Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften. Ausführungsvorschriften
Beteiligte
Rechtsanwältin Maria Sabine Augstein |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die bisher im Freistaat Bayern nicht erfolgte Ausführung des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften (LPartDisBG) vom 16. Februar 2001 (BGBl I S. 266), das am 1. August 2001 in Kraft getreten ist.
Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer, die ihren Wohnsitz in Bayern haben, möchten nach diesem Gesetz Lebenspartnerschaften begründen, sehen sich aber daran gehindert, weil im Freistaat Bayern bislang keine Ausführungsvorschriften für das Bundesgesetz erlassen worden sind. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehren sie zum einen die Feststellung, dass das Unterlassen des Freistaates Bayern ihre Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletze und deshalb verfassungswidrig sei, zum anderen beantragen sie, den Freistaat Bayern zu verpflichten, umgehend durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sie ihre Lebenspartnerschaften schnellstmöglich, wenn nicht schon zum 1. August 2001, eintragen lassen können, und stellen hierzu den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Es sei offen, wann ein bayerisches Ausführungsgesetz in Kraft treten werde. Die zeitlichen Angaben der Staatsregierung hierüber reichten vom Herbst bis zum Ende des Jahres.
Das Verhalten des Freistaates Bayern verletze sie als schwule und lesbische Paare in ihren Grundrechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG auf Wahrung der allgemeinen Handlungsfreiheit und Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Verfassungsverstoß sei schon dadurch begründet, dass die Beschwerdeführer von der bundesgesetzlichen Möglichkeit, ab dem 1. August 2001 eine eingetragene Partnerschaft einzugehen, in Bayern keinen Gebrauch machen könnten. Es müssten hierfür nicht noch sich abzeichnende endgültige Rechtsverluste, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2001 skizziert habe, hinzutreten. Ein Ausweichen in ein anderes Bundesland sei nicht möglich. Die bereits in anderen Ländern verabschiedeten Ausführungsgesetze richteten die örtliche Zuständigkeit nur nach dem Hauptwohnsitz aus, der bei den Beschwerdeführern in Bayern liege. Ein Umzug sei ihnen unzumutbar. Es gäbe viele binationale Partnerschaften in Bayern, die hiervon existenziell betroffen seien. Erst nach der Sommerpause sollte der Gesetzentwurf im Landtag beraten werden, obwohl zur Vermeidung weiterer Verzögerungen eine Sondersitzung anberaumt werden könnte.
Das Verhalten des Freistaates verletze auch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. In 13 Bundesländern könnten seit Anfang August 2001 eingetragene Lebenspartnerschaften eingegangen werden.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei notwendig, da nur so erreicht werden könne, dass der Freistaat jetzt und nicht erst im Dezember oder nächstes Jahr die Möglichkeit zur Eintragung der Lebenspartnerschaft schaffe. Auch bei den Beschwerdeführern könnte die Gefahr endgültiger Rechtsverluste in der Zeit bis Ende des Jahres eintreten, der mit dem Erlass der einstweiligen Anordnung zu begegnen sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde begegnet schon Bedenken hinsichtlich ihrer Zulässigkeit. Das kann jedoch dahinstehen.
Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die mit ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zur Zulässigkeit und Begründetheit von Verfassungsbeschwerden, mit denen ein Unterlassen gesetzgeberischen Handelns gerügt wird, sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt.
Danach kann grundsätzlich nur ein erlassenes Gesetz, nicht aber ein Unterlassen des Gesetzgebers Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein (BVerfGE 1, 97 ≪100≫). Ausnahmen hiervon bilden die Fälle, in denen sich ein Beschwerdeführer auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen bestimmt (vgl. BVerfGE 6, 257 ≪264≫; 8, 1 ≪9≫; 11, 255 ≪261≫; 12, 139 ≪142≫; 23, 242 ≪249≫). Das Verfahren gibt auch keine Veranlassung, die Frage zu erörtern, ob mit der Verfassungsbeschwerde ein Unterlassen des Gesetzgebers unter Hinweis auf die im Wege der Verfassungsinterpretation aus den Grundrechten herzuleitenden Schutzpflichten gerügt werden kann.
