Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.10.2008; Aktenzeichen 19 U 37/08) |
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.09.2008; Aktenzeichen 19 U 37/08) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft unter anderem die Verwerfung einer fachgerichtlichen Anhörungsrüge als unstatthaft nach Zurückweisung eines gegen Richter am Oberlandesgericht gerichteten Ablehnungsgesuchs.
1. Die Beschwerdeführer machten im Ausgangsverfahren gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Mängel einer von den Beklagten erworbenen Doppelhaushälfte geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Gegen das Urteil richtet sich die beim Oberlandesgericht anhängige Berufung der Beschwerdeführer, mit welcher sie ihr Klageziel weiterverfolgen. Auf die Mitteilung des Berufungsgerichts durch den Senatsvorsitzenden, dass die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt sei, lehnten die Beschwerdeführer den Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Oberlandesgericht wies das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung anderer Richter zurück. Daraufhin lehnten die Beschwerdeführer „den gesamten Senat” wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
2. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 30. September 2008 wies das Oberlandesgericht – ebenfalls unter Mitwirkung anderer Richter – auch diesen Antrag als unbegründet zurück und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu.
3. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Beschluss eine Anhörungsrüge, welche das Oberlandesgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 28. Oktober 2008 als unzulässig zurückwies. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung finde die Anhörungsrüge gemäß § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht statt. Unter dem Gesichtspunkt der Gegenvorstellung bleibe es bei der Würdigung, dass Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit nicht vorlägen.
4. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 30. September 2008 und 28. Oktober 2008.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu noch ist ihre Annahme gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Allerdings hat das Oberlandesgericht mit der Zurückweisung der Anhörungsrüge als unstatthaft den Anforderungen, welche sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG an die Auslegung und Anwendung von § 321a ZPO ergeben, nicht hinreichend Rechnung getragen.
a) § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sieht die Anhörungsrüge als statthaften Rechtsbehelf vor, wenn kein anderer Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung gegeben ist. Nach § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO findet die Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht statt.
Diese Einschränkung der Anhörungsrüge in § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei verfassungskonformer Auslegung auf solche Zwischenentscheidungen zu begrenzen, die im Hinblick auf mögliche Gehörsverletzungen im weiteren fachgerichtlichen Verfahren noch überprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪301≫). Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG steht einer Auslegung der Norm entgegen, nach der Entscheidungen, die ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren abschließen, nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden könnten (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪301≫). Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪300 f.≫).
b) Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist daher – wie bei allen sonstigen Zwischenverfahren auch – nach dem Grundsatz des wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Ablehnungsantrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪299≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 31. Juli 2008 – 1 BvR 416/08 –, juris, Rn. 26). Die insoweit abweichende frühere fachgerichtliche Rechtsprechung ist überholt (BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – AnwZ (B) 102/05 –, NJW 2007, S. 3786 f.; BAG, Beschluss vom 14. Februar 2007 – 5 AZA 15/06 (B) –, NJW 2007, S. 1379 f.; so auch: Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rn. 14a).
c) Bei der verfahrensgegenständlichen Zurückweisung der Ablehnung von Richtern am Oberlandesgericht handelt es sich um eine nach den einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für das weitere Verfahren bindende Entscheidung.
aa) Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs ist unanfechtbar, da sie keinem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf mehr unterliegt. Nur der einen Ablehnungsantrag zurückweisende Beschluss des Amts- oder Landgerichts in erster Instanz, nicht jedoch Beschlüsse des Oberlandesgerichts können gemäß § 46 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2004 – II ZB 24/03 –, NJW-RR 2005, S. 294 ≪295≫; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 46 Rn. 7 f.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rn. 14a). Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil sie nicht zugelassen wurde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ein Rechtsmittel gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist im Gesetz – was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪402≫) – nicht vorgesehen. Eine „außerordentliche” Beschwerde neben den gesetzlich normierten Rechtsmitteln kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2004 – II ZB 24/03 –, NJW-RR 2005, S. 294 ≪295≫).
bb) Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs kann auch im weiteren Verfahren nicht mehr auf ihre Richtigkeit oder auf eine mögliche Gehörsverletzung überprüft werden.
Wird die Berufung wie beabsichtigt durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen, so ist die Überprüfung der Zwischenentscheidung durch ein Rechtsmittelgericht infolge der Unanfechtbarkeit der Hauptsacheentscheidung gemäß § 522 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen.
Sollte abweichend von dem erteilten Hinweis eine ihrerseits anfechtbare Hauptsacheentscheidung getroffen werden, würde § 557 Abs. 2 ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Inzidentprüfung der unanfechtbaren Zwischenentscheidung des Oberlandesgerichts durch das Revisionsgericht im Rahmen eines Rechtsmittels gegen die von den erfolglos abgelehnten Richtern getroffene Hauptsacheentscheidung ausschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2004 – II ZB 24/03 –, NJW-RR 2005, S. 294 ≪295≫; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2006 – XII ZB 244/04 –, NJW-RR 2007, S. 411; BGH, Beschluss vom 30. November 2006 – III ZR 93/06 –, NJW-RR 2007, S. 775 ≪776≫; ebenso: BSG, Beschluss vom 29. März 2007 – B 9a SB 18/06 B –, NZS 2008, S. 331 ≪332≫; BAG, Beschluss vom 23. September 2008 – 6 AZN 84/08 –, juris, Rn. 5; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 2, 22. Aufl. 2004, § 46 Rn. 8; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 46 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 46 Rn. 13). Dies gilt auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Rechtsbeschwerde gegen die Zwischenentscheidung nicht zugelassen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2006 – III ZR 93/06 –, NJW-RR 2007, S. 775 ≪776≫).
Der Bundesgerichtshof folgt insoweit ausdrücklich nicht einer in der Literatur vertretenen Auffassung, nach der eine inzidente Prüfung des erfolglos vor dem Oberlandesgericht geltend gemachten Ablehnungsgrundes im Revisionsverfahren gegen die instanzbeendende Entscheidung durchzuführen sei, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung im Zwischenverfahren nicht zugelassen wurde (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rn. 14a; Heinrich, in: Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 46 Rn. 4; Gehrlein, in: Münchener Kommentar ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 46 Rn. 2).
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27. November 2006 (1 BvR 2719/06). Dort wurde zwar davon ausgegangen, dass die Frage der Befangenheit zunächst im fachgerichtlichen Rechtszug mit der Anfechtung der Endentscheidung des Berufungsgerichts einer Inzidentkontrolle durch das Revisionsgericht zuzuführen sei (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2006 – 1 BvR 2719/06 –, NJW-RR 2007, S. 409 ≪410≫ mit Bezugnahme auf: Vollkommer, NJW 2001, S. 1827 ≪1831≫; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 46 Rn. 14a; Heinrich, in: Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 46 Rn. 4). Die Entscheidung berücksichtigt jedoch noch nicht die oben dargestellte Entwicklung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist im Übrigen auch durch die Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (BVerfGE 119, 292) überholt. Da sich der Kammerbeschluss vom 27. November 2006 auf die Wiedergabe der einfachrechtlichen Auslegung von § 557 Abs. 2 ZPO beschränkt hat, kann ihm auch keine Aussage dahingehend entnommen werden, dass eine inzidente Überprüfung der Zwischenentscheidung in der Revisionsinstanz aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten wäre (missverständlich insoweit: Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 46 Rn. 14a).
Die vom Bundesgerichtshof in Fällen der prozessualen Überholung der gegen die erstinstanzliche Ablehnungsentscheidung gerichteten Beschwerde aus prozessökonomischen Gründen für den Berufungsrechtszug zugelassene Ausnahme greift ersichtlich nicht ein (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2006 – XII ZB 244/04 –, NJW-RR 2007, S. 411).
Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs war daher unabhängig davon, ob die Hauptsacheentscheidung durch Urteil oder Beschluss getroffen wird, für das weitere Verfahren bindend. Sie stellt in verfassungskonformer Auslegung von § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung dar.
2. Die Verfassungsbeschwerde war dennoch nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil dies nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
Zwar sind Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche jedenfalls dann, wenn sie wie vorliegend Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können, selbständig mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143 f.≫; 24, 56 ≪60 f.≫; 119, 292 ≪294≫). Gleichermaßen gilt dies für die im Richterablehnungsverfahren ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts über die von den Beschwerdeführern erhobene Anhörungsrüge (vgl. BVerfGE 119, 292 ≪295≫).
Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil sie nicht in einer § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise begründet wurde. Sie ist auch in der Sache ohne Aussicht auf Erfolg. Dies gilt insbesondere im Blick auf die Behandlung der Anhörungsrüge der Beschwerdeführer als unstatthaft. Das Oberlandesgericht hat die mit dieser Rüge zugleich verbundene Gegenvorstellung nach inhaltlicher Prüfung für unbegründet erachtet und dargelegt, dass die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Argumente bereits in dem angegriffenen Beschluss vom 30. September 2008 berücksichtigt worden seien. Dies lässt erkennen, dass mit der Anhörungsrüge eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt wurde mit der Folge, dass die Rüge auch bei unterstellter Statthaftigkeit mangels ausreichender Begründung unzulässig, jedenfalls aber unbegründet gewesen wäre.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
NJW 2009, 833 |
AnwBl 2009, 390 |