Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde im Brandenburgischen Schulgesetz
Gründe
A.
Nachdem die Beteiligten in den Verfahren 1 BvF 1/96, 1 BvR 1697/96, 1 BvR 1718/96, 1 BvR 1783/96 und 1 BvR 1412/97 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt haben, über den Gegenstand dieser Verfahren eine einvernehmliche Verständigung herbeizuführen, unterbreitet der Senat hierfür folgenden Vorschlag:
I.
Ziel der Vereinbarung sollte es sein, durch eine Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Antragsteller und Beschwerdeführer der genannten Verfahren Erklärungen abgeben, durch die die Verfahren beendet werden können.
II.
Die Vereinbarung sollte zwischen den Antragstellern und Beschwerdeführern der anhängigen Verfahren auf der einen und der Landesregierung Brandenburg auf der anderen Seite geschlossen werden. Die Vereinbarungspartner sind dabei frei, über die Festlegung der Vereinbarungsthemen und deren für die Erreichung des Vereinbarungsziels notwendige inhaltliche Ausgestaltung selbst und anders zu entscheiden. Ungeachtet dessen schlägt der Senat eine Vereinbarung mit dem nachstehenden Inhalt vor:
III.
Vereinbarung zur Beilegung der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von § 9 Abs. 2 und 3, § 11 Abs. 2 bis 4 und § 141 des Brandenburgischen Schulgesetzes
Vereinbarung zwischen
- den Antragstellern und Beschwerdeführern der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren 1 BvF 1/96, 1 BvR 1697/96, 1 BvR 1718/96, 1 BvR 1783/96 und 1 BvR 1412/97 – im Folgenden: Antragsteller –
- und
- der Landesregierung Brandenburg,vertreten durch den Ministerpräsidenten, – im Folgenden: Landesregierung –
Präambel
Antragsteller und Landesregierung greifen den Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts auf, über den Gegenstand der vorgenannten Verfassungsstreitverfahren eine einvernehmliche Verständigung herbeizuführen und damit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beteiligten verfahrensbeendende Erklärungen abgeben. Sie schließen deshalb die folgende Vereinbarung:
§ 1
Die Regelungen über das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde in § 11 Abs. 2 bis 4 des Brandenburgischen Schulgesetzes bleiben unberührt. Außer dem Unterricht in diesem Fach kann Religionsunterricht gemäß § 9 Abs. 2 dieses Gesetzes in allen Schulformen und Schulstufen erteilt werden. Ergänzend werden für die beiden Unterrichtsfächer Regelungen entsprechend § 2 dieser Vereinbarung getroffen.
§ 2
(1) Die Landesregierung wird in den Landtag Brandenburg den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes einbringen, der folgenden Inhalt haben wird:
- Der Religionsunterricht wird in der Regel in Lerngruppen mit einer Teilnehmerzahl von mindestens 12 Schülerinnen und Schülern durchgeführt.
- Der Religionsunterricht soll in die regelmäßige Unterrichtszeit integriert werden. Durch die zeitliche Gestaltung soll nicht ausgeschlossen werden, dass Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht in dem Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde besuchen, zusätzlich am Religionsunterricht teilnehmen können.
- Lehrkräften des Landes Brandenburg, die neben dem staatlichen Unterricht im Auftrag von Kirchen oder Religionsgemeinschaften Religionsunterricht erteilen, wird die Erteilung dieses Unterrichts mit bis zu acht Unterrichtsstunden je Woche auf die Pflichtstundenzahl angerechnet, sofern die Mindestgruppengröße von 12 Schülerinnen und Schülern erreicht wird; bei einer Teilzeitbeschäftigung erfolgt die Anrechnung in entsprechend gekürztem Umfang. Den genannten Lehrkräften wird die Teilnahme an Veranstaltungen ihrer Kirche oder Religionsgemeinschaft zur religionspädagogischen Fort- und Weiterbildung unter den für Fort- und Weiterbildung üblichen Bedingungen ermöglicht.
- Personen, die im Auftrag von Kirchen oder Religionsgemeinschaften Religionsunterricht erteilen, können auch dann an den Beratungen der schulischen Mitwirkungsgremien teilnehmen, wenn sie nicht in einem Dienstverhältnis zum Land Brandenburg stehen.
- Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im Religions- unterricht werden von denjenigen, die diesen Unterricht erteilen, entsprechend den Grundsätzen der Leistungsbewertung nach § 57 des Brandenburgischen Schulgesetzes bewertet, sofern die Kirchen oder Religionsgemeinschaften dies wollen. Die Note wird auf Antrag der Eltern der Schülerin und des Schülers in das staatliche Zeugnis (§ 58 des Brandenburgischen Schulgesetzes) aufgenommen; bei Schülerinnen und Schülern, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, tritt der eigene Antrag an die Stelle des Antrags der Eltern. Durch Rechtsverordnung auf der Grundlage des Brandenburgischen Schulgesetzes kann auch bestimmt werden, welche Bedeutung die Religionsnote für die Versetzung der Schülerin oder des Schülers und für den Erwerb von Abschlüssen und Berechtigungen hat.
- Den Kirchen und Religionsgemeinschaften, deren Beauftragte Religionsunterricht erteilen, werden zu den dadurch entstehenden Kosten nach Maßgabe des Haushalts staatliche Zuschüsse gewährt.
- Schülerinnen und Schüler, deren Eltern gegenüber der Schule erklären, dass ihr Kind wertorientierten Unterricht zu den Gegenstandsbereichen des Faches Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde allein in Form des Religionsunterrichts erhalten soll, und den Besuch eines solchen Unterrichts nachweisen, sind von der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht in dem Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde befreit. Bei Schülerinnen und Schülern, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, tritt die eigene Erklärung an die Stelle der Erklärung der Eltern.
(2) Der Gesetzentwurf wird in den Landtag Brandenburg so rechtzeitig eingebracht, dass das Änderungsgesetz zum Beginn des Schuljahres 2002/2003 in Kraft treten kann.
§ 3
Es ist Aufgabe einer Schiedsstelle, Meinungsverschiedenheiten über den Vollzug der Vorschriften des brandenburgischen Schulrechts über das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde und den Religionsunterricht auszuräumen.
§ 4
Die Antragsteller werden binnen eines Monats nach dem In-Kraft-Treten eines dieser Vereinbarung entsprechenden Änderungsgesetzes den Normenkontrollantrag und die Verfassungsbeschwerden gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zurücknehmen.
B.
Im Interesse aller Beteiligten an einem baldigen Abschluss der genannten Verfassungsstreitverfahren werden die Antragsteller, Beschwerdeführer und die Landesregierung Brandenburg gebeten, gegenüber dem Bundesverfassungsgericht bis zum 31. Januar 2002 zu erklären, ob ihnen eine einvernehmliche Verständigung auf der Grundlage des Vorschlags unter A III dieses Beschlusses möglich erscheint.
Unterschriften
Papier, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.12.2001 durch Achilles Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen