Verfahrensgang
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Mai 2012 – 28 O 1065/11 –, das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 6. November 2012 – 15 U 97/12 – und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2013 – VI ZR 518/12 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 6. November 2012 – 15 U 97/12 – wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2013 – VI ZR 518/12 – wird damit gegenstandslos.
3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 EUR (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Unterlassungsverurteilung.
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Moderator, Journalist und Unternehmer. Er war mit der Beschwerdeführerin liiert, bis sie ihn wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung Anfang des Jahres 2010 anzeigte. Der Kläger wurde im darauf folgenden Strafprozess vor dem Landgericht freigesprochen, da ihm eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Äußerungen war das Strafurteil noch nicht rechtskräftig.
Am Tag des Freispruchs sowie am Tag darauf äußerten sich der Strafverteidiger und der für das Zivilverfahren mandatierte Rechtsanwalt des Klägers in Fernsehsendungen über die Beschwerdeführerin. Etwa eine Woche nach der Verkündung des freisprechenden Urteils erschien in einer wöchentlich erscheinenden Zeitschrift ein dreiseitiges Interview mit dem Kläger unter der Überschrift „Mich erpresst niemand mehr”, in dem er sich wie folgt äußerte:
(…) vor Gericht hatte mir mein Verteidiger … geraten zu schweigen. Was sollte ich auch mehr sagen als die kurze Wahrheit: „Ich war es nicht!” und: „Ich habe keinem Menschen Gewalt angetan!” (…) Ich hätte an jedem Prozesstag hundertmal aufstehen und sagen müssen: „Das ist gelogen!” Was soll ich über lügende Zeuginnen sagen, (…)
und über die Beschwerdeführerin sagte:
Ich weiß, ich habe mich mies benommen. Ich habe Menschen verarscht. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Aber das, was die Nebenklägerin mit mir gemacht hat, als sie sich den Vorwurf der Vergewaltigung ausdachte – das ist keine Verarsche. Das ist kriminell. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. (…) Ich habe keinen Sprung in der Schüssel. Viel interessanter wäre doch zu erfahren, was psychologisch in der Frau vorging, die mich einer Tat beschuldigt, die ich nicht begangen habe. Die Nebenklägerin soll ja nach dem Urteil in einem Nebenraum des Gerichts erheblich randaliert haben.
Der Kläger und seine Anwälte äußerten sich in der Folge auch bei weiteren Gelegenheiten öffentlich zum Strafverfahren und zur Person der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin gab nach Erscheinen des Interviews mit dem Kläger einer Illustrierten ein Interview, das eine Woche nach der Veröffentlichung des Interviews mit dem Kläger erschien. Zu Beginn des Hefts wird der Artikel mit den Worten angekündigt, dass die Beschwerdeführerin erstmals ihr Schweigen brechen wolle, auch im Hinblick auf das ausführliche Interview des Klägers und das Auftreten seiner Anwälte in zahlreichen Talkshows.
Die unter anderem mit mehreren teilweise ganzseitigen Fotografien der Beschwerdeführerin bebilderte Heftstrecke enthält neben dem Interview mit der Beschwerdeführerin auch einen mehrseitigen redaktionellen Beitrag.
Die Beschwerdeführerin wird unter anderem wie folgt zitiert:
Das Gericht unterstellt mir mit diesem Freispruch, dass ich so dumm und so niederträchtig sein könne, eine solche Vergewaltigungsgeschichte zu erfinden (…). Wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe. Ich bin keine rachsüchtige Lügnerin.
Die Beschwerdeführerin äußert sich im nachfolgenden Interview – textlich nicht zusammenhängend – wie folgt:
(…) Fast unerträglich aber war für mich, die Aussagen der [vom Kläger] bezahlten Gutachter in der Presse lesen zu müssen. Diese Herren erklären vor Gericht, die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß ganz genau: ES WAR ABER SO! (…)
Zu den Aktivitäten des Klägers im Internet:
Ja, das kann er. Andere beschimpfen und bloßstellen (…) In seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind.
Weiter erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie eigentlich drei Traumata zu verarbeiten habe. Eines davon sei die Tat. Zudem schilderte sie, dass der Kläger sie beim Verlassen ihrer Wohnung in jener Nacht mit dem Tod bedroht habe. Gegen Ende des Interviews äußert die Beschwerdeführerin, dass sie nie vorgehabt habe, in die Öffentlichkeit zu gehen. Vor allem das „heuchlerische Interview” des Klägers zwinge sie aber dazu.
2. Der Kläger begehrte von der Beschwerdeführerin die Unterlassung der Äußerungen „wer mich und ihn kennt, zweifelt keine Sekunde daran, dass ich mir diesen Wahnsinn nicht ausgedacht habe”, „die Tat könne sich nicht so abgespielt haben, wie es die Nebenklägerin, also ich, behauptet – und man selbst sitzt zu Hause, liest das und weiß genau: ES WAR ABER SO!”, „in seinen Augen hat er in der besagten Nacht ja nichts falsch gemacht. Er hat nur die Machtverhältnisse wieder so hergestellt, wie sie seiner Meinung nach richtig sind”, sie habe drei Traumata, „einmal die Tat” zu verarbeiten sowie der Äußerung, dass er sie mit dem Tod bedroht habe. In einem weiteren Zivilverfahren verklagte er die Illustrierte auf Unterlassung.
3. Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführerin antragsgemäß. Der Kläger habe gegen die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, 186 StGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Die Äußerungen „diesen Wahnsinn” und „Machtverhältnisse wieder hergestellt” seien als Meinungsäußerungen einzuordnen. Die Äußerungen „ES WAR ABER SO!”, „Traumata: einmal die Tat” und die geschilderte Drohung des Klägers seien als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren. Alle Äußerungen fielen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin und beträfen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers. Es liege keine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Die Beschwerdeführerin mache zu Recht geltend, dass die äußerungsrelevanten Tatsachen, das heißt die Frage, ob der Kläger eine Vergewaltigung und schwere Körperverletzung zu ihren Lasten begangen habe, jedenfalls nicht erwiesen unwahr seien. Zugunsten der Beschwerdeführerin sei zu berücksichtigen, dass der Kläger sie dem öffentlichen Verdacht der Falschbeschuldigung ausgesetzt habe. Andererseits könne nicht außer Betracht bleiben, dass die Äußerungen der Beschwerdeführerin zugleich einen schwerwiegenden Verbrechensvorwurf gegen den freigesprochenen Kläger in sich bergen würden. Im Ergebnis gingen die Äußerungen der Beschwerdeführerin in ihrer Detailtiefe sowie in der emotionalisierenden Darstellungsweise über das reine – weiterhin in großem Umfang bestehende – Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinaus. Eine auf die wesentlichen Fakten beschränkte, sachliche Äußerung wäre ausreichend gewesen. Der Detaillierungsgrad der Äußerungen gehe auch über das für die Rehabilitierung der Beschwerdeführerin Notwendige hinaus. Hinsichtlich der angegriffenen Äußerung, der Kläger habe sie mit dem Tod bedroht, fehle es überhaupt an einer Rechtsverteidigung der Beschwerdeführerin, so dass die Kammer insoweit davon ausgehen müsse, dass es sich um eine unwahre und damit persönlichkeitsrechtsverletzende Tatsachenbehauptung handle.
4. Das Oberlandesgericht wies die Berufung hinsichtlich der untersagten Äußerungen im Wesentlichen zurück. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts führte es aus, dass die angegriffenen Meinungsäußerungen der Beschwerdeführerin letztlich eigennützigen Zielen dienten, nämlich klarzustellen, dass sie bei Gericht und Anzeigenerstattung nicht die Unwahrheit gesagt habe. Der Meinungsäußerungsfreiheit sei hier auch nicht unter dem Gesichtspunkt des geistigen Meinungskampfes in öffentlichen Angelegenheiten der Vorzug zu geben. Vielmehr seien die angegriffenen Meinungsäußerungen von besonders gewichtiger Eingriffsintensität, denn durch diese verbreite die Beschwerdeführerin weiterhin einen schwerwiegenden Tatvorwurf, von dem der Kläger nach einem umfangreichen Strafverfahren freigesprochen worden sei.
Zudem habe das Landgericht zu Recht darauf verwiesen, dass die angegriffenen Äußerungen in der konkreten Darstellungsweise über das reine Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinausgingen und sich eben nicht allein auf die Auskunft beschränkten, dass der Tatbestand der Vergewaltigung aus Sicht der Beschwerdeführerin erfüllt sei. Die Äußerungen enthielten eine nicht erforderliche Detailtiefe und wirkten emotionalisierend. Dies müsse der freigesprochene Kläger letztlich nicht hinnehmen. Dem Grunde nach könne zwar ein Recht auf Gegenschlag der Beschwerdeführerin angenommen werden. Dies vermöge indessen die angegriffenen konkreten Äußerungen der Beschwerdeführerin nicht zu rechtfertigen. Im Hinblick darauf, dass der Tatvorwurf nicht bewiesen worden sei, müsse die Beschwerdeführerin bei der Wahrnehmung eines Gegenschlages Zurückhaltung zeigen. Der ergangene Freispruch könne nicht schlichtweg ignoriert werden.
5. Der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
6. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen alle drei Entscheidungen und rügt im Wesentlichen die Verletzung ihrer Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, sowie ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, der Garantie des Wesensgehalts von Grundrechten aus Art. 19 Abs. 2 GG, des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG und ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG.
7. Die Verfassungsbeschwerde wurde dem Bundesjustizministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Kläger des Ausgangsverfahrens zugestellt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat sich geäußert. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen im Bereich des Äußerungsrechts und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 85, 1; 99, 185; 114, 339).
1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
2. Die Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts berühren den Schutzbereich der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Die Einordnung der Äußerungen als Werturteile und Tatsachenbehauptungen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gerichte sind zutreffend davon ausgegangen, dass auch die als Tatsachenbehauptungen eingeordneten Äußerungen durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt sind, da sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind (vgl. BVerfGE 54, 208 ≪219≫; 61, 1 ≪8≫; 85, 1 ≪15≫). Die Tatsachenbehauptungen sind nicht erwiesen unwahr. Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen. Nach dem Freispruch des Klägers stellen sich deshalb die verschiedenen Wahrnehmungen als subjektive Bewertungen eines nicht aufklärbaren Geschehens dar, die nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als Meinungen zu behandeln sind.
3. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Die Untersagung der streitgegenständlichen Äußerungen bewegt sich nicht mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.
a) Die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Wege eines Unterlassungsanspruches ist hier § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 BGB. Die Anwendung dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorschriften ist Sache der hierfür zuständigen Zivilgerichte. Doch müssen diese die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen und ihrer Bedeutung und Tragweite Rechnung tragen, damit der wertsetzende Gehalt der Grundrechte auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 114, 339 ≪348≫ m.w.N.; stRspr). Die Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalles in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt.
Von Bedeutung ist für die insoweit gebotene Abwägung unter anderem, ob die Äußerung lediglich eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen betrifft oder ob von der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪212≫; 93, 266 ≪294≫). Allerdings beschränkt sich die Meinungsfreiheit nicht allein auf die Gewährleistung eines geistigen Meinungskampfs in öffentlichen Angelegenheiten und kann Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht auf ein rein funktionales Verständnis zur Förderung einer öffentlichen Debatte mit Gemeinbezug reduziert werden. Vielmehr ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als subjektive Freiheit des unmittelbaren Ausdrucks der menschlichen Persönlichkeit ein grundlegendes Menschenrecht (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪208≫). Die Meinungsfreiheit ist als individuelles Freiheitsrecht folglich auch um ihrer Privatnützigkeit willen gewährleistet und umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass grundsätzlich auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (vgl. BVerfGE 54, 129 ≪138 f.≫). Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 24, 278 ≪286≫). Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 12, 113 ≪131≫; 24, 278 ≪286≫; 54, 129 ≪138≫).
b) Die angegriffenen Entscheidungen genügen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht. Die von den Gerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin schränkt die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise ein.
