≫; 24, 236 ≪251≫; 31, 8 ≪31≫; 34, 252 ≪256≫; 106, 275 ≪298 f.≫).
b) Auch in der fehlenden Abdingbarkeit der in § 42b Abs. 1 Satz 1 und § 42c Abs. 1 VVG n.F. normierten Beratungs- und Dokumentationspflichten (vgl. § 42j VVG n.F.) liegt kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Annahme der Beschwerdeführer, die neue Rechtslage würde einer flexiblen, auf besonderen Beratungsbedarf abstellenden Vereinbarung mit dem Mandanten entgegenstehen, ist nicht zu folgen. Wie sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 42b Abs. 1 Satz 1 und § 42c Abs. 1 VVG n.F. ergibt, können die Beratungs- und Dokumentationspflichten den konkreten Bedürfnissen des Mandanten und der Art der Beratungstätigkeit im Einzelfall angepasst werden (in diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung, BTDrucks 16/1935, S. 23 f.).
2. Die angegriffenen Regelungen verstoßen zudem nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Gleichheitssatz verbietet zwar nicht nur, dass wesentlich Gleiches ungleich, sondern auch, dass in entscheidenden Punkten Ungleiches ohne sachlich rechtfertigenden Grund gleich behandelt wird. Insoweit ist jedoch ein Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen, der erst dort endet, wo die gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist (stRspr; vgl. z.B. BVerfGE 25, 269 ≪292 f.≫; 36, 174 ≪187≫; 39, 156 ≪162 f.≫; 55, 261 ≪269 f.≫). Dabei ist jeweils zu untersuchen, ob die tatsächlichen Ungleichheiten der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte in dem in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung unbedingt hätte beachten müssen (vgl. BVerfGE 55, 261 ≪270≫).
a) Hiernach stellt es keine ungerechtfertigte Gleichbehandlung der Versicherungsberater mit den Versicherungsvermittlern dar, wenn beide Berufe der Erlaubnispflicht nach der Gewerbeordnung unterworfen werden. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass die Versicherungsberater ebenso der Richtlinie unterfallen und daher in das für die Versicherungsvermittler neu geschaffene System mit aufgenommen wurden (vgl. BTDrucks 16/1935, S. 21). Hierbei bewegt er sich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums. Ein zwingender Grund, warum die Versicherungsberater weiter dem Rechtsberatungsgesetz unterstellt werden müssten, ist nicht erkennbar. Der dauerhafte Erhalt des Berufs des Versicherungsberaters, den das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt hat (vgl. BVerfGE 75, 284 ≪291 ff.≫), wird durch die Neuregelungen nicht gefährdet, sondern sichergestellt.
b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann nach den oben genannten Maßstäben auch nicht darin erblickt werden, dass nach § 42j VVG n.F. Versicherungsberater anders als Versicherungsvermittler die Beratungs- und Informationspflichten nach § 42b Abs. 1 Satz 1 und § 42c Abs. 1 VVG n.F. nicht durch Vereinbarung mit dem Mandanten einschränken oder abbedingen können. Hiermit sollte nach der Gesetzesbegründung dem vom Versicherungsvermittler abweichenden besonderen Berufsbild des Versicherungsberaters Rechnung getragen werden (BTDrucks 16/1935, S. 26). Es liegt damit ein sachliches Differenzierungskriterium vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 1768181 |
NJW 2007, 2537 |
WM 2007, 1224 |
GewArch 2007, 285 |
r+s 2007, 483 |