Tenor
1. Dem Vorsitzenden Richter des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München wird im Strafverfahren gegen Beate Z. u.a. wegen § 129 StGB u.a., Az.: 6 St 3/12, aufgegeben, nach einem von ihm im Rahmen seiner Prozessleitungsbefugnis festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben.
2. Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Freistaat Bayern hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde betrifft das Akkreditierungsverfahren und die Vergabe fester Sitzplätze für Medienvertreter im sogenannten NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Die Beschwerdeführer begehren in der Hauptsache die Aufhebung der zugrundeliegenden Verfügungen des Oberlandesgerichts und beantragen, ihre Vollziehung im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen.
1. Im Strafverfahren gegen Beate Z. u.a. bezüglich der sogenannten NSU-Terrorzelle hat der Generalbundesanwalt Anklage zum Oberlandesgericht München erhoben. Gegenstand der Anklage sind insbesondere auch Straftaten zum Nachteil türkischer Staatsangehöriger und türkischstämmiger Bürger. Das Medieninteresse am Verfahren ist seit geraumer Zeit national wie international sehr groß.
2. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist Verlegerin der in türkischer Sprache erscheinenden Ausgabe der Zeitung S., die nach eigenen Angaben in Deutschland von etwa einem Fünftel der türkischstämmigen Bevölkerung gelesen wird; der Beschwerdeführer zu 2. ihr Stellvertretender Chefredakteur. Die Beschwerdeführer haben sich bereits im Januar 2013 um eine Akkreditierung beim Oberlandesgericht München beworben und, nachdem ihnen mitgeteilt wurde, dass dies derzeit noch nicht möglich sei, in den dortigen E-Mail-Verteiler aufnehmen lassen. Nach ihren Angaben ist ihnen dabei mitgeteilt worden, dass ihnen der Akkreditierungsbeginn schriftlich bekannt gegeben werde.
3. Am 4. März 2013 erließ das Oberlandesgericht München gemäß § 176 GVG die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Verfügung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Hauptverhandlung.
Diese regelt hinsichtlich der Medienberichterstattung unter Ziffer V. zunächst die Zulässigkeit von Ton-, Film-, und Bildaufnahmen vor und im Sitzungssaal; sie sieht dabei eine Pool-Lösung vor. Unter Ziffer VI.1. ist dann allgemein das Akkreditierungsverfahren für alle Medienvertreter, insbesondere auch für die Vertreter der Presse, festgelegt. Dabei heißt es:
Die Medienvertreter werden gebeten, sich schriftlich für „NSU” unter Übermittlung eines gültigen Presseausweises eines Presseunternehmens bzw. einer Rundfunk- oder Fernsehanstalt im Sinne des Pressegesetzes und/oder eines Referenzschreibens (…) eines solchen Unternehmens bis spätestens Donnerstag, den 14. März 2013 bei der Pressestelle des Oberlandesgerichts München (pressestelle@olg-m.bayern.de; Fax-Nr. +49(89)55975176) zu akkreditieren.
Akkreditierungsgesuche, die den oben genannten Anforderungen nicht entsprechen oder nach Ablauf der Frist eingehen, können nicht berücksichtigt werden. Die hiernach zulässigen Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt, wobei Mehrfachnennungen zunächst außer Betracht bleiben.
Über die Zulassungen entscheidet der Vorsitzende des 6. Strafsenats nach vollständigem Eingang der Akkreditierungsgesuche. (…)
Mit der praktischen Durchführung des Akkreditierungsverfahrens, insbesondere der Bekanntgabe der Verfügung vom 4. März 2013, war die Leiterin der Justizpressestelle des Oberlandesgerichts München betraut. Diese teilte auf Anfrage einzelnen Journalisten bereits in der Woche vor der Verfügung mit, dass die zulässigen Akkreditierungsgesuche voraussichtlich nach der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt würden, und sie hoffe, in der Woche ab dem 4. März die Akkreditierungsbedingungen bekannt geben zu können. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführer soll Journalisten, die am 4. März bewusst oder zufällig beim Oberlandesgericht angerufen haben, auch schon mitgeteilt worden sein, dass die Verfügung am 5. März zwischen 8 Uhr und 9 Uhr gemailt werde und dann der Antrag auf Akkreditierung gestellt werden könne.
Die Verfügung vom 4. März wurde am 5. März um 08:56 Uhr über den E-Mail-Verteiler des Oberlandesgerichts versandt. Sie war als Anlage an ein E-Mail-Schreiben angehängt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass anliegend die Bedingungen der vom Senat angeordneten Akkreditierung zur Kenntnis gegeben würden; diese ergäben sich aus Ziffer V. der Sicherheitsverfügung des Senats vom 4. März 2013. Aufgrund von Fehlermeldungen mussten dabei einige Adressaten des Verteilers, hierunter auch der Beschwerdeführer zu 2., zunächst aus dem Verteiler genommen werden, um die E-Mail versenden zu können. Der Beschwerdeführer zu 2. erhielt die E-Mail sodann im Anschluss um 09:15 Uhr. Ein weiterer für die Beschwerdeführerin zu 1. tätiger Journalist soll ausweislich einer vom Bundesverfassungsgericht eingeholten Stellungnahme des Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München die fragliche E-Mail bereits um 08:56 Uhr erhalten haben.
Bereits um 08:58 Uhr gingen die ersten Anträge beim Oberlandesgericht ein. Insgesamt wurden bis 09:15 Uhr bereits 39 Akkreditierungsanträge und bis 09:36 Uhr bereits 50 Akkreditierungsanträge eingereicht, hierunter zunächst ausschließlich von deutschen Medien. Die Anträge der Beschwerdeführer gingen am Folgetag, den 6. März 2013, um 11:59 Uhr als laufende Nummern 171, 172 ein.
4. Am 22. März 2013 erließ das Oberlandesgericht – in Ergänzung zur Verfügung vom 4. März 2013 – eine weitere Verfügung zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Hauptverhandlung gemäß § 176 GVG.
In dieser wurde unter Ziffer III.1. erstmals festgelegt, dass für die akkreditierten Medienvertreter im Sitzungssaal insgesamt 50 reservierte Sitzplätze zur Verfügung stehen, diese Plätze an jedem Sitzungstag bis 15 Minuten vor Sitzungsbeginn für die akkreditierten Medienvertreter reserviert sind und bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingenommene Plätze zunächst an weitere wartende akkreditierte Medienvertreter, ansonsten an sonstige Zuhörer vergeben werden. Unter Ziffer III.2. heißt es sodann, dass Medienvertreter und sonstige Zuhörer, die keinen Sitzplatz gefunden haben, den Sitzungssaal vor Beginn der Sitzung zu verlassen haben.
5. Am 25. März 2013 erhielten die Beschwerdeführer per E-Mail zwei Listen der durch den Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts akkreditierten 123 Medien und Medienvertreter (Liste 1 Nr. 1-50 / Liste 2 Nr. 51-123) mit dem Hinweis, dass in den beiden Listen sämtliche fristgemäß eingegangenen und zulässigen Akkreditierungsgesuche in der Reihenfolge ihres Eingangs bei der Justizpressestelle berücksichtigt worden seien und die nach den genannten Kriterien ermittelten ersten 50 Medienvertreter zusätzlich zur Akkreditierung einen auf sie ausgestellten Ausweis zur Berechtigung der Sitzplatzeinnahme erhielten.
Von den ersten 39, bis 09:15 Uhr eingereichten Gesuchen wurden letztlich 11 als zulässig angenommen. Das 50. als zulässig angenommene Gesuch – insgesamt das 117. Akkreditierungsgesuch – ging am 5. März 2013 um 11:42 Uhr ein. Unter den mit Sitzplatzreservierung akkreditierten Medien befindet sich kein türkisches Medium. Beworben haben sich neun türkische Medien. Griechische oder iranische Medien, aus deren Ländern ebenfalls Opfer der angeklagten Taten stammen, haben kein Akkreditierungsgesuch gestellt.
6. Mit der dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 und 3 GG.
7. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hatte Gelegenheit, zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Stellung zu nehmen. Das Oberlandesgericht München äußerte sich hierauf dahingehend, dass ein Grundrechtsverstoß nach den bekannten Maßstäben nicht erkennbar sei.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat im tenorierten Umfang Erfolg.
1. Gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 112, 284 ≪291≫).
2. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde ist vorliegend weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Insbesondere erscheint es nicht ausgeschlossen, dass das sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ableitende subjektive Recht der Beschwerdeführer auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb (vgl. BVerfGE 80, 124 ≪133 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2008 – 1 BvR 282/01 –, NJW-RR 2008, S. 1069 ≪1071≫), also auf gleichberechtigte Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten zu gerichtlichen Verfahren, verletzt sein könnte.
Allerdings ist die Entscheidung über die Zugänglichkeit zu Gerichtsverhandlungen, die Reservierung einer bestimmten Anzahl von Plätzen für Medienberichterstatter und auch die Verteilung knapper Sitzplätze an dieselben grundsätzlich eine Frage, die sich unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der Unabhängigkeit der Gerichte zunächst nach einfachem Recht entscheidet und die der Prozessleitung des Vorsitzenden in dem jeweiligen Gerichtsverfahren obliegt (vgl. BVerfGE 103, 44 ≪61 ff.≫; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30.Oktober 2002 – 1 BvR 1932/02 –, NJW 2003, S. 500). Dabei hat dieser einen weiten Entscheidungsspielraum. Das Bundesverfassungsgericht überprüft dessen Anordnungen nur dahingehend, ob sie Verfassungsrecht verletzen und insbesondere, ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪97 f.≫; stRspr). Sie müssen jedoch jedenfalls in Berücksichtigung des grundsätzlichen Anspruchs der Presse auf Zugang für eine freie Berichterstattung sachlich ausgestaltet sein und dem subjektiven Recht der Medienvertreter auf gleiche Teilhabe an den Berichterstattungsmöglichkeiten Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 80, 124 ≪133 f.≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2008 – 1 BvR 282/01 –, NJW-RR 2008, S. 1069 ≪1071≫). Danach ist zwar grundsätzlich auch der Rückgriff auf das Prioritätsprinzip möglich (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. Oktober 2002 – 1 BvR 1932/02 –, NJW 2003, S. 500). Allerdings bedarf auch dieses Prinzip einer Ausgestaltung, die die Chancengleichheit realitätsnah gewährleistet. Bei der verfahrensrechtlichen Umsetzung ist insoweit die tatsächliche Situation der vorhersehbar Interessierten hinreichend zu berücksichtigen. Nicht geklärt, aber auch nicht ausgeschlossen ist, ob in bestimmten Situationen eine Differenzierung zwischen verschiedenen Medienvertretern verfassungsrechtlich zulässig oder geboten ist (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. Oktober 2002 – 1 BvR 1932/02 –, NJW 2003, S. 500 ≪501≫).
Ob die Beschwerdeführer danach durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Grundrechten verletzt sind, bedarf einer näheren Prüfung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und Bedingungen des in Frage stehenden Akkreditierungsverfahrens, die im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht möglich ist, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass es sich vorliegend um ein Strafverfahren handelt, das eine ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit auch auf das Interesse von Medienvertretern stößt, die mit Fragen der Gerichtsberichterstattung und den Verfahren zur Akkreditierung in Deutschland möglicherweise wenig vertraut sind. Insofern stellt sich die Frage, ob dem die Verfahrensgestaltung hinreichend Rechnung getragen hat. Hier könnte von Bedeutung sein, dass die Justizpressestelle des Oberlandesgerichts einzelnen Medienvertretern bereits vorab die