Die Gerichte haben zunächst zutreffend einerseits auf Seiten der Meinungsfreiheit das große Informationsinteresse der Öffentlichkeit und andererseits zu Gunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers den Freispruch berücksichtigt, der dazu führt, dass die schweren Vorwürfe die Gegenstand des Strafverfahrens waren, jedenfalls nicht unbegrenzt wiederholt werden dürfen. Auch haben sie berücksichtigt, wieweit die Äußerungen sich auf öffentliche Angelegenheiten bezogen. Indem die Gerichte aber davon ausgingen, dass sich die Beschwerdeführerin auf die Wiedergabe der wesentlichen Fakten und eine sachliche Darstellung des behaupteten Geschehens zu beschränken habe, verkennen sie die durch das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Freiheit, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert zu bewerten. Diese Auffassung übersieht auch das öffentliche Interesse an einer Diskussion der Konsequenzen und auch Härten, die ein rechtsstaatliches Strafprozessrecht aus Sicht möglicher Opfer haben kann. Zudem haben die Gerichte in die erforderliche Abwägung nicht den Druck eingestellt, der auf der Beschwerdeführerin lastete und sie dazu brachte, das Ergebnis des weithin von der Öffentlichkeit begleiteten Prozesses kommunikativ verarbeiten zu wollen.
Zu Gunsten der Beschwerdeführerin war in die Abwägung zudem einzustellen, dass sie sich in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu dem (noch nicht rechtskräftigen) Freispruch äußerte und in Bezug auf die dem Kläger im Strafverfahren vorgeworfene Straftat keine neuen Tatsachen vorbrachte, sondern lediglich wiederholte, was der Öffentlichkeit aufgrund der umfänglichen Berichterstattung zu dem Verfahren bereits bekannt war.
Die Gerichte haben überdies das vorangegangene Verhalten des Klägers nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt. Der Kläger hatte sich zuvor in einem Interview, dass für die Beschwerdeführerin Anlass war, in die Öffentlichkeit zu treten, diffamierend über die Beschwerdeführerin geäußert. Das Oberlandesgericht geht insoweit zwar zutreffend davon aus, dass der Beschwerdeführerin ein „Recht auf Gegenschlag” zusteht. Die Gerichte verkennen aber, dass sie dabei nicht auf eine sachliche, am Interview des Klägers orientierte Erwiderung beschränkt ist, weil auch der Kläger und seine Anwälte sich nicht sachlich, sondern gleichfalls in emotionalisierender Weise äußerten. Der Kläger, der auf diese Weise an die Öffentlichkeit trat, muss eine entsprechende Reaktion der Beschwerdeführerin hinnehmen.
4. Die Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird. Wegen der festgestellten Verletzung der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin kann offenbleiben, ob weitere – von der Beschwerdeführerin gerügte – Grundrechte verletzt worden sind.
5. Da weitere Tatsachenfeststellungen nicht erforderlich sind und die Beschwerdeführerin ein berechtigtes Interesse daran hat, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 ≪5≫; 94, 372 ≪400≫), wird lediglich das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Juli 2013 über die Nichtzulassungsbeschwerde ist damit gegenstandslos.
6. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG.
7. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
Unterschriften
Kirchhof, Masing, Baer
Fundstellen
NJW 2016, 2173 |
NVwZ 2016, 6 |
NVwZ 2016, 761 |
GRUR 2016, 8 |
NZG 2016, 5 |
AfP 2016, 240 |
DÖV 2016, 656 |
JA 2016, 635 |
JZ 2016, 305 |
JuS 2016, 762 |
JuS 2016, 8 |
ZUM-RD 2017, 16 |
DVBl. 2016, 3 |
GRUR-Prax 2016, 223 |
GRUR-RR 2016, 526 |
K&R 2016, 403 |