Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 27.12.2012; Aktenzeichen II-1 UF 212/12) |
AG Düsseldorf (Beschluss vom 16.07.2012; Aktenzeichen 269 F 69/12) |
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für seinen Sohn auf die Kindesmutter.
1. Aus der Ehe der Kindeseltern ist ein im Jahr 2010 geborener gemeinsamer Sohn hervorgegangen. Im April 2011 trennten sich die Eltern. Seither lebt das Kind mit seiner Mutter in einem Haushalt. Zwischen den Eltern bestehen seit der Trennung erhebliche Streitigkeiten und Konflikte. Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde zunächst den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet. Im Rahmen des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens wurde – im Einverständnis mit den Eltern – die vorläufige Regelung wieder aufgehoben und bestimmt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.
a) Einige Monate später wurde der Mutter auf ihren Antrag hin durch Beschluss des Amtsgerichts das Sorgerecht für den Sohn zur alleinigen Ausübung übertragen. Das Gericht ging nach den Ermittlungen in diesem Verfahren davon aus, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
b) Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. Dezember 2012 wurde die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter seien gegeben. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge, die der Vater mit seiner Beschwerde erstrebe, setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Daran fehle es hier. Aus dem beiderseitigen Vortrag der Eltern ergebe sich, dass ihre Erziehungsvorstellungen erheblich voneinander abwichen. Insbesondere in der Bedeutung ihrer Religionszugehörigkeit unterschieden sich die Vorstellungen auch nach dem Vortrag des Antragstellers gravierend. Diese grundsätzlichen Unterschiede zeigten bereits erste Folgen in konkreten Kindesangelegenheiten, nämlich bei der Frage der Beschneidung des Kindes und der Ausstellung von Ausweispapieren. Auch wenn die Auswirkungen bislang noch gering erschienen, spreche alles dafür, dass in Zukunft weiterhin die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern ein Miteinander zum Wohl des Kindes nicht zuließen, sondern zu Streitigkeiten führten, in denen das Kind zum Objekt des Streites werde. Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung und mangelnden Kooperationsbereitschaft erscheine zumindest auf absehbare Zeit eine gemeinsame Elternberatung oder Mediation nicht erfolgversprechend. Die so beschriebene Situation sei auf Dauer dem Wohl des Kindes abträglich. Sei die gemeinsame Sorge der Eltern aufzuheben, komme nur die Übertragung des Sorgerechts auf seine Mutter in Betracht. Für das Kind sei die Mutter seit seiner Geburt und ganz besonders seit der Trennung vom Vater die Hauptbezugsperson.
2. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt der Antragsteller zur Abwehr schwerer Nachteile (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) die Aussetzung der Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts. Die schweren Nachteile bestünden darin, dass dem Kind durch die Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts ein Elternteil entzogen und damit auch der Schutz durch diesen vor Eingriffen in seine Grundrechte genommen sei.
Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus, zwischen den Eltern bestünden Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Religion, hier insbesondere bezüglich der Frage, ob der minderjährige Sohn beschnitten werden solle oder nicht. Ausweislich der Entscheidung des Landgerichts Köln (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 – 151 Ns 169/11 –, juris) stelle die Beschneidung eines kleinen Jungen eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 in Verbindung mit § 224 Abs. 1 StGB dar. Damit bedürfe es auch im Rahmen der ausnahmsweisen Straffreistellung der Elternteile bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen einer gründlichen elterlichen Überlegung, ob sie ihrem Kind diese schmerzhaften Verletzungen im Kleinkindalter zumuten wollten oder ob hiermit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten sei. Bei Eltern, die diesbezüglich gegensätzliche Auffassungen hätten, sei eine Rechtfertigung dieser gefährlichen Körperverletzung zu verneinen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts diene damit lediglich dazu, in die körperliche Unversehrtheit des Kleinkindes einzugreifen, indem es des Schutzes durch den sorgeberechtigten Vater beraubt werde.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch dann nicht dringend geboten, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege, insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 17, 120 ≪122≫; 21, 50 ≪51≫; 29, 120 ≪125≫; 35, 379 ≪380≫; 37, 150 ≪151≫). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller kann zunächst (einstweiligen) Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren suchen.
Der Antragsteller erstrebt beim Bundesverfassungsgericht die Aussetzung der fachgerichtlichen Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung, um zu verhindern, dass die Kindesmutter in Ausübung ihres alleinigen Sorgerechts die aus seiner Sicht kindeswohlgefährdende Beschneidung des Kindes vornehmen lässt.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 27. Dezember 2012 wäre die Vornahme der Beschneidung des Kindes unter Zugrundelegung der im Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 – 151 Ns 169/11 –, juris) vertretenen Auffassung strafbar und der Mutter daher nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Mit dem nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 28. Dezember 2012 in Kraft getretenen Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (BGBl I 2012 S. 2749), wonach „§ 1631d – Beschneidung des männlichen Kindes” in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurde, hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschneidung von männlichen Kindern ausdrücklich eine gesetzliche Regelung erfahren. Danach könnte die Mutter als alleinige Personensorgeberechtigte im Rahmen der Ausübung der Gesundheitssorge gemäß § 1631d Abs. 1 Satz 1 BGB nunmehr grundsätzlich die Beschneidung des Kindes veranlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es vorliegend zu einer vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes kommt, dürfte damit gestiegen sein.
Vor diesem Hintergrund ist eine fachgerichtliche Entscheidung über eine einstweilige Verhinderung der vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes nicht unerreichbar. So könnte der Antragsteller nach § 166 FamFG, §§ 1696, 1671 BGB eine vorläufige Abänderung der Sorgerechtsentscheidung – zumindest in dem für die Beschneidung relevanten Teilbereich der Gesundheitssorge – beantragen. Ferner könnte er bei den Fachgerichten eine Prüfung nach § 1666 BGB mit dem Ziel veranlassen, einstweilen zu verhindern, dass die Mutter die Beschneidung des Kindes vornehmen lässt. Über den Erfolg solcher Anträge müssen zunächst die Fachgerichte nach der aktuellen geltenden Rechtslage entscheiden. Es ist dem Antragsteller auch zumutbar, vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen, da sich aus seinem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die Beschneidung des mittlerweile zweieinhalbjährigen Kindes unmittelbar bevorsteht.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Britz
Fundstellen