voraussichtliche Berücksichtigung der Akkreditierung nach der Reihenfolge der Eingänge mitgeteilt hat. Dabei wäre allerdings zu berücksichtigen, inwieweit sich eine verzögerte Information der Beschwerdeführer auf ihre Chance auf Zuweisung eines festen Sitzplatzes auswirkte. In Anbetracht des zu erwartenden und laut Stellungnahme des zuständigen Vorsitzenden auch erwarteten Medienandrangs kann zu erwägen sein, ob wegen des hierbei naheliegenden besonderen Interesses auch ausländischer Medien, insbesondere aus den Herkunftsländern der Opfer der angeklagten Straftaten, die Anwendung des Prioritätsprinzips bei der Akkreditierung und der Beginn des Akkreditierungsverfahrens rechtzeitig und auch für Unerfahrene eindeutig hätte angekündigt werden müssen. In Betracht zu ziehen ist auch, ob im Sinne der Fairness des Verfahrens dabei auf die absehbar jedenfalls begrenzte Zahl der zur Verfügung stehenden Sitzplätze für Medienvertreter hätte hingewiesen werden müssen, so dass sich gerade auch ausländische Medien, die nicht regelmäßig an deutschen Gerichtsprozessen teilnehmen, auf die Knappheit der Sitzplätze und die Eilbedürftigkeit der Anmeldung besser hätten einstellen können. Vor diesem Hintergrund können auch weitere Umstände des in Frage stehenden Akkreditierungsverfahrens verfassungsrechtlich gewürdigt werden, wie die Tatsache, dass die Geltung des Prioritätsprinzips in der Verfügung vom 4. März 2013 lediglich in Verbindung mit der Akkreditierung als solcher, nicht aber explizit in Verbindung mit einer Sitzplatzvergabe genannt wurde und die ausdrückliche Unterscheidung zwischen Akkreditierung und nachfolgender Sitzplatzvergabe erst nachträglich am 22. März 2013 verfügt wurde. Schließlich stellt sich auch die Frage, ob in Anbetracht der Herkunft der Opfer ausnahmsweise ein zwingender Sachgrund für eine eventuell teilweise Differenzierung zwischen verschiedenen Medien beispielsweise im Sinne einer Quotenlösung gegeben gewesen wäre.
All dieses wirft schwierige Rechtsfragen auf. Eine Verletzung der verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich insoweit jedenfalls nicht offensichtlich ausschließen.
3. Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde weder als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 ≪161≫; 96, 120 ≪128 f.≫; 117, 126 ≪135≫; stRspr). Nach diesen Maßstäben ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die Platzvergabe des Oberlandesgerichts München vom 25. März 2013 im tenorierten Umfange stattzugeben.
Erginge vorliegend keine einstweilige Anordnung, hätte die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber Erfolg, so bestünde die Gefahr, dass die Beschwerdeführer, ohne dass ihnen die gleichen Chancen wie anderen Medienvertretern eingeräumt gewesen wären, wie auch andere ausländische Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten von der Möglichkeit einer eigenen, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Berichterstattung im sogenannten NSU-Prozess ausgeschlossen blieben. Denkbar ist auch, dass auf eine türkische Leserschaft ausgerichtete Medien mit Fragen der Akkreditierung vor deutschen Gerichten wenig vertraut sind und deshalb durch eine etwaige Beeinträchtigung der Chancengleichheit in Akkreditierungsverfahren besonders betroffen sind. Dies wiegt vorliegend umso schwerer, als gerade türkische Medienvertreter ein besonderes Interesse an einer vollumfänglich eigenständigen Berichterstattung über diesen Prozess geltend machen können, da zahlreiche Opfer der angeklagten Taten türkischer Herkunft sind und in der türkischstämmigen Bevölkerung ebenso wie in der Türkei ein entsprechend großes Informationsbedürfnis besteht.
Diese Nachteile überwiegen gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im tenorierten Umfange stattgegeben würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg letztlich versagt wäre. Denn in diesem Falle würden zwar den ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten Sitzplätze in der Verhandlung eingeräumt, auf die sie nach der bisherigen Sitzplatzvergabe keinen Anspruch mehr gehabt hätten. Eine etwaige Ungleichbehandlung sonstiger Medien, denen ein bereits zugeteilter Sitzplatz genommen oder bei Bildung eines Zusatzkontingents kein Sitzplatz zugeteilt wird, wöge jedoch vor dem Hintergrund des besonderen Interesses dieser Medien weniger schwer. Rechte der Medien bestehen ohnedies nur im Rahmen einer gleichheitsgerechten Auswahlentscheidung. Auch ist der Nachteil für die allgemeine Öffentlichkeit, der dadurch entsteht, wenn mit einem Zusatzkontingent einige wenige Plätze der Saalöffentlichkeit bestimmten Medienvertretern zur Verfügung gestellt würden, verhältnismäßig geringer, da die allgemein zu vergebenden Sitzplätze noch nicht konkretisiert sind und entsprechend den hierfür geltenden Maßstäben nach wie vor ein angemessener Teil der im Sitzungssaal verfügbaren Plätze dem allgemeinen Publikum vorbehalten bleibt (vgl. insofern BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. März 2008 – 1 BvR 282/01 –, NJW-RR 2008, S. 1069 ≪1071≫; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 – 1 StR 527/05 –, NJW 2006, S. 1220 ≪1221≫; von Coelln, Der Zutritt von Journalisten zu öffentlichen Gerichtsverhandlungen, DÖV 2006, S. 804 ≪806 f. mit Fn. 32 ff.≫). Eine solche Zuteilung der Sitze verletzt damit auch nicht den Grundsatz der Öffentlichkeit.
Das Bundesverfassungsgericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung Maßnahmen treffen, die der Abwehr schwerer Nachteile in Situationen dienen, in denen eine verfassungsrechtliche Beurteilung angesichts der gebotenen Eile in der Sache nicht möglich ist. Danach sind entsprechende Maßnahmen nicht als die Durchsetzung eines endgültig verfassungsrechtlich gebotenen Ergebnisses zu verstehen, sondern als vorläufige Anordnung zur Abwendung oder Milderung von drohenden Nachteilen. Dies gilt insbesondere in einer Situation wie der vorliegenden, in der von vornherein kein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Zugang zur Gerichtsverhandlung, sondern nur die mögliche Verletzung einer Chance auf gleichberechtigte Teilhabe in Frage steht, die Nachteile sich aber aus den Folgen einer möglichen Verletzung der Chancengleichheit ergeben. Die Maßnahme kann sich hier auf die Abmilderung dieser Folgen beziehen. Dies kommt vorliegend zwar einer teilweisen Vorwegnahme der Hauptsache gleich; in Ausnahmefällen ist dies jedoch zulässig, wenn die Entscheidung in der Hauptsache zu spät ergehen würde und in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. BVerfGE 34, 160 ≪162 f.≫; stRspr). Daher wird dem Vorsitzenden des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts aufgegeben, nach einem von ihm im Rahmen seiner Prozessleitungsbefugnis festzulegenden Verfahren eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zu vergeben. Möglich wäre, ein Zusatzkontingent von nicht weniger als drei Plätzen zu eröffnen, in dem nach dem Prioritätsprinzip oder etwa nach dem Losverfahren Plätze vergeben werden. Es bleibt dem Vorsitzenden aber auch unbenommen, anstelle dessen die Sitzplatzvergabe oder die Akkreditierung insgesamt nach anderen Regeln zu gestalten.
Die Anordnung erstreckt sich allein auf ausländische Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten, weil die Beschwerdeführer, deren Antrag den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bestimmt, sich auf ihr spezifisches Interesse einer Berichterstattung aus türkischer Perspektive wegen der türkischen Opfer der zu verhandelnden Straftaten berufen.
4. Der weitergehende Antrag der Beschwerdeführer auf vollständige Aussetzung der Vollziehung der Platzvergabe vom 25. März 2013 sowie der Verfügungen vom 22. März 2013 und vom 4. März 2013 war hingegen abzulehnen, da die Beschwerdeführer insofern einen Antragsgrund nicht hinreichend dargelegt haben.
5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG.
Unterschriften
Kirchhof, Masing, Baer
Fundstellen
NJW 2013, 1293 |
EuGRZ 2013, 249 |
NVwZ 2013, 8 |
ZAP 2013, 451 |
AfP 2013, 233 |
JA 2013, 476 |
VR 2013, 247 |
ZUM-RD 2013, 361 |
BayVBl. 2013, 3 |
BayVBl. 2013, 496 |
DVBl. 2013, 3 |
DVBl. 2013, 719 |
NJW-Spezial 2013, 280 |
NPA 2013 |
StRR 2013, 181 |
StV 2013, 417 |
IPRB 2013, 97 |
LL 2013, 468 |