Leitsatz (amtlich)
Die in § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG statuierte Pflicht, vor dem Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Tierschutzkommission anzuhören, trägt zur Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art. 20a GG bei. Eine Verordnung, die unter Verstoß gegen § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erlassen wurde, verletzt zugleich Art. 20a GG.
Tenor
1. § 13b und § 33 Absatz 3 und 4 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung) in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (Bundesgesetzblatt I Seite 2759) sowie § 13b und § 38 Absatz 3 und 4 der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 3223) sind mit Artikel 20a des Grundgesetzes unvereinbar.
2. Die Bestimmungen bleiben bis zum 31. März 2012 anwendbar.
Tatbestand
A.
Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen § 13b sowie § 33 Abs. 3 und 4 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, im Folgenden: TierSchNutztV) in der zum Zeitpunkt der Antragstellung zuletzt durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (BGBl I S. 2759, im Folgenden: 3. TierSchNutztVÄndV) geänderten Fassung.
§ 13b TierSchNutztV regelt die sogenannte Kleingruppenhaltung von Legehennen als eine Form der Käfighaltung. § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der zur Prüfung gestellten Fassung (aufgrund zwischenzeitlicher Änderung durch Art. 1 Nr. 7 der Vierten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. Oktober 2009, BGBl I S. 3223 – im Folgenden: 4. TierSchNutztVÄndV – nunmehr § 38 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV) enthalten Übergangsregelungen.
I.
1. Die angegriffenen Bestimmungen lauten:
§ 13b
Besondere Anforderungen an die Kleingruppenhaltung
(1) Legehennen dürfen als Kleingruppen nur nach Maßgabe der Anforderungen der Absätze 2 bis 7 gehalten werden.
(2) Für jede Legehenne muss, unbeschadet des § 13 Abs. 2 Nr. 1, jederzeit eine uneingeschränkt nutzbare Fläche von mindestens 800 Quadratzentimetern zur Verfügung stehen. Beträgt das Durchschnittsgewicht der Legehennen in der Haltungseinrichtung mehr als zwei Kilogramm, muss abweichend von Satz 1 eine nutzbare Fläche von mindestens 900 Quadratzentimetern zur Verfügung stehen. Für die Berechnung der Fläche ist diese in der Waagerechten zu messen.
(3) Die lichte Höhe einer Haltungseinrichtung muss
- an der Seite der Haltungseinrichtung, an der der Futtertrog angebracht ist, mindestens 60 Zentimeter betragen und
- darf im Übrigen an keiner Stelle über der Fläche nach Absatz 2 niedriger als 50 Zentimeter sein.
(4) Für jeweils bis zu zehn Legehennen muss jederzeit ein Einstreubereich von mindestens 900 Quadratzentimetern Fläche und ein Gruppennest von mindestens 900 Quadratzentimeter zugänglich sein. Das Gruppennest muss weniger ausgeleuchtet sein als die übrige Fläche. Übersteigt die Gruppengröße 30 Legehennen, ist für jede weitere Legehenne der Einstreubereich und das Gruppennest um jeweils 90 Quadratzentimeter zu vergrößern.
(5) Jeder Legehenne muss ein uneingeschränkt nutzbarer Futtertrog mit einer Kantenlänge von mindestens zwölf Zentimetern und eine Sitzstange von mindestens 15 Zentimetern Länge zur Verfügung stehen. Beträgt das Durchschnittsgewicht der Legehenne in der Haltungseinrichtung mehr als zwei Kilogramm, muss der Futtertrog abweichend von Satz 1 eine Länge von mindestens 14,5 Zentimetern je Legehenne aufweisen. Je Haltungseinrichtung müssen mindestens zwei Sitzstangen vorhanden sein, die in unterschiedlicher Höhe angeordnet sind.
(6) Die Gänge zwischen den Reihen der Haltungseinrichtungen müssen mindestens 90 Zentimeter breit sein und der Abstand zwischen dem Boden des Gebäudes und der unteren Reihe der Haltungseinrichtungen muss mindestens 35 Zentimeter betragen.
(7) Die Form und die Größe der Öffnung der Haltungseinrichtung muss gewährleisten, dass eine ausgewachsene Legehenne herausgenommen werden kann, ohne dass ihr vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
§ 33
Übergangsregelungen
…
(3) Abweichend von den §§ 13, 13a und 13b dürfen Legehennen in Haltungseinrichtungen, die vor dem 13. März 2002 bereits genehmigt oder in Benutzung genommen worden sind, noch bis zum 31. Dezember 2020 gehalten werden, wenn diese so beschaffen sind, dass je Legehenne
- eine uneingeschränkt nutzbare und horizontal bemessene Käfigfläche von mindestens 750 Quadratzentimetern vorhanden ist, wobei bei der Flächenberechnung je Legehenne 150 Quadratzentimeter Nestfläche berücksichtigt werden, sofern diese über die Eiablage hinaus genutzt werden kann, unmittelbar an eine nutzbare Fläche anschließt, eine lichte Höhe von mindestens 45 Zentimetern vorhanden ist, die Rückzugsmöglichkeit zur Eiablage uneingeschränkt erhalten bleibt und die Grundfläche dieser Käfige jeweils mindestens 2.000 Quadratzentimeter beträgt;
- ein uneingeschränkt nutzbarer Futtertrog mit einer Länge von mindestens zwölf Zentimetern und
- ein Nest, ein Einstreubereich, in dem das Picken und Scharren möglich ist sowie geeignete Sitzstangen mit einem Platzangebot von mindestens 15 Zentimetern zur Verfügung stehen;
- eine geeignete Vorrichtung zum Kürzen der Krallen vorhanden ist.
(4) Abweichend von den §§ 13, 13a und 13b dürfen Legehennen in Haltungseinrichtungen, die vor dem 13. März 2002 bereits in Benutzung genommen worden sind, noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 gehalten werden, soweit
diese so beschaffen sind, dass
- je Legehenne eine uneingeschränkt nutzbare und horizontal bemessene Käfigfläche von mindestens 550 Quadratzentimetern oder, im Fall eines Durchschnittsgewichts der gehaltenen Legehennen von mehr als zwei Kilogramm, von mindestens 690 Quadratzentimetern vorhanden ist;
- je Legehenne ein uneingeschränkt nutzbarer Futtertrog mit einer Länge von mindestens zwölf Zentimetern oder, im Fall eines Durchschnittsgewichts der gehaltenen Legehennen von mehr als zwei Kilogramm je Legehenne, ein uneingeschränkt nutzbarer Futtertrog mit einer Länge von mindestens 14,5 Zentimetern zur Verfügung steht;
- bei Verwendung von Nippeltränken oder Tränknäpfen sich mindestens zwei Tränknäpfe oder Nippeltränken in Reichweite jeder Legehenne befinden oder jeder Käfig mit einer Rinnentränke ausgestattet ist, deren Länge der des Futtertroges nach Buchstabe b entspricht;
- die lichte Höhe über mindestens 65 Prozent der Käfigfläche mindestens 40 Zentimeter und an keiner Stelle weniger als 35 Zentimeter beträgt;
- der Neigungswinkel des Bodens 14 Prozent nicht überschreitet und durch die Bodenbeschaffenheit des Käfigs sichergestellt ist, dass die nach vorn gerichteten Krallen beider Ständer nicht abrutschen können, und
- eine geeignete Vorrichtung zum Kürzen der Krallen vorhanden ist
und
- der Inhaber des Betriebes der zuständigen Behörde bis zum 15. Dezember 2006 ein verbindliches Betriebs- und Umbaukonzept zur Umstellung der vorhandenen Haltungseinrichtungen im Sinne der Nummer 1 auf Haltungseinrichtungen nach den §§ 13, 13a oder 13b angezeigt hat.
Wird die Anzeige nach Satz 1 Nr. 2 nicht fristgerecht abgegeben, endet die Frist, bis zu der Legehennen in Haltungseinrichtungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 gehalten werden dürfen, mit Ablauf des 31. Dezember 2006. Die zuständige Behörde kann abweichend von Satz 1 auf Antrag im Einzelfall eine weitere Nutzung um bis zu einem Jahr genehmigen, soweit der Antragsteller nachweist, dass
- eine Umstellung entsprechend dem Betriebs- und Umbaukonzept im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 durchgeführt wird und
- aus vom Antragsteller nicht zu vertretenden Gründen die Inbetriebnahme der Haltungseinrichtungen nach den §§ 13, 13a oder 13b ab dem 1. Januar 2009 nicht oder nicht vollständig möglich ist.
…
2. a) Die Legehennenhaltung war zunächst in der Hennenhaltungsverordnung vom 10. Dezember 1987 (BGBl I S. 2622, im Folgenden: HHVO) geregelt. Diese sah unter anderem eine uneingeschränkt nutzbare Käfigbodenfläche von mindestens 450 cm² je Henne, eine lichte Höhe von mindestens 40 cm über mindestens 65 % der Käfigbodenfläche und mindestens 35 cm über der restlichen Fläche sowie eine uneingeschränkt nutzbare Länge des Futtertrogs von mindestens 10 cm je Henne vor (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 7 HHVO).
b) Mit Urteil vom 6. Juli 1999 (– 2 BvF 3/90 –, BVerfGE 101, 1) erklärte das Bundesverfassungsgericht die Hennenhaltungsverordnung für nichtig.
Die Regelungen zur Mindestkäfigbodenfläche und zur Futtertroglänge seien mit der Ermächtigungsnorm des § 2a Abs. 1 TierSchG unvereinbar. Die gemäß § 2a Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Nr. 1 und § 1 TierSchG in eine Rechtsverordnung einzustellenden Belange des ethisch begründeten Tierschutzes würden über die Grenze eines angemessenen Ausgleichs zurückgedrängt. Schon ein Vergleich der durchschnittlichen Körpermaße einer ausgewachsenen Legehenne (47,6 × 14,5 × 38 cm) mit der in der Hennenhaltungsverordnung vorgesehenen Käfigbodenfläche zeige, dass in mit vier bis sechs Hennen besetzten Käfigen, wie sie in Deutschland derzeit in der Legehennenhaltung üblich seien, eine Befriedigung des Schlafbedürfnisses der Hennen nicht möglich sei. Bei der vorgesehenen Futtertroglänge von 10 cm könnten die Hennen nicht entsprechend ihrem artgemäßen Bedürfnis gleichzeitig ihre Nahrung aufnehmen (BVerfG, a.a.O., S. 30 f., 37 f.).
Ferner verstoße die Hennenhaltungsverordnung gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, weil sie in ihrem Vorspruch nicht Art. 2 des Gesetzes vom 25. Januar 1978 zum Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen (BGBl II S. 113, im Folgenden: ETÜ-Gesetz; für das als Anlage zu diesem Gesetz abgedruckte Übereinkommen im Folgenden: ETÜ) in Verbindung mit der gemäß Art. 9 Abs. 3 ETÜ für Deutschland wirksam gewordenen und deshalb innerstaatlich durchzusetzenden Empfehlung des Ständigen Ausschusses vom 21. November 1986 für das Halten von Legehennen der Art Gallus gallus (Bundesanzeiger vom 11. Mai 2000, Nr. 89a) als Ermächtigungsgrundlage nenne (BVerfG, a.a.O., S. 41 ff.).
Offengelassen wurde die Frage, ob die Tierschutzkommission im Verfahren zum Erlass der angegriffenen Verordnung gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG ausreichend angehört worden sei und welche Rechtsfolgen eine möglicherweise fehlerhafte Anhörung auf den Bestand der Verordnung haben könnte (BVerfG, a.a.O., S. 44).
c) Zur Schließung der durch die Nichtigerklärung der Hennenhaltungsverordnung entstandenen Regelungslücke wurde die Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung vom 25. Oktober 2001 (BGBl I S. 2758, im Folgenden: TierSchNutztV 2001) geändert.
Die Änderung sollte zugleich der Umsetzung der Richtlinie 1999/74/EG des Rates vom 19. Juli 1999 zur Festlegung von Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen (ABlEG Nr. L 203 S. 53, inzwischen geändert durch die Verordnung ≪EG≫ Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 ≪ABlEU Nr. L 122 S. 1≫) dienen. In dieser Richtlinie ist als neue Haltungsart der sogenannte ausgestaltete Käfig vorgesehen. Ein solcher Käfig muss über eine Fläche von mindestens 750 cm² je Henne, eine Höhe von mindestens 45 cm in dem nutzbaren Teil dieser Fläche, der mindestens 600 cm² je Henne betragen muss, sowie über Sitzstangen, Einstreu und Nest verfügen. Nach der Richtlinie dürfen herkömmliche (nicht ausgestaltete) Käfige ab dem 1. Januar 2003 nur noch unter Einhaltung bestimmter Mindestvoraussetzungen (insbesondere: 550 cm² Bodenfläche je Henne) vorübergehend weiterbetrieben werden; ab dem 1. Januar 2012 sind sie vollständig untersagt (Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 RL 1999/74/EG). Den Mitgliedstaaten ist es unbenommen, strengere Vorschriften beizubehalten oder anzuwenden (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 RL 1999/74/EG).
Die Neuregelung der Hennenhaltung und die Anpassung der Vorschriften an die Richtlinie 1999/74/EG erfolgte durch die Erste Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 28. Februar 2002 (BGBl I S. 1026, im Folgenden: 1. TierSchNutztVÄndV ≪„Künast-Verordnung”≫; die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der durch die 1. TierSchNutztVÄndV geänderten Fassung wird im Folgenden bezeichnet als TierSchNutztV 2002). Mit dieser Verordnung wurde in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ein Abschnitt „Anforderungen an das Halten von Legehennen” eingefügt (Art. 1 Nr. 1 1. TierSchNutztVÄndV). Die konventionelle Käfighaltung wurde abgeschafft. Ausgestaltete Käfige gemäß der Richtlinie 1999/74/EG waren als Haltungsform nicht vorgesehen, sondern nur noch die Boden- und die Volièrenhaltung (vgl. § 13 TierSchNutztV 2002). Die Übergangsregelungen der Verordnung bestimmten, dass vor dem 6. Juli 1999 in Benutzung genommene herkömmliche Käfige mit 450 cm² Bodenfläche/Henne – unter der Voraussetzung einer bestimmten Ausstattung der Käfige – noch bis zum 31. Dezember 2002 zulässig waren (§ 17 Abs. 5 TierSchNutztV 2002). Eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2006 – und somit fünf Jahre weniger als in der Richtlinie 1999/74/EG vorgesehen – galt für am 13. März 2002 bereits in Benutzung genommene herkömmliche Käfige mit 550 cm² Bodenfläche/Henne, wiederum unter der Voraussetzung einer bestimmten Ausstattung der Käfige (§ 17 Abs. 4 TierSchNutztV 2002). Für die Legehennenhaltung mit bereits genehmigten oder in Benutzung genommenen ausgestalteten Käfigen war eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2011 vorgesehen (§ 17 Abs. 3 TierSchNutztV 2002). Die Änderungen traten am Tag nach der am 12. März 2002 erfolgten Verkündung in Kraft (Art. 3 der 1. TierSchNutztVÄndV).
d) Im Jahr 2005 wurde die Bundesrepublik Deutschland vom Europäischen Gerichtshof wegen Nichtumsetzung von Richtlinien zur Schweinehaltung verurteilt (Urteil vom 8. September 2005 – Rs. C-278/04 –, ABlEU Nr. C 271, S. 8 f.). Dies führte zum Erlass der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006 (BGBl I S. 1804, im Folgenden: 2. TierSchNutztVÄndV; die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der durch die 2. TierSchNutztVÄndV geänderten Fassung wird im Folgenden bezeichnet als TierSchNutztV Aug. 2006).
aa) Unter dem 15. Februar 2006 übermittelte das zuständige Ministerium dem Bundesrat zur Zustimmung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 2a Abs. 1 TierSchG die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (vgl. BRDrucks 119/06). Der übersandte Verordnungstext enthielt lediglich Bestimmungen zur Umsetzung der die Schweinehaltung betreffenden Richtlinien, nicht aber Änderungen im Bereich der Legehennenhaltung, die der Bundesrat erstrebte. Dieser hatte sich bereits in den Jahren 2003 und 2004 mit zwei Maßgabebeschlüssen bemüht, in Verbindung mit der Neuregelung der Schweinehaltung eine die Anforderungen herabsetzende Änderung der Vorschriften zur Legehennenhaltung zu erreichen (vgl. Beschluss vom 28. November 2003, BRDrucks 574/03 ≪Beschluss≫, und Beschluss vom 17. Dezember 2004, BRDrucks 482/04 ≪Beschluss≫).
Die Tierschutzkommission (§ 16b TierSchG) wandte sich in ihrer Sitzung vom 20. Februar 2006 gegen eine Koppelung der Neuregelungen der Schweinehaltung mit Neuregelungen der Legehennenhaltung und verlangte, im Fall anstehender Veränderungen der Rechtslage zur Legehennenhaltung erneut befasst zu werden.
bb) Mit Beschluss vom 7. April 2006 stimmte der Bundesrat der Verordnung mit der Maßgabe zu, dass sie unter anderem durch Einfügung der im vorliegenden Verfahren zu prüfenden Bestimmungen zur Legehennenhaltung geändert werde (BRDrucks 119/06 ≪Beschluss≫; vgl. auch Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern vom 5. April 2006, BRDrucks 119/3/06, S. 8 f.). Der vorgesehene § 13b solle der Umsetzung der Richtlinie 1999/74/EG dienen. Auf der Grundlage dieser Richtlinie sei in Deutschland der ausgestaltete Käfig weiterentwickelt worden. Die Regelung gehe insbesondere durch Konkretisierungen für Nest und Einstreubereich sowie hinsichtlich der Mindestbodenfläche je Henne (800 cm²) über die Vorgaben der Richtlinie 1999/74/EG hinaus. Durch die Einführung dieses Haltungssystems solle erreicht werden, dass kleinere Betriebe, die nicht auf Bodenhaltung umrüsten könnten, weiterhin Legehennen halten könnten. Großbetrieben müsse die Chance der Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu Betrieben in anderen EU-Mitgliedstaaten eingeräumt werden, um eine Abwanderung in Länder mit geringeren Tierschutzstandards zu vermeiden (vgl. BRDrucks 119/06 ≪Beschluss≫, S. 1 ≪13 f.≫). Die Übergangsfrist für die Legehennenhaltung in ausgestalteten Käfigen solle durch Einfügung des § 27 Abs. 3 auf das Jahr 2020 verlängert werden, um der betriebswirtschaftlich vorgegebenen Abschreibungsfrist der Projektanlagen Rechnung zu tragen. Die Frist für die übergangsweise noch zulässige Legehennenhaltung in herkömmlichen Käfigen solle mit dem vorgesehenen § 27 Abs. 4 auf das Jahr 2008, in Ausnahmefällen auf das Jahr 2009, verlängert werden. In Deutschland würden 78 % der Legehennen in herkömmlichen Käfigen gehalten. Viele Betriebe begründeten nachvollziehbar, dass eine Umstellung auf Bodenhaltung nicht möglich sei. Insofern stehe ohne die Fristverlängerung zu befürchten, dass kleinere Betriebe die Legehennenhaltung aufgäben und größere Betriebe sie ins Ausland verlegten (vgl. BRDrucks 119/06 ≪Beschluss≫, S. 1 ≪13 f.≫).
cc) Der Text der geplanten Neuregelung in der Fassung des Maßgabebeschlusses des Bundesrates wurde der Europäischen Kommission im Notifizierungsverfahren nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABlEG Nr. L 204 S. 37, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006 ≪ABlEU Nr. L 363 S. 81≫) vorgelegt. Das Notifizierungsschreiben ging am 28. April 2006 bei der Europäischen Kommission ein.
dd) Das Kabinett nahm mit Beschluss vom 10. Mai 2006 den Maßgabebeschluss des Bundesrates zustimmend zur Kenntnis (vgl. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 10. Mai 2006).
ee) Das zuständige Ministerium lud mit Schreiben vom 16. Mai 2006 die Tierschutzkommission zu einer Sitzung am 29. Mai 2006 („nachdem der Bundesrat der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit Änderungen zur Legehennenhaltung zugestimmt hat, lade ich Sie … zu einer Anhörung der Tierschutzkommission … ein”). In der Tagesordnung war als ein Punkt aufgeführt: „Information über die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung”.
Mit E-Mail vom 17. Mai 2006 wurden den Kommissionsmitgliedern unter anderem der Text der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie eine entsprechende konsolidierte Fassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung übersandt. Dieselben Unterlagen wurden den Mitgliedern der Tierschutzkommission bei der Sitzung am 29. Mai 2006 als Tischvorlage zur Verfügung gestellt.
Die Niederschrift über die Sitzung enthält zum Tagesordnungspunkt „Informationen über die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung” folgende Ausführungen: „Herr … berichtete über den Stand der Zweiten Verordnung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Die Verordnung wurde am 28.04.2006 notifiziert und am 10.05.2006 vom Bundeskabinett zustimmend zur Kenntnis genommen, ist noch nicht gezeichnet.” Weiter ist in der Sitzungsniederschrift das folgende Votum der Kommission festgehalten: „Die Tierschutzkommission bedauert, dass das Votum der Sitzung vom 20. Februar 2006 in Bezug auf eine Koppelung der Verordnung Abschnitt Schweinehaltung mit Fragen zur Legehennenhaltung nicht berücksichtigt worden ist. Die Tierschutzkommission ersucht das BMELV, zum frühest möglichen Zeitpunkt – spätestens jedoch nach zwei Jahren – über die bisherigen Erfahrungen mit der Kleingruppenhaltung unterrichtet zu werden. Die Tierschutzkommission regt an, den Tierschutz sowohl in Kleingruppenhaltungen als auch in alternativen Haltungssystemen zu optimieren.”
In den handschriftlichen Notizen eines Ministeriumsvertreters über die Sitzung vom 29. Mai 2006 heißt es, dass die Einfügung von Regelungen zur Legehennenhaltung auf den Bundesrat zurückgehe und es nicht im Ermessen des Ministeriums liege, dass die Tierschutzkommission damit nicht befasst worden sei („BR hat auf Schweine die Legehennen + Kälber draufgesattelt; dass Tierschutzkommission damit nicht befasst wurde liegt nicht im Ermessen des BMELV's”). Ferner wurde das Votum der Tierschutzkommission wiedergegeben („ihr Beschluss bedauerlicher Weise nicht gehört wurde; Rückschritt Tierschutz befürchtet; Bericht über Kleinvoliere nach 2 Jahren”).
ff) Die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wurde mit den im Maßgabebeschluss des Bundesrates vorgesehenen Änderungen am 1. August 2006 vom zuständigen Minister unterzeichnet und am 3. August 2006 verkündet (BGBl I S. 1804). Die konsolidierte Neufassung der Verordnung vom 22. August 2006 wurde noch im selben Monat bekanntgemacht (BGBl I S. 2043).
e) Mit der Dritten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der durch die 3. TierSchNutztVÄndV geänderten Fassung wird im Folgenden bezeichnet als TierSchNutztV Nov. 2006) verschob sich infolge der Einfügung eines neuen Abschnitts zur Haltung von Pelztieren (damals Abschnitt 5, §§ 26 ff.) die Zählung der nachfolgenden Paragraphen. Während es für die Regelung zur Kleingruppenhaltung bei der bisherigen Paragraphenbezeichnung (§ 13b) blieb, wurde die bisher als § 27 Abs. 3 und 4 geführte Übergangsregelung zu § 33 Abs. 3 und 4. Inhaltlich blieben die Vorschriften unverändert.
f) Die Übergangsregelung hat zwischenzeitlich infolge der mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl I S. 3223) erfolgten Erweiterung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um einen Abschnitt über die Haltung von Masthühnern erneut einen anderen Ort erhalten; sie findet sich nun in § 38 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV. Die Kleingruppenhaltung ist weiterhin in § 13b TierSchNutztV geregelt.
II.
Die Antragstellerin beantragt, § 13b sowie § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der Fassung vom 22. August 2006 (Bekanntmachung der Neufassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 22. August 2006, BGBl I S. 2043), zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (BGBl I S. 2759), für nichtig zu erklären.
1. Die Regelung des § 13b TierSchNutztV genüge weder formell noch materiell den Anforderungen des Tierschutzgesetzes.
a) Die Nichtigkeit der Vorschrift folge bereits daraus, dass die Tierschutzkommission entgegen dem Anhörungserfordernis des § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG, das seine Wurzeln im Verfassungsrecht habe, nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.
Der Tierschutzkommission sei in einer Sitzung am 28. November 2005 ausdrücklich mitgeteilt worden, dass das Ministerium nicht beabsichtige, Regelungen zur Legehennenhaltung mit der erforderlichen Änderung der Regelungen zur Schweinehaltung zu verknüpfen. In ihrer Sitzung vom 20. Februar 2006 habe die Tierschutzkommission zu Protokoll gegeben, dass sie im Fall anstehender Änderungen der Regelungen zur Legehennenhaltung mit der Thematik befasst werden wolle. Dies sei nicht geschehen; vielmehr sei die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ohne Anhörung der Tierschutzkommission notifiziert und vom Bundeskabinett bestätigt worden. In der Sitzung am 29. Mai 2006 habe die Tierschutzkommission ausdrücklich ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass ihr Votum vom 20. Februar 2006 wissentlich nicht berücksichtigt worden sei und die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nun doch die Neuregelungen zur Schweinehaltung mit Neuregelungen zur Legehennenhaltung kopple. Eine Anhörung habe in dieser Sitzung nicht stattgefunden. Das Ministerium unterscheide ausweislich verschiedener Niederschriften zu den Sitzungen der Tierschutzkommission in den Tagesordnungen stets genau zwischen einer förmlichen Anhörung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG und bloßen „Informationen”, „Unterrichtungen” oder „Diskussionen”. Bei förmlichen Anhörungen gehe aus dem Anschreiben deutlich hervor, dass die Kommissionsmitglieder zu einer „Anhörung der Tierschutzkommission nach § 16b Abs. 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes” geladen würden; zudem werde der „Entwurf” einer Verordnung übersandt. Die Tagesordnung zur Sitzung am 29. Mai 2006 spreche demgegenüber lediglich von „Information” über die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, nicht von einer Anhörung. Mit dem Einladungsschreiben vom 17. Mai 2006, das die Mitglieder entgegen der üblichen Praxis nicht auf dem Postweg, sondern per E-Mail erhalten hätten, sei nicht der „Entwurf”, sondern der fertige Text der Änderungsverordnung übersandt worden, und in dem Schreiben sei nicht – wie sonst bei förmlichen Anhörungen üblich – auf § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG Bezug genommen worden. Dass zu dem gegebenen Zeitpunkt überhaupt eine Sitzung anberaumt worden sei, spreche nicht für das Vorliegen einer Anhörung. Sitzungen der Tierschutzkommission, ohne dass eine Anhörung stattgefunden hätte, sowie Sitzungen in verhältnismäßig rascher Folge habe es bereits in der Vergangenheit gegeben.
Dass es sich um eine rein informatorische Befassung der Tierschutzkommission gehandelt habe, folge auch aus dem – gemäß § 8 Abs. 2 der Tierschutzkommissions-Verordnung (TierSchKomV) in Verbindung mit § 93 VwVfG und § 415 Abs. 1 ZPO beweiskräftigen – Sitzungsprotokoll vom 29. Mai 2006. Die Haltung des Ministeriums habe danach bereits festgestanden. Dass der Entwurfstext bereits vor Befassung der Tierschutzkommission als endgültig betrachtet worden sei, zeige auch eine Pressemitteilung des Ministeriums vom 10. Mai 2006, in der hinsichtlich der Verordnungsänderungen zur Schweine- und Legehennenhaltung von einer „nun gefundenen Lösung” die Rede gewesen sei. Danach sei, selbst wenn in der Befassung der Tierschutzkommission eine förmliche Anhörung zu sehen wäre, dem Anhörungserfordernis des § 16b TierSchG nicht genügt gewesen, weil eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Gegenargumenten erkennbar nicht mehr bestanden habe und nach Abschluss des Notifizierungsverfahrens ein Eingehen auf Bedenken auch nicht mehr möglich gewesen wäre, ohne die Notwendigkeit erneuter Notifizierung auszulösen und damit die Umsetzung der Vorschriften über die Schweinehaltung weiter zu verzögern.
Ferner heiße es im Protokoll vom 29. Mai 2006, dass die Nichtbefassung der Tierschutzkommission nicht im Ermessen des Ministeriums gelegen habe. Diese Äußerung wäre unverständlich, wenn das Ministerium die Absicht gehabt hätte, in der Sitzung eine Anhörung durchzuführen.
Es sei kein Versehen gewesen, dass keine förmliche Anhörung stattgefunden habe. Vielmehr habe dies der damaligen Rechtsauffassung des Ministeriums entsprochen. Dies belege ein auf den 7. Juni 2004 datiertes Protokoll über eine Sitzung der Tierschutzkommission am 4. Juni 2004. Aus diesem ergebe sich, dass das Ministerium im Fall von Maßgabebeschlüssen des Bundesrates keine erneute Befassung der Tierschutzkommission für erforderlich gehalten habe.
Die Tierschutzkommission habe gravierende Bedenken gegen die Kleingruppenhaltung gehabt, angesichts der Umstände aber lediglich ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, nicht gehört worden zu sein. Mit ihrer Forderung nach einem Bericht über die Kleingruppenhaltung in zwei Jahren habe sie sich um Schadensbegrenzung bemüht.
Aufgrund der unterbliebenen Anhörung der Tierschutzkommission sei die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nichtig. Der Verfahrensfehler sei evident im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Folgen von Verfahrensfehlern im Rechtsetzungsverfahren, da sich das Anhörungserfordernis aus dem Gesetz ergebe. Eine unbeanstandete Praxis, die der Evidenz entgegenstehen könnte, liege nicht vor. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner ersten Legehennenentscheidung auf das Verfahrenserfordernis hingewiesen. Hinzu komme, dass die Tierschutzkommission selbst mehrfach um Anhörung gebeten habe. Dies sei auch im Tierschutzbericht der Bundesregierung von 2007 (BTDrucks 16/5044, S. 29) festgehalten.
b) Auch die materiellen Anforderungen des Tierschutzgesetzes seien nicht erfüllt. § 13b TierSchNutztV verstoße gegen das einfachgesetzliche Gebot artgerechter Tierhaltung (§ 2 Nr. 1 TierSchG) und damit zugleich gegen Art. 20a GG.
aa) Die Anforderungen an die Artgerechtheit ließen sich zu – teilweise überschneidenden – Fallgruppen zusammenfassen: Platzangebot, Ruhen und Schlafen, Nahrungserwerbsverhalten (einschließlich Picken und Scharren), Eigenkörperpflege (einschließlich Staubbaden) und Eiablage. Hinsichtlich sämtlicher Anforderungen sei die in § 13b TierSchNutztV vorgesehene Kleingruppenhaltung unzureichend. Die Antragstellerin führt dies im Einzelnen aus und legt in diesem Zusammenhang zwei von ihr in Auftrag gegebene Gutachten vor. Das Gutachten „Beurteilung der Tiergerechtheit der ‚Kleingruppenhaltung’ von Legehennen unter Berücksichtigung rechtlicher und ökonomischer Aspekte” von Prof. Dr. Bernhard Hörning (Oktober 2009) kommt zu dem Ergebnis, dass den Legehennen in der Kleingruppenhaltung keine artgemäße Fortbewegung, kein artgemäßes Ruhen, keine artgemäße Nahrungsaufnahme, kein artgemäßes Staubbaden und keine artgemäße Eiablage möglich sei. Auch weitere Beurteilungskriterien sowie wirtschaftliche Aspekte sprächen gegen die Kleingruppenhaltung. Das „Gutachten zum Risiko von Federpicken und Kannibalismus in der Kleingruppenhaltung nach der Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung” von Dr. Christiane Keppler (Juni 2009) kommt zu dem Ergebnis, dass das untersuchte Risiko in der Kleingruppenhaltung besonders hoch sei.
bb) Der Verordnungsgeber habe sich nicht am aktuellen Stand der Wissenschaft orientiert und seinen Ermittlungspflichten nicht genügt. Vor Einführung der Kleingruppenhaltung seien keinerlei wissenschaftliche Gutachten eingeholt worden. Bis zum heutigen Tage gebe es keine Untersuchungen zur Tiergerechtheit dieser Haltungsform. In Zweifelsfällen dürften neue Haltungsformen erst eingeführt werden, wenn ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen an eine artgerechte Tierhaltung nachgewiesen sei. Ein Ermittlungsdefizit bestehe auch, weil die Bundesregierung aus dem Gemeinschaftsrecht Maßstäbe für die Tiergerechtheit abgeleitet habe. Das Gemeinschaftsrecht sei nicht den für den deutschen Gesetzgeber geltenden Maßstäben der Tiergerechtheit verpflichtet und schaffe nur Mindeststandards. Weiter fehlten Ermittlungen zu der Behauptung des Bundesrates in seinem Maßgabebeschluss, dass die Einführung der Kleingruppenhaltung zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der Legehennenbetriebe erforderlich sei. Dieser Gesichtspunkt habe deshalb nicht in die Abwägung eingestellt werden dürfen. Da der Verordnungsgeber, der gemäß Art. 20a GG begründungspflichtig sei, auf Belange des Gesundheits- und Verbraucherschutzes nicht abgestellt habe, seien auch diese Belange bei der gerichtlichen Überprüfung außer Betracht zu lassen.
cc) Leite man aus Art. 20a GG ein generelles Verschlechterungsverbot ab, ergebe sich bereits daraus die Verfassungswidrigkeit der Kleingruppenhaltung. Ferner müsse § 2a TierSchG verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass eine tierschutzrechtliche Verschlechterung nicht vom Verordnungsgeber allein beschlossen werden dürfe. Selbst wenn man ein generelles Verschlechterungsverbot ablehne, sei eine Rücknahme von Tierschutzvorschriften nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägungsentscheidung zulässig, die hier fehle. Der zeitliche Ablauf und die sich verschärfenden Maßgabebeschlüsse des Bundesrates sprächen dafür, dass der Verordnungsgeber unter Druck gehandelt und angenommen habe, rechtlich beziehungsweise faktisch keinen eigenen Spielraum mehr zu haben. Selbst wenn kein solcher Abwägungsausfall vorläge, bestehe jedenfalls ein Abwägungsdefizit, da der Verordnungsgeber das notwendige Abwägungsmaterial nur unzureichend ermittelt, sich mit Alternativen zur Kleingruppenhaltung nicht auseinandergesetzt und den Tierhalterbelangen ohne nähere Auseinandersetzung mit tierschutzrechtlichen Erfordernissen besonderes Gewicht beigemessen habe. Deshalb sei auch das Abwägungsergebnis fehlerhaft. Die Kleingruppenhaltung unterschreite das durch Art. 20a GG gewährleistete „ethische Mindestmaß”.
2. Die Übergangsvorschriften seien schon deshalb nichtig, weil bei der dort vorgesehenen Bodenfläche von 750 cm² je Henne (§ 33 Abs. 3 TierSchNutztV) beziehungsweise 550 cm² je Henne (§ 33 Abs. 4 TierSchNutztV) der tierschutzrechtlich gebotene Mindestschutz nicht gewährleistet sei.
Die Verlängerung der Übergangsfristen verstoße zudem gegen das in Art. 20a GG verankerte Optimierungsgebot, demzufolge aus mehreren zur Verfügung stehenden Alternativen diejenige zu wählen sei, die das Schutzgut am wenigsten beeinträchtige. Der Verordnungsgeber habe sich mit Alternativen zur Legehennenhaltung in herkömmlichen und ausgestalteten Käfigen nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, warum die Einführung der Kleingruppenhaltung nicht ausgereicht habe. In der Abwägung seien die Belange der Tierhalter nicht ausreichend substantiiert worden.
