Tenor
1. Das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 26. Januar 2008 – LNs 6/07 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 26. Januar 2008 – LNs 6/07 – wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
2. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer, ein Zahnarzt, wendet sich gegen einen berufsgerichtlichen Verweis, der ihm wegen der Teilnahme an einem dem Preisvergleich dienenden Internetportal erteilt wurde.
1. a) Im Internet finden sich seit geraumer Zeit verschiedene Portale, auf denen Patienten (im Folgenden: Nutzer) die Möglichkeit gegeben wird, für eine beabsichtigte zahnärztliche Behandlung Angebote verschiedener Zahnärzte einzuholen, um auf diese Weise Kosten zu sparen.
Bei dem vom Beschwerdeführer genutzten Portal können Nutzer nach vorheriger Registrierung auf der Grundlage eines von ihrem behandelnden Zahnarzt erstellten Heil- und Kostenplans oder Kostenvoranschlags anonym angeben, um welche Zahnbehandlung sie in welcher Region nachsuchen. Hierfür fällt eine Gebühr von 2,50 EUR bis 7,50 EUR an. Während der Laufzeit der Suche können registrierte Zahnärzte auf der Basis der Nutzerangaben unverbindliche Kostenschätzungen für die Durchführung der Behandlung abgeben. Nach Laufzeitende werden dem Nutzer die fünf preiswertesten Kostenschätzungen bekannt gegeben. Entscheidet er sich für einen bestimmten Zahnarzt, erhalten beide Seiten wechselseitig die Kontaktdaten. Der Nutzer kann den Zahnarzt dann aufsuchen und sich untersuchen lassen, muss dies aber nicht. Kommt es zur Untersuchung, so erstellt der Zahnarzt ein verbindliches Angebot in Form eines Heil- und Kostenplans oder eines Kostenvoranschlags für die begehrte Behandlung, das sich mit seiner Kostenschätzung decken oder davon abweichen kann. Auf der Grundlage des Angebots trifft der Nutzer die Entscheidung, ob er die Behandlung bei diesem Zahnarzt durchführen lassen möchte. Nach erfolgter Behandlung bewerten sich Patient und Zahnarzt gegenseitig. Ist der Behandlungsvertrag zustande gekommen, so zahlt der Zahnarzt an den Portalbetreiber eine Gebühr, die nach den Feststellungen der Berufsgerichte in der Regel 20 % des vereinbarten Honorars beträgt.
b) Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Zahnarzt. Im Juni 2006 gab er auf einem Internetportal zu einem von einem Nutzer eingestellten Befund- und Behandlungsplan eines anderen Zahnarztes eine eigene niedrigere Kostenschätzung ab. Der Nutzer wählte den Beschwerdeführer aus und erhielt dessen Kontaktdaten. Zur Vereinbarung eines Untersuchungstermins und zur Abgabe eines verbindlichen Kostenangebots kam es aber nicht, weil dem Nutzer der Weg zur Praxis des Beschwerdeführers zu weit war.
c) Gegen den Beschwerdeführer wurde daraufhin ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er durch die Abgabe der Kostenschätzung gegen seine berufsrechtlichen Pflichten verstoßen habe.
d) Das Berufsgericht für Zahnärzte erteilte dem Beschwerdeführer durch Urteil vom 19. April 2007 einen Verweis. Die Nutzung des Internetportals sei berufsrechtswidrig gewesen. Der Beschwerdeführer habe gegen die sich aus § 15 der Berufsordnung für Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (im Folgenden: BO) ergebende Pflicht, angemessene Honorarforderungen zu stellen, verstoßen. Weiter liege ein Verstoß gegen die Pflicht, sich kollegial zu verhalten (§ 8 Abs. 1 und 2 BO), vor. Das abgegebene Angebot sei nicht seriös gewesen. Daraus lasse sich schließen, dass es dem Beschwerdeführer nur darum gegangen sei, seinen Kollegen so deutlich zu unterbieten, dass der Nutzer in seine Praxis gelockt werde.
e) Das Landesberufsgericht für Zahnärzte verwarf die Berufung des Beschwerdeführers durch Urteil vom 26. Januar 2008 als unbegründet. Die Abgabe einer Kostenschätzung ohne vorherige Untersuchung verstoße gegen die Pflicht des Zahnarztes, seinen Beruf nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben (§ 2 Abs. 2 Buchstabe a BO) und dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen (§ 2 Abs. 2 Buchstabe c BO). Der Zahnarzt dürfe ohne persönliche Untersuchung keine Kostenschätzung abgeben (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BO).
Anders als bei einem Erbringer technischer und kommerzieller Leistungen bestehe zwischen Zahnarzt und Patient ein besonderes Vertrauensverhältnis, das grundlegend für die Heilungsleistungen des Zahnarztes und die Bereitschaft des Patienten, den Eingriff des Zahnarztes in seine körperliche Unversehrtheit zu gestatten, sei. Diese besondere personale Beziehung stelle den Kern der Gemeinwohlbelange dar, die die in der Berufsordnung enthaltenen Einschränkungen der Berufsausübung rechtfertigten. Das Ausschreibungsverfahren auf dem Internetportal schließe jede persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten aus. Der Zahnarzt kenne keine Vorgeschichte des Patienten, wisse nichts über etwaige Krankheiten oder Ähnliches noch könne er insoweit Rückfragen stellen. Schwierigkeiten und Zeitaufwand der einzelnen Leistungen im Behandlungsfall könnten deswegen nicht bewertet werden. In dieser Lage eine Kostenschätzung abzugeben verstoße gegen die Grundpflichten des Berufs. Das Entstehen der besonderen personalen Beziehung sei in diesem Fall nicht möglich.
Ob die Handlungsweise auch eine berufsrechtswidrige Form der Werbung sei, könne dahinstehen. Ebenso könne offenbleiben, ob die Erklärung, wie das Berufsgericht annehme, gegen § 8 Abs. 1 und 2 BO verstoße, weil sie als „Lockvogelangebot” einzustufen sei. Zwar gebe es manche Umstände, die für die Annahme eines solchen Angebots sprächen, eine solche Handlungsweise des Beschwerdeführers könne allerdings nicht zur Grundlage des Urteils gemacht werden, weil sie aufgrund der bisherigen Erhebungen nicht erwiesen sei.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG durch die berufsgerichtlichen Entscheidungen und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot durch das Landesberufsgericht.
Die Berufsgerichte hätten bei der ihnen obliegenden Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Berufsordnung die Tragweite der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt und seien so im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung seiner grundrechtlichen Freiheit gekommen.
Es fehle schon die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG. Es gebe keine gesetzlichen Vorgaben, aus denen sich entnehmen lasse, dass eine Kostenschätzung ohne vorherige Untersuchung des möglichen Patienten verboten sei. Die Auslegung des Landesberufsgerichts gehe weit über den Wortlaut der Normen, auf die es seine Entscheidung stütze, hinaus. Auch begründe das Gericht nicht, inwieweit das Vertrauen des Patienten durch die Abgabe einer Kostenschätzung ohne vorherige Untersuchung enttäuscht werde. Vor einer möglichen Behandlung finde immer der erste Kennenlern- und Untersuchungstermin statt und der Patient entscheide anschließend frei, ob er die Behandlung bei dem neuen Zahnarzt durchführen lassen wolle. Dies genüge, um eine ausreichende Vertrauensbasis zu schaffen und eine qualitätsvolle Behandlung zu gewährleisten. Es sei, auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Berufsordnung, ohne Bedeutung, ob der Patient erstmals nach einem Preisvergleich im Internet oder auf andere Weise mit dem Zahnarzt in Kontakt komme. Eine Vertrauensverletzung könne allenfalls eintreten, wenn die Kostenschätzung völlig unrealistisch sei und bei der späteren Abrechnung deutlich überschritten werde, ein solches Stadium hätten die Beziehungen hier jedoch gar nicht erreicht.
