Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von gezahlter Vermögensteuer bei beschränkt Einkommensteuerpflichtigen
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 50 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 15. August 1961 (BGBl. I S. 1254) verstieß – soweit danach ein Abzug gezahlter Vermögensteuer bei der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger ausgeschlossen war – nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
AO § 131; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 5, § 50 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der bis Ende 1974 geltenden einkommensteuerlichen Regelung, wonach unbeschränkt Steuerpflichtige gezahlte Vermögensteuer abziehen, hingegen beschränkt steuerpflichtige Personen im Inland gezahlte Vermögensteuer nicht absetzen konnten.
I.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 15. August 1961 (BGBl. I S. 1254) – EStG 1961 – war „gezahlte Vermögensteuer” als Sonderausgabe einkommensteuerlich abzugsfähig. Dies galt aber nur für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen, d.h. grundsätzlich für natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (§ 1 Abs. 1 EStG 1961). Bei der Veranlagung von Steuerpflichtigen, die nur beschränkt mit ihren inländischen Einkünften zur Einkommensteuer heranzuziehen waren (§ 1 Abs. 2 EStG 1961), konnte § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1961 nicht angewendet werden. Für sie war damit der Abzug der gezahlten Vermögensteuer ebenso wie der Abzug eines großen Teils der übrigen Sonderausgaben, der Abzug der persönlichen Freibeträge und der Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.
Dazu bestimmte § 50 Abs. 1 EStG 1961:
§ 50
Sondervorschriften für beschränkt Steuerpflichtige
(1) Beschränkt Steuerpflichtige dürfen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 bis 6) oder Werbungskosten (§ 9) nur insoweit abziehen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Vorschrift des § 10 ist nur hinsichtlich der als Sonderausgaben abzugsfähigen Teile der Vermögensabgabe anzuwenden. … Die übrigen Vorschriften der §§ 10 und 34 und die Vorschriften der §§ 9 a, 10 c, 32, 32 a Abs. 3, §§ 33 und 33 a sind nicht anzuwenden.
(2)–(6) …
Die Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen war ohne Rücksicht auf deren Familienstand nach der Grundtabelle zu bemessen; dabei war ein Sonderfreibetrag von 840 DM zu gewähren (§ 50 Abs. 3 EStG 1961).
Die Regelung über die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Einkommensteuergesetz 1961 entspricht im wesentlichen der des Einkommensteuergesetzes in der gegenwärtig geltenden Fassung und in den Fassungen, die früher gegolten haben. Beschränkt Steuerpflichtige und unbeschränkt Steuerpflichtige wurden allerdings für die Zeit bis zum 31. Dezember 1945 im Hinblick auf die Berücksichtigung gezahlter Vermögensteuer nicht verschieden behandelt; denn einen Abzug der Vermögensteuer gestattete das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Einkommensteuerrecht auch den unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht. Durch die Kontrollratsgesetzgebung wurde der Vermögensteuersatz von bis dahin höchstens 7,5 v. T. auf 1 bis 2,5 v. H. angehoben. Zugleich wurde erstmals nur für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen eine Abzugsmöglichkeit geschaffen (Art. XI Nr. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 12 vom 11. Februar 1946 – Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland S. 60). Die einkommensteuerliche Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer entfiel wiederum nach dem Gesetz Nr. 64 der Militärregierung Deutschland vom 20. Juni 1948 (Beilage Nr. 4 zum Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes – WiGBl. –) und wurde durch § 1 Nr. 8 des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 (WiGBl. S. 69) für unbeschränkt Steuerpflichtige erneut eingeführt. Nach dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl. I S. 1769) ist die Vermögensteuer ab 1. Januar 1975 einkommensteuerlich wiederum nicht mehr abzugsfähig. Die zugleich erfolgte Senkung des Vermögensteuersatzes für natürliche Personen von bisher 1 v. H. auf 0,7 v. H. soll dafür ein Ausgleich sein (vgl. BTDrucks. 7/1470 S. 215 f.; VI/3418 S. 56).