Diese Belange seien auch nicht schutzwürdig. Die im zuvor geltenden Recht vorgesehene Übergangsfrist habe im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung nur noch vier Monate betragen. Die Legehennenhalter hätten sich deshalb ohnehin bereits auf die Umstellung einrichten müssen. Diese Umstellung sei mit staatlichen Subventionen gefördert worden. Worin die Schutzwürdigkeit derjenigen Halter liegen solle, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts unternommen hätten, sei nicht dargelegt. Erst recht sei nicht dargelegt, warum an eine vor dem Jahr 2002 erteilte Genehmigung über das Jahr 2011 hinaus für weitere neun Jahre ein Vertrauensschutz anknüpfen solle. Selbst wenn man die Schutzwürdigkeit noch bejahe, fehle es an der Darlegung, dass es keine Handlungsalternativen gegeben habe.
Die Übergangsvorschriften verletzten auch die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit derjenigen Legehennenhalter, die aufgrund der vorherigen Rechtslage bereits auf alternative Haltungssysteme umgestellt hätten. Diese würden benachteiligt gegenüber Unternehmen, die trotz des unmittelbar bevorstehenden Endes der Übergangsfrist noch keine Umbaumaßnahmen ergriffen hätten. Vor allem aber benachteiligten die Übergangsvorschriften Neuunternehmen. Diese müssten die strengeren Vorgaben einhalten, was ihnen – auch nach Auffassung des Verordnungsgebers – Wettbewerbsnachteile im Verhältnis zu Altunternehmern einbringe. Diese Nachteile seien nicht gerechtfertigt. Für die herkömmliche Käfighaltung werde eine weitere Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt, für die Haltung in ausgestalteten Käfigen werde die Übergangsfrist verdoppelt. Die Begünstigung der Altunternehmer sei nach der Begründung (BRDrucks 119/06 ≪Beschluss≫, S. 1 ≪13 f.≫) der eigentliche Zweck der Regelung. Der Vertrauensschutz der von der Übergangsregelung betroffenen Unternehmen habe sich jedoch bereits im Jahr 1990 relativiert, als die Hennenhaltungsverordnung beim Bundesverfassungsgericht zur Prüfung gestellt worden sei. Mit Erlass der Ersten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sei das Vertrauen erst recht nicht mehr schutzwürdig gewesen, da diese ein Auslaufen der herkömmlichen Käfighaltung und der ausgestalteten Käfige vorgesehen habe.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung sowie den Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Gelegenheit zur Äußerung erhielten außerdem der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V., der Verband der Landwirtschaftskammern e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Tierschutzbund e.V., PROVIEH (Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.) und die Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN). Das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof wurden um Mitteilung der Verfahren gebeten, in denen sie mit den aufgeworfenen Rechtsfragen befasst sind oder waren.
1. Die Bundesregierung verteidigt die angegriffenen Regelungen.
a) Die Tierschutzkommission sei in der Sitzung am 29. Mai 2006 ordnungsgemäß angehört worden. Der Minister habe die Verordnung erst nach der in dieser Sitzung erfolgten Anhörung unterzeichnet. Da die streitgegenständlichen Änderungen der Verordnung erst im Bundesratsverfahren eingebracht worden seien, habe die Tierschutzkommission schon vom zeitlichen Ablauf her nicht früher befasst werden können. Ohnehin diene die Anhörung der Unterstützung des Ministeriums und nicht der des Bundesrates.
Mit Schreiben vom 16. Mai 2006 sei ausdrücklich zu einer „Anhörung” geladen worden. Die Notwendigkeit einer (erneuten) Anhörung werde in der Einladung ausdrücklich auf die durch den Bundesrat vorgenommenen Änderungen an der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zurückgeführt. Hätte das Ministerium nicht anhören, sondern lediglich „informieren” wollen, wäre eine Einberufung der Tierschutzkommission nicht notwendig gewesen und nicht erfolgt. Eine reine Informationsveranstaltung wäre im Mai 2006, relativ rasch nach der vorangegangenen Sitzung im Februar 2006, nicht zwingend erforderlich gewesen. Die Kommissionsmitglieder hätten die Unterlagen im Interesse ausreichender Vorbereitungszeit ausnahmsweise per E-Mail erhalten. Im Fall einer bloßen Information hätte es einer solchen Vorbereitungszeit nicht bedurft. Es habe eine eingehende Beratung und Beschlussfassung stattgefunden. Bei einer bloßen Information hätte die Tierschutzkommission lediglich Kenntnis genommen; die Abgabe eines Votums wäre nicht erforderlich gewesen. Angesichts dieser Gesamtumstände sei es unschädlich, dass im Einladungsschreiben vom 16. Mai 2006 und im Sitzungsprotokoll vom 29. Mai 2006 von „Information” die Rede sei. Die Bezeichnung des den Mitgliedern der Tierschutzkommission per E-Mail übersandten und als Tischvorlage ausgehändigten Verordnungstexts als „Verordnung” sei korrekt gewesen. Gegenstand eines Bundesratsverfahrens sei die Verordnung, nicht der Entwurf der Verordnung. Mit Blick auf den Ablauf des Anhörungsverfahrens sei allenfalls denkbar, dass einzelne Mitglieder vor der Sitzung nicht vollständig unterrichtet gewesen seien; dies falle aber nicht in die Sphäre des Ministeriums.
Aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Protokoll über eine Sitzung der Tierschutzkommission am 4. Juni 2004 folge nicht, dass das Ministerium im Fall von Maßgabebeschlüssen des Bundesrates keine erneute Befassung der Tierschutzkommission für erforderlich halte. Im Jahr 2004 habe sich die Frage einer erneuten Anhörung nicht gestellt, da die Verordnung ohnehin nicht verkündet werden sollte. Die damalige Konstellation sei zum Anlass genommen worden, die Fragestellung im Ministerium zu erörtern, wobei man zum Ergebnis gekommen sei, dass in derartigen Fällen erneut angehört werden müsse.
Die frühzeitige Behandlung im Kabinett sei erfolgt, um das Kabinett über den Inhalt der Verordnung und den Beginn der Notifizierung zu informieren. Eine Vorfestlegung oder eine endgültige Entscheidung über den Inhalt sei damit nicht verbunden gewesen. Üblicherweise beschließe das Kabinett Vorlagen erst nach Durchführung des Notifizierungsverfahrens. Auch im Notifizierungsverfahren, das kurz vor der Kabinettsbefassung eingeleitet worden sei und nach Anhörung der Tierschutzkommission geendet habe, sei keine endgültige Festlegung auf den Verordnungstext zu sehen. Nach der Begriffsbestimmung des „Entwurf(s) einer technischen Vorschrift” in Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 98/34/EG setze dieser voraus, dass sich die Vorschrift in einem „Stadium der Ausarbeitung befindet, in dem noch wesentliche Änderungen möglich sind”. Eine Vorfestlegung stehe danach im Widerspruch zum Zweck der Notifizierung. Es sei deshalb in Kauf genommen worden, dass die Verordnung – insbesondere im Fall einer ausführlichen Stellungnahme der Europäischen Kommission oder eines EU-Mitgliedstaats – geändert und erneut dem Bundesrat und gegebenenfalls auch dem Kabinett hätte vorgelegt werden müssen.
Die maßgebliche Vorgabe für die Befassung der Tierschutzkommission bestehe darin, dass die Position der Tierschutzkommission gegebenenfalls noch Einfluss auf die Verordnung haben könne. Dies sei der Fall gewesen, da die Verordnung zum Zeitpunkt der entscheidenden Sitzung noch nicht unterzeichnet gewesen sei. Die Tierschutzkommission habe Gelegenheit erhalten, ihre Auffassung und die entscheidenden Argumente darzulegen, und der Bundesminister habe ihre Stellungnahme im weiteren Verfahren berücksichtigt. Das Votum der Tierschutzkommission enthalte weder die Aufforderung, die Verordnung nicht zu verkünden, noch inhaltliche Änderungsvorschläge. Das Bedauern der Tierschutzkommission, dass es zu einer Koppelung der Vorschriften über die Legehennen mit den Vorschriften über die Schweinehaltung gekommen sei, sei zur Kenntnis genommen worden und in die Entschlussfassung des Bundesministers eingeflossen. Der Maßgabebeschluss des Bundesrates sei für den Bundesminister nicht bindend gewesen. Er hätte, wie in vorangegangenen Fällen geschehen, von der Verkündung der Verordnung absehen und dem Bundesrat eine geänderte Fassung zuleiten können.
b) Aus Art. 20a GG ergebe sich nicht, dass nur das Parlament bestimmte Abwägungsentscheidungen treffen dürfe. Bereits nach seinem Wortlaut verpflichte Art. 20a GG auch den Verordnungsgeber.
c) § 13b TierSchNutztV stehe mit § 2 TierSchG und Art. 20a GG in Einklang. Die artgerechte Haltung der Legehennen werde zusätzlich durch die §§ 3, 4 und 13 TierSchNutztV sichergestellt. Die Bundesregierung tritt den Bedenken der Antragstellerin im Einzelnen entgegen und trägt vor, die Kleingruppenhaltung verbessere die Tiergesundheit entscheidend. Dies hätten vergleichende Untersuchungen von ausgestalteten Käfigen gezeigt. Große ausgestaltete Käfige mit über 30 Hennen ließen sich mit der Kleingruppenhaltung vergleichen. Die Neuregelung beruhe insgesamt auf einer sorgfältigen und angemessenen Abwägung der Tierschutzinteressen mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen (Grundrechte der Tierhalter aus Art. 12 und 14 GG; Stützung der deutschen Eierproduktion; Produkthygiene und Optimierung der Arbeitsbedingungen). Der Verordnungsgeber habe alle alternativen Haltungssysteme in seine Entscheidungsfindung einbezogen und Verbesserungsmöglichkeiten weit über die rechtlichen Verpflichtungen hinaus mit Fachleuten erörtert.
d) Die Übergangsregelungen beruhten auf einer verfassungsgemäßen Abwägung. Für die von der Antragstellerin behauptete Wettbewerbsverzerrung gebe es keine Belege. Bis zur Neuregelung durch die angegriffenen Vorschriften hätten nur wenige Betriebe auf alternative Haltungssysteme umgestellt. Vielen Haltern sei die Umstellung nicht möglich gewesen. Kleinere Betriebe mit speziellen Direktvermarktungsmöglichkeiten hätten befürchtet, durch die mit der Bodenhaltung einhergehende Reduzierung der Anzahl der Hennen ihre wirtschaftliche Grundlage zu verlieren. Eine wirtschaftlich zu betreibende Freilandhaltung sei vielen Betrieben an ihrem Standort nicht möglich erschienen. Große Betriebe hätten es als nicht möglich erachtet, die große Zahl der gehaltenen Hennen in Bodenhaltung unterzubringen, und keine betriebswirtschaftlich sinnvollen Neu- und Umbaumöglichkeiten gesehen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz verbiete nicht jede Veränderung der Wettbewerbsbedingungen durch eine verordnungsrechtliche Neuregelung; es sei nicht geboten, eventuell bestehende Härten völlig auszuschließen und Vertrauensinvestitionen völlig zu kompensieren. Neben Zeitdauer und Ausmaß könne auch die wirtschaftliche Bedeutung der bisherigen beruflichen Tätigkeiten in die Gestaltung der Übergangsregelungen einfließen. Vor dem Hintergrund der seit 2002 andauernden Diskussion hätten die Hennenhalter sich auf die Neuregelung einstellen können.
2. Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Die Hessische Landesregierung unterstützt den Normenkontrollantrag.
Die Verordnung leide an den in der Antragsschrift aufgeführten Verfahrensmängeln. In materieller Hinsicht ermögliche die Regelung zur Kleingruppenhaltung entgegen den Anforderungen des Tierschutzgesetzes kein artgerechtes Verhalten (wird ausgeführt). Es liege ein Verstoß gegen Art. 20a GG vor, wobei offen bleiben könne, ob durch die mit § 13b TierSchNutztV erfolgte Reduzierung des Bewegungsraums um etwa vier Fünftel ein dem Tierschutz-Staatsziel innewohnendes Verschlechterungsverbot verletzt sei. Jedenfalls sei der Verordnungsgeber bei Anordnung einer solchen Verschlechterung verpflichtet gewesen, hierfür sachliche Gründe anzugeben und tierfreundlichere Alternativen ernsthaft zu prüfen. Beides sei nicht geschehen.
Auch die Übergangsregelungen seien verfassungswidrig. Der Verordnungsgeber habe offensichtlich nicht berücksichtigt, dass nicht wenige Betreiber ihre Haltungen umgestellt und andere Betreiber neu in alternative Haltungssysteme investiert hätten. Gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer möglichst frühzeitigen Beendigung der herkömmlichen tierquälerischen Käfighaltung sei das Interesse der Käfighalter aufgrund der ohnehin langen Übergangsfrist von fast siebeneinhalb Jahren seit der Nichtigerklärung der Hennenhaltungsverordnung und der öffentlichen Förderung der Umstellung auf alternative Haltungsformen nicht schutzwürdig. Der Hinweis des Bundesrates auf kleinere Betriebe mit speziellen Direktvermarktungsmöglichkeiten sei unrichtig. Es sei allgemein bekannt, dass solche Betriebe überwiegend Boden- und Freilandhaltung betrieben. Die Verlängerung der Übergangsfrist für ausgestaltete Käfige sei schon deshalb verfassungswidrig, weil sich der Verordnungsgeber einseitig an der betriebswirtschaftlich vorgegebenen Abschreibungsfrist der Projektanlagen orientiert habe, ohne auch nur in eine Abwägung mit den Belangen des ethischen Tierschutzes einzutreten.
4. Die Landesregierungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben Stellungnahmen abgegeben, mit denen sie die angegriffenen Regelungen verteidigen. Die Kleingruppenhaltung verstoße weder gegen § 2 TierSchG noch gegen Art. 20a GG. Auch die Übergangsvorschriften seien verfassungsgemäß.
5. Die Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung (IGN) und PROVIEH vertreten mit detaillierten Ausführungen zu den Haltungsbedingungen die Auffassung, dass die angegriffenen Regelungen den Anforderungen des Tierschutzes nicht entsprechen und daher verfassungswidrig sind.
6. Der Deutsche Tierschutzbund e.V. erachtet den Antrag für zulässig und begründet. § 13b TierSchNutztV sei mangels ordnungsgemäßer Anhörung der Tierschutzkommission nichtig. Im von der Bundesregierung vorgelegten handschriftlichen Protokoll über die Sitzung der Tierschutzkommission heiße es: „BR hat auf Schweine die Legehennen + Kälber draufgesattelt; dass Tierschutzkommission damit nicht befasst wurde liegt nicht im Ermessen des BMELV's”. Dies und die weiter festgehaltenen Äußerungen der Tierschutzkommission, dass ihr Beschluss bedauerlicherweise nicht gehört worden sei und ein Rückschritt im Tierschutz befürchtet werde, wären sinnwidrig, wenn am 29. Mai 2006 eine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden hätte. Hätte die Bundesregierung gemäß ihrem Vortrag wegen besonderer Eilbedürftigkeit per E-Mail eingeladen, wäre dies in der Einladung oder jedenfalls in der Sitzungsniederschrift zu vermerken gewesen. In den von der Bundesregierung vorgelegten Dokumenten sei von einer „Information” der Tierschutzkommission die Rede, nicht von einer „Anhörung”. Aus den von der Bundesregierung vorgelegten Dokumenten ergebe sich nicht, dass die Tierschutzkommission einen Beschluss habe fassen können, der den Beschluss des Bundesrates noch hätte umkehren können. Die Tierschutzkommission sei erst befasst worden, als die Verordnung bereits notifiziert gewesen sei. Bereits am 10. Mai 2006 sei der Kabinettsbeschluss der Öffentlichkeit mittels Presseerklärung vorgestellt worden. Demnach sei, auch wenn die Verordnung im Zeitpunkt der Anhörung noch nicht unterzeichnet gewesen sei, der Verordnungstext schon endgültig festgelegt gewesen. Eine erneute Vorlage der Verordnung an den Bundesrat oder an das Kabinett wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Europäische Kommission oder Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG Bemerkungen abgegeben hätten. Von einer Beratung der Bundesregierung durch die Tierschutzkommission könne nur die Rede sein, wenn der Bundesminister sich mit dem Votum der Tierschutzkommission vor seiner Entscheidung auseinandersetze und begründe, warum er diesem oder jenem Argument nicht folge. Eine solche Beratung habe vor dem Kabinettsbeschluss und der Presseerklärung vom 10. Mai 2006 nicht stattgefunden. Vor dem Hintergrund, dass die Tierschutzkommission im Februar 2006 ausdrücklich den Wunsch geäußert hatte, bei einer Veränderung der Rechtslage zu den Legehennen befasst zu werden, stelle die Einbeziehung der Tierschutzkommission in der Form, wie sie stattgefunden habe, eine eklatante Verkürzung ihrer Beratungsfunktion dar. Die angegriffenen Vorschriften seien auch materiell verfassungswidrig (wird ausgeführt).
7. Nach Auffassung des Verbandes der Landwirtschaftskammern e.V., des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. und des Deutschen Bauernverbandes e.V. sind die angegriffenen Regelungen verfassungsgemäß. Die beiden zuletzt genannten Verbände haben eine Stellungnahme von Prof. Dr. Bessei (Mai 2010) vorgelegt, die sich kritisch mit den Gutachten von Prof. Dr. Bernhard Hörning und Dr. Christiane Keppler auseinandersetzt. Die beiden Verbände bezweifeln darüber hinaus schon die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags. Der für die Antragstellung erforderliche Kabinettsbeschluss sei nicht vorgelegt worden. Hinsichtlich der Übergangsregelung des § 33 Abs. 4 Satz 1 TierSchNutztV sei angesichts der auf den Ablauf des 31. Dezember 2008 befristeten Geltungsdauer dieser Vorschrift das objektive Klarstellungsinteresse fraglich.
8. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, dass der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob die zur Prüfung gestellten Bestimmungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit dem Grundgesetz vereinbar sind, nicht befasst gewesen sei.
Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat auf zwei Entscheidungen vom 23. Oktober 2008 (– BVerwG 7 C 48.07 – ≪BVerwGE 132, 224≫ und – BVerwG 7 C 4.08 –) verwiesen. Das Urteil in der Sache BVerwG 7 C 48.07 betraf die Frage, ob die verschärften Anforderungen an die artgerechte Haltung von Legehennen auch auf die Anlage der Klägerin unmittelbare Anwendung finden oder die Klägerin sich bis zu einer Aufhebung beziehungsweise Änderung der Anlagengenehmigung auf Bestandsschutz berufen kann. Eine – mittelbar auch gegen § 33 Abs. 4 TierSchNutztV Nov. 2006 gerichtete – Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde mit Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2010 (– 1 BvR 1627/09 –, NVwZ 2010, S. 771 ff.) nicht zur Entscheidung angenommen.
IV.
Die Antragstellerin hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
B.
Der Antrag ist zulässig. Die von der antragsberechtigten Landesregierung (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) ordnungsgemäß zur Prüfung gestellten Vorschriften des Bundesrechts können gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und § 76 Abs. 1 BVerfGG Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle sein. Antragsgegenstand sind § 13b und § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der Fassung, die die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (BGBl I S. 2759) erhalten hat (§ 13b und § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV Nov. 2006).
Die Antragstellerin hält die zur Prüfung gestellten Vorschriften unter anderem wegen Unvereinbarkeit mit Bestimmungen des Grundgesetzes – Art. 20a GG und, soweit es um § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV geht, auch Art. 12 GG – für nichtig und beruft sich damit auf einen gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG und § 76 Abs. 1 BVerfGG zulässigen Antragsgrund.
Der Antrag ist auch nicht insoweit unzulässig, als die Antragstellerin die Unvereinbarkeit der angegriffenen Verordnungsbestimmungen mit § 2 und § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG geltend macht. Zwar bildet gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, soweit es im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle um Normen des Bundesrechts geht, allein deren behauptete Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz, nicht die behauptete bloße Unvereinbarkeit mit einfachem Bundesrecht, einen zulässigen selbständigen Antragsgrund (vgl. BVerfGE 1, 184 ≪195 f.≫; 96, 133 ≪138≫). Daran kann – und will, wie sich deutlich aus § 78 Satz 1 BVerfGG ergibt – die in diesem Punkt nicht eindeutige, da hinsichtlich der Antragsgründe für die Prüfung von Bundes- und Landesrecht zusammenfassend formulierende Regelung des § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG nichts ändern. Dies schließt jedoch nicht aus, dass das Bundesverfassungsgericht, wenn eine Rechtsverordnung des Bundes mit zulässigem, ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz betreffenden Antragsgrund zur Prüfung gestellt ist, als Vorfrage oder im Hinblick auf eine spezifische verfassungsrechtliche Bedeutung bestimmter Vorgaben des einfachen Rechts auch die Vereinbarkeit der Verordnung mit einfachgesetzlichen Normen prüft. Die Voraussetzungen hierfür sind hinsichtlich der als verletzt gerügten Normen des Tierschutzgesetzes erfüllt (s. unter C.II.1.).
Das erforderliche objektive Klarstellungsinteresse (vgl. BVerfGE 113, 167 ≪193≫ m.w.N.) ist hinsichtlich des § 33 Abs. 4 TierSchNutztV Nov. 2006 nicht dadurch entfallen, dass die hier für die konventionelle Käfighaltung vorgesehenen Übergangsfristen zwischenzeitlich abgelaufen sind. Ein objektives Klarstellungsinteresse ist indiziert, wenn ein auf die Bundesverfassung in besonderer Weise verpflichtetes Organ oder ein besonders verpflichteter Organteil von der Unvereinbarkeit der Norm mit höherem Bundesrecht überzeugt ist (vgl. BVerfGE 96, 133 ≪137≫; 106, 244 ≪251≫; 119, 394 ≪409≫). Dies gilt auch, wenn die zum Prüfungsgegenstand erhobene Norm außer Kraft getreten oder auf andere Weise gegenstandslos geworden ist (vgl. BVerfGE 119, 394 ≪410≫; vgl. auch BVerfGE 5, 25 ≪28≫; 20, 56 ≪93 f.≫; 79, 311 ≪326 ff.≫; 97, 198 ≪213 f.≫; 100, 249 ≪257≫). Das objektive Klarstellungsinteresse entfällt lediglich, wenn von der zur Prüfung gestellten Norm unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr Rechtswirkungen ausgehen können (vgl. BVerfGE 97, 198 ≪213 f.≫; 119, 394 ≪410≫; stRspr). Dies ist hinsichtlich des § 33 Abs. 4 TierSchNutztV Nov. 2006 nicht der Fall. Rechtsstreitigkeiten, für die es auf die Vereinbarkeit dieser Norm mit dem Grundgesetz auch noch nach Ablauf der darin vorgesehenen Übergangsfristen ankommt, sind nicht von vornherein auszuschließen (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Januar 2010 – 1 BvR 1627/09 –, NVwZ 2010, S. 771 ff.).
C.
I.
§ 13b und § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV Nov. 2006 sind unvereinbar mit § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG und Art. 20a GG.
1. Die zur Prüfung gestellten Vorschriften sind im vorliegenden Verfahren auch an der einfachgesetzlichen Norm des § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG zu messen, die den Verordnungsgeber verpflichtet, vor dem Erlass von Verordnungen nach § 2 TierSchG die Tierschutzkommission anzuhören (vgl. BVerfGE 101, 1 ≪31, 44≫). Das Bundesverfassungsgericht prüft im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle Rechtsverordnungen des Bundes auch daraufhin, ob sie sich im Rahmen der nach Art. 80 Abs. 1 GG erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage halten (vgl. BVerfGE 2, 307 ≪320 f.≫; 8, 51 ≪60 f.≫; 101, 1 ≪30 f.≫; 106, 1 ≪12≫). Zur gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne dieser Regel gehören nicht nur die materiellrechtlichen, sondern auch die verfahrensrechtlichen Vorgaben, an die das ermächtigende Gesetz den ermächtigten Verordnungsgeber bindet, soweit ihre Beachtung für die Gültigkeit der angegriffenen Verordnungsbestimmungen von Bedeutung sein kann. Dies ist hier der Fall (vgl. BVerfGE 10, 221 ≪226≫). Ob die betreffenden Vorgaben sich im selben Satz, Absatz oder Gesetzesparagraphen finden wie der Ausspruch, dass der Verordnungsgeber ermächtigt werde (für ein Beispiel solcher Anordnung eines Anhörungserfordernisses vgl. BVerfG, a.a.O., S. 222), kann für die Zugehörigkeit zur gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend sein; denn dies ist eine für den rechtlichen Status der Regelung belanglose Frage gesetzestechnischer Zweckmäßigkeit. Das in § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG geregelte Erfordernis der Anhörung der Tierschutzkommission gehört nicht weniger als die Vorgaben derjenigen Normen, die den Ausspruch der im vorliegenden Fall in Anspruch genommenen Verordnungsermächtigungen enthalten (§ 2a TierSchG und Art. 2 ETÜ-Gesetz), zu den Maßgaben, an die der Gesetzgeber die Ermächtigung geknüpft hat. Der Verordnungsgeber selbst hat sich dementsprechend ausdrücklich unter anderem auf „§ 2a Abs. 1 in Verbindung mit § 16b Abs. 1 Satz 2 … des Tierschutzgesetzes” als Ermächtigungsgrundlage gestützt (Vorspruch zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006, BGBl I S. 1804). Auf § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erstreckt sich die Prüfung im vorliegenden Fall zudem auch deshalb, weil das in Art. 20a GG statuierte Staatsziel Tierschutz der Beachtung dieser Norm verfassungsrechtliche Bedeutung verleiht (s. unter 3.).
2. Die Tierschutzkommission wurde beim Erlass des § 13b TierSchNutztV und der zugehörigen Übergangsregelungen (§ 27 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006, BGBl I S. 1804, später § 33 Abs. 3 und 4, heute § 38 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV, s.o. A.I.2.e und f) nicht in der von § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG geforderten Weise angehört.
Es kann offen bleiben, ob die Befassung der Tierschutzkommission in ihrer Sitzung vom 29. Mai 2006 mit den Regelungen zur Kleingruppenhaltung vom zuständigen Ministerium als Anhörung im Sinne des § 16b TierSchG geplant war und ob die Mitglieder der Kommission hierüber durch das Einladungsschreiben (§ 8 Abs. 2 TierSchKomV, § 90 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) vom 16. Mai 2006 hinreichend deutlich unterrichtet waren. Denn jedenfalls hat die Anhörung nicht mit der gebotenen Offenheit stattgefunden.
a) Sieht das Gesetz für den Erlass einer Norm ein Anhörungserfordernis vor, so zielt es darauf, dass das Ergebnis der Anhörung als informatorische Grundlage in die Abwägungsentscheidung des Normgebers einfließt. Dem Anhörungserfordernis wird daher nicht ordnungsgemäß entsprochen, wenn die Anhörung nur pro forma durchgeführt wird, ohne dass noch die Möglichkeit oder Bereitschaft bestünde, das Ergebnis in der Abwägungsentscheidung des Normgebers zu berücksichtigen (vgl. VerfGBbg, Urteil vom 18. Dezember 2003 – 97/03 –, juris; Unkelbach, Rechtsschutz gegen Gremienentscheidungen und Entscheidungen mit Gremienbeteiligung, 2007, S. 100; zu § 16b TierSchG VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 4. September 1990 – 10 S 570/90 –, NVwZ-RR 1991, S. 187 ≪190≫; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 16b Rn. 1 und § 2a Rn. 6; Erbel, DÖV 1989, S. 338 ≪340≫). Fehlende Beratungsoffenheit kann allerdings nicht aufgrund bloßer Spekulationen unterstellt, sondern nur aufgrund greifbarer Tatsachen angenommen werden (vgl. VerfGBbg, a.a.O.).
b) Solche Tatsachen liegen hier vor.
Bereits mit Beschluss vom 10. Mai 2006, also vor der Sitzung der Tierschutzkommission, hatte das Kabinett den Maßgabebeschluss des Bundesrates vom 7. April 2006 zustimmend zur Kenntnis genommen. Ebenfalls bereits vor der Sitzung der Tierschutzkommission war am 28. April 2006 die Notifizierung an die Europäische Kommission erfolgt. Auf dem Hintergrund der rechtlichen Vorgaben und der Verfahrensüblichkeiten deutet bereits diese Abfolge darauf hin, dass eine Offenheit für irgendwelche Änderungen auf der Grundlage eines Votums der Tierschutzkommission ganz unabhängig von etwaigen Inhalten eines solchen Votums nicht mehr bestand. Hinzu kommt die Besonderheit der Situation, in die das für den Verordnungserlass zuständige Bundesministerium sich durch den Maßgabebeschluss des Bundesrates versetzt sah.
aa) Das Notifizierungserfordernis ergab sich aus der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 (ABlEG Nr. L 204 S. 37, zuletzt geändert durch Art. 1 der Richtlinie 2006/96/EG des Rates vom 20. November 2006, ABlEU Nr. L 363 S. 81). Zweck der Notifizierung ist es nach den Erwägungsgründen dieser Richtlinie, Transparenz in der nationalen Rechtsetzung im nicht harmonisierten Bereich herzustellen und das Entstehen neuer Handelshemmnisse im Binnenmarkt zu verhindern. Dazu sieht die Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten, soweit nicht eine Ausnahme von der Notifizierungspflicht (Art. 10 Abs. 1 RL 98/34/EG) besteht, der Europäischen Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift übermitteln (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz RL 98/34/EG). Aus der Legaldefinition des Entwurfsbegriffs (Art. 1 Nr. 12 RL 98/34/EG) ergibt sich, dass dies in einem Stadium der Ausarbeitung geschehen muss, in dem noch wesentliche Änderungen möglich sind. Nach Eingang des übermittelten Entwurfs bei der Kommission beginnt eine dreimonatige Stillhaltefrist, während derer im Regelfall der Entwurf nicht angenommen werden darf (Art. 9 Abs. 1 RL 98/34/EG). Innerhalb dieser Frist können die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten eine ausführliche Stellungnahme abgeben, wenn sie Elemente der geplanten Maßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar halten (Art. 9 Abs. 2; s. auch Art. 8 Abs. 2 RL 98/34/EG). Die Kommission kann innerhalb der Frist auch mitteilen, dass sie beabsichtigt, für den im Entwurf geregelten Gegenstand einen Gemeinschaftsrechtsakt vorzuschlagen oder zu erlassen, oder dass dem Rat ein entsprechender Vorschlag vorgelegt wurde (Art. 9 Abs. 3 und 4 RL 98/34/EG). Im Fall einer solchen Stellungnahme oder Mitteilung verlängert sich die Stillhaltefrist (Art. 9 Abs. 2 RL 98/34/EG). Auf ausführliche Stellungnahmen hin hat der Mitgliedstaat die Kommission über die Maßnahmen, die er aufgrund der ausführlichen Stellungnahmen zu ergreifen beabsichtigt, zu unterrichten; die Kommission wiederum äußert sich zu diesen Maßnahmen (Art. 9 Abs. 2 Unterabsatz 3 RL 98/34/EG). Die Notifizierung hindert nicht den Fortgang des Rechtsetzungsverfahrens. Falls es im Verlauf des Verfahrens zu wesentlichen Änderungen am Entwurf kommt, muss jedoch ein erneutes Notifizierungsverfahren in Gang gesetzt werden, das wiederum die Stillhaltefristen auslöst (Art. 8 Abs. 1 Unterabsatz 3 RL 98/34/EG).
Die Bundesregierung hat sich mit einem auf Staatssekretärsebene gefassten, soweit ersichtlich nicht veröffentlichten Beschluss vom 27. Januar 2005 („Zeitpunkt der Übermittlung von Entwürfen technischer Vorschriften und Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft des Bundes gem. RL 98/34/EG, geändert durch RL 98/48/EG” – BMWA – XA2 – 51 10 01), den sie im vorliegenden Verfahren vorgelegt hat, über wesentliche Modalitäten der Notifizierung verständigt. Der Beschluss versteht seine Inhalte als Empfehlungen, die im Einzelfall vom federführenden Ressort – gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt – den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen sind (a.a.O., S. 3). Die Entscheidung darüber, ob ein Rechtsakt notifiziert wird, soll dem federführenden Ressort obliegen (a.a.O., S. 1). Dasselbe soll für die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt gelten – den Zeitpunkt, zu dem einerseits an dem Entwurf noch wesentliche Änderungen möglich sind, andererseits die Entwurfsfassung so weitgehend konsolidiert ist, dass keine wesentlichen Änderungen im weiteren Verfahren nötig sind, die eine erneute Notifizierungspflicht auslösen würden; eine Notifizierung kann nicht vor Abschluss der Ressortabstimmung erfolgen (a.a.O., S. 2). Für Rechtsverordnungen sieht der Beschluss (a.a.O., S. 3 f.) vor:
Bei Rechtsverordnungen empfiehlt sich eine Notifizierung, nachdem die Ressortabstimmung (einschl. Anhörung der beteiligten Länder, Fachkreise) abgeschlossen ist. Mit der Kabinettsbefassung sollte dann zugewartet werden, bis die dreimonatige Stillhaltefrist abgelaufen ist. Soweit eine streitige Kabinettsbefassung erforderlich ist, erfolgt die Notifizierung nach dem Kabinettsbeschluss.
Rechtsverordnungen durch einen Bundesminister, die nicht § 62 Abs. 3 GGO unterfallen, sind als ressortabgestimmte Entwürfe zu notifizieren. Mit der Unterschrift durch den Minister sollte bis zum Ablauf der dreimonatigen Stillhaltefrist zugewartet werden. Im Falle des § 64 Abs. 2 GGO soll die Zuleitung an den Bundesrat erst nach Ablauf der Stillhaltefrist erfolgen.
Bei Vorlagen des Bundesrates gem. Art. 80 Abs. 3 GG erfolgt die Notifizierung, sofern die Bundesregierung von der VO-Ermächtigung Gebrauch machen will (§ 63 Abs. 2 GGO), mit der Zuleitung an die Bundesregierung. Mit der Entscheidung der zuständigen Ministerien über die weitere Behandlung der Vorlage (§ 63 Abs. 1 GGO) soll bis zum Ablauf der Stillhaltefrist gewartet werden, damit Bemerkungen oder Stellungnahmen der KOM/MS ggf. einfließen können.
Üblich ist es danach, Verordnungsentwürfe erst nach den erforderlichen Anhörungen zu notifizieren und erst im Anschluss daran das Kabinett zu befassen. Nur wenn es sich um ein zwischen den Ministerien streitiges Regelungsvorhaben handelt (§ 62 Abs. 3 Nr. 3 GGO), wird die übliche Reihenfolge „Ressortabstimmung einschließlich Anhörungen – Notifizierung – Kabinettsbefassung” ersetzt durch die Reihenfolge „Ressortabstimmung einschließlich Anhörungen – Kabinettsbefassung – Notifizierung”. Ein Vorziehen der Notifizierung oder der Kabinettsbefassung vor die vorgesehenen Anhörungen ist dagegen für keinen Fall vorgesehen. Die Regel, dass bei zwischen den Ressorts streitigen Entwürfen die Kabinettsbefassung vorzuziehen ist, verdeutlicht zudem das Gewicht, das dem Ziel beigemessen wird, ein zweimaliges Durchlaufen des Notifizierungsverfahrens zu vermeiden. Eher wird das Risiko eingegangen, dass nach durchlaufenem Notifizierungsverfahren das Kabinett ein weiteres Mal zu befassen ist, als dass die Notwendigkeit eines erneuten Notifizierungsverfahrens wegen im Kabinett erfolgter Änderungen des Entwurfs in Kauf genommen würde.
Wenn demgegenüber im vorliegenden Fall die Tierschutzkommission erst befasst wurde, nachdem sowohl das Kabinett beschlossen hatte als auch der Verordnungsentwurf notifiziert worden war, spricht dies dafür, dass der Verordnungsinhalt zum Zeitpunkt der Befassung der Tierschutzkommission bereits beschlossene Sache war.
bb) Dies wird bestätigt und bekräftigt durch die besondere Lage, die mit dem Maßgabebeschluss des Bundesrates vom 7. April 2006 entstanden war.
Der Beschluss, mit dem der Bundesrat seine Zustimmung zu einer ihm vorgelegten Rechtsverordnung nur nach Maßgabe bestimmter Änderungen erteilt, stellt sich der Sache nach als vorweggenommene Zustimmung zu der gemäß den Forderungen dieses Beschlusses geänderten Verordnung dar (vgl. Nierhaus, in: Bonner Kommentar, Bd. 11, Art. 80 Abs. 2, Rn. 684 ≪Dezember 1998≫). Die in § 65 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) normativ aufgenommene Praxis solcher Maßgabebeschlüsse ist – jedenfalls seitdem der Bundesrat über ein eigenes Initiativrecht für Rechtsverordnungen verfügt (Art. 80 Abs. 3 GG) – verfassungsrechtlich als solche nicht zu beanstanden (vgl. Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 80 Rn. 60; Nierhaus, in: Bonner Kommentar, Bd. 11, Art. 80 Abs. 2 Rn. 689 ≪Dezember 1998≫; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 80 Abs. 2 Rn. 99; s. auch bereits Riese, Der Maßgabebeschluss des Bundesrates bei zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnungen, 1992, S. 113 ff., jew. m.w.N.). Die Frage, welche Grenzen des Sachzusammenhangs dabei gewahrt bleiben müssen (vgl. Bauer, a.a.O., Rn. 60; Brenner, a.a.O., Rn. 99; Mann, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 80 Rn. 39; Scholz, DÖV 1990, S. 455 ≪456≫) und was die Konsequenzen einer Überschreitung dieser Grenzen sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn unabhängig davon, ob und mit welchen Rechtsfolgen diese Grenzen im Fall des Maßgabebeschlusses vom 7. April 2006 überschritten waren, stellt sich dieser Beschluss jedenfalls als Element eines Verfahrensablaufs dar, der deutlich erkennen lässt, dass zum Zeitpunkt der Befassung der Tierschutzkommission die für eine Anhörung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erforderliche inhaltliche Offenheit für etwaige den Verordnungsinhalt betreffende Anregungen der Tierschutzkommission nicht mehr gegeben war.
Das Verordnungsverfahren stand, nachdem die Bundesrepublik Deutschland vom Europäischen Gerichtshof mit Urteil vom 8. September 2005 wegen Nichtumsetzung von Richtlinien zur Schweinehaltung verurteilt worden war (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2005 – Rs. C-278/04 –, ABlEU Nr. C 271, S. 8 f.), auch in zeitlicher Hinsicht unter Anpassungsdruck. Unter diesem Druck konnte das zuständige Ministerium sich dem Ansinnen des Bundesrates, die vorgesehene Verordnung, mit der den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Schweinehaltung entsprochen werden sollte, um Regelungen zu einem anderen, nicht den ursprünglichen Gegenstand der Änderungsverordnung betreffenden Sachbereich, der Legehennenhaltung, zu ergänzen, nicht durch Verzicht auf das nach § 2a Abs. 1 TierSchG und Art. 2 ETÜ-Gesetz zustimmungspflichtige Verordnungsvorhaben entziehen. Dass das Verfahren infolgedessen unter dem Eindruck – und aufgrund der bereits früher erhobenen Koppelungsforderungen des Bundesrates in der Voraussicht – gestaltet war, man befinde sich unter einem faktischen Zwang, die Verordnung mit den vom Bundesrat gewünschten Inhalten zu erlassen, zeigt sich nicht nur darin, dass von den im Beschluss der Staatssekretäre vom 27. Januar 2005 vorgesehenen Abfolgen von Anhörung, Notifizierung und Kabinettsbefassung abgewichen wurde, sondern auch darin, dass entgegen der Empfehlung dieses Beschlusses, zustimmungspflichtige Rechtsverordnungen erst nach Ablauf der Stillhaltefrist des Notifizierungsverfahrens dem Bundesrat zuzuleiten (vgl. den oben unter aa≫ wiedergegebenen Auszug), im vorliegenden Fall die Notifizierung nach der Richtlinie 98/34/EG im Anschluss an das Bundesratsverfahren erfolgte.
Der Umstand, dass der Handlungsdruck, unter dem das zuständige Bundesministerium sich befand, auch durch rechtliche Vorgaben bedingt war – nämlich durch das Erfordernis der Bundesratszustimmung und die Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie (Art. 249 Abs. 3 EGV; nunmehr Art. 288 Abs. 3 AEUV) – hat nicht zur Folge, dass die zum Zeitpunkt der Befassung der Tierschutzkommission fehlende Beratungsoffenheit hier ausnahmsweise hinzunehmen wäre. Ein Maßgabebeschluss des Bundesrates führt nicht dazu, dass ein im Gesetz für den Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehenes Anhörungserfordernis seine Geltung verliert. Vielmehr darf, wenn der Maßgabebeschluss wesentliche Änderungen vorsieht, die Verordnung mit den vorgesehenen Änderungen erst nach erneuter Anhörung erlassen werden (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, § 2a Rn. 6; für Anhörungserfordernisse bei wesentlichen Änderungen in anderen Zusammenhängen BVerfGE 50, 195 ≪203≫; VerfGBbg, Urteil vom 18. Dezember 2003 – 97/03 –, juris, Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – BVerwG 8 C 19.09 –, NZA 2010, S. 718 ≪724≫). Macht demnach ein Maßgabebeschluss des Bundesrates eine gesetzlich vorgeschriebene Anhörung gerade nicht entbehrlich, so kann er – gleich ob es um eine erneute oder um eine erstmalige Anhörung geht – grundsätzlich auch nicht den Wegfall des Erfordernisses der Beratungsoffenheit als wesentlicher Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Anhörungserfordernisses bewirken. Auch der Zeitdruck, unter dem der Verordnungsgeber sich im Hinblick auf die notwendige Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben befand, kann eine solche Abweichung von den verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht rechtfertigen. Es ist Sache der zuständigen Normsetzungsorgane, notwendige Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien so frühzeitig einzuleiten, dass das nationale Rechtsetzungsverfahren gemäß den verfahrensrechtlichen Vorgaben des deutschen Rechts durchgeführt werden kann.
c) Soweit demgegenüber die Bundesregierung geltend macht, das Votum der Tierschutzkommission sei in ihre Entscheidungsfindung eingeflossen, vernachlässigt sie, dass § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG die Berücksichtigung eines in der Situation der Beratungsoffenheit abgegebenen Votums der Tierschutzkommission verlangt.
3. Mit dem Verstoß gegen das Anhörungserfordernis des § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG hat der Verordnungsgeber auch Art. 20a GG verletzt.
Art. 20a GG verpflichtet die staatliche Gewalt zum Schutz der Tiere (vgl. BVerfGE 110, 141 ≪166≫). Mit der Aufnahme des Tierschutzes in diese Grundgesetznorm sollte der ethisch begründete Schutz des Tieres, wie er bereits Gegenstand des Tierschutzgesetzes war, gestärkt werden (vgl. BVerfGK 10, 66 ≪71≫ m.w.N.; zum einfachgesetzlichen Tierschutz BVerfGE 104, 337 ≪347≫). Das Tier ist danach als je eigenes Lebewesen zu schützen (vgl. BVerfG, jew. a.a.O.). Als Belang von Verfassungsrang ist der Tierschutz, nicht anders als der in Art. 20a GG schon früher zum Staatsziel erhobene Umweltschutz, im Rahmen von Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen und kann geeignet sein, ein Zurücksetzen anderer Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht – wie etwa die Einschränkung von Grundrechten – zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 117, 126 ≪138≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Januar 2010 – 1 BvR 1627/09 –, NVwZ 2010, S. 771 ff.); er setzt sich aber andererseits gegen konkurrierende Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht nicht notwendigerweise durch (vgl. BVerfGE 110, 141 ≪166≫; BVerwGE 127, 183 ≪186 f.≫).
Den normsetzenden Organen, die dem Staatsziel Tierschutz mit geeigneten Vorschriften Rechnung zu tragen haben, kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. zum Umweltschutz BVerfGE 118, 79 ≪110≫; BVerfGK 11, 445 ≪457≫). Schon weil ein angemessener Schutz der Tiere in vielen Bereichen – unter anderem wenn es um die Bedingungen der Haltung von Tieren in großer Zahl zu wirtschaftlichen Zwecken geht – nur auf der Grundlage spezieller Fachkenntnisse, Erfahrungen und systematisch erhobener Informationen möglich ist, liegt es nahe, durch geeignete Verfahrensnormen sicherzustellen, dass bei der Setzung tierschutzrechtlicher Standards solche Informationen verfügbar sind und genutzt werden (vgl. Murswiek, in: Sachs, GG, 5. Aufl. 2009, Art. 20a Rn. 76 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20a Rn. 73; Epiney, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 5. Aufl. 2005, Art. 20a Rn. 79 ff., 88; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, Art. 20a GG Rn. 15). Eine bestimmte Ausgestaltung der Art und Weise, in der dies geschieht, lässt sich aus Art. 20a GG nicht ableiten. Hat allerdings der Gesetzgeber in Ausfüllung seines Gestaltungsspielraums für den Erlass untergesetzlicher tierschutzrechtlicher Normen das Ermessen des Normgebers (vgl. BVerfGE 36, 321 ≪330≫; 42, 191 ≪205≫) durch Verfahrensvorschriften beschränkt, die gerade das Zustandekommen materiell tierschutzgerechter Ergebnisse des Normsetzungsverfahrens fördern sollen und damit dem Staatsziel Tierschutz dienen, so ist nicht nur einfaches Recht, sondern zugleich Art. 20a GG verletzt, wenn nicht wie gesetzlich vorgegeben verfahren wird (vgl. zur vergleichbaren verfassungsrechtlichen Bedeutung einer Missachtung von Verfahrens- und Kompetenznormen, die in Erfüllung des Verfassungsauftrags zum Schutz von Grundrechten erlassen wurden, BVerfGE 53, 30 ≪66≫; 56, 216 ≪242≫).
Eine Verordnung, die unter Verstoß gegen § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG erlassen wurde, verletzt danach zugleich Art. 20a GG. Die Tierschutzkommission hat nach § 16b TierSchG die Aufgabe, das zuständige Bundesministerium – auch unabhängig von einem entsprechenden Ersuchen – in Fragen des Tierschutzes, insbesondere vor dem Erlass einschlägiger Rechtsverordnungen, zu beraten (vgl. BTDrucks 10/3158, S. 29). Diese Beratungsfunktion und besonders die in § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG ausdrücklich statuierte Pflicht, vor dem Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften die Tierschutzkommission anzuhören, dient der Verbesserung der Grundlagen für eine dem Zweck des Tierschutzgesetzes (§ 1 Satz 1 TierSchG) entsprechende, tierschutzgerechte Entscheidungsfindung und trägt damit zur Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art. 20a GG bei. Dem steht nicht entgegen, dass § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG auf das Erste Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. August 1986 (BGB I S. 1309) zurückgeht und damit älter ist als das gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl I S. 2862) erst am 1. August 2002 in Kraft getretene Staatsziel Tierschutz. Auch wenn das Anhörungserfordernis des § 16b Abs. 1 Satz 2 TierSchG danach nicht bereits bei seinem Erlass als Regelung im Dienst des Verfassungsauftrages zum Tierschutz konzipiert sein konnte, ist ihm aufgrund seiner tierschutzbezogenen Zwecksetzung mit dem Inkrafttreten dieses Verfassungsauftrages eine entsprechende Funktion objektiv zugewachsen (vgl. auch Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, Art. 20a GG Rn. 21 m.w.N.).
4. Die Verstöße sind nicht dadurch geheilt, dass nach Einführung der Regelungen zur Kleingruppenhaltung und der zugehörigen Übergangsvorschriften durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006 (BGBl I S. 1804) weitere Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfolgt sind; die Verstöße betreffen daher auch § 13b und § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der hier zur Prüfung gestellten Fassung sowie § 13b und § 38 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der gegenwärtig geltenden Fassung. Dabei kann offen bleiben, ob den der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nachfolgenden Verordnungsänderungen eine den Anforderungen des § 16b TierSchG entsprechende Anhörung der Tierschutzkommission vorausging. Auch eine abschließende Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verfahrensfehler der hier vorliegenden Art durch eine bei Gelegenheit späterer Normänderung erfolgte Anhörung geheilt werden kann, ist nicht erforderlich. Zur Behebung des die Einführung der Bestimmungen über die Kleingruppenhaltung betreffenden Anhörungsmangels waren Anhörungen der Tierschutzkommission im Zuge späterer Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung jedenfalls deshalb nicht geeignet, weil die späteren Verordnungsänderungen (s.o. unter A.I.2.e und f) nicht die Inhalte dieser Bestimmungen betrafen.
5. Angesichts der festgestellten Verstöße bedarf es keiner Entscheidung, ob darüber hinaus Pflichten in Bezug auf die Prüfung und Erprobung neuer Haltungseinrichtungen nach Art. 9 Abs. 3 ETÜ in Verbindung mit Art. 8 Nr. 2 der Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus gallus des Ständigen Ausschusses des Europäischen Übereinkommens zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vom 7. Februar 2000 (Bundesanzeiger vom 11. Mai 2000, Nr. 89a; zur Rechtsverbindlichkeit dieser Empfehlung BVerfGE 101, 1 ≪39≫) oder materiellrechtliche Vorgaben aus den gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen für die zur Prüfung gestellten Vorschriften oder aus Art. 20a GG verletzt sind und ob Verstöße gegen Grundrechte von Betreibern vorliegen. Es kann in der Regel nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein, in eine inhaltliche Überprüfung der vom Verordnungsgeber getroffenen Abwägungsentscheidungen einzutreten, wenn es infolge der Nichtbeachtung verfahrensrechtlicher Vorgaben für das Normsetzungsverfahren an den vom Gesetzgeber als erforderlich angesehenen Grundlagen für eine sachgerechte Abwägung – und damit im Zweifel auch an den Grundlagen für eine sachgerechte Überprüfung – fehlt.
II.
Der Verfahrensfehler führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der betroffenen Vorschriften. Diese bleiben jedoch bis zum 31. März 2012 weiter anwendbar.
1. a) Unterbleibt die nach § 16b TierSchG gebotene Anhörung der Tierschutzkommission oder weist das Anhörungsverfahren Mängel auf, die die Funktionsfähigkeit der Anhörung beeinträchtigen, so leidet das Normsetzungsverfahren an einem wesentlichen Mangel. Ein solcher Mangel hat Folgen für die Rechtsgültigkeit der Norm (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – BVerwG 8 C 19.09 –, NZA 2010, S. 718 ≪725≫; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 1 B 13.08 –, juris, Rn. 57; Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtsetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen und Rechtsquellen, 1981, S. 19; Unkelbach, Rechtsschutz gegen Gremienentscheidungen und Entscheidungen mit Gremienbeteiligung, 2007, S. 98 ff.; Schnelle, Eine Fehlerfolgenlehre für Rechtsverordnungen, 2007, S. 152 ff., 265; Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 ≪2812≫; vgl. auch, zur Rechtserheblichkeit grober Mängel im Normsetzungsverfahren, BVerfGE 31, 47 ≪53≫).
Wesentlich im hier maßgebenden Sinn ist ein Fehler im Verordnungsverfahren vorbehaltlich ausdrücklicher rechtsfolgenausschließender oder -beschränkender gesetzlicher Regelung jedenfalls dann, wenn – wie hier – ein Verfahrenserfordernis, das der Gesetzgeber im Interesse sachrichtiger Normierung statuiert hat, in funktionserheblicher Weise verletzt wurde (vgl. BVerfGE 10, 221 ≪226 f.≫; Schmidt-Aßmann, a.a.O.; Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 ≪2812≫). Der Verstoß gegen Anhörungs- und Beteiligungspflichten, die der Gesetzgeber für das Verfahren des Erlasses von Rechtsverordnungen vorgesehen hat, führt dementsprechend nach ganz herrschender Auffassung regelmäßig zur Ungültigkeit der Verordnung (vgl. BVerwG, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 57; BayVGH, Beschluss vom 8. Juni 1984 – 9 N 81 A.1521 –, BayVBl 1985, S. 87 f.; Nierhaus, in: Bonner Kommentar, Bd. 11, Art. 80 Abs. 1, Rn. 431 ff. ≪November 1998≫; Leibholz/Rinck, GG, Art. 80 Rn. 240 ≪Oktober 2000≫; Bauer, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 80 Rn. 55; Sannwald, in: Schmidt/Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 80 Rn. 142; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 80 Rn. 20; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 1986, S. 306 f.; Unkelbach, a.a.O., S. 104 f.; für das Umwelt- und Technikrecht Denninger, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht, 1990, S. 176 ff. ≪180 f.≫; Jarass, BImSchG, 8. Aufl. 2010, § 51 Rn. 4, m. zahlr. w.N.).
Auf die Frage, ob auch in einem solchen Fall die Evidenz des Fehlers Voraussetzung seiner Rechtsfolgenerheblichkeit ist (vgl. BVerfGE 34, 9 ≪25≫; 91, 148 ≪175≫; 120, 56 ≪73, 79 f.≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, S. 634 ≪638≫), kommt es hier nicht an; denn daran, dass die vorgeschriebene Anhörung der Tierschutzkommission beratungsoffen zu erfolgen hat und eine nicht beratungsoffene Anhörung daher einen Verfahrensfehler darstellt, konnte kein vernünftiger Zweifel bestehen.
Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Verstoß gegen § 16b TierSchG zugleich einen Verfassungsverstoß darstellt, weil die verletzte Norm der Erfüllung des Verfassungsauftrags zum Tierschutz dient (s. unter C.I.3.). Dies erhöht das Gewicht des festgestellten Verfahrensfehlers und spricht dagegen, dass er ohne Folgen für die Gültigkeit der Norm bleibt (vgl. BVerfGE 56, 298 ≪321 f.≫ zur Nichtigkeitsfolge bei Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Anhörungserfordernis aus Art. 28 Abs. 2 GG). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der weite Spielraum, den Art. 20a GG den normsetzenden Organen belässt. Damit sind der verfassungsgerichtlichen Inhaltskontrolle von Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Verfassungsauftrag zum Tierschutz hin enge Grenzen gesetzt. Umso größere Bedeutung hat die Beachtung von Verfahrensnormen, die darauf hinwirken sollen, dass die entstehende Norm dem Verfassungsauftrag gerecht wird.
b) Aus Gründen der Rechtsklarheit sind gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG die Rechtsfolgen des festgestellten Verstoßes gegen Art. 20a GG auf § 13b und § 38 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. Oktober 2009 (BGBl I S. 3223) zu erstrecken (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, NJW 2010, S. 505 ≪517 f.≫; BVerfGE 99, 165 ≪184≫; 104, 126 ≪150≫).
2. Der Verfassungsverstoß führt nicht zur in § 78 Satz 1 BVerfGG als Regelfolge vorgesehenen Nichtigerklärung der betroffenen Vorschriften. Vielmehr ist deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festzustellen mit der Maßgabe, dass sie bis zum 31. März 2012 weiter anwendbar sind.
Der Ausspruch bloßer Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz (§ 31 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 1 BVerfGG) anstelle der Nichtigerklärung ist angezeigt, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange überwiegen (vgl. BVerfGE 118, 168 ≪211≫). Dies ist dann der Fall, wenn der Zustand, der sich im Falle der Nichtigkeit ergäbe, der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als die befristete Weitergeltung der verfassungswidrigen Regelung (vgl. nur BVerfGE 41, 251 ≪267≫; 61, 319 ≪356≫; 83, 130 ≪154≫; 85, 386 ≪401≫; 87, 153 ≪177 f.≫; 97, 228 ≪270≫; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 78 Rn. 41). Geht es um Normen, die einem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag dienen, so kann die Nichtigerklärung wegen dadurch entstehender Schutzlücken zu einem noch verfassungsferneren Zustand als dem bei befristeter Fortgeltung der verfassungswidrigen Norm bestehenden führen (vgl. BVerfGE 83, 130 ≪154≫; 109, 190 ≪235 f.≫). Auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann der Ausspruch einer bloßen Unvereinbarerklärung mit befristeter Fortgeltung vorzugswürdig sein (vgl. BVerfGE 107, 133 ≪149≫). Zu berücksichtigen ist außerdem der Grundsatz der Völker- und Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, der den Organen der deutschen öffentlichen Gewalt gebietet, Verstöße gegen das Völkerrecht und das Unionsrecht zu vermeiden, soweit dies im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts möglich ist (vgl. BVerfGE 111, 307 ≪317 ff.≫; 123, 267 ≪347≫; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Juli 2010 – 2 BvR 2661/06 –, juris, Rn. 58 ff., 66).
Danach ist hier die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Vorschriften vorübergehend hinzunehmen. Ihre Nichtigerklärung wäre mit erhöhten Rechtsunsicherheiten verbunden. Zwar würde ihr sofortiger Wegfall unter keiner denkbaren Auslegung des bestehen bleibenden Rechts ein tierschutzrechtliches Vakuum erzeugen, da die Geltung der Vorschriften des Tierschutzgesetzes und des Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. März 1976 zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen in Verbindung mit der Empfehlung in Bezug auf Haushühner der Art Gallus gallus des Ständigen Ausschusses nach diesem Übereinkommen unberührt bliebe (vgl. BVerfGE 101, 1 ≪39≫). Der behördliche Gesetzesvollzug ist jedoch, vor allem wo er sich gegen Interessen von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht durchzusetzen hat, auf hinreichend konkrete rechtliche Vorgaben angewiesen; er wird durch den Wegfall konkretisierender Normen daher eher geschwächt als gestärkt (vgl. für die Legehennenhaltung Caspar/Cirsovius, NuR 2002, S. 22 ff.). Hinzu kommt, dass mit dem sofortigen Außerkrafttreten der Verordnungsbestimmungen zur Kleingruppenhaltung unabhängig von der Frage, welche rechtlichen Folgen dies für die weitere Zulässigkeit einer Käfighaltung hätte, schon im Hinblick auf Fragen des Umgangs mit den vorhandenen Anlagen ein Umsetzungsdefizit hinsichtlich der Richtlinie 1999/74/EG entstünde, die spätestens zum 1. Januar 2002 in nationales Recht umzusetzen war (Art. 13 Abs. 1 RL 1999/74/EG).
Die weitere Anwendbarkeit der Bestimmungen, die für unvereinbar mit Art. 20a GG zu erklären sind, wird auf den 31. März 2012 befristet. Bis zu diesem Zeitpunkt kann und muss eine Neuregelung erfolgen.
Unterschriften
Voßkuhle, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 2620869 |
BVerfGE 2011, 293 |
NVwZ 2011, 289 |
ZAP 2010, 1210 |
DÖV 2011, 161 |
GewArch 2011, 94 |
JA 2011, 318 |
JuS 2011, 572 |
NuR 2011, 427 |
ZUR 2011, 203 |
DVBl. 2011, 92 |
GV/RP 2011, 262 |
GuT 2011, 117 |
KomVerw/LSA 2011, 119 |
AuUR 2011, 108 |
AuUR 2011, 269 |
BGBl. I 2010, 2329 |
FuBW 2011, 217 |
FuHe 2011, 316 |
KomVerw/B 2011, 116 |
KomVerw/MV 2011, 118 |
KomVerw/S 2011, 116 |
KomVerw/T 2011, 117 |