Der Eingriff sei auch unverhältnismäßig. Das Verbot, eine Kostenschätzung ohne vorherige Untersuchung auf dem Internetportal abzugeben, sei nicht durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Derartige Gründe seien weder vom Landesberufsgericht benannt noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil bestehe ein legitimes Interesse der Allgemeinheit daran, insbesondere bei aufwändigen ärztlichen Eingriffen eine zweite ärztliche Meinung auch im Hinblick auf die realistischen Kosten sowie die durchzuführenden Maßnahmen einzuholen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb Patienten keinen Preisvergleich im Internet durchführen können sollten, bevor sie sich für einen Zahnarzt entschieden.
Die Annahme des Landesberufsgerichts, der Beschwerdeführer habe vorwerfbar gehandelt, verstoße außerdem gegen das Willkürverbot.
3. Dem Justizministerium Baden-Württemberg, der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, der Bundeszahnärztekammer, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. und dem GKV Spitzenverband der Krankenkassen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen das Urteil des Landesberufsgerichts richtet, zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 171 ≪184 f.≫; 85, 248 ≪256≫; 94, 372 ≪389≫; 111, 366 ≪373≫). Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich des Urteils des Landesberufsgerichts offensichtlich begründet.
Hingegen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufsgerichts richtet. In dieser Hinsicht ist die Verfassungsbeschwerde nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise begründet worden.
1. Die Entscheidung des Landesberufsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.
a) Das landesberufsgerichtliche Urteil, das die den Verweis erteilende erstinstanzliche Entscheidung bestätigt hat, berührt den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG. Der Verweis greift unmittelbar in die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers ein; denn durch ihn wird ein der zahnärztlichen Berufsausübung zuzurechnendes Verhalten sanktioniert. Der Beschwerdeführer hat die Kostenschätzung in dem Bestreben abgegeben, entsprechend den Bedingungen der Plattform den Nutzer zur Kontaktaufnahme und letztlich zur Inanspruchnahme seiner Dienste in Gestalt der begehrten Behandlung zu veranlassen. Damit handelt es sich um eine Tätigkeit, die mit der beruflichen Betätigung des Beschwerdeführers als Zahnarzt zusammenhängt und dieser dient. Das genügt, um sie in den Schutzbereich des Grundrechts einzubeziehen (vgl. BVerfGE 85, 248 ≪256≫; 111, 366 ≪373≫).
b) Der Eingriff ist nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 ≪389 f.≫; 111, 366 ≪373≫; stRspr). Darüber hinaus sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪405 f.≫; 85, 248 ≪259≫), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
aa) Diesen Anforderungen wird die landesberufsgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. Es ist nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren, dass das Gericht das Fehlen einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor der Abgabe der Kostenschätzung als Verletzung einer Berufspflicht beurteilt. Denn es sind keine Gründe des Gemeinwohls zu erkennen, nach denen eine solche Untersuchung im konkreten Fall geboten gewesen wäre.
(1) Das Landesberufsgericht stellt lediglich pauschal darauf ab, dass das persönliche Verhältnis zwischen Patient und Behandler die Besonderheit der Berufsausübung eines Zahnarztes ausmache. Ein konkreter, sachverhaltsbezogener Grund, warum bereits in diesem Stadium der Anbahnung der Arzt-Patienten-Beziehung ein persönlicher Kontakt vorhanden sein muss, wird nicht genannt. Insbesondere erfolgt weder eine nähere Auseinandersetzung mit der Funktionsweise des Internetportals noch mit dem Umstand, dass bereits ein Befund- und Behandlungsplan, an dem sich der die Kostenschätzung einstellende Zahnarzt orientieren kann, vorhanden ist. Genauso wenig wird darauf eingegangen, dass für den Nutzer die Möglichkeit besteht, den an dem Portal teilnehmenden Zahnarzt durch Zusatzangaben (z.B. Angstpatient, Allergiker) auf Eigenheiten, die sich unter Umständen auf die Kalkulation auswirken können, hinzuweisen. Das Gericht übersieht auch, dass der die Schätzung abgebende Zahnarzt durch den bereits vorliegenden Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag über zahlreiche Daten zum Befund, zur vorgesehenen Behandlung und zu den Schwierigkeiten sowie dem Zeitaufwand, der – nach Einschätzung des ursprünglichen Zahnarztes – mit dem Behandlungsfall verbunden sein kann, verfügt. Dass dennoch eine persönliche Untersuchung für eine Kostenschätzung erforderlich sein soll, die nach den klaren Vorgaben des Portals zudem nicht verbindlich ist, leuchtet nicht ein.
Das Landesberufsgericht berücksichtigt bei seiner Argumentation insbesondere nicht hinreichend, dass das Bestehen einer persönlichen Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient kein Selbstzweck ist, sondern dazu dient, für den Patienten eine sachgerechte, seine Interessen wahrende Behandlung sicherzustellen. Dagegen handelt es sich nicht um ein Erfordernis, das den Zahnarzt vor Konkurrenz durch Kollegen schützen soll. Zwar ist es richtig, dass die Entwicklung eines Vertrauensverhältnisses ein wesentlicher Faktor für die Aufnahme einer zahnärztlichen Behandlung ist. Die Entwicklung eines solchen Vertrauensverhältnisses wird durch die Nutzung der Internetplattform freilich keineswegs ausgeschlossen; denn wenn sich der Patient für einen der Zahnärzte, die auf der Plattform eine Kostenschätzung abgegeben haben, entscheidet, folgt ohnehin eine persönliche Untersuchung, aufgrund der der Zahnarzt nunmehr einen verbindlichen Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag erstellt. Ab diesem Zeitpunkt unterscheidet sich das Behandlungsverhältnis dann auch grundsätzlich nicht mehr von jenen, die auf „traditionelle” Weise zustande gekommen sind. Die Internetplattform erleichtert damit letztlich für den Nutzer nur den Preisvergleich und die Kontaktanbahnung. Beides sind aber Aspekte, die dem Patientenschutz nicht entgegenstehen und die daher nicht geeignet sind, eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen.
(2) Dass die Nutzung des Internets als solche im vorliegenden Fall geeignet sein könnte, Gemeinwohlbelange zu beeinträchtigen, ist nicht zu erkennen und wird in den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen auch nicht dargetan. Ganz im Gegenteil erlaubt allein die Wahl des Mediums Internet es schon im Grundsatz nicht, die Grenzen erlaubter Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 – 1 BvR 1886/06 –, NJW 2008, S. 1298 ≪1299≫). Auch mit dieser Vorgabe ist die strikte Forderung nach einer persönlichen Untersuchung als Voraussetzung für die Abgabe einer Kostenschätzung, durch die die Nutzung des Mediums für den Bereich des Kostenvergleichs praktisch ausscheiden würde, nicht zu vereinbaren.
(3) Es wird nicht verkannt, dass ein Zahnarzt nach dem Grundprinzip einer Internetplattform, die als „virtueller Marktplatz” funktioniert, zunächst eine vergleichsweise niedrige Kostenschätzung abgeben muss, um überhaupt die Chance zu haben, von einem Nutzer ausgewählt zu werden. Hieraus alleine folgt jedoch noch keine Beeinträchtigung von Gemeinwohlbelangen, die ein Verbot rechtfertigen könnte. Denn ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte muss zunächst davon ausgegangen werden, dass ein Zahnarzt schon aus Eigeninteresse Leistungen nur zu Preisen anbietet, die für ihn gewinnbringend sind. Soweit in den angefochtenen Entscheidungen die Gefahr von so genannten „Lockvogelangeboten” – also der Methode, einen Patienten mit einem besonders günstigen, nicht kostendeckenden Angebot mit dem Ziel in die Praxis zu locken, ihm gegenüber weitere lukrativere Leistungen zu erbringen und abzurechnen – erörtert wird, mag ein solches Vorgehen von Plattformteilnehmern nicht auszuschließen sein, es kann aber auch nicht als Regelfall unterstellt werden. Es erscheint schon zweifelhaft, dass sich gerade bei den Nutzern einer dem Preisvergleich dienenden Internetplattform, die besonders preisbewusst sein dürften, solche „Lockvogelangebote” zur Generierung weiterer Einnahmen eignen. Auch ist es nicht typisch, dass ein Patient, der eine konkrete zahnärztliche Leistung nachfragt, automatisch Interesse an der Erbringung weiterer Leistungen hat beziehungsweise sich ohne Weiteres zu zusätzlichen ärztlichen Eingriffen „überreden” lässt. Selbst wenn es aber im Einzelfall nachweislich zu solchen „Lockvogelangeboten” kommt, erlaubt dieser Umstand schon unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kein allgemeines Verbot, eine Kostenschätzung über das Internet abzugeben, sondern könnte allenfalls ein Vorgehen gegenüber dem Zahnarzt, der das konkrete Angebot abgegeben hat, rechtfertigen. Eine Rechtfertigung für den Grundrechtseingriff gegenüber dem Beschwerdeführer ermöglicht dieser Aspekt bereits deswegen nicht, weil hinreichende tatsächliche Feststellungen, um beurteilen zu können, ob es sich bei seiner Schätzung um ein „Lockvogelangebot” handelt, fehlen. Schon die notwendigen Erhebungen dazu, inwieweit die Schätzung hoch genug war, um die dem Beschwerdeführer entstehenden Kosten zu decken, sind nicht einmal im Ansatz vorhanden.
bb) Entgegen der Stellungnahme der Landeszahnärztekammer ist es auch nicht mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, eine im Internet abgegebene Kostenschätzung generell als berufsrechtswidrige Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO zu qualifizierten.
(1) Es begegnet allerdings keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Kostenschätzung als Werbemaßnahme zu behandeln. Ein solches Verhalten erfüllt die Anforderungen für das Vorliegen von Werbung, denn es ist planvoll darauf angelegt, andere dafür zu gewinnen, die eigenen Leistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 111, 366 ≪378≫).
(2) Mit Blick auf den Schutz der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG ist es jedoch nicht haltbar, die Abgabe einer Kostenschätzung im Internet, unabhängig von ihrem konkreten Inhalt, als berufsrechtswidrig einzustufen; denn es fehlt gerade an Gemeinwohlgründen, auf die sich eine solche Grundrechtseinschränkung stützen ließe. Weder ist ersichtlich, dass eine derartige Nutzung des Internets das Vertrauen in die Zahnärzte erschüttern, noch dass es zu einer Verunsicherung der Patienten führen könnte, wie die Landeszahnärztekammer in ihrer Stellungnahme befürchtet. Eine Verunsicherung, die auch einen Vertrauensverlust gegenüber den Zahnärzten im Allgemeinen nach sich ziehen mag, setzt zunächst voraus, dass auf Seiten der Patienten fehlerhafte Vorstellungen über die Kostenschätzung und deren Funktion bestehen. Bereits hierfür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass den Nutzern der Internetplattform aufgrund der deutlichen Hinweise auf der Eingangsseite des Portals und in dessen allgemeinen Geschäftsbedingungen bekannt ist, dass die Schätzung unverbindlich ist und eine bindende Kostenaufstellung erst nach einer persönlichen Untersuchung abgegeben werden kann. Die Kostenschätzung hat auch einen klaren Bezugspunkt, nämlich den ursprünglichen Befund- und Behandlungsplan und die sich daraus ergebenden zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen. Für diese konkret aufgeschlüsselten Leistungen nennt der bietende Zahnarzt einen bezifferten Betrag, der seinerseits aufgeteilt ist in Zahnarzthonorar sowie Material- und Laborkosten. Was hieran Verwirrung stiften oder für den Patienten unverständlich sein könnte, erschließt sich nicht.
Im Übrigen kann gerade nicht unterstellt werden, dass die die Kostenschätzung abgebenden Zahnärzte generell nicht Willens oder in der Lage seien, die Behandlungen auch zu den geschätzten Preisen durchzuführen. Wie schon dargelegt, ist davon auszugehen, dass ihnen mit den von den Nutzern angegebenen Daten hinreichende Informationen, um eine realistische Schätzung der Kosten vornehmen zu können, zur Verfügung stehen. Da eine spätere, nicht auf nachvollziehbaren Gründen beruhende Erhöhung der Kosten nicht nur in der Regel zu einer schlechten Bewertung des betreffenden Zahnarztes führen, sondern auch der Attraktivität des dem Preisvergleich dienenden Internetportals insgesamt schaden würde, dürften zudem weder der Arzt noch die Portalbetreiber ein Interesse an der Einstellung unrealistisch niedriger Schätzungen haben. Schon deswegen ist die Annahme, eine im Internet abgegebene Kostenschätzung sei per se mit der Gefahr der Unsachlichkeit verbunden, weil sie keine „seriösen” Angaben bieten könne, nicht zu halten.
cc) Schließlich kann eine Berufsrechtswidrigkeit auch nicht, wie vom Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. in seiner Stellungnahme angenommen, mit einem Verstoß gegen § 8 Abs. 5 BO (nunmehr § 2 Abs. 9 BO) begründet werden. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmung nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Hinblick auf die Versteigerung von rechtsanwaltlichen Beratungsleistungen entschieden, dass die dort vom Rechtsanwalt an das Internetauktionshaus zu zahlende Provision kein Entgelt, das für die Vermittlung von Aufträgen gezahlt wird, darstellt, weil die Provision nicht für die Vermittlung des Auftrags, sondern bloß für die Zurverfügungstellung des Mediums für die Werbung geschuldet wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 – 1 BvR 1886/06 –, NJW 2008, S. 1298 ≪1299 f.≫). Genauso verhält es sich auch hier, denn die Zahlung der Provision erfolgt ausschließlich als Gegenleistung für die Nutzung der Internetplattform und die damit zusammenhängenden Dienste, nicht dagegen für die Vermittlung oder Zuweisung eines Patienten.
dd) Aus den vorhergehenden Erwägungen ergibt sich, dass auch § 8 Abs. 1, 2 und § 15 Abs. 1 BO keine tragfähige Rechtsgrundlage sind, um die Abgabe von Kostenschätzungen im Internet, ohne konkrete Prüfung ihres Inhalts, als unzulässig einzustufen. Bezogen auf den Beschwerdeführer ist im Übrigen schon nicht zu erkennen, dass er die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 und des § 15 BO erfüllt, denn er hat – da es nie zu einer Behandlung kam – weder eine unangemessene Forderung gestellt noch einen Kollegen oder Mitbewerber „verdrängt”, also sich an dessen Stelle gesetzt.
2. Die Entscheidung des Landesberufsgerichts beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
3. Da schon die Rüge des Art. 12 Abs. 1 GG durchgreift, kommt es auf die Frage, ob auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, nicht mehr an.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 2593439 |
NJW 2011, 665 |
CR 2011, 319 |
GRUR 2011, 530 |
ArztR 2011, 189 |
DÖV 2011, 242 |
GewArch 2011, 70 |
MDR 2011, 139 |
NZS 2011, 5 |
WRP 2011, 207 |
DVBl. 2011, 168 |
GesR 2011, 114 |
K&R 2011, 109 |
MMR 2011, 331 |
RdW 2011, 271 |
ZWD 2011, 2 |
AMK 2011, 8 |
ZMGR 2011, 106 |