2. Auch wenn man einen Anspruch des Einzelnen auf Tätigwerden des Landesgesetzgebers zur Realisierung der ihm vom Bundesgesetzgeber durch Gesetz eingeräumten Rechte annehmen wollte, wäre die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis erfolglos.
Das Bundesverfassungsgericht kann im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die auf eine aus Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Schutzpflicht gestützt wird, jedenfalls erst dann eingreifen, wenn der Gesetzgeber diese Pflicht evident verletzt hat (vgl. BVerfGE 33, 303 ≪333≫; 36, 321 ≪330 f.≫; 56, 54 ≪80≫). Dies folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Demokratieprinzip. Es ist jedoch weder ausreichend dargetan noch ersichtlich, dass der Bayerische Gesetzgeber eine solche Pflicht – ihre rechtliche Existenz unterstellt – in nachhaltiger und damit evidenter Weise verletzt haben könnte.
Sowohl die Bayerische Staatsregierung als auch der Bayerische Landtag sind nicht gänzlich untätig geblieben. So liegt dem Bayerischen Landtag schon ein Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion vor, über den noch nicht abschließend beraten worden ist. Nach der vom Gericht eingeholten Auskunft der Bayerischen Staatsregierung hat der Bayerische Ministerrat am 31. Juli 2001 den Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes beschlossen. Am selben Tag ist dieser Entwurf dem Bayerischen Landtag zugeleitet worden. Dies begründet die Annahme, dass der Bayerische Gesetzgeber ein Ausführungsgesetz zum Lebenspartnerschaftsgesetz erlassen wird.
Dass im Freistaat Bayern das Lebenspartnerschaftsgesetz wegen des noch nicht vom Bayerischen Landtag abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahrens später als in den meisten anderen Bundesländern zur Ausführung gelangt, begründet – eine Pflicht des Landesgesetzgebers zum Handeln unterstellt – allein noch keine evidente Pflichtverletzung. Eine solche könnte sich erst dann abzeichnen, wenn die durch das Lebenspartnerschaftsgesetz eingeräumten Rechtspositionen den Betroffenen über einen längeren Zeitraum verschlossen blieben und diese Dauer auf eine erkennbare Absicht schließen ließe, der Gesetzgeber wolle seine etwaige Handlungspflicht unterlaufen.
Hierfür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Die Bayerische Staatsregierung hat zunächst darauf gehofft, das In-Kraft-Treten des von ihr für verfassungswidrig erachteten Gesetzes durch ihren zulässigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht hinausschieben zu können, womit ein landesgesetzgeberisches Handeln vorläufig nicht erforderlich gewesen wäre. Nach Erfolglosigkeit dieses Antrags verhindert derzeit die Ende Juli eingetretene Sommerpause des Landesparlaments die Beratung der bereits in den Landtag eingebrachten Ausführungsgesetzentwürfe. Von der Einberufung des Landtages zu einer Sondersitzung, wie sie die Beschwerdeführer fordern, konnte abgesehen werden, zumal eine Sitzung ohnehin nicht ausreichte, um ein Gesetzgebungsverfahren ordnungsgemäß durchführen zu können. Nach Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung erscheint überdies eine zeitliche Perspektive für den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und das In-Kraft-Treten des Gesetzes gegen Ende Oktober 2001 durchaus realistisch. Erfolgte das Gesetzgebungsverfahren in einem solchen zeitlichen Ablauf, entspräche dies unter den gegebenen Umständen sogar dem Begehren der Beschwerdeführer nach einem schnellstmöglichen Handeln, das ihnen die Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft ermöglicht.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor. Die Träger hoheitlicher Gewalt sind zur Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte nur in ihrem Zuständigkeitsbereich verpflichtet (vgl. BVerfGE 21, 54 ≪68≫; 76, 1 ≪73≫; 79, 127 ≪158≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 635227 |
NJW 2001, 3323 |
FamRZ 2001, 1441 |
FPR 2005, 309 |
BayVBl. 2002, 48 |
www.judicialis.de 2001 |