Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.07.2003; Aktenzeichen 2 Ausl A 4/03) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Gründe
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden hat, gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, mit der seine Auslieferung in die Vereinigten Staaten von Amerika zum Zwecke der Strafverfolgung für zulässig erklärt wurde.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist jemenitischer Staatsangehöriger. Er ist nach eigenen Angaben Berater des jemenitischen Ministers für religiöse Stiftungen im Range eines Staatssekretärs und Imam der Al-Ihsan-Moschee in Sanaa/Jemen.
Seiner Festnahme am 10. Januar 2003 in Frankfurt liegt der Haftbefehl des Bundesgerichts der Vereinigten Staaten von Amerika für den östlichen Bezirk New Yorks vom 5. Januar 2003 zu Grunde. Die US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden warfen dem Beschwerdeführer vor, in dem Zeitraum vom Oktober 1997 bis zu seiner Verhaftung eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Er soll terroristische Vereinigungen, insbesondere Al-Qaida und Hamas, mit Geld, Waffen, Kommunikationsmitteln und personellem Nachwuchs versorgt haben.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 11. Januar 2003 die Festnahme des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der Auslieferung an. Auf der Grundlage des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Januar 2003 wurde der Beschwerdeführer in vorläufige Auslieferungshaft genommen.
Mit Verbalnote vom 24. Januar 2003 übermittelte die Botschaft der Vereinigten Staaten der Bundesregierung ein Ersuchen zur Auslieferung des Beschwerdeführers zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem Auslieferungsersuchen liegen der Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 20. Juni 1978 – AV – (BGBl 1980 II S. 646, 1300) in Verbindung mit dem Zusatzvertrag vom 21. Oktober 1986 – AV-ZV – (BGBl 1988 II S. 1086; 1993 II S. 846) zu Grunde.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. Februar 2003 an, dass die vorläufige Auslieferungshaft als förmliche fortdauere und setzte den US-amerikanischen Behörden eine Frist zur Ergänzung der Auslieferungsunterlagen. Nach Einreichung weiterer Unterlagen zu den Tatvorwürfen, insbesondere von eidesstattlichen Erklärungen US-amerikanischer Ermittlungsbeamter, bestätigte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 24. April 2003 die förmliche Auslieferungshaft mit der Maßgabe, dass dem Beschwerdeführer die Mitgliedschaft in den terroristischen Organisationen Hamas und Al-Qaida – im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB – vorgeworfen werde.
Mit Verbalnote vom 22. Mai 2003 sicherte die Botschaft der Vereinigten Staaten zu, dass der Beschwerdeführer nicht vor einem in der US-amerikanischen “Presidential Military Order” vom 13. November 2001 vorgesehenen Militärtribunal oder einem sonstigen Ausnahmegericht strafrechtlich verfolgt würde.
Das Oberlandesgericht erklärte die Auslieferung des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 18. Juli 2003 für zulässig und ordnete die Fortdauer der Auslieferungshaft an.
2. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 23. Juli 2003 den Antrag an das Oberlandesgericht gestellt, gemäß § 33 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zu entscheiden und gemäß § 33 Abs. 4 IRG den Aufschub der Auslieferung anzuordnen. Ihm sei im gerichtlichen Verfahren in mehreren Punkten kein rechtliches Gehör gewährt worden. Über die Anträge ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG; Art. 2 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 25 GG; Art. 2 Abs. 1 GG, sein Recht auf ein faires Verfahren sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG. Ferner macht er eine Verletzung seines Rechts auf Einhaltung des Rückwirkungsverbotes gemäß Art. 103 Abs. 2 GG geltend. Der Beschwerdeführer rügt darüber hinaus, das Oberlandesgericht habe im angegriffenen Beschluss trotz seines entsprechenden Vortrags die Frage der Anwendung von Folter im US-amerikanischen Verfahren nicht erörtert.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung möchte er die Auslieferung, die nach der Entscheidung über die Zulässigkeit jederzeit bewilligt und vollzogen werden könne, verhindern.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie – derzeit – keine Aussicht auf Erfolg hat.
1. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde scheitert in dem hier zu beurteilenden Fall an dem Grundsatz der Subsidiarität. Dieser verlangt neben der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), dass der Beschwerdeführer alle bestehenden Möglichkeiten nutzt, um die behauptete Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 81, 22 ≪27≫; 95, 96 ≪127≫ m.w.N.).
Hat der Beschwerdeführer noch die Möglichkeit, mit Hilfe eines Antrags nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs zu den von ihm als übergangen angesehenen Punkten zu erwirken, so kann die Verfassungsbeschwerde zulässigerweise erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeit erhoben werden (vgl. Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. November.1983 – 2 BvR 1575/83 –, NJW 1984, S. 559 und BVerfGE 42, 243 ≪247 f.≫; siehe auch Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl. 1998, § 77 Rn. 7).
2. Dieser Rechtsbehelf ist – derzeit – nicht ausgeschöpft im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.
a) Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 23. Juli 2003 an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Antrag gestellt, “gemäß § 33 Abs. 1 IRG über die Zulässigkeit der Auslieferung erneut zu entscheiden” und “im Hinblick auf diese Umstände gemäß § 33 Abs. 4 IRG den Aufschub der Auslieferung” anzuordnen. Zur Begründung seines Antrags beim Oberlandesgericht rügt der Beschwerdeführer jedoch u.a. auch, dass ihm in mehreren Punkten insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden sei, als der Senat des Oberlandesgerichts seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und nicht bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen habe.
b) Zwar rügt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht ausdrücklich eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts gemäß Art. 103 Abs. 1 GG; soweit er jedoch vorträgt, das Oberlandesgericht habe im angegriffenen Beschluss nicht die Frage der Anwendung von Folter im US-amerikanischen Verfahren erörtert, obwohl er dazu umfangreich vorgetragen habe, macht er der Sache nach einen Gehörsverstoß geltend.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist ungeachtet der ausdrücklichen Bezugnahme in dem gestellten Antrag auf Art. 33 IRG nach verständiger Würdigung des Rechtsschutzbegehrens des Beschwerdeführers als ein Antrag nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO auszulegen. Eine Entscheidung über diesen Antrag ist – soweit ersichtlich – bislang nicht ergangen. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht vor dem Hintergrund der vorgetragenen Argumente zu einer anderen Entscheidung gelangen wird; in jedem Fall werden durch die Entscheidung die im fachgerichtlichen Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen weiter aufbereitet.
3. Im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens besteht im Fall eines Antrags nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO die Möglichkeit, einen Antrag auf Aufschub der Auslieferung in entsprechender Anwendung von § 33 Abs. 4 IRG zu stellen (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2003 – 2 BvQ 14/03 –). Eine solche Anordnung durch das Oberlandesgericht wird regelmäßig geboten sein, wenn der Antrag nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO nicht von vornherein unzulässig oder nicht ausreichend begründet ist (vgl. insgesamt Schomburg, in: Schomburg/Lagodny, a.a.O., § 33 Rn. 33 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. November 1996 – 4 Ausl (A) 630/96 – 192/96 III – , NStZ 1997, S. 193; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2003 – 2 BvQ 14/03 –, im Umdruck S. 6).
Da der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Juli 2003, wie bereits dargelegt, auch als Antrag gemäß § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO anzusehen ist, ist auch der in demselben Schriftsatz enthaltene Antrag auf Aufschub der Auslieferung als auf die Gehörsrüge bezogen anzusehen. Ein erneuter Antrag nach § 33 Abs. 4 IRG in entsprechender Anwendung ist demnach in dem vorliegenden Verfahren nicht verpflichtend.
4. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Di Fabio, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 971122 |
NJW 2003, 3338 |
NVwZ 2004, 210 |