Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtannahmebeschluß: Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Kantors mit Kirchengemeinde nach KSchG § 9 Abs. 1 S. 2 verletzt nicht GG Art 3 Abs. 1 –. Glaubwürdigkeit einer Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit
Orientierungssatz
1. Dem Rahmen des Grundrechts auf Gleichbehandlung (GG Art 3 Abs 1) trägt die Regelung von KSchG § 9 Abs 1 S 2, die für eine Auflösung des Arbeitsvertrages auf Antrag des Arbeitgebers Gründe erfordert, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen, der Interessenlage bei einer Vertragsauflösung auf Antrag des Arbeitgebers nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage angemessen Rechnung. Sie erfordert eine differenzierte Würdigung der jeweiligen Betriebszwecke. Soweit sich aus unterschiedlichen Betriebszwecken abgeschwächte oder verstärkte Anforderungen an das Verhalten oder die Person des Arbeitnehmers ergeben, folgt daraus auch ein geringeres oder stärkeres Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsauflösung.
2. Diese vom Gesetz vorgegebene Differenzierung ist in der angegriffenen Entscheidung (hier: betreffend die Kündigung eines Organisten und Kantors durch eine evangelisch-lutherische Kirchengemeinde aufgrund verschiedener Auseinandersetzungen) nachvollzogen, insoweit, als der Glaubwürdigkeit einer Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit besonderes Gewicht beigemessen und daraus im Vergleich zu Betrieben der gewerblichen Wirtschaft erhöhte Anforderungen an eine harmonische Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern abgeleitet wird. Eine Kirchengemeinde ist von ihrer Zielsetzung – ihrem „Betriebszweck” – her auf Glaubwürdigkeit in spezifischer Weise angewiesen, die sie einbüßen kann, wenn ihr äußeres Erscheinungsbild sich allzu deutlich von der von ihr verkündeten Lehre abhebt. Der Eindruck heilloser Zerstrittenheit des Gemeindepersonals, dem hier durch die Vertragsauflösung entgegengewirkt werden soll, ist dem Erscheinungsbild einer christlichen Kirchengemeinde in hohem Maße abträglich, so daß insofern eine Besonderheit im Vergleich zu weltlichen Arbeitgebern vorliegt, die von ihrer Art und ihrem Gewicht her so bedeutsam ist, daß die darauf gestützte Differenzierung als sachgerecht und willkürfrei erscheint. Es widerspricht auch nicht dem Gleichheitsgebot, eine Vertragsauflösung auf den objektiven Befund eines schwelenden Dauerstreites zu stützen, dessen Ursachen sich nicht mehr klären lassen.
3. Eine Ungleichbehandlung im Vergleich mit weltlichen Arbeitsverhältnissen ergibt sich auch nicht daraus, daß sich das LArbG nicht für befugt gehalten hat, im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung eine Verpflichtung der Gemeinde auszusprechen, die Vertragsauflösung durch die Versetzung des (Anm: neben dem Beschwerdeführer tätigen) Pastors zu vermeiden, denn die Besetzung der Pastorenstellen gehört eindeutig zum Kernbereich kirchlicher Selbstbestimmung.
Verfahrensgang
Gründe
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs 1 GG) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil er nicht substantiiert vorgetragen hat, worauf die Verfassungsverletzung beruhen könnte, wie es § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG verlangen. Die Begründungspflicht erfordert, daß innerhalb der Beschwerdefrist die Rechtsverletzung durch Bezeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vorgangs gerügt wird (vgl. BVerfGE 9, 109 (114 f.); 18, 85 (89). Aus dem Sachvortrag muß sich mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Verletzung eines Grundrechts oder eines grundrechtsgleichen Rechts ergeben (vgl. BVerfGE 6, 132 (134); 28, 17 (19)).
Daran gemessen ist die Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend begründet. Der Beschwerde lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen, worin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen könnte. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer ein namhafter Kirchenmusiker ist, läßt insoweit für sich genommen eine spezifische Betroffenheit durch die Vertragsauflösung mit der Gemeinde T. nicht erkennen. Aus der allgemeinen Behauptung des Beschwerdeführers, das Landesarbeitsgericht sei sich der Grundrechtsrelevanz seiner Entscheidung nicht bewußt gewesen, ergibt sich nicht, welche einschlägigen Erwägungen zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Verfahrensausgang hätte führen können.
2. Im übrigen hat die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Die angegriffenen Urteile verletzten den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Ein Gericht verletzt Art. 3 Abs 1 GG, wenn es bei der Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer Differenzierung gelangt, die dem Gesetzgeber verwehrt wäre (vgl. BVerfGE 58, 369 (374)). Der Gesetzgeber ist an den allgemeinen Gleichheitssatz in dem Sinne gebunden, daß er weder wesentlich Gleiches ungleich noch wesentlich Ungleiches gleich behandeln darf (vgl. BVerfGE 4, 144 (155)). Art. 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe vpe vpe von Normad anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Grad und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 78, 232 (247); st. Rspr.).
Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht der Glaubwürdigkeit einer Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit besonderes Gewicht beigemessen und daraus im Vergleich zu Betrieben der gewerblichen Wirtschaft erhöhte Anforderungen an eine harmonische Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern abgeleitet hat. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG fordert für eine Auflösung des Arbeitsvertrages auf Antrag des Arbeitgebers Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Diese Regelung trägt der Interessenlage bei einer Vertragsauflösung auf Antrag des Arbeitgebers nach einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage angemessen Rechnung. Sie erfordert eine differenzierte Würdigung der jeweiligen Betriebszwecke. Soweit sich aus unterschiedlichen Betriebszwecken abgeschwächte oder verstärkte Anforderungen an das Verhalten oder die Person des Arbeitnehmers ergeben, folgt daraus auch ein geringeres oder stärkeres Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsauflösung.
Diese vom Gesetz vorgegebene Differenzierung vollzieht das Landesarbeitsgericht nach, indem es die Glaubwürdigkeit der Gemeinde in der Öffentlichkeit als ein besonderes Schutzgut herausstellt. Eine Kirchengemeinde ist von ihrer Zielsetzung – ihrem „Betriebszweck” – her auf Glaubwürdigkeit in spezifischer Weise angewiesen. Sie kann sie einbüßen, wenn ihr äußeres Erscheinungsbild sich allzu deutlich von der von ihr verkündeten Lehre abhebt. Der Eindruck heilloser Zerstrittenheit des Gemeindepersonals, dem hier durch die Vertragsauflösung entgegengewirkt werden soll, ist dem Erscheinungsbild einer christlichen Kirchengemeinde in hohem Maße abträglich. Insofern liegt eine Besonderheit im Vergleich zu weltlichen Arbeitgebern vor, die von ihrer Art und ihrem Gewicht her so bedeutsam ist, daß die darauf gestützte Differenzierung als sachgerecht und willkürfrei erscheint. Das Landesarbeitsgericht war jedenfalls durch das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehindert, eine Vertragsauflösung auf den objektiven Befund eines schwelenden Dauerstreites zu stützen, dessen Ursachen sich nicht mehr klären lassen.
Eine Ungleichbehandlung im Vergleich mit weltlichen Arbeitsverhältnissen ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Landesarbeitsgerichts auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Das Landesarbeitsgericht stützt darauf nur seine Auffassung, daß die Gemeinde nicht verpflichtet war, die Vertragsauflösung durch die Versetzung des Pastors zu vermeiden. Die Besetzung der Pastorenstellen gehört eindeutig zum Kernbereich kirchlicher Selbstbestimmung. Deswegen hat sich das Landesarbeitsgericht mit Recht nicht für befugt gehalten, im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung eine dahingehende Verpflichtung der Kirchengemeinde auszusprechen.
b) Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet, daß das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befaßten Richter die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muß (vgl. BVerfGE 11, 218 (220); 72, 119 (121); st. Rspr.). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 (194); 70, 288 (294); st. Rspr.). Es ist davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, daß ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 22, 267 (274)). Erhebliche Beweisanträge müssen vom Gericht berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 69, 145 (148) m.w.N.). Ob dabei das einfache Recht in jeder Hinsicht richtig angewandt worden ist, hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu überprüfen (vgl. BVerfGE 70, 288 (294)).
Daran gemessen ist eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht erkennbar. Das Landesarbeitsgericht setzt sich in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils eingehend mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur unsichtbaren Arbeitszeit auseinander und unterstellt zu seinen Gunsten, daß sie zusammen mit der sichtbaren die Gesamtarbeitszeit bilde. Es würdigt auch die vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufstellungen sowie den von ihm gestellten Beweisantrag. Von dem dabei gewonnenen Standpunkt aus, daß nämlich eine exakte Zuordnung der unsichtbaren Arbeiten zu einer der beiden beruflichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers prinzipiell nicht möglich sei, hat es von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen und weitere Hinweise an den Beschwerdeführer als überflüssig erachtet. Wie dies Vorgehen einfachrechtlich zu bewerten ist, mag dahinstehen. Ein Verfassungsverstoß ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
NJW 1990, 2053 |
NJW 1990, 2053 (ST) |
EzA KSchG nF § 9, Nr. 36 (ST) |
ZevKR 37, 64-66 (1992) (ST) |