Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Republik Belarus zum Zwecke der Strafverfolgung.
I.
1. Dem Beschwerdeführer, der die russische Staatsangehörigkeit besitzt, wird in der Republik Belarus die Begehung eines zweifachen Mordes zur Last gelegt. Nach Art. 100 des Strafgesetzbuchs der Republik Belarus von 1960 wird vorsätzlicher Mord unter erschwerenden Umständen mit einer Freiheitsstrafe von acht bis zu fünfzehn Jahren oder mit der Todesstrafe bestraft.
Das Auslieferungsersuchen enthält einen Passus, demzufolge die belarussische Generalstaatsanwaltschaft garantiere, dass nach der Auslieferung die Todesstrafe gegen den Beschwerdeführer nicht angewandt und die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Haftanstalt erfolgen werde, die den Vorgaben der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen/ Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen vom 12. Februar 1987 entsprechen werde. Angehörige der deutschen Botschaft könnten den Beschwerdeführer mit seiner Zustimmung in der Haft besuchen. Er werde keinerlei Folter, unmenschlicher oder demütigender Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt werden.
2. Das Oberlandesgericht Dresden ordnete zunächst die vorläufige Auslieferungshaft und – nach Eingang der Auslieferungsunterlagen – mit Beschluss vom 21. Mai 2008 deren Fortdauer an.
Im Rahmen des Auslieferungsverfahrens bestritt der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Taten. Im Hinblick auf die erste der vorgeworfenen Taten überreichte er die notarielle Aussage eines Zeugen, wonach er als Mitglied einer Sportmannschaft zum Tatzeitpunkt an Wettkämpfen an einer vom Tatort weit entfernten Örtlichkeit teilgenommen habe. Darüber hinaus legte er notarielle Aussagen eines weiteren Zeugen vor, der bekundete, dass er unter foltergleichen Umständen zu einer unwahren, den Beschwerdeführer belastenden Aussage gezwungen worden sei. Er habe die unter Zwang unterschriebene Zeugenerklärung nicht gelesen, wisse aber, dass er darin den Beschwerdeführer einer auf dem Gebiet der Republik Belarus begangenen Straftat bezichtigt habe. In Wirklichkeit behaupte er Letzteres aber nicht.
3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. September 2008 erklärte das Oberlandesgericht Dresden die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig.
Den vom Beschwerdeführer gemäß § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO gestellten Antrag, das Verfahren in die Lage zurückzuversetzen, die vor dem Erlass des Beschlusses vom 29. September 2008 bestand, wies das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 13. November 2008 als unbegründet zurück. Auch die gleichzeitig erhobene Gegenvorstellung des Beschwerdeführers gebe keinen Anlass, den Beschluss vom 29. September 2008 aufzuheben.
4. In seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, die beiden angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 102, Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 GG sowie Art. 25 GG in Verbindung mit Art. 2 EMRK und Art. 6 Abs. 2 EMRK.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat (BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör rügt, ist die Verfassungsbeschwerde in Ermangelung einer den in § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG normierten Anforderungen genügenden Begründung bereits unzulässig. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde zählt insoweit auch die Darlegung, inwieweit durch die angegriffene Entscheidung das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 ≪87≫). Auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers ist eine derartige Verletzung nicht erkennbar. Er legt nicht dar, inwiefern die angegriffenen Entscheidungen seinen Sachvortrag oder Teile davon nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen haben.
Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass der Gehörsgrundsatz die Gerichte verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Das Bundesverfassungsgericht kann nur dann feststellen, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falls ergibt (vgl. BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫; stRspr). Solche besonderen Umstände sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Oberlandesgericht hat sich in den beiden angegriffenen Entscheidungen mit den wesentlichen Einwänden des Beschwerdeführers explizit auseinandergesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass es einzelne entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in verfassungswidriger Weise nicht zur Kenntnis genommen hätte, sind auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht erkennbar. Im Hinblick auf den Beschluss vom 29. September 2008 verkennt er zudem, dass ein möglicher Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör jedenfalls im Rahmen der Entscheidung über die Gehörsrüge gemäß § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO geheilt worden ist.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet.
Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung im Auslieferungsverfahren sind, soweit die Behandlung des Verfolgten im ersuchenden Staat in Rede steht, nicht die Grundrechte und sonstigen rechtsstaatlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes in der Ausprägung, wie sie auf rein innerstaatliche Sachverhalte Anwendung finden. Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung aus (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 23 bis 26 GG). Es gebietet damit zugleich, fremde Rechtsordnungen und Anschauungen grundsätzlich zu achten, auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen. Sollen der im gegenseitigen Interesse bestehende zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr erhalten und auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung unangetastet bleiben, so ist eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Maßstabs geboten. Die Gerichte haben daher lediglich zu prüfen, ob einer Auslieferung die Verletzung des nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sowie der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung entgegensteht (vgl. BVerfGE 63, 332 ≪337 f.≫; 75, 1 ≪19≫; 108, 129 ≪136 f.≫; BVerfGK 3, 159 ≪163≫). Auf der Ebene des einfachen Rechts nimmt § 73 IRG dieses verfassungsrechtliche Gebot auf, indem dort die Leistung von Rechtshilfe und damit auch die Auslieferung für unzulässig erklärt wird, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Die Auslegung und Anwendung der Gesetze auf den konkreten Sachverhalt und dessen Beurteilung sind allerdings grundsätzlich Sache des dafür zuständigen Fachgerichts (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫; stRspr). Auch in Auslieferungsverfahren prüft das Bundesverfassungsgericht insoweit nur, ob die Anwendung der einschlägigen einfachrechtlichen Bestimmungen und das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 108, 129 ≪137≫; BVerfGK 2, 82 ≪85≫).
