Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Wortberichterstattung über einen Verkehrsverstoß, die zudem mit dem Abdruck eines Portraitfotos verbunden war.
I.
1. Die Beklagte hatte in einer von ihr verlegten Tageszeitung die Meldung verbreitet, der Beschwerdeführer sei wegen einer erheblichen Überschreitung der auf französischen Autobahnen vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit durch ein französisches Gericht zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt worden. Dem Bericht war eine kontextneutrale Portraitaufnahme des Beschwerdeführers beigegeben worden.
Die erstinstanzlich noch erfolgreiche Unterlassungsklage des Beschwerdeführers hat das Kammergericht in seinem Urteil (veröffentlicht in NJW 2004, S. 3637 ff.) zurückgewiesen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Revisionsurteil (veröffentlicht in NJW 2006, S. 599 ff.) bestätigt. Eine den Täter unter Namensnennung oder Beigabe eines Lichtbilds identifizierende Berichterstattung über Ordnungswidrigkeiten oder leichte und mittlere Straftaten sei nicht schlechterdings ausgeschlossen. Sie komme in Betracht, wenn die Art der Tat oder die Person und Stellung des Täters ein besonderes Informationsinteresse begründe. Ein derartiges Informationsinteresse folge hier bereits aus der Tat des Beschwerdeführers. Gegenstand der Berichterstattung sei eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Autobahn und damit eine krasse Missachtung bestehender Regeln gewesen, die zudem ein erhebliches Gefährdungspotential gehabt habe. Die Presse sei berechtigt, die Öffentlichkeit über derart unverantwortliche Verhaltensweisen zu informieren. Zutreffend habe das Berufungsgericht auch auf Herkunft und Stellung des Beschwerdeführers sowie darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer schon wegen seines bisherigen Verhaltens in der Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse an seiner Person auf sich gezogen habe. Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits mehrfach durch von ihm verübte Tätlichkeiten und anderes Fehlverhalten zum Gegenstand einer Medienberichterstattung geworden sei. Auch habe er in seiner Funktion als herausgehobener Angehöriger eines bedeutenden Adelshauses eine Aufsehen erregende Klage auf Restitution von auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik enteigneter Vermögenswerte erhoben. Zudem stehe auch die prominente Ehefrau des Beschwerdeführers ständig im Lichte der Öffentlichkeit. Dem hieraus folgenden erheblichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das sich etwa auch daran zeige, dass der Vorfall keineswegs nur von der Boulevardpresse aufgegriffen worden sei, stehe kein durchschlagendes Interesse des Beschwerdeführers entgegen. Die Berichterstattung sei für ihn allenfalls lästig oder peinlich, habe aber eine erhebliche Belastung, Stigmatisierung oder Ausgrenzung nicht zur Folge gehabt.
Unter diesen Umständen sei auch die Veröffentlichung eines Lichtbilds des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Die Verbreitung einer kontextneutralen Portraitaufnahme des ohnedies weithin bekannten Klägers habe keinen zu einer identifizierenden Wortberichterstattung eigenständigen Verletzungseffekt zur Folge.
Auch eine Berücksichtigung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24. Juni 2004 zu dem Beschwerdeverfahren 59320/00 (veröffentlicht in NJW 2004, S. 2647) führe zu keiner dem Beschwerdeführer günstigen Beurteilung. Nach dieser Rechtsprechung sei zu unterscheiden zwischen einer Wahrnehmung der Funktion der Presse, durch Berichterstattung einen Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse für die Gesellschaft zu leisten, und einer Darstellung von Einzelheiten des Privatlebens des Einzelnen, die allein der Befriedigung der Neugier des Publikums diene. Nach diesem Maßstab könne eine identifizierende Berichterstattung über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten durchaus geeignet sein, eine Diskussion über Fragen von allgemeinem Interesse anzuregen. Gegenstand der Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft könne es hierbei auch sein, dass sich eine in der Öffentlichkeit bekannte Person über bestehende Regeln in krasser Weise hinweggesetzt habe.
2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen. Eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters innerhalb einer Berichterstattung über Straftaten komme außer bei schweren und Aufsehen erregenden Taten allenfalls dort in Betracht, wo der Täter etwa wegen seiner beruflichen Tätigkeit in besonderer Beziehung zu dem Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs stehe. Den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Auslegung der Gewährleistungen der Art. 8 und 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) aufgestellten Maßstäben werde es nicht gerecht, eine Berichterstattung über eine Vorgang aus dem Privatleben des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Bekanntheit des Beschwerdeführers zu rechtfertigen, obwohl dieser nie von sich aus die Medienöffentlichkeit gesucht habe.
II.
Die Beschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. Auch ist die Annahme der Beschwerde nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt. Die Beschwerde bietet in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers nicht.
Der Abweisung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs liegt eine Anwendung einfachen Rechts durch die Fachgerichte zugrunde. Diese wird vom Bundesverfassungsgericht allein darauf überprüft, ob die Gerichte die Bedeutung und Tragweite der von ihrer Entscheidung berührten Grundrechte unrichtig oder unvollkommen bestimmt oder ihr Gewicht unzutreffend eingeschätzt haben (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪93≫, 101, 361 ≪388≫; stRspr). Danach lassen sich die angegriffenen Entscheidungen nicht beanstanden.
1. Die Gerichte haben berücksichtigt, dass eine Berichterstattung über eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters eine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters darstellen kann, weil sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪226≫). Der Schutzanspruch des Persönlichkeitsrechts gegenüber einer Berichterstattung über eine Verurteilung des Betroffenen zu Strafe oder Geldbuße ist nicht erst dort betroffen, wo die Berichterstattung stigmatisierende Auswirkungen hat und eine soziale Isolierung des Betroffenen droht. Auch eine Berichterstattung über leichtere Verfehlungen ist geeignet, das soziale Ansehen des Betroffenen zu mindern und kann damit das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen.
2. Bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse an einer Berichterstattung über Straftaten oder ähnliche Verfehlungen und den Belangen des Persönlichkeitsschutzes verdient für die tagesaktuelle Berichterstattung das Informationsinteresse im Allgemeinen dennoch den Vorrang (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪231 f.≫). Allerdings muss die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts im angemessenen Verhältnis zur Schwere des Fehlverhaltens und seiner sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass ein an sich geringes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über leichte Verfehlungen durch Besonderheiten etwa in der Person des Täters oder des Tathergangs aufgewogen werden kann (vgl. OLG München, NJW-RR 2003, S. 111). Für die Gewichtung kann dabei auch bedeutsam werden, ob Gegenstand der Berichterstattung ein noch laufendes Ermittlungsverfahren ist, so dass auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪232 f.≫). Auch gewinnt mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren der Anspruch des Betroffenen zunehmende Bedeutung, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪233 f.≫; vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 25. Mai 2004, Beschwerde-Nr. 57597/00, Österreichischer Rundfunk gegen Österreich). Ferner ist zu berücksichtigen, dass aus dem Faktum der Prominenz oder öffentlichen Bekanntheit des Betroffenen allein noch nicht ein normativ schutzwürdiges Interesse an einer umfassenden Information der Öffentlichkeit über sein Verhalten folgt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2001, NJW 2001, S. 1921 ≪1922≫). Für die Abwägung bedeutsam wird auch, in welchem Umfang eine Berichterstattung allein der Befriedigung von Neugier des Publikums dient oder auch einen Beitrag zu Fragen leistet, welche die Öffentlichkeit mit Rücksicht auf eine für die Demokratie wichtige öffentliche Meinungsbildung wesentlich angehen (vgl. BVerfGK 1, 285 ≪288≫).
Die angegriffenen Entscheidungen lassen sich nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Ihr Gegenstand war eine zeitnahe Berichterstattung über eine Verurteilung des Beschwerdeführers. Weder die Unschuldsvermutung noch der Anspruch des Beschwerdeführers auf Schutz vor Reaktualisierung einer länger zurückliegenden Verfehlung ist berührt. Es ist verfassungsrechtlich ebenso nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte der Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein französisches Gericht wegen einer erheblichen Verkehrsverfehlung bereits aus sich heraus Informationswert für die Öffentlichkeit beigemessen haben. Die Gerichte durften dabei würdigen, dass ein besonders krasser Verkehrsverstoß vorgelegen hat und die mit einem solchen Verhalten einhergehende abstrakte Gefährdung von Personen in die Abwägung einstellen. Die Zulässigkeit einer Namensnennung des Beschwerdeführers haben die Gerichte mit nicht zu beanstandenden Erwägungen maßgeblich daraus hergeleitet, dass der Beschwerdeführer bereits zuvor mehrfach durch eigenes Fehlverhalten die Aufmerksamkeit der Medienöffentlichkeit auf sich gezogen habe. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem bedeutenden Adelshaus eine hervorgehobene Position im gesellschaftlichen Leben einnimmt. Auf nachvollziehbaren Erwägungen beruht es deshalb ebenfalls, wenn der Bundesgerichtshof der angegriffenen Berichterstattung unbeschadet ihrer eher unterhaltenden äußeren Aufmachung einen greifbaren inhaltlichen Beitrag zur Diskussion von für die Öffentlichkeit wesentlichen Fragen entnommen hat. Es stellt eine keineswegs fern liegende Erwägung dar, dass eine Sachdebatte etwa über Fragen der Verkehrssicherheit oder des angemessenen Verhaltens im Straßenverkehr auch durch eine Berichterstattung angestoßen werden kann, die einen gravierenden Verkehrsverstoß einer in der Öffentlichkeit bekannten Person zum Gegenstand hat.
Im Hinblick auf diese Bekanntheit des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist es dabei auch, wenn die Gerichte der Beigabe eines Lichtbilds des Beschwerdeführers hier keinen ins Gewicht fallenden zusätzlichen Verletzungseffekt entnommen haben. Es ist eine Frage der einzelfallbezogenen Beurteilung, ob eine Wortberichterstattung oder die sie begleitende Bildberichterstattung die schwerwiegenderen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts mit sich bringt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. April 2000, – 1 BvR 2479/97 u.a. –, NJW 2000, S. 2194 ≪2195≫). Wird durch Verwendung einer kontextneutralen Portraitaufnahme einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens dessen ohnedies weithin bekanntes Erscheinungsbild nur nochmals ins Gedächtnis gerufen, wiegt dies deutlich weniger schwer als eine Verbreitung solcher Aufnahmen, die etwa zusätzlichen Aufschluss über Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten des Betroffenen bieten oder ihrem Kontext entfremdet worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2001 – 1 BvR 758/97 u.a. –, NJW 2001, S. 1921 ≪1924≫).
Keiner Entscheidung bedarf, unter welchen Voraussetzungen und auf welchem Wege ein Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend machen kann, die innerstaatlichen Gerichte seien von einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Auslegung der Gewährleistungen der EMRK abgewichen (vgl. dazu BVerfGE 111, 307 ≪323 ff.≫). Für eine solche Abweichung ist nichts erkennbar. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 (Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Bundesrepublik, NJW 2004, S. 2647 ff.) hatte eine Veröffentlichung von Einzelheiten des Privatlebens Prominenter durch Massenmedien zum Gegenstand, von der aus der Sicht des EGMR keinerlei Beitrag zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses ausging (vgl. dort Rn. 60).
Wie bereits in dem angegriffenen Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs aufgezeigt worden ist, kann die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedeutsame Funktion der Presse als “Wachhund der Öffentlichkeit” (vgl. EGMR vom 17. Dezember 2004, Beschwerde-Nr. 49017/99, Pedersen und Baadsgaard gegen Dänemark Rn. 71; EGMR vom 24. Februar 1997, Beschwerde-Nr. 19983/92, De Haes und Gijsels gegen Belgien, Rn. 37.) auch berührt sein, wenn die Berichterstattung eine Verfehlung ohne engeren Bezug zum politischen Leben zum Gegenstand hat (vgl. zuletzt EGMR vom 25. April 2006, Beschwerde-Nr. 77551/01, Dammann gegen Schweiz, Rn. 54; EGMR vom 24. November 2005, Beschwerde-Nr. 53886/00, Tourancheau und July gegen Frankreich, Rn. 66). Die von Art. 10 EMRK gewährleistete Freiheit, Informationen weiterzugeben, kann allerdings gegenüber dem Persönlichkeitsinteresse im Zuge der Abwägung zurücktreten, wenn eine Gerichtsberichterstattung keinerlei Beitrag zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse für das Publikum leistet (vgl. EGMR vom 24. November 2005, Beschwerde-Nr. 53886/00, Tourancheau und July gegen Frankreich, Rn. 74). Nicht erkennbar ist jedoch, dass es auf fehlsamen Erwägungen beruht, wenn der Bundesgerichtshof hier in einer identifizierenden Berichterstattung über die Verfehlung des Beschwerdeführers einen möglichen Anstoß für eine solche Sachdebatte gesehen hat.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem
Fundstellen