Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsbeschwerde gegen Planfeststellungsbeschluss
Beteiligte
Rechtsanwälte Prof. Dr. Rüdiger Zuck und Koll. |
I. des Vereins zum Schutz von Hamburgs Elbregion e.V., vertreten durch die Vorstände … |
II. des Vereins zum Schutz des Mühlenberger Loches e.V., vertreten durch die Vorstände … |
Verfahrensgang
Tenor
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen den Planfeststellungsbeschluss „DA-Erweiterung A3XX” vom 8. Mai 2000 der Freien und Hansestadt Hamburg.
1. Mit diesem Planfeststellungsbeschluss hatte die Freie und Hansestadt Hamburg die maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen für die Erweiterung des Werksgeländes der EADS Airbus GmbH in Hamburg-Finkenwerder geschaffen, um die Fertigung des Großraumflugzeugs A3XX zu ermöglichen. Vorgesehen ist dazu die Verfüllung einer etwa 170 Hektar großen Teilfläche des Mühlenberger Lochs, einer von zahlreichen Vogelarten genutzten, gering durchströmten Bucht der Elbe mit tidebeeinflussten Vorland- und Süßwasserwattflächen sowie Auenböden. Das Mühlenberger Loch ist gegenüber der Kommission der Europäischen Gemeinschaft als Europäisches Vogelschutzgebiet im Sinne der Richtlinie 79/409/EWG des Rates der Europäischen Union vom 2. April 1979 – Vogelschutz-Richtlinie – (ABl. EG 1979, L 103, S. 1) gemeldet. Es ist zudem dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit als potenzielles Gebiet nach der Richtlinie 92/34/EWG des Rates der Europäischen Union vom 21. Mai 1992 – Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie – (ABl. EG 1992, L 206, S. 7) gemeldet. In ihrer Stellungnahme vom April 2000 hält die EU-Kommission die negativen Auswirkungen des Projekts auf das Mühlenberger Loch aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für gerechtfertigt. Das Mühlenberger Loch wurde durch die Verordnung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 25. Mai 1982 (GVBl S. 188) als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Durch eine am 4. Mai 2000 in Kraft getretene Änderungsverordnung vom 23. November 1999 (GVBl S. 264) ist die hier in Rede stehende Teilfläche des Mühlenberger Lochs aus dem Geltungsbereich des Landschaftsschutzgebietes herausgenommen worden.
Die Anträge der Beschwerdeführer auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatten weder beim Verwaltungsgericht noch beim Oberverwaltungsgericht Erfolg.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 481/01 als Naturschutzverband nicht klagebefugt; eine Verbandsklagebefugnis ergebe sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Der Beschwerdeführer sei kein nach § 29 Abs. 2 BNatSchG anerkannter Naturschutzverband, so dass ihm auch insoweit die entsprechenden Mitwirkungsrechte nicht zustünden. Eine mögliche Nichteinhaltung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie oder der Vogelschutz-Richtlinie könne keine Klagebefugnis des Beschwerdeführers begründen. Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde zurück, da der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Verband durch den Planfeststellungsbeschluss nicht in eigenen Rechten berührt werde. Der Beschwerdeführer könne unmittelbar aus gemeinschaftsrechtlichen Regelungen ebenfalls keine Rechte und auch im Übrigen keine Antragsbefugnis herleiten.
Im Verfahren 1 BvR 518/01 führte das Verwaltungsgericht zur Begründung aus, der Beschwerdeführer könne eine mögliche Verletzung eigener Rechte nicht geltend machen. Weder bestehe für ihn die Möglichkeit der Verletzung seiner Mitwirkungsrechte an dem Planfeststellungsverfahren noch habe er auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Normen eine Rechtsstellung inne, die verletzt sein könne. Das Oberverwaltungsgericht ließ die Beschwerde nicht zu. Es bestehe nicht die Möglichkeit einer Verletzung der Mitwirkungsrechte des Beschwerdeführers an dem in Rede stehenden Planfeststellungsverfahren. Eine Antragsbefugnis des Beschwerdeführers könne sich auch nicht aus der Geltendmachung einer möglichen Nichteinhaltung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie oder der Vogelschutz-Richtlinie der Europäischen Union ergeben.
Die Hauptsacheverfahren sind noch anhängig.