An diesen Maßstäben gemessen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Oberlandesgericht den gegen den Beschwerdeführer bestehenden Tatverdacht nicht im Sinne von § 10 Abs. 2 IRG geprüft hat (a). Ferner hat das Oberlandesgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen eines Auslieferungsverbots gemäß § 8 IRG wegen der Gefahr einer Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe gegen den Beschwerdeführer sowie das Vorliegen eines Auslieferungshindernisses wegen der Gefahr der Verletzung des genannten grundrechtlichen Mindeststandards durch die Republik Belarus verneint (b).
a) Nach § 10 Abs. 2 IRG ist der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Tatverdacht nur zu prüfen, wenn besondere Umstände hierzu Anlass geben. Die vom Oberlandesgericht insoweit vorgenommene Auslegung dieser Vorschrift ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach das von einem Zeugen bestätigte Alibi, nicht am Tatort gewesen zu sein, ebenso wenig ausreichend ist für die Annahme besonderer Gründe im Sinne von § 10 Abs. 2 IRG, wie die Benennung eines Alibizeugens, offenbart weder sachfremde noch willkürliche Erwägungen. Der Wahrheitsgehalt von derartigen, im Rahmen des Auslieferungsverfahrens abgegebener Zeugenaussagen kann jedenfalls angezweifelt werden und macht insbesondere weitere Ermittlungen notwendig. Es ist insoweit immer eine Überprüfung der Zeugenaussage durch eine spezielle Beweiswürdigung notwendig, da die Richtigkeit der Aussage nie als eindeutig und unzweifelhaft angesehen werden kann. Derartige Überprüfungen und Erhebungen sind aber stets Sache des Staates, der das Strafverfahren betreibt und um Auslieferung ersucht, nicht Sache des um die Auslieferung ersuchten Staates (vgl. Lagodny/Schomburg/Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Auflage 2006, Rn. 47 zu § 10 IRG).
b) Das Oberlandesgericht hat schließlich zutreffend seinen Entscheidungen die Auffassung zugrunde gelegt, dass eine entsprechende, im Auslieferungsverfahren erteilte, völkerrechtlich verbindliche Zusicherung grundsätzlich geeignet ist, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird (vgl. BVerfGE 63, 215 ≪224≫; 109, 38 ≪62≫; BVerfGK 2, 165 ≪172 f.≫; 3, 159 ≪165≫; 6, 13 ≪19≫; 6, 334 ≪343≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Mai 2008 – 2 BvR 733/08 –, juris). Auch in dieser Hinsicht ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht den genannten Passus in dem Auslieferungsersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus als eine hinreichende, völkerrechtlich verbindliche Zusicherung der Nichtanwendung der Todesstrafe, der Wahrung des völkerrechtlichen Mindeststandards hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sowie der sonstigen Behandlung des Beschwerdeführers in der Republik Belarus angesehen hat. Insbesondere bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass das Oberlandesgericht keinen Anlass gesehen hat, an der Einhaltung der Zusicherung zu zweifeln. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob, was der Beschwerdeführer bestreitet, die Republik Belarus generell ihre Zusicherungen einhält. Entscheidend ist allein, ob sie ihren daraus folgenden völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland nachkommt. Dies hat das Oberlandesgericht auf Grundlage der berichteten Erfahrungswerte des Auswärtigen Amtes und insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass offenbar bisher keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Republik Belarus ihre Zusicherungen nicht einhalten würde, willkürfrei angenommen.
Die Republik Belarus ist darüber hinaus Konventionsstaat des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl 1973 II S. 1533 – IPBR) sowie der UN-Antifolterkonvention. Sie hat sich damit – auch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland, die ebenfalls Vertragsstaat der genannten Konventionen ist – völkerrechtlich zur Einhaltung der in diesen Verträgen normierten völkerrechtlichen Standards, zu denen neben dem Schutz vor Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 7 IPBR, Art. 2 und 16 UN-Antifolterkonvention) und der Garantie menschenwürdiger Haftbedingungen (Art. 10 IPBR) auch verfahrensrechtliche Mindestgarantien (Art. 14 IPBR) gehören, verpflichtet (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2007 – 2 BvQ 51/07 –, juris). Mit den im Auslieferungsverfahren gegebenen Zusicherungen hat die Republik Belarus diese völkerrechtliche Verpflichtung für den konkreten Fall des Beschwerdeführers wiederholt und bekräftigt. Daher ist die von dem Oberlandesgericht geäußerte Erwartung, dass die Behandlung des Beschwerdeführers in der Republik Belarus von der Bundesregierung besonders beobachtet wird, ebenso nachvollziehbar, wie die Annahme, dass ein Verstoß gegen die genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen das gegenseitige Vertrauen als unabdingbare Grundlage des Auslieferungsverkehrs nachhaltig enttäuschen würde (vgl. BVerfGE 108, 129 ≪140 ff.≫).
Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Darüber hinaus kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§§ 114, 121 ZPO), da die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen