Verfahrensgang
Tenor
Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Der Antrag der Beschwerdeführer zu I. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt D. wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen als Folge der Zerstörung einer Brücke in der serbischen Stadt Varvarin am 30. Mai 1999 während der gegen die Föderative Republik Jugoslawien geführten Luftoperation „Allied Force” der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO).
I.
1. Der Konflikt zwischen Serben und Albanern um das Kosovo erreichte im Jahr 1998 einen gewaltsamen Höhepunkt und hatte bis zum Herbst dieses Jahres zahlreiche Todesopfer gefordert und mehrere hunderttausend Menschen zu Flüchtlingen gemacht (vgl. die Berichte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vom 4. September 1998, UN Doc. S/1998/834 und vom 3. Oktober 1998, UN Doc. S/1998/912). Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte beide Konfliktparteien wiederholt zu einem Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen und zum politischen Dialog auf und verlangte insbesondere von der Föderativen Republik Jugoslawien, ihre Sicherheitskräfte zurückzuziehen und die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen (vgl. die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 31. März 1998, UN Doc. S/RES/1160 ≪1998≫ und vom 23. September 1998, UN Doc. S/RES/1199 ≪1998≫). Die NATO verlieh diesen Forderungen Nachdruck, indem sie zunächst begrenzte und in Phasen durchzuführende Luftoperationen androhte und im Oktober 1998 die entsprechenden Aktivierungsbefehle erteilte (vgl. die Erklärungen des NATO-Generalsekretärs vom 24. September 1998 und vom 13. Oktober 1998, abgedruckt in Krieger ≪Hrsg.≫, The Kosovo Conflict and International Law, 2001, S. 289). Daraufhin erklärte sich der serbische Präsident dem Sondergesandten der Vereinten Nationen gegenüber zu einem Waffenstillstand sowie einem Truppenrückzug bereit und akzeptierte eine Beobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (UN Doc. S/1998/953, Annex). Außerdem stimmte die Föderative Republik Jugoslawien der Luftraumüberwachungsoperation „Eagle Eye” der NATO zu, mit der die Befolgung der Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 23. September 1998 überwacht werden sollte (UN Doc. S/1998/991, Annex). Weitere Gewaltausbrüche und Vertreibungen konnten durch diese Maßnahmen jedoch nicht verhindert werden. Der Nordatlantikrat der NATO ermächtigte den NATO-Generalsekretär im Januar 1999 daher dazu, zur Abwendung einer humanitären Katastrophe nötigenfalls Luftschläge gegen Ziele auf dem Gebiet der Föderativen Republik Jugoslawien anzuordnen (Presseerklärung 1999 ≪12≫ vom 30. Januar 1999, abgedruckt in Krieger ≪Hrsg.≫, a.a.O., S. 256). Nachdem die im Februar und März 1999 geführten Friedensverhandlungen in Rambouillet und Paris vom serbischen Präsidenten abgebrochen worden waren, beauftragte der NATO-Generalsekretär den Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) damit, Luftschläge gegen die Föderative Republik Jugoslawien einzuleiten mit dem Ziel, die gewaltsamen Angriffe durch serbische Polizei und Armee zu beenden (Presseerklärung 1999 ≪40≫ vom 23. März 1999, abgedruckt in Krieger ≪Hrsg.≫, a.a.O., S. 304).
2. Der Deutsche Bundestag stimmte der Beteiligung der Bundeswehr an der Luftoperation „Allied Force” mit Aufklärungsflugzeugen und Flugzeugen zur elektronischen Kampfaufklärung (sog. ECR-Tornados) am 16. Oktober 1998 zu (vgl. BTDrucks 13/11469; Plenarprotokoll Nr. 13/248 der 248. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober 1998, S. 23161 B; ausführlich hierzu BVerfGE 100, 266 ≪267≫). Während der Operation waren diese Flugzeuge damit betraut, den Luftraum aufzuklären sowie das gegnerische Flugabwehrradar zu erkennen und zu bekämpfen.
3. Zwei Kampfflugzeuge der NATO griffen am 30. Mai 1999 zur Mittagszeit die über den Fluss Morawa führende Brücke in der serbischen Stadt Varvarin in zwei Angriffswellen an und zerstörten sie durch den Beschuss mit insgesamt vier Raketen. Infolge dieses Angriffs wurden zehn Menschen getötet und 30 verletzt, 17 davon schwer, wobei es sich durchweg um Zivilpersonen handelte. Flugzeuge der Bundesrepublik Deutschland waren an der Zerstörung der Brücke nicht unmittelbar beteiligt, befanden sich jedoch am Tag des Angriffs im Einsatz.
4. Die Beschwerdeführer sind serbische Staatsangehörige, die die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz oder Entschädigung sowie Schmerzensgeld wegen der Tötung ihrer Angehörigen oder der Verletzungen, die sie bei der Zerstörung der Brücke erlitten haben, in Anspruch nehmen. Ob und inwieweit die am 30. Mai 1999 eingesetzten deutschen Aufklärungsflugzeuge auch den Angriff auf die Brücke von Varvarin abgesichert haben, ist zwischen den Beschwerdeführern und der Bundesrepublik Deutschland im fachgerichtlichen Verfahren streitig geblieben.
a) Das Landgericht Bonn wies die Klage der Beschwerdeführer mit dem angegriffenen Urteil vom 10. Dezember 2003 (NJW 2004, S. 525 f.) ab, denn die geltend gemachten Ansprüche fänden weder im Völkerrecht noch im deutschen Staatshaftungsrecht eine Grundlage.
Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen eines völkerrechtlichen Delikts ergäben sich weder unmittelbar aus dem Völkerrecht noch in Verbindung mit Art. 25 GG. Es existierten keine Normen des Völkerrechts, die den Beschwerdeführern als Individuen durchsetzbare Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld einräumten. Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als zwischenstaatliches Recht verstehe den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewähre nur mittelbaren Schutz durch den Heimatstaat. Eine bedeutsame Ausnahme hierzu sei die Europäische Menschenrechtskonvention, auf die sich die Beschwerdeführer jedoch nicht berufen könnten (vgl. EGMR, Entscheidung der Großen Kammer vom 12. Dezember 2001, Beschwerde Nr. 52207/99, NJW 2003, S. 413 ≪414 ff.≫). Im Übrigen fehle es an einem vertraglichen Schutzsystem, das den Beschwerdeführern individuelle Rechte einräume und ein Verfahren zu ihrer Durchsetzung schaffe. Dies gelte gleichermaßen für das Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (IV. Haager Abkommen – RGBl 1910 S. 107), das Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 (BGBl 1956 II S. 1586), das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8. Juni 1977 (Protokoll I – BGBl 1990 II S. 1551) und das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 (BGBl 1961 II S. 1190).