2. Gegen die gerichtlichen Entscheidungen haben die Beschwerdeführer jeweils gemeinsam mit anderen Personen, deren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei den Verwaltungsgerichten im Ergebnis ebenfalls erfolglos war, Verfassungsbeschwerde eingelegt. Allein die beiden Beschwerdeführer haben zudem am 25. April 2001 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie rügen eine Verletzung ihrer Verfassungsrechte aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 518/01 macht zudem geltend, die angegriffenen Beschlüsse verletzten ihn in seinem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 a GG, hilfsweise von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 a GG.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sei verletzt, da die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlüsse durch bewusste Ausblendung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Mühlenberger Lochs auf Grund einer erkennbar unvollständigen Interessenabwägung ergangen seien. Die Vogelschutz-Richtlinie und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EG stünden der Zuschüttung des Mühlenberger Lochs entgegen. Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebe sich, dass die Beschwerdeführer ihr Begehren im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch auf solche Normen des Gemeinschaftsrechts stützen könnten, denen im Klageverfahren kein Drittschutz zugemessen werde.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG sei – so der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 518/01 – auch deshalb verletzt, weil sich nach den angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Beschlüssen das Verbandsklagerecht gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 1 HmbNatSchG ausschließlich auf förmlich festgesetzte Naturschutzgebiete beziehe. In dieser Verengung des Verbandsklagerechts liege zugleich ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 a GG.
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei verletzt, weil im Fall des Drohens irreparabler Schäden für die Natur auch im Eilverfahren eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hätte erfolgen müssen, damit dieser die Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht hätte prüfen können.
Zur Begründung der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tragen die Beschwerdeführer vor, das Airbus-Projekt sei jedenfalls an der vorgesehenen Stelle sinnlos. Sinnvoll könne es allenfalls in einer strukturschwachen Region, etwa in Rostock, sein. Auf dem Markt bestehe kein Bedarf für das geplante „Riesenflugzeug”. Es sei auch ausgeschlossen, dass in Hamburg im Zusammenhang mit dem Vorhaben 2.000 neue Arbeitsplätze entstünden. 170 Hektar des Mühlenberger Lochs seien mit Abschluss der bevorstehenden Verfüllung unwiederbringlich verloren. Damit verschwinde nicht nur das letzte große zusammenhängende Flachwasser- und Süßwassergebiet von herausragender ökologischer Bedeutung an der Tideelbe. Vielmehr werde das gesamte Gebiet der Tideelbe ökologisch nachhaltig geschädigt. Nicht erst die Auffüllung selbst, sondern schon die laufenden Bauarbeiten und insbesondere die Abtrennung von der Elbe nähmen dem Mühlenberger Loch seine ökologische Bedeutung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung kann nicht ergehen, weil die eingelegten Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer unzulässig sind.
1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG wegen einer unvollständigen Interessenabwägung rügen, legen sie nicht im Sinne der §§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 92 BVerfGG hinreichend substantiiert dar, dass sie durch die angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in dem genannten Grundrecht verletzt sein könnten.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand behauptet, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 13, 132 ≪151≫). Dabei gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht selbst den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen (vgl. BVerfGE 61, 82 ≪110≫). Von den Fällen der Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger Rechte abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Voraussetzungen dem Einzelnen ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat (vgl. BVerfGE 78, 214 ≪226≫; 83, 182 ≪195≫).
Die Beschwerdeführer haben nicht substantiiert dargetan, dass sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ein subjektives Recht ergäbe, dessen effektiver gerichtlicher Schutz ihnen in den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen versagt worden wäre. Die Beschwerdeführer können sich auch nicht darauf berufen, dass die Verwaltungsgerichte einen ihnen zustehenden Anspruch auf Beachtung der nach Ansicht der Beschwerdeführer maßgeblichen Vorschriften der Vogelschutz-Richtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie verkannt hätten. Die Verwaltungsgerichte haben nämlich im Einzelnen unter Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausgeführt, dass ihrer Auffassung nach die genannten Richtlinien den Beschwerdeführern keine subjektiven Rechte vermitteln, die sie klageweise geltend machen könnten. Diese Auffassung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Da nach der Ordnung des Grundgesetzes die Fachgerichte zur Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts berufen sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫), könnte das Bundesverfassungsgericht nur dann eingreifen, wenn die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des einfachen Rechts willkürlich oder aus sonstigen Gründen verfassungswidrig wäre. Hierfür haben die Beschwerdeführer nichts vorgetragen.
2. Die Beschwerdeführer haben auch die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 9 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 a GG nicht in der von §§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 92 BVerfGG geforderten Art und Weise dargelegt.
Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 GG, das insoweit Art. 2 Abs. 1 GG verdrängt, gewährleistet nicht nur dem Einzelnen die Vereinigungsfreiheit, sondern enthält auch ein Grundrecht der Vereinigung selbst. Ohne hier auf den Umfang der grundrechtlichen Gewährleistung der kollektiven Vereinigungsfreiheit im Einzelnen einzugehen, steht jedenfalls fest, dass sich aus dieser Grundrechtsnorm auch dann kein Recht eines Vereins zur gerichtlichen Geltendmachung ausschließlich objektivrechtlich geschützter Interessen ableiten lässt, wenn die Verfolgung dieser Interessen dem autonom bestimmten Vereinszweck entspricht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 20 a GG, der als Staatszielbestimmung keine subjektiven Rechte vermittelt.
Schließlich hat der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 518/01 auch nicht substantiiert dargetan, dass sich bei verfassungskonformer Auslegung des § 41 Abs. 2 Nr. 1 HmbNatSchG im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG ein ihm zustehendes Recht zur gerichtlichen Geltendmachung der Interessen des Naturschutzes ergibt. Die zuständigen Gerichte interpretieren § 41 Abs. 2 Nr. 1 HmbNatSchG wortlautgemäß so, dass ein Verein im Sinne des Absatzes 1 dieser Vorschrift nur gegen Maßnahmen, die ein förmlich festgesetztes Naturschutzgebiet oder einen Nationalpark betreffen, gerichtlich vorgehen kann. Es ist nach dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht erkennbar, dass diese am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sei es in seiner Ausprägung als Gleichbehandlungsgebot, sei es in seiner Eigenschaft als Willkürverbot, verstieße. Da – wie oben bereits dargelegt – weder aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG noch aus Art. 9 Abs. 1 GG unmittelbar ein Verbandsklagerecht folgt, steht es dem zuständigen Gesetzgeber frei, derartige Klagerechte einzuführen und sie gegebenenfalls nach sachgerechten Kriterien zu begrenzen. Die Verwaltungsgerichte haben nachvollziehbar dargelegt, dass die gesetzliche Eröffnung der Verbandsklage nur im Hinblick auf die besonders schutzwürdigen Naturschutzgebiete und Nationalparks, nicht aber im Hinblick auf die minder schutzwürdigen Landschaftsschutzgebiete sachlich gerechtfertigt sei. Der Beschwerdeführer hat nicht substantiiert darlegen können, dass diese Differenzierung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Kann sich diese Differenzierung auch mittelbar als Ungleichbehandlung verschiedener Vereine auswirken, nämlich dann, wenn diese nach ihrem Vereinszweck nur auf den Schutz eines ganz bestimmten Gebietes ausgerichtet sind, so handelt es sich doch nicht um eine personenbezogene, sondern um eine sachbezogene Regelung, bei deren inhaltlicher Ausgestaltung dem Gesetzgeber ein größerer Gestaltungsspielraum zukam (vgl. BVerfGE 96, 1 ≪6≫). Der dem Gesetzgeber zukommende Gestaltungsspielraum ist durch die angegriffene Vorschrift des § 41 Abs. 2 Nr. 1 HmbNatSchG nicht überschritten.
3. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügen, ist die Verfassungsbeschwerde ebenfalls unzulässig. Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Verpflichtung der nationalen Gerichte zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs überhaupt besteht (ausdrücklich verneinend BVerfG, NVwZ 1992, S. 360; indirekt auch BVerfGE 82, 159 ≪195 a.E.: Vorlagepflicht des letztinstanzlichen Hauptsachegerichts≫). Auch wenn eine solche Pflicht zur Vorlage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich in Betracht kommen sollte, haben die Beschwerdeführer nicht hinreichend im Sinne von §§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 92 BVerfGG dargelegt, dass eine entsprechende Vorlagepflicht im konkreten Fall verletzt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher stellt es einen Entzug des gesetzlichen Richters dar, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nachkommt (vgl. BVerfGE 73, 339 ≪366 ff.≫; 82, 159 ≪194 ff.≫). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Durch diese grundrechtsähnliche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪194≫). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪195 f.≫). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinungeindeutig vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 ≪196≫). Die Vorlagepflicht kann in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls nicht weiter reichen als im Hauptsacheverfahren.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die angegriffenen Entscheidungen nicht ersichtlich. Die Verwaltungsgerichte sind nach eingehender Erörterung der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der in der Literatur zu dieser Frage vertretenen Auffassungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vogelschutz-Richtlinie und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie allein dem Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz der Natur dienen. Sie begründeten keine individuell einklagbaren Rechte für einzelne private oder juristische Personen, die sie berechtigten, die Einhaltung dieser Richtlinien gerichtlich geltend zu machen. Dies entspreche der allgemeinen Auffassung, dass das Gemeinschaftsrecht keine Popularklage oder eine solche auf Vollziehung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben kenne.
Die Beschwerdeführer legen nicht substantiiert dar, dass mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der von den Verwaltungsgerichten vertretenen Auffassungeindeutig vorzuziehen sind. Allein der Vortrag einer für die Beschwerdeführer günstigen Ansicht, nach der ihnen die Möglichkeit eröffnet ist, die für maßgeblich erachteten gemeinschaftsrechtlichen Normen gerichtlich geltend zu machen, genügt nicht, um eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darzutun.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen