Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die formalen Anforderungen an die Erhebung einer Verfahrensrüge sowie die Frage, in welcher Art und Weise Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung zu kompensieren sind.
I.
1. Der Beschwerdeführer wurde vom Landgericht Mannheim mit Urteil vom 30. August 2007 wegen Bankrotts in drei Fällen, Betruges in zehn Fällen, Kreditbetruges in sechs Fällen und Untreue in fünf Fällen sowie Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Landgericht führte zur Strafzumessung aus, die seit den Taten vergangene Zeit, die Verfahrensdauer sowie eine der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung von drei Jahren und zwei Monaten seien strafmildernd zu berücksichtigen. Die Ermittlungen in diesem Verfahren hätten bei der Staatsanwaltschaft ein Jahr lang geruht. Außerdem seien zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung zwei Jahre und zwei Monate verstrichen. Dies kompensiere die Strafkammer mit einem prozentualen Abschlag auf alle Einzelstrafen und die daraus zu bildende Gesamtstrafe von 20%.
2. Mit der Revision rügte der Beschwerdeführer unter anderem, dass eine weitere Verfahrensverzögerung von sieben Monaten bei der Zustellung des Urteils zu berücksichtigen sei und nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07 – wegen der Verfahrensverzögerung ein Teil der verhängten Strafe für verbüßt erklärt werden müsse. Außerdem seien Beweisanträge fehlerhaft zurückgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision unter Bezugnahme auf den Antrag des Generalbundesanwalts mit Beschluss vom 18. November 2008 als unbegründet und führte ergänzend aus, die Verfahrensrüge einer unzureichenden Kompensation der Verfahrensverzögerung sei nicht formgerecht erhoben, weil der Beschwerdeführer nichts zum Gesamtablauf des Verfahrens mitgeteilt habe, sondern nur zum Zustellungszeitraum nach Verkündung des Urteils. Der Gesamtverlauf des Verfahrens lasse sich auch nicht den Urteilsgründen entnehmen, in denen nur die als Verfahrensverzögerung zugrunde gelegten Zeiträume von einem Jahr bei der Staatsanwaltschaft sowie von zwei Jahren und zwei Monaten zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung genannt seien. Dabei habe das Landgericht bereits zu weitgehend eine Verfahrensverzögerung angenommen, da in der Zeit zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung auch prozessrechtlich vorgesehene Handlungen und Fristen gelegen hätten. Es könne ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer durch die Anwendung der Strafzumessungslösung anstelle der Vollstreckungslösung beschwert sei. Die Strafkammer habe dem Beschwerdeführer einen zu hohen Strafabschlag gewährt, indem sie einen Abschlag von 20% nicht nur bei der Gesamtstrafe, sondern zuvor bereits bei den Einzelstrafen vorgenommen habe. Es sei davon auszugehen, dass bei nicht reduzierten Einzelstrafen eine höhere Gesamtstrafe als schuldangemessen angesehen worden wäre, da in diesem Fall insbesondere die Einsatzstrafe bereits drei Jahre betragen hätte.
Entscheidungsgründe
II.
Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Das Landgericht habe Beweisanträge des Beschwerdeführers fehlerhaft zurückgewiesen. Einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bilanz für das Jahr 1999 habe die Kammer wegen eigener Sachkunde zurückgewiesen, ohne diese zu belegen, obwohl sich im Urteil die fehlerhafte Beurteilung durch das Landgericht offenbart habe. Ein weiterer Beweisantrag sei mit der Begründung zurückgewiesen worden, es komme auf die Beweisbehauptung nicht mehr an, nachdem das Gericht die Verfolgung wegen des entsprechenden Anklagevorwurfs gemäß § 154 Abs. 2 StPO beschränkt habe. Dabei habe das Gericht aber zwei verschiedene Anklagevorwürfe verwechselt; ihm sei insoweit auch kein rechtliches Gehör gewährt worden. Die Kompensation der Verfahrensverzögerung im Urteil sei nicht ausreichend. Nach Verkündung des Urteils sei das Verfahren bei der Urteilszustellung nochmals um sieben Monate verzögert worden. Ein Strafabschlag von 20% sei für eine Gesamtverzögerung von mindestens 45 Monaten zu gering, auch im Vergleich mit anderen Entscheidungen des Landgerichts Mannheim. Außerdem hätte anstelle der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet werden müssen, wie es der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07 – entspreche und wodurch eine frühere Haftentlassung möglich wäre. Die vorliegende Revisionsentscheidung des 1. Strafsenats weiche insoweit auch von der Rechtsprechung des 3. Strafsenats ab, weswegen die Sache dem Großen Senat hätte vorgelegt werden müssen. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe sei eine besondere Härte für den Beschwerdeführer, der inzwischen wieder zwei Unternehmen aufgebaut habe.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
1. Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Zurückweisung seiner Beweisanträge wendet, genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Grundsatz der Subsidiariät.
a) Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden
(vgl. BVerfGE 63, 77 ≪78≫). Der Beschwerdeführer muss deshalb von den fachgerichtlichen Rechtschutzmöglichkeiten in einer Weise Gebrauch machen, die gewährleistet, dass sich das Fachgericht mit seinem Vorbringen sachlich auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 91, 93 ≪107≫). Dies hat der Beschwerdeführer versäumt, da seine Verfahrensrüge nicht die Begründungsanforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllte und daher als unzulässig verworfen wurde.
b) Die Beurteilung der vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrüge als unzulässig begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Rechtsschutzgarantie verbietet den Gerichten zwar, bei Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen von Voraussetzungen abhängig zu machen, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BVerfGE 112, 185 ≪208≫ m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat jedoch hier die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspringenden Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge nicht willkürlich überspannt. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfordert ein Rügevorbringen, welches das Revisionsgericht in die Lage versetzt, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssigkeit einer Verfahrensrüge zu befinden (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪70≫; 112, 185 ≪212≫). Der Beschwerdeführer rügte mit der Revision die Zurückweisung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überschuldung der Gesellschaft. In diesem Beweisantrag wurde auf die Jahresabschlüsse der Firmen F. und B. sowie die „Ausführungen des Wirtschaftsreferenten H.” Bezug genommen, die angeblich fehlerhaft seien und deshalb der Annahme einer Überschuldung der Gesellschaft nicht zugrunde gelegt werden dürften. Da der Beschwerdeführer mit seiner Revisionsbegründung den Jahresabschluss der Firma B. und die Ausführungen des Wirtschaftsreferenten H. überhaupt nicht und den Jahresabschluss der Firma F. nur teilweise vorgelegt hat, ist es nicht zu beanstanden, dass der Bundesgerichtshof die Verfahrensrüge aus diesem Grund verworfen hat.
c) Die Rüge, das Landgericht habe einen Beweisantrag wegen der Einstellung des zugehörigen Anklagevorwurfs „Nr. 4” als unerheblich zurückgewiesen, dabei aber diesen mit einem nicht eingestellten Anklagevorwurf verwechselt, hat der Beschwerdeführer innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht erhoben und damit gegen den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verstoßen. Der Beschwerdeführer behauptete dies erstmals in der späteren Stellungnahme vom 12. November 2008 zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
2. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, soweit darin über die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu entscheiden war.
a) Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes fordert die angemessene Beschleunigung des Strafverfahrens. Eine funktionstüchtige Strafrechtspflege erfordert nicht nur die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs überhaupt, sondern auch eine Durchsetzung innerhalb so kurzer Zeit, dass die Rechtsgemeinschaft die Strafe noch als Reaktion auf geschehenes Unrecht wahrnehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, juris, Rn. 73). Unnötige Verfahrensverzögerungen stellen nicht nur die Zwecke der Kriminalstrafe in Frage; sie beeinträchtigen auch das verfassungsrechtlich abgesicherte öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess, weil die Beweisgrundlage durch Zeitablauf verfälscht werden kann (vgl. BVerfGE 57, 250 ≪280≫). Eine von den Strafverfolgungsorganen zu verantwortende erhebliche Verzögerung verletzt den Beschuldigten in seinem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, was bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs von den Strafverfolgungsbehörden zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGK 2, 239 ≪246 f.≫). Es verletzt den Beschwerdeführer hier jedoch nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren, dass ihm für die gerügte weitere Verfahrensverzögerung von sieben Monaten bei der Zustellung des Urteils keine zusätzliche Kompensation durch die Revisionsentscheidung gewährt wurde.
b) Der Beschwerdeführer hat bezüglich dieser Rüge den Rechtsweg vor Erhebung seiner Verfassungsbeschwerde nicht ordnungsgemäß erschöpft, da die entsprechende Verfahrensrüge in der Revision als unzulässig verworfen wurde. Auf die Frage, wann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung schon aufgrund der Sachrüge zu prüfen ist und wann eine Verfahrensrüge erforderlich ist, kommt es hier nicht an, da der Beschwerdeführer eine weitere Verzögerung nach Verkündung des angefochtenen Urteils rügt. Die hier vom Bundesgerichtshof angewendeten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge für die Feststellung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen verletzen den Beschwerdeführer auch nicht in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz. Der Bundesgerichtshof hat die bereits oben unter 1.b) genannten Anforderungen an die Begründung einer Verfahrensrüge nicht willkürlich überspannt.
Im Rahmen der Erhebung einer Verfahrensrüge bei einer überlangen Verfahrensdauer sind an Umfang und Genauigkeit der Ausführungen hohe Anforderungen zu stellen, da dem Revisionsgericht ein detailliertes und wirklichkeitsgetreues Bild des Verfahrensablaufs zu bieten ist. Nur dann ist es in der Lage, allein anhand der Revisionsrechtfertigung zu prüfen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt und welche Folgen diese hat. Ob eine mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehende Verfahrensverzögerung vorliegt, richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Faktoren, die regelmäßig von Bedeutung sind, sind dabei insbesondere der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Als rechtsstaatswidrig können nur solche Verfahrensverzögerungen angesehen werden, die ihre Ursache im Bereich der Strafverfolgungsbehörden haben und nicht dem Beschuldigten – unter Beachtung seiner Verfahrensrechte – zuzurechnen sind. Keine Berücksichtigung finden hingegen Verfahrensverzögerungen, die der Beschuldigte selbst, sei es auch durch zulässiges Prozessverhalten, verursacht hat (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 –, juris, Rn. 90). Die als Voraussetzung einer solchen Gesamtwürdigung zu stellenden Anforderungen an die Darlegung im Rahmen der Verfahrensrüge dürfen hiernach zwar nicht überspannt werden, so dass es insbesondere bei einem jahrelang währenden Verfahren nicht erforderlich ist, jeden Ermittlungsschritt anzuführen. Jedoch muss ein realistischer Überblick gewährt werden. Der Bundesgerichtshof stellt dabei zutreffend darauf ab, dass es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, das Aktenwerk selbst auf Verzögerungen durchzusehen oder auch nur in Teilabschnitten zu sichten, um die allgemein unter Hinweis auf zeitliche Eckdaten aufgestellte Behauptung einer Verzögerung zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 445/03 –, NStZ 2004, S. 504).
Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn der Bundesgerichtshof die Revisionsbegründung, die sich auf die Darstellung des Verfahrens zwischen Urteilsverkündung und Zustellung des Urteils beschränkt, nicht als ausreichend ansah. Die Mitteilung in der Revisionsbegründung, das schriftliche Urteil sei am 15. Oktober 2007 zu den Akten gelangt, seine Zustellung jedoch erst am 6. Mai 2008 verfügt und am 27. Mai 2008 ausgeführt worden, genügt daher nicht für die Prüfung, ob dadurch eine weitere rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist.
c) Zudem ist in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, der sich der Bundesgerichtshof inhaltlich anschloss, auch dargelegt, dass die Rüge des Beschwerdeführers in der Sache keinen Erfolg hätte. Auch wenn man hier von einer weiteren Verzögerung von sieben Monaten ausginge, erforderte dies demnach keine zusätzliche Kompensation im Strafausspruch, weil das Landgericht bereits für die vor Urteilsverkündung eingetretene Verfahrensverzögerung einen unangemessen hohen Strafabschlag gewährt hat. Das Landgericht hatte demnach zum einen den Zeitraum der Verzögerung zu weit bemessen, da es die gesamte Zeit zwischen Anklageerhebung und Urteilsverkündung als Verfahrensverzögerung einordnete, obwohl in dieser Zeit gesetzlich vorgeschriebene Verfahrenshandlungen vorgenommen und Mindestfristen eingehalten werden mussten. Außerdem hatte das Landgericht dem Beschwerdeführer rechtsfehlerhaft bereits eine doppelte Strafmilderung gewährt, indem es einen Abschlag von 20 % auf die an sich verwirkten Einzelstrafen und nochmals bei der Gesamtstrafe vornahm, und ihn nicht wegen eines besonders schweren Falles des Betruges verurteilt, obwohl das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB – Vermögensverlust großen Ausmaßes – hier erfüllt war.
Daher geht auch die weitere Rüge des Beschwerdeführers in seiner Verfassungsbeschwerde ins Leere, der vom Landgericht vorgenommene Strafabschlag sei zu gering und benachteilige ihn im Vergleich mit der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere der des Landgerichts Mannheim. Der in einer früheren Entscheidung des Landgerichts Mannheim vorgenommene Strafabschlag von 50% bei einer Verfahrensverzögerung von zwei Jahren, auf den der Beschwerdeführer zum Vergleich hinweist, wurde bereits vom Bundesgerichtshof als unangemessen hoch gerügt und hatte nur deswegen Bestand, weil allein der Angeklagte Revision eingelegt hatte (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 – 1 StR 488/07 –, NJW 2008, S. 2451 ≪2454≫).
d) Es verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, dass die Verfahrensverzögerung durch eine Strafmilderung und nicht durch einen Abschlag bei der Vollstreckung der Strafe kompensiert wurde. Die verfassungsrechtlich gebotenen Folgen aus einer Verfahrensverzögerung ziehen Gerichte und Anklagebehörden in Anwendung des Straf- und Strafverfahrensrechts unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die in der Rechtsprechung jahrzehntelang praktizierte Berücksichtigung von Verfahrensverzögerungen bei der Strafzumessung ist eine verfassungsgemäße Form der Kompensation (vgl. BVerfGK 1, 269 ≪280≫; 2, 239 ≪247≫). Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat zwar entschieden, solche Verfahrensverzögerungen künftig nicht bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, sondern dadurch zu kompensieren, dass ein Teil der Strafe im Urteil für bereits vollstreckt erklärt wird (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07 –, NJW 2008, S. 860). Für den Großen Senat war dabei maßgeblich, dass die Strafzumessungslösung an ihre Grenzen stößt, wenn gesetzliche Mindeststrafen unterschritten werden müssen, um eine angemessene Kompensation für Verfahrensverzögerungen zu gewähren. Im Übrigen hielt der Große Senat eine Trennung der Strafzumessung, die allein durch Unrecht und Schuld bestimmt werden soll, von der Kompensation des erlittenen Verfahrensunrechts für sachgerechter (a.a.O., S. 863 f.). Diese Entscheidung ändert jedoch nichts an der verfassungsrechtlichen Bewertung der bisherigen Lösung. Für Übergangsfälle wie den hier vorliegenden, in dem das erstinstanzliche Urteil noch vor der Entscheidung des Großen Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung erging, ist es daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Urteil, das im Übrigen keine den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler enthält, nicht deshalb aufgehoben wird, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen.
3. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen einer unterlassenen Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen vor.
Ein Verfahrensbeteiligter kann seinem gesetzlichen Richter zwar dadurch entzogen werden, dass der Senat eines obersten Bundesgerichts die Verpflichtung zur Vorlage an den Großen Senat willkürlich außer Acht lässt (vgl. BVerfGE 3, 359 ≪363≫; 9, 213 ≪215 f.≫; 13, 132 ≪143≫; 19, 38 ≪43≫; stRspr). Ein willkürliches Unterlassen der Vorlage nach § 132 Abs. 2 GVG durch den 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ist hier jedoch nicht erkennbar. Nach dieser Vorschrift entscheidet der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Strafsenats abweichen will. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn ein Strafsenat dieselbe Rechtsfrage anders als ein anderer beantworten möchte und die divergierenden Rechtsauffassungen entscheidungserheblich sind. Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar in einem Übergangsfall, in dem ein Urteil noch vor der Entscheidung des Großen Senats unter Anwendung der Strafzumessungslösung ergangen war, den Strafausspruch aufgehoben, damit stattdessen die Vollstreckungslösung angewendet wird (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 3 StR 563/07 –, NStZ-RR 2008, S. 168; nicht vergleichbar dagegen BGH, Urteil vom 6. März 2008 – 3 StR 514/07 –, NStZ 2008, S. 478, da das Urteil dort auch aufgrund der zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben wurde). Die vorliegende Entscheidung des 1. Strafsenats, die das angefochtene Urteil aufrechterhält, beruht aber nicht auf einer davon abweichenden tragenden Rechtsansicht. Die Strafsenate prüfen vielmehr bei der Frage, wie in solchen Übergangsfällen zu entscheiden ist, im Einzelfall, ob der Angeklagte durch das ergangene Urteil beschwert ist und ob andererseits das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO einer Abänderung des Strafausspruchs im Sinne der Vollstreckungslösung im konkreten Fall entgegensteht. Im Fall des 3. Strafsenats war entscheidend, dass der Nachteil einer höheren Strafe durch die Möglichkeit einer früheren Entlassung auf Bewährung ausgeglichen wurde. Im hier vorliegenden Fall des 1. Strafsenats lag dagegen insoweit eine besondere Konstellation vor, als das Landgericht fehlerhaft eine zu hohe Strafmilderung vorgenommen hatte. Es hatte den gesamten Zeitraum zwischen Anklageerhebung und Beginn der Hauptverhandlung als der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung gewertet und außerdem einen doppelten Strafabschlag bei Einzelstrafen und Gesamtstrafe vorgenommen. Der 1. Strafsenat ging daher davon aus, dass bei einer Aufhebung des Strafausspruchs eine erheblich höhere Strafe ausgeurteilt werden müsste. Auch wenn diese maximal in Höhe der alten Gesamtstrafe hätte vollstreckt werden dürfen, hätten doch der Nachteil durch das mit einer deutlich höheren Strafe verbundene erhöhte Unrechtsurteil sowie weitere, für die Zukunft noch nicht vollständig absehbare Nachteile im Ergebnis zu einer Verschlechterung für den Beschwerdeführer geführt. Soweit andere Vorschriften an die Höhe der verhängten Strafe anknüpfen, wie zum Beispiel § 66 StGB für die Sicherungsverwahrung, kann die Verhängung einer höheren Strafe mit erheblichen Nachteilen verbunden sein.
4. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Landau
Fundstellen