Den Beschwerdeführern stünden auch keine Ansprüche aus dem deutschen Staatshaftungsrecht zu. Das Völkerrecht schließe zwar nicht aus, dass das nationale Recht eines Staates dem Verletzten einen Anspruch außerhalb völkerrechtlicher Verpflichtungen gewähre. Dies sei nach deutschem Recht derzeit aber nicht der Fall. Unmittelbar aus den Grundrechten ließen sich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht ableiten, weil diese derartige Rechtsfolgen grundsätzlich nicht begründeten. Das deutsche Staatshaftungsrecht sei schließlich im Rahmen von bewaffneten Konflikten nicht anwendbar, weil es durch die Regeln des internationalen Kriegsrechts überlagert werde.
b) Das Oberlandesgericht Köln wies die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil vom 28. Juli 2005 (NJW 2005, S. 2860 ff.) zurück. Ihnen stünden weder Ansprüche nach Völkerrecht noch nach deutschem Recht zu.
Soweit die Beschwerdeführer ihre Ansprüche unmittelbar auf das humanitäre Völkerrecht stützten, vor allem auf Art. 3 des IV. Haager Abkommens und Art. 91 des Protokolls I, jeweils in Verbindung mit den dem Zivilschutz dienenden Regelungen des humanitären Völkerrechts, entspreche es jedenfalls gegenwärtig noch der völkerrechtlich vorherrschenden Meinung, dass die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als zwischenstaatliches Recht den Einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt verstehe, sondern ihm nur mittelbaren Schutz durch den Heimatstaat gewähre.
Ansprüche aus den Grundrechten schieden aus, weil diese keine Anspruchsgrundlage darstellten und es im Übrigen an einer speziellen anspruchsbegründenden Norm fehle. Ein Anspruch aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG sei ebenso wenig gegeben. Zwar sei das deutsche Staatshaftungsrecht grundsätzlich anwendbar. Der Bundesrepublik Deutschland seien jedoch keine Handlungen zuzurechnen, die sich als Amtspflichtverletzung darstellten. Den Angriff habe sie unstreitig nicht geführt; eine Zurechnung komme nur in Betracht, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Verantwortlichkeit nach § 830 BGB als Mittäterin oder Gehilfin träfe. Selbst wenn die deutschen Aufklärungsflugzeuge den Angriff auf die Brücke von Varvarin abgesichert hätten, wäre der Bundesrepublik Deutschland eine derartige unterstützende Hilfsleistung nicht vorwerfbar. Denn es sei nicht erkennbar, dass ihre Unkenntnis von der unterstützten Handlung – der Zerstörung der Brücke – zumindest auf Fahrlässigkeit beruht habe. Die Beschwerdeführer haben weder dargelegt noch sei sonst ersichtlich, dass der Bundesrepublik Deutschland bekannt gewesen sei, dass die Brücke von Varvarin an dem fraglichen Tag überhaupt angegriffen werden sollte. Nach der von der Beklagten im Einzelnen dargelegten „need-to-know-Regel” habe jeder Mitgliedstaat der NATO nur über die Kenntnisse verfügt, über die er zur Wahrnehmung seiner Aufgaben verfügen musste. Eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland scheide auch insoweit aus, als diese – ein Vetorecht unterstellt – nicht verhindert habe, dass die Brücke von Varvarin in die Ziellisten der Luftoperationen aufgenommen worden sei. Ein derartiges Vetorecht hätte außen- und verteidigungspolitischen Charakter, für dessen Ausübung der Bundesregierung ein grundsätzlich nicht justiziabler Beurteilungs- und Ermessenspielraum zustehe, sofern die Entscheidung nicht offensichtlich willkürlich oder offensichtlich völkerrechtswidrig sei. Brücken seien jedoch abstrakt stets potentielle militärische Ziele, weswegen die Nichtausübung des Vetorechts gegen die Aufnahme der Brücke von Varvarin in die Zielliste jedenfalls nicht offenkundig willkürlich oder völkerrechtswidrig gewesen sei.
c) Der Bundesgerichtshof wies die hiergegen gerichtete Revision der Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil vom 2. November 2006 (BGHZ 169, 348 ff.) zurück.
Die geltend gemachten Ansprüche könnten auf völkerrechtlicher Ebene weder auf Art. 3 des IV. Haager Abkommens noch auf Art. 91 des Protokolls I gestützt werden. Ungeachtet eines möglichen primärrechtlichen Individualanspruchs auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts, stünden aus diesen Normen folgende Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche nach wie vor allein dem Heimatstaat zu. Andere völkerrechtliche Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG sei nicht erforderlich, weil ein völkerrechtlicher Individualanspruch in der Praxis internationaler und nationaler Gerichte nicht eindeutig bejaht werde und es auch sonst keine Hinweise darauf gebe, dass solche individuellen Schadensersatzansprüche gegen den Verletzerstaat in der völkerrechtlichen Praxis anerkannt worden wären.
Auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG bestehe nicht. Es könne offen bleiben, ob das deutsche Amtshaftungsrecht überhaupt Anwendung finde, denn ein Anspruch scheitere jedenfalls daran, dass im Zusammenhang mit dem Luftangriff auf die Brücke von Varvarin keine Amtspflichtverletzungen deutscher Amtsträger – im Sinne schuldhafter Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht – vorlägen. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt fehle es bei den Angehörigen der Streitkräfte, die an der Luftraumüberwachung beteiligt waren, an dem nach § 830 BGB erforderlichen Vorsatz. Es sei weder festgestellt noch von den Beschwerdeführern unter Beweisangebot vorgetragen, dass die deutschen Stellen von einem Angriff auf die Zivilbevölkerung oder jedenfalls einem „unterschiedslosen Angriff” gewusst hätten. Ferner sei der der Beklagten vom Oberlandesgericht zugebilligte weite Beurteilungsspielraum bei der Erstellung der Zielliste, der erst bei völliger Unvertretbarkeit und offensichtlicher Völkerrechtswidrigkeit überschritten sei, nicht zu beanstanden. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass in einzelnen hoheitlichen Bereichen den zuständigen Stellen bei bestimmten Maßnahmen Beurteilungsspielräume zustünden, deren Wahrnehmung im Amtshaftungsprozess nicht uneingeschränkt auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen sei. Die Aufnahme der Brücke von Varvarin in die Zielliste habe sich im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums gehalten, weil die Infrastruktur eines Staates wie Straßen, Brücken, Fernmeldeeinrichtungen traditionell zu den militärischen Zielen gezählt werde. Jedenfalls im Zeitpunkt der Aufnahme in die Zielliste sei diese Einschätzung nicht offensichtlich unvertretbar oder offensichtlich völkerrechtswidrig gewesen. Schließlich hafte nicht jeder NATO-Mitgliedstaat unabhängig von seinem konkreten Beitrag für die Folgen einer gemeinschaftlichen NATO-Operation. Es könne offen bleiben, wie dies für völkerrechtliche Ansprüche zu beurteilen wäre; für Ansprüche nach deutschem Recht komme dies wegen der personalen Konstruktion der Amtshaftung nicht in Betracht.
d) Die von den Beschwerdeführern zu II. erhobene Anhörungsrüge wies der Bundesgerichtshof mit angegriffenem Beschluss vom 18. Januar 2007 als unbegründet zurück.
5. Die Beschwerdeführer zu II.33. und II.34. haben mit Schriftsatz vom 19. Januar 2007 ihre Verfassungsbeschwerden zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Beschwerdeführer sehen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Recht auf ein faires Verfahren sowie in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG verletzt.
a) Es verstoße gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), dass der Bundesgerichtshof ihnen die Beweislast für das schuldhafte Handeln der Bundesrepublik Deutschland auferlegt habe, und dass von ihnen als zivilen Opfern eines arbeitsteilig geführten Krieges verlangt worden sei, die Entscheidungsprozesse der beteiligten Militärs und Politiker unterschiedlicher Staaten darzulegen. Dies sei wegen der militärischen Geheimhaltung faktisch unmöglich, weswegen – wie etwa im Arzthaftungs-, Produkthaftungs- oder Umwelthaftungsrecht – eine Beweislastumkehr gelten müsse.
b) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG sei verletzt, weil dem Bundesverfassungsgericht entscheidungserhebliche Fragen zur Existenz und Tragweite allgemeiner Regeln des Völkerrechts nicht vorgelegt worden seien. Ernsthafte Zweifel an der Auslegung und Anwendung des Völkerrechts durch die Fachgerichte bestünden, weil sie das Bestehen eines individuellen Schadensersatzanspruchs wegen Verstoßes gegen das Kriegsvölkerrecht dargelegt hätten. Die Vorlage sei auch nicht durch Art. 25 Satz 2 GG ausgeschlossen, denn Satz 2 sei rein deklaratorisch, soweit sich der individualschützende Charakter der allgemeinen Regel des Völkerrechts bereits aus dieser selbst ergebe; auch verweise Art. 100 Abs. 2 GG auf Art. 25 GG als solchen, nicht nur auf dessen Satz 2.
2. Die Beschwerdeführer zu I. rügen zusätzlich eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
Die angegriffenen Urteile seien willkürlich und verstießen gegen Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 103 Abs. 1 GG, weil der nach Völkerrecht und deutschem Recht bestehende Schadensersatzanspruch abgelehnt worden sei. Der Luftangriff auf die Brücke von Varvarin habe die – auch gewohnheitsrechtlich geltenden – Schutzrechte zugunsten von Zivilpersonen nach dem Protokoll I verletzt. Die völkerrechtliche Haftung für die Verletzung von humanitärem Völkerrecht sei in Art. 3 des IV. Haager Abkommens sowie in Art. 91 des Protokolls I geregelt und habe als Völkergewohnheitsrecht allgemeine Geltung. Ferner bestehe ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG.
3. Die Beschwerdeführer zu II. machen darüber hinaus unter Bezugnahme auf ein völkerrechtliches Rechtsgutachten die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG, Art. 14 GG und Art. 103 Abs. 1 GG geltend.
a) Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 Satz 1 GG sei dadurch verletzt, dass ihnen völkergewohnheitsrechtliche Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nicht zuerkannt worden seien. Der Angriff auf die Brücke von Varvarin habe gegen zwingende Regeln des humanitären Völkerrechts – das Verbot des Angriffs auf zivile Objekte, das Verbot des unterschiedslosen Angriffs und die Regeln über die Zielbestimmung – verstoßen, die zugleich Teil des Völkergewohnheitsrechts seien. Die internationale und nationale Gerichtsbarkeit und Staatenpraxis zeige, dass nicht nur ein Anspruch des Einzelnen auf Befolgung des humanitären Völkerrechts, sondern auch ein individuelles Recht auf Schadensersatz und auf effektiven Rechtsschutz nach Völkergewohnheitsrecht bestehe. Vor diesem Hintergrund seien auch die in Art. 3 des IV. Haager Abkommens und Art. 91 des Protokolls I statuierten Schadensersatzansprüche individualschützend.
b) Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG vor. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass Schadensersatzansprüche aufgrund von Art. 3 des IV. Haager Abkommens und Art. 91 des Protokolls I nicht anerkannt worden seien, zum anderen durch eine grundrechts- und völkerrechtswidrige Anwendung und Auslegung des deutschen Amtshaftungsrechts. Da die völkerrechtlichen Schadensersatzansprüche kein Verschulden voraussetzten, müsse dies nach dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit auch für einen deutschen Amtshaftungsanspruch gelten. Jedenfalls sei der Bundesrepublik Deutschland das Verschulden ausländischer Stellen bei dem Luftangriff auf die Brücke von Varvarin zuzurechnen. Die „need-to-know-Regel” dürfe nicht zu einer Exkulpation der Bundesrepublik Deutschland führen, da dies die Haftungsmaßstäbe willkürlich und rechtsstaatswidrig zu Lasten der Beschwerdeführer verschieben würde. Auch sei kein weiter Beurteilungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland bei der Mitwirkung an der Aufstellung von Ziellisten anzuerkennen.
c) Schließlich sei Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil der Bundesgerichtshof sowohl in dem angegriffenen Urteil als auch in dem angegriffenen Beschluss auf weite Teile ihres Vortrags – insbesondere zum Bestehen von völkergewohnheitsrechtlichen Ansprüchen – nicht eingegangen sei.
III.
Die Bundesregierung und das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hatten Gelegenheit zur Äußerung. Das Bundesministerium der Verteidigung hat namens der Bundesregierung eine Stellungnahme abgegeben, in der es der völker- und verfassungsrechtlichen Argumentation der Beschwerdeführer entgegengetreten ist und die Verfassungsbeschwerden im Ergebnis für jedenfalls unbegründet hält. Die Beschwerdeführer zu II. haben hierauf unter Vorlage eines ergänzenden Rechtsgutachtens erwidert.
Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.
IV.
Das Verfahren 2 BvR 487/07 ist hinsichtlich der Beschwerdeführer zu II.33. und II.34. mit der wirksamen Rücknahme der Verfassungsbeschwerde beendet (vgl. BVerfGE 106, 210 ≪213≫). Im Übrigen werden die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfassungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 15, 303 ≪305≫) nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg, weil sie – soweit sie zulässig sind – nach den Maßstäben, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits hinreichend geklärt sind (hierzu im Einzelnen unter 2.), unbegründet sind (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu I. ist unzulässig, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu II. nur teilweise zulässig.
a) Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu I. ist unzulässig.
aa) Die Verfassungsbeschwerde hat sich im vorliegenden Fall nicht durch den Tod der ursprünglichen Beschwerdeführerin erledigt. Zwar ist die Erledigung im Allgemeinen die Folge des Versterbens des Beschwerdeführers, weil die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich der Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte dient (vgl. BVerfGE 6, 389 ≪442≫; 109, 279 ≪304≫). Stirbt ein Beschwerdeführer während eines anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahrens, können seine Erben die Verfassungsbeschwerde jedoch dann fortführen, wenn es sich im Ausgangsverfahren um finanzielle Ansprüche handelte (vgl. BVerfGE 3, 162 ≪164≫; 23, 288 ≪300≫; 26, 327 ≪332≫; 109, 279 ≪304≫).
bb) Die Verfassungsbeschwerde ist allerdings unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).
(1) Für eine fristgerechte und den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechende Begründung der Verfassungsbeschwerde ist es erforderlich, die angegriffenen Entscheidungen oder Abschriften der angegriffenen Entscheidungen innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorzulegen oder ihren wesentlichen Inhalt mitzuteilen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 16. März 2006 – 1 BvR 1311/96 –, NZS 2006, S. 533; vgl. auch BVerfGE 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫). Nicht ausreichend ist es hingegen, bis zum Ablauf der Monatsfrist lediglich die Beschwerdeschrift per Telefax zu übermitteln und die angegriffenen Entscheidungen – nach Fristablauf – mit dem Originalschriftsatz nachzureichen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2007 – 1 BvR 2755/07 –, juris, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Mai 2005 – 2 BvR 176/05 –, juris, Rn. 3).
(2) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. November 2006 wurde den Beschwerdeführern zu I. am 23. November 2006 zugestellt. Die Frist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde endete somit am 27. Dezember 2006 (§ 93 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BVerfGG, § 222 Abs. 2 ZPO; vgl. BVerfGE 24, 236 ≪242 f.≫). Zu diesem Zeitpunkt war beim Bundesverfassungsgericht nur die Faxkopie des Beschwerdeschriftsatzes eingegangen, auf deren letzter Seite vermerkt war: „Anlagen per Post, Anlage 1 – 3: …”. Der Originalschriftsatz der Verfassungsbeschwerde nebst diesen Anlagen – den angegriffenen Entscheidungen – ist erst am 30. Dezember 2006 und damit nach Fristablauf beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Der wesentliche Inhalt der angegriffenen Entscheidungen wird auch in der Verfassungsbeschwerde nicht derart mitgeteilt, dass eine verantwortliche verfassungsrechtliche Überprüfung derselben möglich wäre. Die Verfassungsbeschwerde wurde daher nicht fristgerecht begründet und ist somit unzulässig.
b) Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu II. ist teilweise unzulässig. Ihre Behauptung, Art. 14 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass die angegriffenen Entscheidungen das deutsche Amtshaftungsrecht nicht völkerrechtskonform dahingehend ausgelegt hätten, dass Verschulden eines deutschen Amtswalters nicht erforderlich oder der Bundesrepublik Deutschland zumindest das Verschulden ausländischer Stellen zuzurechnen sei, wird den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Mindestanforderungen an die Begründung nicht gerecht.
aa) Die Auslegung und Anwendung einfachrechtlicher Normen ist Sache der Fachgerichte. Sie können vom Bundesverfassungsgericht – abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot – nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f., 96≫; 85, 248 ≪258 f.≫; 87, 287 ≪323≫).
bb) Diese Voraussetzungen legen die Beschwerdeführer zu II. hinsichtlich der von ihnen behaupteten Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG nicht hinreichend substantiiert dar. Aus ihrem Vortrag ergibt sich schon nicht – was Voraussetzung für eine mögliche Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG wäre –, dass das Völkerrecht eine entsprechende Überformung des deutschen Amtshaftungsrechts dahingehend gebietet; ohne ein entsprechendes völkerrechtliches Gebot scheidet eine völkerrechtskonforme Auslegung des deutschen Amtshaftungsrechts dagegen aus. Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer zu II. nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass es nach Maßgabe des deutschen Rechts willkürlich sei, auch Amtshaftungsansprüche für arbeitsteilig geführte NATO-Luftoperationen von einem amtspflichtwidrigem und schuldhaftem Verhalten deutscher Amtswalter oder ihrer schuldhaften Beteiligung nach § 830 BGB abhängig zu machen.
2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu II. ist im Übrigen unbegründet, soweit sie völkerrechtliche Ansprüche betrifft.
a) Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind zuvörderst Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen; nur bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht kann das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; stRspr). Auch die völkerrechtlichen Regeln und das Völkervertragsrecht haben die Fachgerichte selbst anzuwenden und auszulegen. Die verfassungsgerichtliche Nachprüfung diesbezüglicher Entscheidungen folgt den dafür geltenden allgemeinen Maßstäben für die Kontrolle von Gerichtsentscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 441 ≪450≫; 59, 63 ≪89≫; 94, 315 ≪328≫; 99, 145 ≪160≫; 118, 124 ≪135≫).
b) Die Beschwerdeführer zu II. sind in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG nicht dadurch verletzt, dass die angegriffenen Entscheidungen völkergewohnheitsrechtliche Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nicht anerkannt haben.
aa) Mit der Verfassungsbeschwerde kann zwar grundsätzlich geltend gemacht werden, dass zivilgerichtliche Urteile nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG gehörten, weil sie sich über gemäß Art. 25 GG als Bestandteil des Bundesrechts geltende völkergewohnheitsrechtliche Regeln hinweggesetzt hätten (vgl. BVerfGE 31, 145 ≪177≫; 66, 39 ≪64≫; BVerfGK 13, 246 ≪252≫). Anders als von den Beschwerdeführern zu II. behauptet, gab und gibt es jedoch weder im Jahr 1999 noch gegenwärtig eine allgemeine Regel des Völkerrechts, nach der dem Einzelnen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht ein Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat zusteht. Derartige Ansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen stehen – nach wie vor – grundsätzlich nur dem Heimatstaat des Geschädigten zu oder sind von diesem geltend zu machen.
(1) Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG sind die Regeln des universell geltenden Völkergewohnheitsrechts, ergänzt durch aus den nationalen Rechtsordnungen tradierte allgemeine Rechtsgrundsätze (vgl. BVerfGE 15, 25 ≪32 ff.≫; 16, 27 ≪33≫; 23, 288 ≪317≫; 109, 13 ≪27≫; 118, 124 ≪134≫). Das Völkergewohnheitsrecht ist der Brauch, hinter dem die Überzeugung rechtlicher Verpflichtung steht (vgl. Ständiger Internationaler Gerichtshof, S.S. Lotus, 1927 P.C.I.J. ≪ser. A≫ No. 10 ≪Sept. 7≫, Rn. 44: „usage generally accepted as expressing principles of law”). Zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht sind grundsätzlich eine ausreichende Staatenpraxis, also eine dauernde und einheitliche Übung unter weitgestreuter und repräsentativer Beteiligung (vgl. BVerfGE 94, 315 ≪332≫; 96, 68 ≪87≫), sowie die hinter dieser Praxis stehende opinio iuris sive necessitatis – die Auffassung, im Rahmen des völkerrechtlich Gebotenen und Erlaubten oder des Notwendigen zu handeln – erforderlich (vgl. BVerfGE 96, 68 ≪87≫).
(2) Zwar lassen sich in der internationalen und nationalen Praxis vereinzelt Fälle nachweisen, in denen den Geschädigten bewaffneter Auseinandersetzungen eine Entschädigung durch den verantwortlichen Staat zugebilligt worden ist (vgl. Henckaerts/Doswald-Beck, Customary International Humanitarian Law, Vol. I, 2005, S. 541 ff.). Eine Verdichtung dieser Einzelfälle zu einer allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Regel, nach der Einzelnen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht ein Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat zusteht, lässt sich jedoch – jedenfalls derzeit – nicht feststellen (vgl. Heintschel von Heinegg, in: Heintschel von Heinegg u.a. ≪Hrsg.≫, Entschädigung nach bewaffneten Konflikten, 2003, S. 1 ≪25≫; Dörr, JZ 2005, S. 905 ≪909 f.≫; Hofmann, in: Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 341 ≪356≫; von Woedtke, Die Verantwortlichkeit Deutschlands für seine Streitkräfte im Auslandseinsatz und die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche von Einzelpersonen als Opfer deutscher Militärhandlungen, 2010, S. 290 ff.). Der Internationale Gerichtshof hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (IGH, Urteil vom 3. Februar 2012, Germany v. Italy, Jurisdictional Immunities of the State, Rn. 108). Nationale Gerichte haben die auf völkerrechtliche Grundlagen gestützten Ansprüche von Kriegsopfern überwiegend abgelehnt (vgl. von Woedtke, a.a.O., S. 272 ff. m.w.N.). Zudem hat die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen in Art. 33 Abs. 2 ihres Entwurfs zur Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen (Anlage zur Resolution 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2001), in dem sie in der Staatenpraxis bereits geltende Regeln kodifiziert hat, unmittelbar gegen Staaten gerichtete individuelle Ansprüche aus der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der Staaten ausdrücklich ausgeklammert.
bb) In Ermangelung der von den Beschwerdeführern zu II. behaupteten allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Regel kann dahinstehen, ob sie als serbische Staatsangehörige, die sich im Zeitpunkt des Angriffs auf die Brücke von Varvarin außerhalb des Bundesgebietes aufhielten, in den Anwendungsbereich des Art. 25 Satz 2 Halbsatz 2 GG fallen.
cc) Art. 3 des IV. Haager Abkommens und Art. 91 des Protokolls I begründen keine unmittelbaren individuellen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht, weshalb offenbleiben kann, ob diese Vorschriften völkergewohnheitsrechtliche Geltung erlangt haben (vgl. Kalshoven, ICLQ 40 ≪1991≫, S. 827 ≪836≫; Green, The contemporary law of armed conflict, 2. Aufl. 2000, S. 277 f., 281 ff., 289 f.) und ihre fachgerichtliche Anwendung im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG verfassungsgerichtlich überprüft werden kann.
(1) Art. 3 des IV. Haager Abkommens vermittelt grundsätzlich keinen individuellen Entschädigungsanspruch, sondern positiviert nur den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz (vgl. Art. 1 der Artikel über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen, vorgelegt von der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, Anlage zur Resolution 56/83 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 21. Dezember 2001) einer Haftungsverpflichtung zwischen den Vertragsparteien; dieser Schadensersatzanspruch besteht nur in dem Völkerrechtsverhältnis zwischen den betroffenen Staaten und unterscheidet sich von dem Primäranspruch der betroffenen Personen auf Einhaltung der Verbote des humanitären Völkerrechts (BVerfGE 112, 1 ≪32 f.≫; BVerfGK 3, 277 ≪283 f.≫). Zwar zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass sie zum Schutz des Einzelnen bestimmt ist und damit mittelbar auch dem Schutz individueller Rechte dienen soll. Daraus folgt jedoch nicht, dass Art. 3 des IV. Haager Abkommens als Grundlage eines unmittelbaren, originär völkerrechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsanspruchs des betroffenen Individuums gegen den Staat in Betracht käme (vgl. BVerfGE 112, 1 ≪32≫; BVerfGK 7, 303 ≪308≫; Kalshoven, a.a.O., S. 827 ≪837≫). Dagegen spricht zum einen der Wortlaut, wonach eine Kriegspartei im Falle eines Verstoßes gegen die – dem IV. Haager Abkommen als Anlage beigefügte – Haager Landkriegsordnung „gegebenen Falles” zum Schadensersatz verpflichtet ist. Angesichts dieses einschränkenden Zusatzes ist Art. 3 des IV. Haager Abkommens nicht vollzugsfähig („self executing”), so dass ein Verständnis der Regelung als Anspruchsgrundlage für Individualansprüche bereits an ihrer fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit scheitert (BVerfGK 7, 303 ≪308≫). Zum anderen wurde das Individuum nach traditioneller Völkerrechtskonzeption nicht als Völkerrechtssubjekt qualifiziert (BVerfGK 7, 303 ≪308≫; vgl. Mosler, ZaöRV 22 ≪1962≫, S. 1 ≪23, 29 ff.≫). Ungeachtet der – stetig fortschreitenden – Entwicklungen auf der Ebene des Menschenrechtsschutzes, die zur Anerkennung einer partiellen Völkerrechtssubjektivität des Einzelnen sowie zur Etablierung vertraglicher Individualbeschwerdeverfahren geführt haben, ist eine vergleichbare Entwicklung im Bereich der Sekundäransprüche nicht nachzuweisen. Schadensersatzansprüche wegen völkerrechtswidriger Handlungen eines Staates gegenüber fremden Staatsangehörigen stehen grundsätzlich nach wie vor nur dem Heimatstaat zu (BVerfGK 7, 303 ≪308≫).
(2) Auch aus Art. 91 des Protokolls I lässt sich kein individueller Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht herleiten. Trotz der in der Zeit zwischen dem IV. Haager Abkommen von 1907 und dem Protokoll I von 1977 erfolgten Entwicklungen auf der Ebene des Menschenrechtsschutzes orientiert sich der Wortlaut der Vorschrift nicht an entsprechenden Formulierungen in Menschenrechtsverträgen, die ausdrücklich auf einen individuellen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch hinweisen (vgl. beispielsweise Art. 5 Abs. 5 EMRK), sondern ist mit dem des Art. 3 des IV. Haager Abkommens nahezu identisch (vgl. Stammler, Der Anspruch von Kriegsopfern auf Schadensersatz, 2009, S. 114 ff.). Auch nach dem in den 1970er Jahren vorherrschenden Völkerrechtsverständnis waren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht auf zwischenstaatlicher Ebene wiedergutzumachen (vgl. Hofmann, a.a.O., S. 350). Diese Gesichtspunkte lassen nur den Schluss zu, dass auch Art. 91 des Protokolls I keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche des Einzelnen begründet.
c) Die Beschwerdeführer zu II. sind auch nicht durch eine unterbliebene Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Völkerrechtsverifikation in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG verletzt.
aa) (1) Das Bundesverfassungsgericht ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, auch soweit es im Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG entscheidet (vgl. BVerfGE 18, 441 ≪447≫). Deshalb kann ein Betroffener seinem gesetzlichen Richter grundsätzlich durch die Unterlassung einer nach Art. 100 Abs. 2 GG gebotenen Vorlage entzogen werden (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12 f.≫; 96, 68 ≪77≫; BVerfGK 9, 211 ≪213≫; 13, 246 ≪250≫; 14, 222 ≪226≫).
(2) Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG ist bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben (vgl. BVerfGE 23, 288 ≪316≫; 64, 1 ≪14 f.≫; 75, 1 ≪11≫; 96, 68 ≪77≫). Nicht das erkennende Gericht, sondern nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis, vorhandene Zweifel selbst aufzuklären. Ernstzunehmende Zweifel bestehen schon dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher, ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abweichen würde (vgl. BVerfGE 23, 288 ≪319≫; 96, 68 ≪77≫).
bb) Nach diesen Maßstäben war eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten; das Landgericht Bonn, das Oberlandesgericht Köln und der Bundesgerichtshof waren nicht verpflichtet, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung über das Bestehen einer allgemeinen Regel des Völkerrechts vorzulegen, wonach Individuen bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat haben. Eine solche Vorlage wäre unzulässig gewesen, weil Zweifel hinsichtlich der Existenz einer solchen allgemeinen Regel des Völkerrechts nicht bestanden. Wie oben dargelegt (vgl. IV.2.b.), hat der Einzelne bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht nach derzeitigem Völkerrechtsverständnis keinen völkergewohnheitsrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen den verantwortlichen Staat. Ein Normverifikationsverfahren hätte daran nichts ändern können, denn das Bundesverfassungsgericht ist im Rahmen des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 2 GG nicht dazu berufen, das Völkergewohnheitsrecht weiterzuentwickeln (vgl. BVerfGE 118, 124 ≪139≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2011 – 2 BvR 2984/09, 2 BvR 3057/09, 2 BvR 1842/10 –, NJW 2012, S. 293 ≪295≫).
3. Soweit sich die Beschwerdeführer zu II. gegen die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG wenden, ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil deutlich abzusehen ist, dass die Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG im Ergebnis keinen Erfolg haben würden (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Zwar bestehen gegen die die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums zugunsten der Bundesregierung bei der Auswahl militärischer Ziele durch Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken, jedoch kann nach den Umständen des vorliegenden Falles ausgeschlossen werden, dass die Berücksichtigung dieser Bedenken der Klage der Beschwerdeführer zum Erfolg verhelfen könnte (a). Entsprechendes gilt in Bezug auf die von den Beschwerdeführern gerügte Darlegungs- und Beweislastverteilung (b). Es kann daher offen bleiben, ob das deutsche Amtshaftungsrecht auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt Anwendung findet (zum Streitstand siehe Schmahl, ZaöRV 2006, S. 699 ≪705 f.≫; Dutta, AöR 133 ≪2008≫, S. 191 ≪209≫; Raap, NVwZ 2013, S. 552 ≪554≫).
a) Zwar stehen die innerstaatliche Geltung des Völkerrechts, das den Richter gemäß Art. 20 Abs. 3 GG bindet (vgl. Röben, Außenverfassungsrecht, 2007, S. 146; Huhn, Amtshaftung im bewaffneten Auslandseinsatz, 2010, S. 185; Dutta, AöR 133 ≪2008≫, S. 191 ≪215≫), wie auch die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der Zubilligung nicht justiziabler Beurteilungsspielräume der Exekutive grundsätzlich entgegen. Vor allem aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes folgt regelmäßig eine Pflicht der Gerichte, angefochtene staatliche Maßnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen; das schließt eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten hinsichtlich dessen, was im Einzelfall rechtens ist, im Grundsatz aus (vgl. BVerfGE 15, 275 ≪282≫; 61, 82 ≪110 f.≫; 84, 34 ≪49≫; 84, 59 ≪77≫; 101, 106 ≪123≫; 103, 142 ≪156≫; 129, 1 ≪20≫). Das gilt auch bei der Geltendmachung von Sekundäransprüchen. Auch im Amtshaftungsprozess hat der mit der Amtshaftungsklage befasste Zivilrichter daher die als amtspflichtwidrig beanstandete Maßnahme grundsätzlich selbständig und in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1988 – III ZR 255/86 –, NJW 1989, S. 96 ≪97≫).
aa) Der Gesetzgeber kann zwar innerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen Durchbrechungen des Grundsatzes vollständiger gerichtlicher Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vorsehen (vgl. BVerfGE 129, 1 ≪21 ff.≫), indes ist im vorliegenden Zusammenhang keine entsprechende Norm ersichtlich. Inwieweit gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbare Entscheidungsspielräume der Verwaltung ausnahmsweise auch ohne gesetzliche Grundlage von Verfassungs wegen zulässig sind, ist nicht abschließend geklärt. In Betracht zu ziehen sind sie allenfalls für begrenzte Bereiche, namentlich wenn unbestimmte Rechtsbegriffe wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage sind und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig ist, dass deren gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoßen würde (vgl. BVerfGE 84, 34 ≪50≫; 129, 1 ≪23≫). Derartige Funktionsgrenzen sind namentlich für das politische Ermessen im Bereich der auswärtigen Gewalt (vgl. BVerfGE 40, 141 ≪178≫; 55, 349 ≪365≫) sowie in verteidigungspolitischen Fragen (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪97≫) anerkannt.
Im vorliegenden Fall dürfte die Zubilligung eines nicht justiziablen Beurteilungsspielraums zugunsten der Bundesregierung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sein. Die Erstellung von Ziellisten und die Nichtausübung eines Vetorechts gegen die Aufnahme eines bestimmten Ziels in diese Listen sowie die Einstufung eines Objekts als legitimes militärisches Ziel sind keine politischen Entscheidungen, die einer gerichtlichen Kontrolle von vornherein entzogen wären (vgl. Stammler, a.a.O., S. 131; Huhn, a.a.O., S. 185). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung durch die Klärung dieser Rechtsfrage an ihre Funktionsgrenzen stoßen würde. Die hier in Rede stehenden völkerrechtlichen Regelungen verwenden zwar unbestimmte Rechtsbegriffe zur Beschreibung dessen, was ein legitimes militärisches Ziel sein kann; deren Auslegung und Anwendung ist aber in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht anhand objektiver Kriterien durchaus überprüfbar (vgl. Dutta, AöR 133 ≪2008≫, S. 191 ≪225≫; von Woedtke, a.a.O., S. 336; kritisch Huhn, a.a.O., S. 186). Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof haben im Wesentlichen auf das außen- und verteidigungspolitische Ermessen der Bundesregierung abgestellt, ohne insbesondere auf die hier in Betracht zu ziehenden völkerrechtlichen Tatbestände einzugehen und zu erläutern, inwiefern diese gerichtlicher Kontrolle nicht zugänglich seien, und dürften damit von einem verfassungsrechtlich unzutreffend verkürzten Prüfungsmaßstab ausgegangen sein. Das muss an dieser Stelle indes nicht weiter vertieft werden.
bb) Denn in der Sache kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Erstellung von Ziellisten im vorliegenden Fall Teil eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses gewesen ist. Mit der, wie das Oberlandesgericht festgestellt hat, „vorsorglichen” Aufnahme der Brücke von Varvarin in Ziellisten war noch nicht entschieden, dass es sich um ein legitimes militärisches Ziel im Sinne von Art. 51 des Protokolls I handelt; vielmehr hätten, so das Oberlandesgericht, die konkreten Umstände eines etwaigen Angriffs auf die Brücke bei der Zielauswahl nicht in Rede gestanden. Die Bundesregierung hat im Verfassungsbeschwerdeverfahren, ohne dass die Beschwerdeführer dem entgegengetreten sind, bestätigt, dass die Ziellisten, die der Nordatlantikrat der NATO unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet hatte, lediglich eine generelle Bewertung dahingehend enthielten, welche Objekte oder Arten von Objekten zur Zerstörung grundsätzlich geeignet wären, um die von der NATO verfolgten politischen Ziele der Verhinderung weiterer Menschenrechtsverletzungen und der Abwendung einer humanitären Katastrophe durch ein Einlenken der serbischen Seite zu erreichen. Eine abschließende rechtliche Bewertung, ob es sich dabei jeweils um ein legitimes militärisches Ziel im Sinne von Art. 51 des Protokolls I gehandelt habe, sei mit der Aufnahme eines Ziels in die Zielliste nicht verbunden gewesen. Die abschließende – auch von Art. 51 des Protokolls I geforderte – Einzelfallprüfung sei nicht auf der Ebene des Nordatlantikrats, sondern in Vorbereitung des konkreten Angriffs auf einer nachgeordneten militärischen Ebene vorgenommen worden. Auf der Stufe der als amtspflichtwidrig gerügten Maßnahme – der widerspruchslosen Aufnahme der Brücke von Varvarin in die Zielliste – wurde mithin noch keine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des konkreten Angriffs auf die Brücke getroffen und konnte auch nicht getroffen werden.
Das Oberlandesgericht hat zugunsten der Beschwerdeführer die grundsätzliche Möglichkeit unterstellt, die Bundesregierung habe durch Nichtausübung des Vetorechts bei der Aufstellung der Ziellisten und der damit verbundenen Festlegung bestimmter Ziele eine Amtshaftung begründen können. Es hat sodann – ausgehend von seinem eingeschränkten Prüfungsansatz – eine offensichtlich willkürliche oder offensichtlich völkerrechtswidrige und unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zu verstehende Ausübung der der beklagten Bundesrepublik Deutschland zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielräume verneint und dazu folgende Feststellungen getroffen: Brücken wie die hier in Varvarin über den Fluss Morava führende Brücke seien für den Fall bewaffneter Auseinandersetzungen oder Kriege abstrakt gesehen zunächst immer potentielle militärische Ziele, sei es aufgrund strategischer, sei es aufgrund taktischer Erwägungen. Es komme hinzu, dass es sich bei der fraglichen Brücke zwar sicherlich nicht um einen Hauptverkehrsweg gehandelt habe, aber um eine, über die in Verbindung mit dem südwärts führenden Straßennetz der nicht allzu weit entfernte Kosovo unschwer zu erreichen sei. Die Brücke sei daher jedenfalls bei Zerstörung anderer – insbesondere der vorrangig nutzbaren – Verkehrswege potentiell geeignet gewesen, darüber zumindest kleinere Truppen- und Materialtransporte mit dem Ziel Kosovo vorzunehmen. Die bloße Aufnahme in eine Zielliste habe dem (Kriegs)Völkerrecht sicherlich nicht offenkundig widersprochen, da die Brücke jedenfalls grundsätzlich auch als militärisches Ziel anzusehen gewesen sei.
Im Falle einer Zurückverweisung der Sache hätte das nunmehr befasste Gericht nach Vorstehendem davon auszugehen, dass die völkerrechtlich gebotene Einzelfallprüfung nicht bereits auf der Ebene der Erstellung von Ziellisten vorgenommen worden ist. Demgemäß galt für die Erstellung der Ziellisten von vornherein ein anderer Sorgfaltsmaßstab als für die konkrete Einsatzentscheidung. Nach dem Sach- und Streitstand drängt es sich auf, dass dieser Sorgfaltsmaßstab sich von demjenigen, den Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof – ausgehend von einem verfassungsrechtlich bedenklichen Ansatz – entwickelt haben, im Ergebnis nicht unterscheidet. Es ist daher abzusehen, dass die Gerichte im Fall der Zurückverweisung auch ohne Rückgriff auf einen Beurteilungsspielraum der Bundesregierung eine Amtspflichtverletzung bei der Erstellung der Zielliste deshalb verneinen werden, weil es bei Erstellung der Zielliste als möglich erschien, dass die konkreten Umstände im Zeitpunkt des Angriffs es erlauben würden, die Brücke von Varvarin in völkerrechtskonformer Weise zu zerstören.
b) Auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen auch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs, soweit sie den Beschwerdeführern auferlegt haben, zum subjektiven Tatbestand des § 830 BGB vorzutragen und diesen Vortrag gegebenfalls unter Beweis zu stellen, während gleichzeitig in Bezug auf die beklagte Bundesrepublik Deutschland eingeräumt wird, es könne ihr im vorliegenden Amtshaftungsprozess nicht „zugemutet” werden, über die militärischen Vorgänge betreffend den Angriff auf Varvarin und ihren Beitrag hierzu noch mehr als geschehen vorzutragen. Insoweit fehlt es indes ebenfalls an einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde tragenden Nachteil (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
aa) Aufgabe des bürgerlichen Rechts ist es in erster Linie, Interessenkonflikte zwischen rechtlich gleichgeordneten Rechtssubjekten sachgerecht zu lösen (vgl. BVerfGE 30, 173 ≪199≫). Die Verwirklichung dieses Ziels soll durch das zivilprozessuale Verfahrensrecht ermöglicht werden, indem es der Herbeiführung gesetzmäßiger und unter diesem Gesichtspunkt richtiger und im Rahmen dieser Richtigkeit gerechter Entscheidungen dient (vgl. BVerfGE 42, 64 ≪73≫; 52, 131 ≪153≫). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Grundkonzeption des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens bestehen nicht, und zwar auch insoweit nicht, als die in dieses Verfahren eingebettete Beweisführungspflicht der Parteien mit der sie ergänzenden Beweislastregelung in Frage steht (vgl. BVerfGE 52, 131 ≪154≫).
Allerdings sind die Regeln über die Haftung des Staates für die Folgen einer pflichtwidrigen Ausübung öffentlicher Gewalt – auch wenn für sie betreffende Streitigkeiten der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist und daher die Zivilprozessordnung Anwendung findet (Art. 34 Satz 3 GG) – dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. BVerfGE 61, 149 ≪176≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. August 2002 – 1 BvR 947/01 –, NJW 2003, S. 125). Das Amtshaftungsrecht dient nicht dem Interessenausgleich zwischen Privaten (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. August 2002, a.a.O.), sondern der Sicherung eines Mindestmaßes an Integrität privater Rechte gegenüber der öffentlichen Gewalt (Höfling, VVDStRL 61 ≪2002≫, S. 260 ≪269 ff.≫). Werden dem Bürger im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses daher Pflichten oder Obliegenheiten auferlegt, geschieht dies mit Blick auf ein hoheitlich geprägtes Rechtsverhältnis, in dem die Grundrechte unmittelbar und ohne Einschränkung Anwendung finden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. August 2002, a.a.O., S. 125 ≪126≫). Auch wenn die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts, insbesondere der Beweislastregeln im Zivilprozess, ihrerseits bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 52, 131 ≪145≫; 106, 28 ≪48≫) folgt, können sich vor allem aus den Grundrechten jedoch darüber hinausgehende Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪179≫; 101, 106 ≪122≫; 106, 28 ≪48≫); der gerichtlichen Durchsetzung von Grundrechtspositionen dürfen keine praktisch unüberwindbaren Hindernisse entgegengesetzt werden (vgl. BVerfGE 89, 276 ≪289≫). Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast darf den durch einfachrechtliche Normen bewirkten Schutz grundrechtlicher Gewährleistungen daher nicht leerlaufen lassen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Oktober 1999 – 1 BvR 2110/93 –, NJW 2000, S. 1483 ≪1484≫). Das Prozessrecht bietet insoweit geeignete Handhaben für eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (vgl. BVerfGE 97, 169 ≪179≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Oktober 1999, a.a.O.).
bb) Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof haben sich mit diesen Anforderungen nicht auseinandergesetzt und, ohne auf die grundsätzlich gebotene Differenzierung einzugehen, eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beschwerdeführer getroffen.
Die Beschwerdeführer sind durch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast jedenfalls in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen (vgl. BVerfGE 112, 93 ≪107≫ m.w.N.). Eine Beweislastverteilung, die den durch zivilrechtliche Normen bewirkten Schutz grundrechtlicher Gehalte letztlich leerlaufen ließe, wäre daher verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. Huster, NJW 1995, S. 112 ≪113≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 6. Oktober 1999, a.a.O.).
Hinsichtlich der hier in Rede stehenden, auf § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gestützten Amtshaftungsansprüche trägt der Geschädigte grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale (vgl. Wurm, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2007, § 839 Rn. 399 ff. m.w.N.). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass die nicht darlegungs- und beweisbelastete Partei eine sogenannte sekundäre Darlegungslast treffen kann, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner diese hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (so beispielsweise BGH, Urteil vom 11. Juni 1990 – II ZR 159/89 –, NJW 1990, S. 3151 ≪3152≫; Urteil vom 24. November 1998 – VI ZR 388/97 –, NJW 1999, S. 714 ≪714 f.≫; Urteil vom 14. Juni 2005 – VI ZR 179/04 –, NJW 2005, S. 2614 ≪2615 f.≫). In diesen Fällen muss sich die nicht darlegungspflichtige Partei zu dem Sachvortrag der anderen Partei erklären und unter Umständen ihr Wissen, das der anderen Partei unzugänglich war, offenbaren. Diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof auch im Amtshaftungsprozess herangezogen. Er hat insoweit entschieden, es müsse im Amtshaftungsprozess zu einer sachgerechten Modifizierung und Einschränkung der Darlegungs- und Beweislast – gegebenenfalls bis hin zu einer Beweislastumkehr – führen, wenn ein von einem Amtspflichtverstoß Betroffener außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs stehe und daher zu Interna der Verwaltung keinen Zugang habe und haben könne (vgl. BGHZ 129, 226 ≪234≫).
Es ist in erster Linie Aufgabe der Zivilgerichte, die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die effektive Durchsetzung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen zu entfalten und prozessrechtlich zu konkretisieren. Dazu gehört die Entwicklung von Grundsätzen zu der Frage, ob in Konstellationen wie der vorliegenden, in denen die Beweisnot der Beschwerdeführer als ungewollt vom Kampfgeschehen betroffener Zivilisten nicht von der Hand zu weisen ist, stets von Verfassungs wegen die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast zur Anwendung gelangen müssen oder gegebenenfalls sogar eine Beweislastumkehr angezeigt ist. Namentlich der Bundesgerichtshof geht auf diese Fragen nicht näher ein – was allenfalls teilweise seinen Grund im Revisionsvorbringen finden dürfte –, sondern legt seiner Entscheidung die im Amtshaftungsrecht allgemein geltenden Grundsätze für die Darlegungs- und Beweislast zugrunde. Dies stößt insbesondere deshalb auf verfassungsrechtliche Bedenken, soweit zugunsten der beklagten Bundesrepublik Deutschland, wohl um eine sekundäre Darlegungslast zu verneinen, ohne Weiteres – nicht anders als in einem Prozess zwischen Privaten – Aspekte der Zumutbarkeit herangezogen werden. Eine weitere Erörterung der damit verbundenen Fragen kann indes unterbleiben.
cc) Denn im vorliegenden Verfahren kann ein den Beschwerdeführern günstigeres Ergebnis auch dann ausgeschlossen werden, wenn das nach Zurückverweisung mit der Sache befasste Gericht der beklagten Bundesrepublik Deutschland eine sekundäre Darlegungslast auferlegt. Eine Haftung kommt nach § 830 BGB nur in Betracht, wenn deutsche Amtsträger von den konkreten Umständen des Angriffs Kenntnis gehabt hätten. Diese Kenntnis hat die Beklagte unter Hinweis auf die „need-to-know-Regel”, nach der es militärischer Praxis bei NATO-Operationen entspricht, dass nur die unmittelbar mit der Operation befassten Streitkräfte die für den Einsatz notwendigen Informationen erhalten, widerlegt. Es ist nicht ersichtlich, was die Bundesrepublik Deutschland weiter hätte vortragen sollen oder können, um ihre fehlende Kenntnis darzulegen oder den Beschwerdeführern sachgerechten Vortrag zu ermöglichen.
4. Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete grundrechtsgleiche Anspruch der Beschwerdeführer zu II. auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nur dazu, den Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 ≪367 f.≫; stRspr). Er begründet aber weder eine Pflicht des Gerichts, dem Vortrag der Beteiligten in materiell-rechtlicher Hinsicht die richtige Bedeutung beizumessen (vgl. BVerfGE 76, 93 ≪98≫) noch eine Verpflichtung, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 ≪12≫; 87, 1 ≪33≫). Ebenso wenig folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht der Gerichte, namentlich bei letztinstanzlichen Entscheidungen, zu ausdrücklicher Befassung mit jedem Vorbringen (vgl. BVerfGE 86, 133 ≪146≫ m.w.N.; stRspr). Gemessen hieran macht die Feststellung des Bundesgerichtshofs, andere völkerrechtliche Anspruchsgrundlagen – außer Art. 3 des IV. Haager Abkommens und Art. 91 des Protokolls I – seien nicht ersichtlich, ausreichend deutlich, dass der Vortrag der Beschwerdeführer zu II. zu völkergewohnheitsrechtlichen Anspruchsgrundlagen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen worden ist.
5. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
V.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt D. ist entsprechend § 114 ZPO abzulehnen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Voßkuhle, Gerhardt, Huber
Fundstellen
NVwZ 2013, 5 |
ZAP 2013, 982 |
DÖV 2013, 946 |
JuS 2013, 13 |
DVBl. 2013, 3 |