Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen fehlender Erfolgsaussichten der angestrebten Revision.
I.
1. Das Sozialgericht wies eine Klage des Beschwerdeführers wegen der Verhängung einer Sperrzeit und der Bemessung von Leistungen des Arbeitsförderungsrechts ab. Dabei bezog es einen zwischenzeitlich ergangenen und den Streitgegenstand betreffenden ablehnenden Überprüfungsbescheid nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht in das Verfahren ein, weil es von ihm nichts erfahren hatte. Erst das Landessozialgericht entschied gemäß § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 96 Abs. 1 SGG auch über diesen Bescheid. Insoweit wies es die Klage ab, im Übrigen die Berufung zurück. Die Revision ließ es nicht zu.
2. Der Beschwerdeführer beantragte beim Bundessozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Berufungsurteil (§ 160a Abs. 1 Satz 1 SGG). Er rügte unter anderem die Einbeziehung des Überprüfungsbescheides als Verfahrensfehler (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG).
Das Bundessozialgericht lehnte seinen Antrag durch den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss ab. Es könne offen bleiben, ob das Landessozialgericht den Überprüfungsbescheid nach § 96 Abs. 1 SGG auch gegen den Willen des Beschwerdeführers habe einbeziehen und insoweit die Klage abweisen dürfen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde erstrecke sich nämlich auch “auf den mit dem Rechtsstreit verfolgten Anspruch” unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung. Im Falle des Beschwerdeführers könne aber eine Revision, würde sie nachträglich zugelassen, nicht zum Erfolg führen. Der Überprüfungsbescheid sei rechtens.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung seines Rechts auf effektiven und gleichen Rechtsschutz. Die Ansicht des Bundessozialgerichts, Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde sei nur dann zu gewähren, wenn auch die erstrebte spätere Revision Aussicht auf Erfolg habe, überspanne die Anforderungen. Es sei einer Partei auch nicht zumutbar, in ihrem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde Ausführungen sowohl zu den Zulassungsgründen als auch zu den Revisionsgründen zu machen. Dies müsse einer späteren Revisionsbegründung vorbehalten bleiben.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gerichte bei der Anwendung des Prozesskostenhilferechts sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪357≫; 92, 122 ≪124≫). Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
1. Der angegriffene Beschluss des Bundessozialgerichts verletzt nicht das Recht auf effektiven und gleichen Rechtsschutz, das für die öffentlichrechtliche Gerichtsbarkeit aus Art 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet wird.
a) Dieses Recht gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 67, 245 ≪248≫; 78, 104 ≪117 f.≫). Gefordert ist keine völlige Gleichstellung. Der Unbemittelte muss nur einem solchen Bemittelten gleich gestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das – endgültige – Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪357 f.≫).
Diesen Anforderungen genügt es, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪357≫). Jedoch überschreiten die Fachgerichte ihren Entscheidungsspielraum, wenn sie die Anforderungen an das Vorliegen einer Erfolgsaussicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlen (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪356 ff.≫; BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 2003, S. 3190 ≪3191≫). Auch die Gerichte dürfen den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer oder aus Sachgründen nicht gerechtfertigter – also in unverhältnismäßiger – Weise ausschließen oder erschweren (vgl. BVerfGE 69, 381 ≪385 f.≫).
b) Nach diesen Grundsätzen ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde davon abhängig zu machen, dass auch die beabsichtigte Revision hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Auch ein bemittelter, vernünftiger Beteiligter würde einen solchen Zulassungsrechtsbehelf nicht erheben, wenn er absähe, dass er mit dem zugelassenen Hauptrechtsmittel keinen Erfolg haben kann (vgl. BSG, SozR 1750 § 114 Nr. 5, S. 6). Der Anspruch auf Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt und der allgemeine Justizgewährungsanspruch sind auf die Verwirklichung des materiellen Rechts bezogen.
Kann ein Prozessbeteiligter letztlich mit seinem Begehren in der Sache keinen Erfolg haben und wird ihm deshalb Prozesskostenhilfe für einen vorgeschalteten, möglicherweise Erfolg versprechenden Rechtsbehelf versagt, so steht dies mit dem Grundgesetz in Einklang. Die Ansicht des Bundessozialgerichts schützt den Prozessgegner vor einer nicht angezeigten Verfahrensverlängerung und vermeidbaren Kosten. Sie verhindert auch, dass die Rechtspflege unnötig in Anspruch genommen wird. Letztlich schützt sie den Betroffenen selbst, denn sie verhindert, dass er nach einem Misserfolg der Revision trotz Bewilligung der Prozesskostenhilfe Kosten tragen muss (vgl. § 123 ZPO; vgl. auch HessVGH, NJW 1998, S. 553 ≪554≫).
c) Aus dem dargestellten Verbot überspannter Anforderungen folgt allerdings, dass das Gericht nur die Erfolgsaussichten solcher Rechtsmittel überprüfen kann, über die es selbst entscheidet, weil es über die Tatsachenbeurteilung und die Rechtsauffassung anderer Gerichte keine Kenntnis hat. Auch sind die Erfolgsaussichten des weiteren Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, bereits dann zu bejahen, wenn der Erfolg des Antragstellers lediglich offen ist (vgl. BVerfGE 81, 347 ≪357≫; vgl. BFH, VIII S 4/04 [PKH] vom 4. Mai 2004, JURIS). An den Vortrag dürfen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Im Einzelfall kann es verfassungsrechtlich bedenklich sein, ein Prozesskostenhilfegesuch deshalb abzulehnen, weil der Antragsteller nicht ausreichend zu den Erfolgsaussichten auch des weiteren Rechtsmittels vorgetragen hat.
Diesen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss gerecht. Der erkennende Senat des Bundessozialgerichts wäre selbst zur Entscheidung über die Revision, deren Erfolgsaussichten er geprüft hat, berufen gewesen. Er hat nicht auf einen ungenügenden Vortrag des Beschwerdeführers abgestellt, sondern die beabsichtigte Revision in der Sache geprüft und die Erfolgsaussicht verneint.
2. Es ist nach keiner Richtung hin ersichtlich, dass das Bundessozialgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot willkürlicher Gerichtsentscheidungen (vgl. BVerfGE 83, 82 ≪84≫; 89, 1 ≪14≫) verstoßen hat. Seine Entscheidung ist auf eine gesetzliche Grundlage, die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO, gestützt. Nach dem Wortlaut des § 114 Satz 1 ZPO kommt es auf die Erfolgsaussichten der “beabsichtigten Rechtsverfolgung” an. Hierunter kann ohne Weiteres eine materielle Erfolgsaussicht des Begehrens insgesamt verstanden werden und nicht nur die Erfolgsaussicht des auf die Zulassung der Revision gerichteten Rechtsbehelfs. Es ist auch zumindest gut vertretbar, als “Rechtszug” im Sinne des § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO jeweils das gesamte Verfahren in einer Instanz zu verstehen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Zulassungsgrund des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG, auf den sich der Beschwerdeführer berufen hatte, voraussetzt, dass das angegriffene Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, ein solches Beruhen zu verneinen, wenn ein Beschwerdeführer trotz eines Verfahrensfehlers letztlich in der Sache nicht obsiegen kann.
3. Im Übrigen wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
NJW 2006, 496 |
NVwZ 2005, 1418 |
ZAP 2006, 1179 |