II.
1. Der Beschwerdeführer lebte in dem hier maßgeblichen Jahr 1961 in den USA. Er hatte im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt.
Der Beschwerdeführer ist als Kommanditist an einer im Inland betriebenen Kommanditgesellschaft beteiligt. Der auf ihn entfallende Gewinnanteil für das Jahr 1961 betrug 263.878 DM. Für die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft hat der Beschwerdeführer im Jahr 1961 51.772,50 DM Vermögensteuer gezahlt.
Der Beschwerdeführer beantragte, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1961 die gezahlte Vermögensteuer als Sonderausgabe abzuziehen. Das Finanzamt lehnte dies ab. Die auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluß des Vermögensteuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen gestützte Klage des Beschwerdeführers hatte ebenso wie die von ihm eingelegte Revision keinen Erfolg.
2. In der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Revisionsentscheidung führt der Bundesfinanzhof folgendes aus: Die Besonderheiten in der Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen rechtfertige es, wie allgemein den Abzug von Sonderausgaben auch den Abzug der Vermögensteuer bei diesem Personenkreis auszuschließen. Die Vermögensteuer sei ihrem Wesen nach keine echte Substanzsteuer, sie bezwecke vielmehr eine Ergänzung der Einkommensbesteuerung. Sie habe ursprünglich zu den nicht abzugsfähigen Personensteuern gehört. Ihre spätere Berücksichtigung sei als Ausgleich für die damals überhöhten Vermögen- und Einkommensteuersätze gedacht gewesen. Es habe verhindert werden sollen, daß die steuerliche Belastung über 100 v. H. des Einkommens hinausgehe. Es könne im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der Grund, der ursprünglich zur Einführung der Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer als Sonderausgabe geführt habe, inzwischen weggefallen und damit die Streichung dieser Vergünstigung rechtspolitisch wünschenswert sei. Nach dem für das Jahr 1961 geltenden Recht werde jedenfalls die Vermögensteuer bei der Besteuerung des Einkommens als ein die Leistungsfähigkeit mindernder Faktor angesehen und einkommensmindernd behandelt. Unter diesem Gesichtspunkt bestehe ein einleuchtender Grund, die Vermögensteuer bei der Veranlagung des beschränkt Einkommensteuerpflichtigen nicht abzusetzen. Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer des beschränkt Steuerpflichtigen seien lediglich dessen inländische Einkünfte. Seine Besteuerung knüpfe daher, anders als die des unbeschränkt Steuerpflichtigen, nicht an die volle Leistungsfähigkeit an. Deshalb könne es nicht verboten sein, daß Abzüge, die dem unbeschränkt Steuerpflichtigen gerade im Hinblick auf die Minderung seiner Leistungsfähigkeit zustatten kämen, dem beschränkt Steuerpflichtigen nicht gewährt würden.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, der Ausschluß des Vermögensteuerabzugs für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG 1961 verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die verschiedene Besteuerung von Steuerinländern und Steuerausländern lasse sich sachlich nicht rechtfertigen. Dazu reiche der Umstand, daß für beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige verschiedene Steuerbemessungsgrundlagen maßgebend seien, nicht aus. Es sei auf das Verhältnis von Einkommen- und Vermögensteuer abzustellen. Dieses sei jedoch bei Steuerinländern und Steuerausländern gleich. Beim abzugsberechtigten Steuerinländer stünden das gesamte Welteinkommen und die Vermögensteuer auf das Weltvermögen gegenüber, beim Steuerausländer das Inlandseinkommen und die Vermögensteuer auf das Inlandsvermögen.
4. Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Es seien bei der Einkommensbesteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Verhältnis zur Besteuerung unbeschränkt Steuerpflichtiger Besonderheiten vorhanden, die es – bezogen auf Gegebenheiten im Jahr 1961 – als sachlich einleuchtend erscheinen ließen, bei den beschränkt Steuerpflichtigen einen Abzug der Vermögensteuer als Sonderausgabe auszuschließen.
Der Gesetzgeber habe in dem Einkommensteuergesetz in der für das Jahr 1961 geltenden Fassung die gezahlte Vermögensteuer – wie auch gewisse andere Arten der Einkommensverwendung – als die Leistungsfähigkeit mindernd anerkannt und zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen. Mit Recht halte daher der Bundesfinanzhof in dem angefochtenen Urteil den Umstand für entscheidend, daß die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht an deren volle Leistungsfähigkeit anknüpfe.
Der. Ausschluß des Vermögensteuerabzugs – bei beschränkt Steuerpflichtigen liege auch im Rahmen internationaler Übung. In der Regel erfasse der Quellenstaat bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkünfte aus inländischer Quelle. Dabei berücksichtige er solche Aufwendungen, die – wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten – mit der Erzielung inländischer Einkünfte unmittelbar zusammenhingen. Ausgaben hingegen, die – wie die Vermögensteuer – ihrem Charakter nach zu den grundsätzlich nicht abzugsfähigen Aufwendungen im Rahmen der Einkommensverwendung zählten, könne der Quellenstaat außer Betracht lassen. Allerdings sei auch davon auszugehen, daß die deutsche Vermögensteuer im Rahmen der ausländischen Einkommensbesteuerung durchweg nicht zum Abzug zugelassen werde.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Entscheidungen und die diesen zugrunde liegende Bestimmung des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG 1961 verstoßen nicht gegen das Grundgesetz.
I.
Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung des Beschwerdeführers ist Art. 3 Abs. 1 GG.
Das aus dieser Norm folgende Grundrecht steht auch dem nicht im Inland ansässigen Beschwerdeführer zu, da es „allen Menschen” die Gleichbehandlung vor dem Gesetz garantiert (vgl. BVerfGE 23, 98 [104]; 30, 409 [412]). Die einkommensteuerliche Behandlung des Beschwerdeführers – eines beschränkt Einkommensteuerpflichtigen, der auch zur inländischen Vermögensteuer herangezogen wurde – ist einmal mit der Besteuerung beschränkt Einkommensteuerpflichtiger, die keine inländische Vermögensteuer zu zahlen haben, zum anderen mit der Besteuerung unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger zu vergleichen.
II.
Der Beschwerdeführer wurde im Verhältnis zu beschränkt Einkommensteuerpflichtigen, die keine inländische Vermögensteuer zu zahlen haben, nicht gleichheitssatzwidrig besteuert. Der Gesetzgeber ist nach dem Gleichheitssatz nicht verpflichtet, allgemein einkommensteuerlich den Abzug gezahlter Vermögensteuer zuzulassen, um die durch die Vermögensbesteuerung verursachte besondere Belastung zu berücksichtigen.
Obwohl die an Vermögenswerte knüpfende Vermögensteuer rechtlich nicht als Ertragsteuer angelegt ist, soll sie ihrer Zielsetzung nach grundsätzlich aus den Erträgen des Vermögens gezahlt werden können (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF, Heft 17, Abschn. VII, Tz. 52 f.). Da der Vermögensteuersatz im Jahr 1961 1 v. H. betrug, konnte in diesem Zeitraum in der Regel diese Abgabe auch aus den Vermögenseinkünften getragen werden. Die Vermögensteuer wirkte daher im Ergebnis für einen Steuerpflichtigen, der Erträge aus seinem Vermögen erwirtschaftete, wie eine zusätzliche Ertragsteuer.
Das aus dem Vermögen stammende Einkommen wird in der Finanzwissenschaft als „fundiertes” Einkommen angesehen, dem eine höhere Steuerkraft beizumessen sei (vgl. BVerfGE 13, 331 [348]). Es ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das in der Regel weitgehend „leistungslos” aus dem Vermögen fließende Einkommen durch Einkommen- und Vermögensteuer stärker besteuert wird als das Einkommen, das aus der Verwendung der Arbeitskraft fließt. Denn um Vermögenseinkünfte zu erzielen, bedarf es allgemein nicht des zur Erzielung von Einkünften aus einer Tätigkeit notwendigen persönlichen Einsatzes und der sich daraus ergebenden Gebundenheit, die mit einer Einschränkung der Lebensgestaltungsmöglichkeit verknüpft ist.
Die Ausgestaltung einer besonderen, das Vermögen bzw. dessen Erträge treffenden Steuer obliegt dem Gesetzgeber. Die verfassungsgemäßen Grenzen des diesem zustehenden Spielraums erscheinen bei einem Vermögensteuersatz von 1 v. H. bei durchschnittlichen Verhältnissen in der Regel auch dann nicht überschritten, wenn eine Milderung der zusätzlichen Ertragsteuerbelastung durch den Abzug gezahlter Vermögensteuer von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage nicht möglich ist (Gutachten der Steuerreformkommission 1971, a.a.O., Abschn. VII, Tz. 105–107).
III.
Beschränkt einkommensteuerpflichtige Personen waren durch das nur sie treffende Verbot des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG 1961, gezahlte Vermögensteuer abzuziehen, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen gegenüber benachteiligt. Mit der Absetzung gezahlter Vermögensteuer als Sonderausgabe bei unbeschränkt Steuerpflichtigen nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1961 sollte – obwohl der Gesetzgeber dazu verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war – die durch die Vermögensteuerbelastung verursachte Minderung der Leistungsfähigkeit des Betroffenen berücksichtigt werden. Die Leistungsfähigkeit beschränkt Steuerpflichtiger wird aber durch die Zahlung inländischer Vermögensteuer ebenfalls herabgesetzt. Nach den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen wird die inländische Vermögensteuer im Wohnsitzstaat des beschränkt Steuerpflichtigen – anders als die ebenfalls seine Leistungsfähigkeit mindernden besonderen persönlichen Umstände – ertragsteuerlich nicht berücksichtigt.
1. Die Bestimmung des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG 1961 verstößt jedoch, wie eine Betrachtung der ertragsteuerlichen Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger im gesamten ergibt, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar berührt die Vermögensteuer das inländische Einkommen des beschränkt Steuerpflichtigen, also gerade die Grundlage des Teils seiner Leistungsfähigkeit, an die die inländische Steuer anknüpft; sie ist eine inländische Abgabe und wird im Wohnsitzstaat nicht berücksichtigt. Das bedeutet jedoch nicht, daß der Gesetzgeber gezahlte Vermögensteuer beim beschränkt Steuerpflichtigen in gleicher Weise wie beim unbeschränkt Steuerpflichtigen zum Abzug zulassen muß. Eine Berücksichtigung der durch die Vermögensteuerzahlung geminderten Leistungsfähigkeit konnte beim beschränkt Steuerpflichtigen auf verschiedene Weise geschehen. Insbesondere konnten die grundsätzlichen Unterschiede, die zwischen der Einkommensbesteuerung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger bestehen, berücksichtigt werden.
Während beim unbeschränkt Steuerpflichtigen das gesamte von ihm erzielte Einkommen der Einkommensteuer unterliegt, wird beim beschränkt Steuerpflichtigen nur dessen inländisches Einkommen besteuert. Der beschränkt Steuerpflichtige wird daher im Inland nicht im Rahmen seiner vollen (vom Gesamteinkommen abhängenden) Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuer herangezogen. Gleichwohl wurde er nach der für das Jahr 1961 geltenden Regelung nach der Grundtabelle besteuert, d.h. er erhielt, soweit nicht der Mindeststeuersatz von 25 v. H. zur Anwendung kam, den Grundfreibetrag von damals 1.680 DM, ferner eine „Progressionsvergünstigung”, da die Höhe des anzuwendenden Steuertarifs sich lediglich nach dem inländischen Einkommen richtete und nach der Grundtabelle der für das Jahr 1961 geltende Spitzensteuersatz von 53 v. H. erst von einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 110040 DM an anzuwenden war. Dabei konnte der Gesetzgeber nicht übersehen haben, daß beschränkt Steuerpflichtige in der Regel auch Einkommen im Ausland erzielen, das die Anwendung eines höheren Tarifs rechtfertigte. Außerdem stand beschränkt Steuerpflichtigen ein Sonderfreibetrag von 840 DM zu (§ 50 Abs. 3 EStG 1961).
Mit dem Grundfreibetrag soll das nicht individuell errechenbare unabweisbare Lebenshaltungsbedürfnis des einzelnen berücksichtigt werden. Ferner trägt der nach früherem und nach gegenwärtig geltendem Einkommensteuerrecht verhältnismäßig geringe Eingangssteuersatz dem Umstand Rechnung, daß der Steuerpflichtige auch wesentliche Teile des den Grundfreibetrag übersteigenden Einkommens für die Lebensführung aufwenden muß, daß Steuerpflichtige mit geringem Einkommen also auch verhältnismäßig weniger leistungsfähig sind als Steuerpflichtige mit hohem Einkommen.
Diese zur Belassung eines Grundfreibetrags und zu einem progressiven Einkommensteuertarif führenden, die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen beachtenden Erwägungen treffen in vollem Umfang nur für unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige zu, die im Rahmen ihrer gesamten Leistungsfähigkeit im Inland besteuert werden. Für Steuerausländer, die über nennenswerte, im Inland nicht erfaßte ausländische Einkünfte verfügen, gelten sie nicht. Deren unabweisbare Lebenshaltungskosten bedürfen im Inland keiner Berücksichtigung. Zudem werden diese Bedürfnisse, zumindest wenn die Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat stammen, bei der Besteuerung im Wohnsitzstaat beachtet werden. Lediglich bei Steuerausländern, die über keine oder geringfügige ausländische Einkünfte verfügen, wäre es angemessen, einen Grundfreibetrag zu gewähren und zumindest nicht das gesamte inländische Einkommen mit dem Spitzensteuersatz zu belegen.
2. Der Gesetzgeber hat, da die ausländischen Einkünfte der Steuerausländer für die deutschen Finanzbehörden kaum feststellbar sind, eine typisierende Regelung getroffen. Er hat allen beschränkt Steuerpflichtigen – soweit in ihrem Fall nicht der allerdings weit unter dem Spitzensteuersatz liegende Mindestsatz von 25 v. H. zur Anwendung kommt – Grundfreibetrag, Progressionsvorteile und Sonderfreibetrag gewährt.
Es kann davon ausgegangen werden, daß durch diese Regelung in besonderem Maße Steuerausländer begünstigt wurden, die – wie der Beschwerdeführer – im Inland über nennenswertes Vermögen verfügten und daraus Einkünfte bezogen. Dieser Personenkreis wird nicht nur im Inland Kapital angelegt haben, sondern hatte zumeist auch im Ausland Vermögenswerte, aus denen entsprechende Erträge geflossen sind. Hinzu kamen noch in der Regel ausländische Einkünfte aus Tätigkeiten bzw. Ruhestandsbezüge. Wegen des bei diesem Personenkreis zu vermutenden erheblichen Auslandseinkommens hätte es bei der inländischen Einkommensbesteuerung nicht der Zubilligung von Freibeträgen oder Progressionsvorteilen bedurft.
Die beschränkt Einkommensteuerpflichtigen mit Inlandsvermögen trotzdem zugestandene besondere Begünstigung wird in den meisten Fällen die diesen Personenkreis treffende Benachteiligung wegen des Verbots, gezahlte Vermögensteuer abzuziehen, aufgewogen haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß angesichts des für das Jahr 1961 geltenden Vermögensteuersatzes von 1 v. H. des abgerundeten Wertes die für ein Vermögen im Werte von bis zu 84.999 DM zu zahlende Vermögensteuer nicht höher als der beschränkt Steuerpflichtigen gewährte einkommensteuerliche Sonderfreibetrag von 840 DM war. Zudem waren im Inlandsvermögen des Steuerausländers befindliche Grundstücke lediglich mit den für das Jahr 1961 geltenden geringen Einheitswerten der Vermögensteuer zu unterwerfen. Auch deshalb wird die Vermögensteuerbelastung häufig gering gewesen sein.
3. Es erscheint allerdings denkbar, daß nicht alle beschränkt Einkommensteuerpflichtigen, die zur deutschen Vermögensteuer herangezogen worden waren, über ein nennenswertes Auslandseinkommen verfügten. Die in diesen besonders gelagerten Fällen aufgetretene Ungleichheit muß jedoch in Kauf genommen werden, da gerade die in einer Vielzahl von Fällen zu handhabenden Steuergesetze typisieren müssen, um praktikabel zu sein (BVerfGE 24, 174 [183] mit weiteren Nachweisen). Dies gilt insbesondere, wenn ein zu einer Ungleichheit führender besonderer Sachverhalt – wie das Fehlen oder die Geringfügigkeit ausländischen Einkommens – von deutschen Behörden oder Gerichten nicht ermittelt werden kann.
4. Die für das Jahr 1961 geltende Regelung über die einkommensteuerliche Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger führte auch dann zu einer Ungleichheit gegenüber der Besteuerung unbeschränkt Steuerpflichtiger, wenn für die Vermögensteuer ein derart hoher Betrag aufgewendet worden war, daß ein Ausgleich für die mangelnde Berücksichtigung gezahlter Vermögensteuer durch Freibeträge und Progressionsvorteil nicht erreicht werden konnte. Dieser Sachverhalt war gegeben, wenn das Inlandseinkommen aus Kapitalvermögen mit einer Einkommensteuer belastet war, die den Betrag überstieg, der sich selbst bei Anwendung des Spitzensteuersatzes von 53 v. H. auf das um die Vermögensteuerzahlung verminderte Inlandseinkommen ergeben hätte.
Derartige Fälle dürften allerdings verhältnismäßig selten vorgekommen sein. Die Voraussetzung hierfür wäre gewesen, daß der Steuerpflichtige einen ungewöhnlich hohen Betrag für Vermögensteuer aufgewendet und damit über entsprechende Vermögenswerte im Inland verfügt hätte. Allein mit dem dem beschränkt Steuerpflichtigen zustehenden Sonderfreibetrag von 840 DM und dem ihm eingeräumten Grundfreibetrag von 1680 DM wurde der dem beschränkt Steuerpflichtigen versagte Abzug einer Vermögensteuer von insgesamt 2520 DM ausgeglichen. Diesem Steuerbetrag entsprechen der Besteuerung unterliegende Vermögenswerte von 252000 DM. Hinzu kam noch die von der Einkommenshöhe abhängende Steuerersparnis durch die Progressionsvergünstigung, die bis zu etwa 10.000 DM betragen konnte und damit unter Umständen einen noch mehr ins Gewicht fallenden Ausgleich für das Verbot des Vermögensteuerabzugs darstellte als die Freibeträge.
Bei dieser Sachlage kann die gesetzliche Typisierung bei der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger in einzelnen Fällen zu Härten führen. Daraus folgt jedoch noch nicht die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 50 Abs. 1 Satz 2 und 5 EStG 1961; auch in Härtefällen dieser Art bestand und besteht nach § 131 Abs. 1 AO die Möglichkeit, gegebenenfalls sogar die verfassungsmäßige Pflicht, Abgaben zu erlassen (vgl. BVerfGE 16, 147 [177]; 21, 54 [71]; 31, 8 [26]; 32, 78 [86]; 38, 61 [95]).
Fundstellen
BStBl II 1977, 190 |
BVerfGE 43, 1 |
BVerfGE, 1 |