Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 24.01.2005; Aktenzeichen 10 T 21/04) |
AG Dannenberg (Beschluss vom 17.05.2004; Aktenzeichen 12 XIV 660/01 L) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 24. Januar 2005 – 10 T 21/04 – und der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 17. Mai 2004 – 12 XIV 660/01 L – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen freiheitsentziehende Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Sitzblockade.
I.
1. Am 13. November 2001 fand ein so genannter Castor-Transport nach Gorleben statt. Im Verlauf des 13. November 2001 sollten die Behälter in Dannenberg vom Zug auf Lastkraftwagen umgeladen und am frühen Morgen des 14. November 2001 der Straßentransport nach Gorleben durchgeführt werden.
Die Beschwerdeführerin hielt sich am Vormittag des 13. November 2001 in einer Gruppe von rund 200 Personen auf, die auf der L 256 in Splietau eine Sitzblockade durchführte. Für diesen Bereich bestand auf der Grundlage einer am 27. Oktober 2001 veröffentlichten Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg ein Versammlungsverbot.
Die Sitzblockade hatte gegen 7.50 Uhr begonnen. Ausweislich eines von der Polizei erstellten so genannten Mantelbogens wurde sie durch Lautsprecherdurchsagen um 8.23 Uhr, 8.41 Uhr und 8.53 Uhr aufgelöst. Mit weiteren Durchsagen um 9.06 Uhr, 9.17 Uhr und 9.36 Uhr wurde für die weiterhin anwesenden Personen ein Platzverweis ausgesprochen und zu dessen Durchsetzung die Ingewahrsamnahme angekündigt.
Die Beschwerdeführerin wurde um 10.20 Uhr in Gewahrsam genommen, nachdem sie entgegen den polizeilichen Aufforderungen die Straße nicht verlassen hatte. Zusammen mit weiteren 30 Personen wurde sie in einem Gefangenentransportfahrzeug in die Gefangenensammelstelle nach Neu Tramm verbracht.
Nach Durchlaufen des Aufnahmeverfahrens wurde die Beschwerdeführerin dem Gewahrsamsbereich für Frauen zugeführt. Dort verblieb sie bis zu ihrer Entlassung am 14. November 2001 um 8.23 Uhr.
Zu einer Entscheidung über den Antrag der Bezirksregierung Lüneburg auf richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der freiheitsbeschränkenden Maßnahme kam es nicht mehr.
2. Unter dem 22. November 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen, der übermäßigen Dauer und der rechtswidrigen Behandlung während des Gewahrsams.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2003 wies das Amtsgericht Dannenberg die Anträge der Beschwerdeführerin zurück. Auf ihre Beschwerde hob das Landgericht Lüneburg diesen Beschluss am 25. September 2003 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
3. Mit Beschluss vom 17. Mai 2004 wies das Amtsgericht Dannenberg die Anträge der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung sowie der Art und Weise ihrer Durchführung als unbegründet zurück. Die Anordnung der Ingewahrsamnahme sei zulässig gewesen. Sie sei nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 NGefAG unerlässlich gewesen, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit zu verhindern und die Durchsetzung des Platzverweises zu gewährleisten. Die Teilnahme an einer verbotenen Versammlung und das Sichnichtentfernen nach Auflösung derselben stellten Ordnungswidrigkeiten dar. Vor allem sei anzunehmen, dass eine Auflösung der Versammlung ohne Platzverweis und ohne eine sich an dessen Nichtbefolgung anschließende Ingewahrsamnahme zu einer sofortigen Versammlung an gleicher oder anderer Stelle geführt hätte.
Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Herbeiführung einer unverzüglichen richterlichen Entscheidung liege nicht vor. Die Ingewahrsamnahme mit der anschließenden Personalienerhebung, die Zuteilung der Betroffenen zu den Transportbussen und der Transport zur Gefangenensammelstelle habe bei dem Großeinsatz mit 200 bis 300 Ingewahrsamnahmen einen erheblichen zeitlichen Aufwand in Anspruch genommen, zumal die Transporte der Begleitung bedurft hätten und wegen der äußeren Umstände nicht zügig hätten erfolgen können. Bis zur Erstellung eines entscheidungsreifen Antrages auf Fortdauer der Ingewahrsamnahme in der Nacht vom 13. auf den 14. November 2001 seien weitere Stunden vergangen, ohne dass eine schuldhafte Verzögerung durch die Polizei feststellbar sei. Bevor das Gericht in den frühen Morgenstunden des 14. November 2001 seine Arbeit wieder aufgenommen habe, habe die Polizei um 6.55 Uhr – der Castor-Transport sei um 7.09 Uhr in Gorleben eingetroffen – die Entlassung der Gefangenen angeordnet.
Der Antrag betreffend die Umstände und die Durchführung der Freiheitsentziehungen sei ebenfalls unbegründet. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass es im Einzelfall und vorübergehend Engpässe in der Ausstattung der Gewahrsamsräumlichkeiten und der Versorgung gegeben habe. Die Organisation der Toilettengänge sei unbefriedigend und verbesserungsbedürftig gewesen. Ebenso sei das Telefonieren nur unter Mühen möglich gewesen. Insoweit stehe außer Zweifel, dass die Rahmenbedingungen der Unterbringung der eigenen Gewahrsamsordnung der Polizei nur bei wohlwollender Auslegung entsprochen hätten. Der Gewahrsam habe jedoch insgesamt nur eine Nacht gedauert. Inwieweit der Polizei vorzuwerfen sei, dass sie sich besser auf eine derartige Masseningewahrsamnahme hätte vorbereiten können und müssen, könne aus der Rückschau für den Castor-Transport im Herbst 2001 nur bedingt beantwortet werden. Tatsache sei, dass die Polizei aus den Erfahrungen der letzten Jahre Konsequenzen gezogen habe und sich darum bemühe, die Rahmenbedingungen erträglicher zu gestalten.
4. Das Landgericht Lüneburg verwarf mit Beschluss vom 24. Januar 2005 die sofortige Beschwerde. Das Amtsgericht habe den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zu Recht abgewiesen. Die Straßenblockade sei als verbotene Versammlung aufzulösen gewesen. Dies sei durch die Polizei erfolgt. Die Teilnehmer der Straßenblockade seien auch zu Recht in Gewahrsam genommen worden, da sie eine erhebliche Ordnungswidrigkeit begangen hätten. Ihnen sei es um die Verhinderung oder Verzögerung eines radioaktiven Gefahrguttransportes gegangen. Dieses Verhalten sei weder im Hinblick auf die Gefahren, die potentiell mit erheblichen Behinderungen eines gefährlichen Transports radioaktiver Materialien verbunden seien, noch aus Gründen des Schutzes der Rechtsordnung tolerabel. Vor diesem Hintergrund könne es keinem Zweifel unterliegen, dass die in dem Verstoß gegen das Versammlungsverbot liegende Ordnungswidrigkeit einer Sitzblockade eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit begründe.
Auch gegen die Dauer der Ingewahrsamnahme bis in die frühen Morgenstunden des Folgetages bestünden keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Im Hinblick auf die Struktur der Widerstandsaktionen habe die Polizei davon ausgehen dürfen, dass auch bei der Beschwerdeführerin die hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Teilnahme an weiteren Aktionen bestanden habe. Die zeitlichen Abläufe seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei Großdemonstrationen mit mehreren zehntausend Teilnehmern und einer entsprechenden Anzahl von Polizeibeamten könne die Einsatzleitung nicht von vornherein wissen, an welcher Stelle, um welche Uhrzeit und vor allen Dingen mit welcher Anzahl von Teilnehmern Blockaden durchgeführt würden. Insofern sei mit dem Vorwurf, die Polizei hätte bessere Abwehrstrategien entwickeln oder die Transporte besser organisieren können, Zurückhaltung geboten.
Schließlich seien die von der Beschwerdeführerin dargestellten Unannehmlichkeiten nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zu begründen. Es sei darauf hinzuweisen, dass diese für die Teilnehmer vorhersehbar gewesen seien, so dass sie sich hierauf mit entsprechender Kleidung, der Mitnahme heißer Getränke, entsprechender Lebensmittel sowie einer Isoliermatte hätten einstellen können.
II.
1. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1, 2 und 4 GG.
Die Fachgerichte seien ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht nachgekommen. In dieser Hinsicht sei vor allem zu bemängeln, dass keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob und gegebenenfalls mit welchem Wortlaut die Versammlung aufgelöst worden sei. Auch fehlten Feststellungen zur Unerlässlichkeit einer nicht nur kurzfristigen Freiheitsentziehung und ihrer Dauer bis zum Morgen des folgenden Tages sowie zur Verhältnismäßigkeit der Mittel unter Beachtung der Bedeutung des Freiheitsgrundrechts und des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Es werde lediglich in abstrakter Weise an die Struktur der Widerstandsaktionen angeknüpft, während auf ihren Vortrag, dass sie wegen der Betreuung ihrer Kinder und im Hinblick auf gesundheitliche Probleme nur für eine bestimmte Zeit ihrem Protest Ausdruck habe verleihen wollen, nicht eingegangen werde. Ferner unterbleibe eine Auseinandersetzung mit dem Wechsel in der Begründung der freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Polizei und der daraus resultierenden Ermessensproblematik. In dem Antrag der Bezirksregierung auf richterliche Entscheidung werde der Gewahrsam mit dem Verdacht der Begehung von Straftaten sowie Ordnungswidrigkeiten nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) und dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) begründet. Die Fachgerichte hätten stattdessen ohne Sachverhaltsaufklärung zur Begründung des Gewahrsams auf Ordnungswidrigkeiten nach dem Versammlungsgesetz abgestellt.
Zudem enthielten die angefochtenen Beschlüsse keine Feststellungen zum Richtervorbehalt und zu den gerügten Organisationsmängeln bei den Abläufen in der Gefangenensammelstelle Neu Tramm. Der Ablauf habe sich nach ihrer Ingewahrsamnahme konkret so dargestellt, dass sie um 16.35 Uhr erstmals im Computer der Gefangenensammelstelle erfasst worden sei. Zuvor seien Nachfragen von Angehörigen und Rechtsanwälten nach ihrem Verbleib von der Polizei dahingehend beschieden worden, sie sei nicht im Computer ausgewiesen und man wisse daher nicht, ob und wo sie sich in Polizeigewahrsam befinde. Erst gegen 17.00 Uhr habe ihre Rechtsanwältin davon Kenntnis erhalten, dass sie sich in der Gefangenensammelstelle Neu Tramm befunden habe. Sie selbst habe dann telefonisch beim anwaltlichen Notdienst nachgefragt, ob für sie ein Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt worden sei. Dies sei ihr dort noch vor 18.00 Uhr bestätigt worden. Erstmals gegen 20.00 Uhr hätten Rechtsanwältinnen die Gefangenen besuchen dürfen. Sie hätten ihnen nur mitteilen können, dass der richterliche Bereitschaftsdienst angekündigt habe, in Kürze Feierabend zu machen. Zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr hätten die Rechtsanwälte des anwaltlichen Notdienstes den Amtsgerichtsdirektor, der bereits seit Mittag Bereitschaftsdienst gehabt habe, veranlasst, sich über die Zustände in der Frauenzelle zu informieren. Dieser habe die Zelle jedoch nicht betreten, sondern unter Ausschluss der Rechtsanwälte ein Gespräch mit dem für die Gefangenensammelstelle verantwortlichen Einsatzleiter geführt. Dieser habe behauptet, dass alle Gefangenen, die sich jetzt noch in den Zellen befänden, „qualifiziert in Gewahrsam genommen” worden seien, die Aktenvorgänge seien jedoch noch nicht gefertigt. Aus diesem Grunde habe sich der Richter geweigert, von Amts wegen oder auf Antrag der von Angehörigen beauftragten Rechtsanwälte tätig zu werden. Auch sei er nicht gegen die Verzögerungsstrategien der Polizei eingeschritten, indem er etwa jedenfalls in den Fällen von Anträgen auf Richteranhörung eine Frist zur Begründung der Freiheitsentziehung oder auf Aktenvorlage gesetzt habe.
Während der gesamten Dauer der Freiheitsentziehung sei somit keine Richtervorführung erfolgt und auch keine richterliche Entscheidung herbeigeführt worden. Vielmehr seien durch die mangelhafte Organisation der polizeilichen Abläufe die Anforderungen des Art. 104 GG umgangen worden. Soweit die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen die eingetretenen Verzögerungen mit dem Geschehen vor Ort und polizeilichen und gerichtlichen Personalengpässen bei den Massenfestnahmen rechtfertigten, fehlten ebenfalls konkrete Feststellungen. So sei nicht geprüft worden, ob durch eine verbesserte Gestaltung der Abläufe, etwa eine frühzeitige telefonische Benachrichtigung des Gerichts, mündliche Anhörungen statt der zeitraubenden Erstellung von Akten, die noch nicht einmal auf die konkreten tat- und personenbezogenen Umstände eingingen, oder etwa Gruppenvorstellungen, eine grundrechtskonforme Gestaltung möglich gewesen sei. Zudem falle auf, dass bei einer Aufnahmekapazität von mehreren hundert Gefangenen in der Sammelstelle lediglich fünf mit Computern ausgestattete Arbeitsplätze eingerichtet gewesen seien. Auch habe in den polizeilichen Abläufen und Organigrammen eine Aufgabenzuweisung für die Richterbenachrichtigung gefehlt.
Ferner sei auch Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, weil der Beschwerdeführerin keine ausreichende Begründung der Eingriffsmaßnahmen und keine zutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt worden seien. Hinzu komme, dass ihr weder Zugang zu ihren Anwälten noch Zugang zum zuständigen Gericht ermöglicht worden sei.
Im Übrigen liege auch ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 19 Abs. 4 GG vor. Die richterliche Geschäftsverteilung für die Ausübung des Richtervorbehalts bei präventiv-polizeilichen Freiheitsentziehungen und für das nachträgliche Feststellungsverfahren sei 2001 bei dem Amtsgericht nur unzureichend und unvollständig geregelt gewesen. Hinzu komme, dass der schon am 13. November 2001 tätige Amtsrichter im Hinblick auf eine Besorgnis der Befangenheit nicht auch über die Feststellungsanträge habe entscheiden dürfen. Überdies sei die Rechtswegzuweisung in § 19 NGefAG an die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht sachgerecht.
Schließlich sei durch die Art und Weise der Freiheitsentziehung auch Art. 104 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 GG verletzt worden. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Gefangenen die Mobiltelefone, das Schreibzeug und die mitgebrachte Verpflegung abzunehmen. Auch der weitere Verlauf der Gewahrsamnahme sei nicht hinnehmbar gewesen. Die Beschwerdeführerin sei zunächst etwa zwei Stunden auf einem Feld in einem Polizeikessel festgehalten worden. Danach – etwa gegen 13.00 Uhr – sei sie mit 30 Mitgefangenen auf einen Gefangenentransporter verladen und dort in einer Viererzelle mit einer Größe von etwa 2 qm untergebracht worden. Der Transporter habe noch geraume Zeit auf dem Feld gestanden, ehe er auf Umwegen nach Neu Tramm bei Dannenberg gefahren worden sei. Dort sei er zunächst auf dem Hof einer ehemaligen Kaserne, die als Gefangenensammelstelle gedient habe, abgestellt worden, ohne dass etwas geschehen sei. Erst nachdem sich die gefangenen Insassen mit Klopfen und Rufen bemerkbar gemacht hätten, seien die Türen des Gefangenentransporters geöffnet worden. Danach sei ihnen erstmals die Toilettenbenutzung erlaubt worden, wobei es keine Gelegenheit zum Händewaschen gegeben habe. Im Anschluss – mittlerweile sei es nach 15.00 Uhr gewesen – hätten die Beamten ihnen erstmals Getränke sowie einige Äpfel und Schokoriegel gebracht, die jedoch nicht für alle Gefangenen ausgereicht hätten. Nach langen Diskussionen seien sie und die weiteren Insassen des Gefangenentransporters bei der Abarbeitung in der Gefangenensammelstelle vorgezogen worden, so dass um 16.35 Uhr ihre erstmalige Erfassung erfolgt sei. In der Gefangenensammelstelle sei sie dann nochmals erkennungsdienstlich behandelt worden. Sie sei erneut fotografiert und körperlich durchsucht worden. Ihre Daten seien in ein vorgefertigtes Formular einer allgemeinen Gefahrenprognose aus Anlass des bevorstehenden Castor-Transportes eingefügt worden. Danach habe sie erstmals eine richtige Toilette mit Wasseranschluss aufsuchen dürfen. Sodann sei sie in eine Massenzelle in einer Fahrzeughalle der ehemaligen Kaserne verbracht worden, in der über hundert Personen gefangen gehalten worden seien. Sie habe dort nur eine sehr dünne Isomatte und eine einzige Wolldecke bekommen. Die Luft in der Zelle sei staubig gewesen. Außerdem sei die Zelle nur sporadisch mit einem Gebläse beheizt worden, so dass es abwechselnd zu heiß oder zu kalt gewesen sei. Sie habe wegen ihres Asthmaleidens Probleme mit der Atmung gehabt. Gegen 23.00 Uhr sei Essen ausgeteilt worden, das jedoch bereits vergoren und deshalb ungenießbar gewesen sei. Erst nach 23.00 Uhr sei ihr dann ein weiteres Telefonat ermöglicht worden, um ihrer Familie mitzuteilen, dass sie über Nacht bleiben und daher die Kinderbetreuung anderweitig organisiert werden müsse. Schließlich sei die Nachtruhe durch ständige polizeiliche Beobachtungen, Lärm und Aufrufe von Gefangenen nachhaltig gestört worden. Nachdem sie am Morgen nach 9.00 Uhr das Kasernengelände verlassen habe, habe sie ihren Heimweg selbst organisieren müssen. Öffentliche Verkehrsmittel hätten dort nicht verkehrt. Die gesamte Behandlung habe den Eindruck einer Ersatzbestrafung gemacht.
2. Den gemäß § 94 BVerfGG Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Land Niedersachsen sieht eine Grundrechtsverletzung nicht als gegeben an. Das von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG für eine Freiheitsbeschränkung geforderte Gesetz sei in § 18 NGefAG zu sehen. Die Feststellung der Gerichte, die Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung seien für den gesamten Zeitraum der Ingewahrsamnahme erfüllt gewesen, sei nicht zu beanstanden. Die Eindeutigkeit der Auflösungsverfügung ergebe sich schon daraus, dass nach dem Ergehen der polizeilichen Verfügung von den rund 200 Teilnehmern der Sitzblockade insgesamt nur 39 – darunter die Beschwerdeführerin – die Straße nicht freiwillig geräumt hätten. Die Unerlässlichkeit der Freiheitsentziehung ergebe sich aus der Gesamtsituation, die in der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 ausführlich dargestellt worden sei. Der sich daraus ergebenden Gefahrenprognose entspreche auch, dass in den frühen Morgenstunden des 13. November 2001 in Splietau eine größere Sitzblockade unter Anwendung unmittelbaren Zwangs habe beendet werden müssen, wobei Menschen, die nicht in Gewahrsam genommen worden seien, immer wieder versucht hätten, auf die Straße zu gelangen.
Auch Art. 104 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG seien nicht verletzt. Organisationsmängel von verfassungsrechtlicher Relevanz lägen nicht vor. Die Beschwerdeführerin überspanne die von Verfassungs wegen an die Organisationsabläufe zu stellenden Anforderungen. Dies gelte auch hinsichtlich der Anforderungen an die gerichtliche Ermittlungs- und Begründungsdichte. Die tragenden Erwägungen der angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen ergäben keinen Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen. Die Organisation bei der rechtlichen Behandlung der Festnahmen möge zwar noch nicht optimal gewesen sein, habe jedoch keine verfassungsrechtlich bedeutsamen Mängel aufgewiesen. Dies zeige sich schon daran, dass für 269 der weniger als 500 Inhaftierten ein Antrag auf richterliche Bestätigung gestellt worden sei. Hinzu trete die am 13. November 2001 um 15.30 Uhr getroffene Dominanzentscheidung, wonach wegen der hohen Anzahl von Gewahrsamnahmen die strafrechtliche Abarbeitung der Ermittlungsvorgänge gerade zu Gunsten der zügigeren Bewältigung der Freiheitsentziehungsanträge zurückgestellt worden sei.
Die Aktenerstellung sei gerade auch Folge des Bemühens der Sicherheitskräfte, rechtsstaatlichen Darlegungsanforderungen uneingeschränkt gerecht zu werden. Die zuständigen Behörden hätten vor dem Castor-Transport im November 2001 zahlreiche Besprechungen abgehalten, um die Verfahrensabläufe in der Gefangenensammelstelle zu optimieren und sich nach den Erfahrungen mit dem Transport, der im Frühjahr 2001 stattgefunden habe, auch ablauforganisatorisch auf entsprechend hohe Belastungszeiten vorzubereiten. Der Umstand, dass diese Planungen dem Demonstrationsgeschehen im Herbst 2001 letztlich nicht in jeder Phase der Massendemonstration mit etwa 4.000 Teilnehmern voll entsprochen hätten, könne die Anstrengungen und Ergebnisse nicht entwerten. Eine Umgehung des Richtervorbehalts durch taktisches Zuwarten oder unsachgemäße Verzögerungen habe es nicht gegeben. Die Verzögerungen seien vielmehr eingetreten, weil am 13. November 2001 zahlreiche Ingewahrsamnahmen auf Grund der massiven und auf mehrere Örtlichkeiten verteilten Aktionen der Demonstranten erforderlich geworden seien. Die Zeitabläufe seien bei einer derartigen Massendemonstration nicht im Einzelnen vorhersehbar. Unter Berücksichtigung der Größe des Einsatzraumes, der aktuellen Verfügbarkeit von Einsatzkräften und des besonderen, für die Sicherheitsbehörden in ihren Ausmaßen nur begrenzt kalkulierbaren Störerverhaltens sowie der von Seiten der Polizei nicht zu vertretenden Widrigkeiten, wie etwa verstopfte Straßen oder Wetterbedingungen, sei es durchaus als unverzüglich anzusehen, dass die Polizei noch am Abend des 13. November 2004 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung formuliert habe. Wann die Beschwerdeführerin ihrerseits einen Antrag auf richterliche Entscheidung gestellt habe, bleibe vage.
Die richterliche Tätigkeit habe zudem dem Gebot der Unverzüglichkeit entsprochen. Unzutreffend sei in diesem Zusammenhang, dass das Gericht überhaupt nur auf anwaltlichen Druck hin tätig geworden sei. Der Amtsgerichtsdirektor habe berichtet, Hauptproblem der Abarbeitung sei gewesen, dass die Polizei die in Gewahrsam genommenen Personen nur schleppend vorgeführt habe. Zwischen der Ankündigung von Ingewahrsamnahmen und der Zuführung der Personen hätten oft Stunden gelegen. Eine zeitnahe Bearbeitung habe die Polizei nicht zu gewährleisten vermocht. Ungeachtet anwaltlicher Hinweise auf einzelne Ingewahrsamnahmen seien die Richter auch aus eigenem Antrieb fortlaufend bei der Polizei vorstellig geworden und hätten das Herbeischaffen von Vorgängen und/oder Personen angemahnt. Die Polizei sei jedoch wegen der hohen Anzahl von in Gewahrsam genommenen Personen daran gehindert gewesen, dem nachzukommen. Als gegen 22.00 Uhr eine längere Pause in der Vorlage entscheidungsreifer Akten eingetreten und auf Nachfrage durch die Leitung der Gefangenensammelstelle mitgeteilt worden sei, dass zur Zeit keine entscheidungsreifen Akten zu erwarten seien, sei die richterliche Tätigkeit bis zum nächsten Morgen eingestellt worden. Das Gericht sei auch hier durchaus tätig geworden. Das Absehen von einer Entscheidung wegen des Fehlens vollständiger Akten sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Vielmehr sei das Bemühen des Gerichts, auf der Grundlage vollständiger Erkenntnismittel zu entscheiden, sachgerecht gewesen. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine richterliche Entscheidung zur Nachtzeit nicht zwingend geboten. Im Übrigen sei zu bedenken, dass es in mindestens 125 Fällen zu einer richterlichen Entscheidung gekommen sei. Zudem seien ganze Gruppen von der Polizei aus dem Gewahrsam entlassen worden, ohne dass es einer richterlichen Entscheidung bedurft habe.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz effektiver Rechtschutzgewährleistung sei ebenfalls nicht festzustellen. Eine Verletzung der nur einfach-rechtlich bestehenden Belehrungs- und Benachrichtigungspflicht nach § 20 Abs. 1 und 2 NGefAG sei nicht zu erkennen. Auch hier müsse der Begriff der Unverzüglichkeit im Lichte der tatsächlichen Sachzwänge ausgelegt werden, die durch die administrative und logistische Bewältigung einer Großdemonstration gesetzt würden. Außerdem habe die Beschwerdeführerin ihre Familie gegen 16.35 Uhr über ihren Aufenthalt informiert und habe hierzu um 23.00 Uhr erneut Gelegenheit erhalten. Ferner sei ihr Zugang zu Rechtsanwälten gewährt worden. Deren Erscheinen in der Sammelzelle erst gegen 20.00 Uhr habe daran gelegen, dass diese vorher hauptsächlich bei den Vorführungen des Amtsgerichts anwesend gewesen seien.
Auch ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG oder gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2 GG liege nicht vor. In Bezug auf die Unterbringungsbedingungen könne die individuelle Befindlichkeit der Beschwerdeführerin nicht als verfassungsrechtlicher Maßstab dienen. Die Platzsituation in der voll belegten Sammelzelle sei zwar beengt und nicht optimal gewesen. Zu einer dauerhaften Überbelegung sei es jedoch nicht gekommen, weil ständig wieder Personen entlassen worden seien. Bei individuellen Beschwerden oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätten die Aufsichtspersonen uneingeschränkt angesprochen werden können. Auch sei die ärztliche Versorgung jederzeit gewährleistet gewesen. Es spreche zudem vieles dafür, dass die Verpflegung über den verfassungsrechtlichen Mindeststandard hinausgegangen sei. Ferner seien der Beschwerdeführerin nach ihrer eigenen Beschreibung Toilettenbesuche möglich gewesen.
Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, dass es den Versammlungsteilnehmern möglich gewesen wäre, sich selbst durch heiße Getränke oder Lebensmittel einen komfortableren Unterbringungszustand zu schaffen, sei diese möglicherweise unzutreffende Aussage nicht entscheidungserheblich, weil für die Beurteilung angemessener Gewahrsamsbedingungen Umstände zu Grunde zu legen seien, wie sie sich tatsächlich dargestellt hätten und nicht, wie sie sich hätten darstellen können.
Des Weiteren sei auch der Grundsatz des gesetzlichen Richters nicht verletzt worden. Mögliche Mängel der richterlichen Zuständigkeitsregelungen hätten sich nicht ausgewirkt, weil es zu keiner Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gekommen sei. In Bezug auf den gestellten Feststellungsantrag bestehe kein allgemeiner verfassungsrechtlicher Grundsatz, wonach ein Richter mit demselben Lebenssachverhalt nicht noch einmal befasst sein dürfe.
Selbst wenn jedoch Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungen bestehen sollten, sei die Annahme der Verfassungsbeschwerde mangels einer Grundrechtsverletzung von besonderem Gewicht nicht angezeigt. Es seien kontinuierlich Optimierungen sowohl hinsichtlich der Abläufe bei Gewahrsamnahmen als auch hinsichtlich der Unterbringungsbedingungen vorgenommen worden. Daher könne eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten weder durch niedersächsische Gerichte noch durch niedersächsische Sicherheitsbehörden festgestellt werden.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und – in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise – auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
I.
Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG.
1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichnet die Freiheit der Person als „unverletzlich”. Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung kennzeichnet das Freiheitsrecht als ein besonders hohes Rechtsgut, in das nur aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪322≫; 29, 312 ≪316≫; 65, 317 ≪322≫). Geschützt wird die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen (vgl. BVerfGE 94, 166 ≪198≫; 96, 10 ≪21≫), also vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs (vgl. BVerfGE 22, 21 ≪26≫).
Nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in unlösbarem Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪322≫; 58, 208 ≪220≫). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪323≫; 29, 183 ≪195≫; 58, 208 ≪220≫).
Für den schwersten Eingriff in das Recht der Freiheit der Person, die Freiheitsentziehung, fügt Art. 104 Abs. 2 GG dem Vorbehalt des (förmlichen) Gesetzes den weiteren, verfahrensrechtlichen Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung hinzu, der nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪323≫). Der Richtervorbehalt dient der verstärkten Sicherung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Alle staatlichen Organe sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird (BVerfGE 105, 239 ≪248≫; vgl. zu Art. 13 Abs. 2 GG: BVerfGE 103, 142 ≪151 ff.≫). Für den Staat folgt daraus die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Erreichbarkeit eines zuständigen Richters zu gewährleisten und ihm auch insoweit eine sachangemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪156≫; 105, 239 ≪248≫). Die Erreichbarkeit des zuständigen Richters ist dabei zur Tageszeit (vgl. § 188 Abs. 1 ZPO a.F., § 104 Abs. 3 StPO) stets zu gewährleisten. Ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit ist demgegenüber von Verfassungs wegen erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 2003 – 2 BvR 1481/02 –, NJW 2004, S. 1442).
Die Freiheitsentziehung erfordert nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung, deren Zulässigkeit in Ausnahmefällen Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG voraussetzt, genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (vgl. BVerfGE 22, 311 ≪317≫). Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG gebietet in einem solchen Fall, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen (vgl. BVerfGE 10, 302 ≪321≫). „Unverzüglich” ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfGE 105, 239 ≪249≫). Nicht vermeidbar sind zum Beispiel Verzögerungen, die durch die Länge des Weges, Schwierigkeiten beim Transport, die notwendige Registrierung und Protokollierung, ein renitentes Verhalten des Festgenommenen oder vergleichbare Umstände bedingt sind (vgl. BVerfGE 103, 142 ≪156≫; 105, 239 ≪249≫).
Das Gebot der Unverzüglichkeit des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG entfaltet in zweierlei Hinsicht Wirkungen. Zum einen verpflichtet es die Polizei, eine richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen. Hat sie eine Person in Gewahrsam genommen, so hat sie alle unter den Umständen des Einzelfalls gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, um die nachträgliche richterliche Entscheidung über die Ingewahrsamnahme unverzüglich nachzuholen. Zum anderen muss auch die weitere Sachbehandlung durch den Richter dem Gebot der Unverzüglichkeit entsprechen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2004 – 1 S 2206/03 –, DÖV 2005, S. 165 ≪167 ff.≫).
Das Bundesverfassungsgericht hat zudem ausgeführt, dass das Verfahren bei Entscheidungen über die Zulässigkeit oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung in besonderer Weise dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes entsprechen muss. In Bezug auf das gerichtliche Verfahren hat es ausgeführt, dass dieses darauf angelegt sein muss, den Betroffenen vor dem Freiheitsentzug alle diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind. Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung könne eine Vereinfachung und Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, dürfe aber die unabhängige, auf Grund der Justizförmigkeit des Verfahrens besonders verlässliche Entscheidungsfindung nicht gefährden (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪32≫). Der Gesichtspunkt der auf die Effektivität des Grundrechtsschutzes gerichteten Flexibilität des Verfahrens gilt jedoch in gleichem Maße für das Verwaltungsverfahren im Vorfeld der Anrufung des Gerichts. Demgemäß ist in der fachgerichtlichen Judikatur etwa anerkannt, dass das Anhängigmachen der freiheitsentziehenden Maßnahme bei Gericht im Falle einer besonderen Eilbedürftigkeit eines formellen schriftlichen Antrages nicht bedarf, sofern das Begehren in den Akten in verlässlicher Weise dokumentiert ist und die Identität der in Gewahrsam Genommenen jedenfalls anhand der Akten festgestellt werden kann, zumal unter der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes das Gericht die für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermitteln hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. September 2004 – 1 S 2206/03 –, DÖV 2005, S. 165 ≪168≫).
Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt weiterhin Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪308≫; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1998 – 2 BvR 2270/96 –, NJW 1998, S. 1774 ≪1775≫). Angesichts des hohen Ranges des Freiheitsgrundrechts gilt dies in gleichem Maße, wenn die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit einer freiheitsentziehenden Maßnahme in Rede steht.
2. Den sich aus diesen Maßstäben ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts nicht gerecht. Aus den von den Fachgerichten getroffenen Feststellungen ergibt sich nicht, dass dem aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Verfassungsgebot genügt worden ist.
a) Dies betrifft zunächst die Frage des polizeilichen Vorgehens. Hier fehlt es an einer Analyse des zeitlichen Ablaufs der Ingewahrsamnahme und der hierfür ursächlichen Gründe.
Aus einer im Verfahren vor dem Amtsgericht vorgelegten so genannten Zeitschiene für den Gefangenentransport (Anlage 1 zum Schriftsatz der Bezirksregierung Lüneburg vom 2. Dezember 2003), mit dem die Beschwerdeführerin in die Gefangenensammelstelle verbracht wurde, ergibt sich, dass die Ingewahrsamnahme vor Ort um 10.20 Uhr begann, das Verbringen der in Gewahrsam genommenen Personen in das Transportfahrzeug zwischen 12.07 Uhr und 13.05 Uhr sowie die Ankunft in der Gefangenensammelstelle um 13.19 Uhr erfolgte. Während die Dauer dieser Maßnahmen als den unabänderlichen konkreten Umständen am Versammlungsort geschuldet angesehen werden kann – auch die Beschwerdeführerin setzt hier nicht mit konkreten Rügen an –, fällt bei dem weiteren Ablauf in der Gefangenensammelstelle auf, dass ein Datenerfassungsbogen als Aufnahmezeit betreffend die Beschwerdeführerin den Zeitpunkt 16.25 Uhr nennt. Der Datenerfassungsbogen weist ferner aus, dass dieser selbst erst um 21.01 Uhr erstellt wurde. Die Abverfügung des Antrages auf richterliche Entscheidung erfolgte zwar noch unter dem 13. November 2001. Aus einer Mitteilung des Amtsgerichts Dannenberg ergibt sich aber, dass dieser erst am 14. November 2001 bei Gericht eingegangen ist, ohne dass die genaue Uhrzeit ermittelt werden konnte.
Die Ausführungen der Fachgerichte zu diesem zeitlichen Ablauf innerhalb der Gefangenensammelstelle beschränken sich auf blankettartige Begründungen, die allgemeiner Natur sind und nicht auf den konkreten Fall eingehen. Es ist zwar im Ausgangspunkt durchaus zutreffend, dass Masseningewahrsamnahmen im Rahmen von Großdemonstrationen eine spezifische Problematik aufweisen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die personelle und sachliche Ausstattung von Behörden und Gerichten begrenzt und das Ausmaß des notwendigen außergewöhnlichen Einsatzes nur begrenzt planbar ist und es demzufolge zu Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung der Ingewahrsamnahmen kommen kann. Diese allgemeine Erkenntnis ersetzt jedoch nicht die Aufklärung des konkret in Rede stehenden Sachverhalts. Der Richtervorbehalt hat als Sicherung gegen unberechtigte Freiheitsentziehungen hohe Bedeutung. Er erfordert daher besondere Bemühungen und Vorkehrungen (vgl. BVerfGE 105, 239 ≪251≫). Die Beantwortung der Frage, ob dieser Verpflichtung genügt wurde, bedingt die Aufklärung der konkreten Ursachen von eingetretenen Verzögerungen bei der Stellung von Anträgen auf richterliche Entscheidung.
Von Belang ist hier die konkrete Situation bei Zuführung der in Gewahrsam genommenen Person. Das Amtsgericht hat zwar diesbezüglich ausgeführt, dass es zu rund 200 bis 300 Gewahrsamnahmen im Zeitpunkt der Zuführung der Beschwerdeführerin gekommen sei. Auf welche Grundlage es diese Aussage stützt, bleibt indessen ebenso unklar wie die näheren Einzelheiten. So ist die Anzahl der Gefangenentransporte und der mit ihnen zugeführten Personen ebenso ungeklärt wie die jeweiligen Zuführungszeitpunkte. Überdies stellt dies nur eine Facette bei der Beurteilung der Gesamtsituation dar. In den Blick zu nehmen sind ferner die Anzahl der in der Gefangenensammelstelle zur weiteren Behandlung der in Gewahrsam genommenen Personen eingesetzten Beamten wie auch die Gestaltung der Arbeitsabläufe als solche. In diesem Zusammenhang wäre auch auf den Vortrag der Beschwerdeführerin einzugehen gewesen, dass es organisatorische Mängel gewesen seien, die das unverzügliche Anhängigmachen des Antrages auf Zulässigkeit und Fortdauer der Gewahrsamnahme verhindert haben.
Nähere Aufklärung dazu ist seitens der Fachgerichte unterblieben. Demgemäß fehlt es auch an einer sachgerechten Würdigung der Geschehensabläufe, bei der eine ex-ante Sicht unter Einbeziehung behördlicher Prognose- und Ermessensspielräume anzulegen ist. Im Rahmen einer solchen Würdigung werden sich die Fachgerichte auch mit Gesichtspunkten der Koordination und Flexibilität des polizeilichen Handelns auseinanderzusetzen haben. Dies betrifft vor allem die Frage, ob nicht ausgehend von der damaligen Situation jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Erstellung förmlicher schriftlicher Anträge hätte abgesehen werden können. In diesem Zusammenhang wäre die Frage zu klären, ob sich – stets bei einer ex-ante-Bewertung – alternative Vorgehensweisen aufdrängten, die ein zügigeres Anhängigmachen bei Gericht erwarten ließen. Auch dies setzt die Analyse der konkreten Arbeitsabläufe und der hierfür maßgeblichen polizeilichen Erwägungen voraus.
b) Ferner gibt die Art und Weise der Durchführung des richterlichen Bereitschaftsdienstes Anlass zu verfassungsrechtlichen Beanstandungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Dezember 2003 – 2 BvR 1481/02 –, NJW 2004, S. 1442). Im vorliegenden Fall war, bedingt durch die Kenntnis des bevorstehenden Castor-Transports und die zu erwartenden Massendemonstrationen, ein Bedürfnis für die besondere Regelung des richterlichen Eildienstes auch zur Nachtzeit an diesen Tagen sehr naheliegend. Unter Berücksichtigung der Vorkommnisse anlässlich des Castor-Transportes im März 2001 – die in der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 enthaltene Gefahrenprognose nennt diverse Blockaden, die erst am Abend stattfanden – musste gerade im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Transport mit Masseningewahrsamnahmen gerechnet werden, die nicht sämtlich zur Tageszeit sachgerecht bewältigt werden konnten. Daher konnte sich der richterliche Bereitschaftsdienst nicht auf die Tageszeit beschränken, sondern musste im Hinblick auf die Möglichkeit von Masseningewahrsamnahmen und den damit verbundenen Zeitaufwand auch eine Regelung für die Nachtzeit beinhalten.
Unabhängig von diesem Gesichtspunkt hätten die Fachgerichte den Vortrag der Beschwerdeführerin berücksichtigen müssen, dass dem Amtsgericht bereits vor 22.00 Uhr ein von ihr gestellter Antrag mit dem Ziel der Aufhebung des Gewahrsams vorlag. Mithin wäre zu erörtern gewesen, ob bereits aus diesem Grunde eine Anhörung der Beschwerdeführerin geboten war. Die nicht erfolgte Vorlage von Akten durch die Polizeibehörden ist als solche noch kein sachlich gerechtfertigter Grund für ein Absehen von einem richterlichen Tätigwerden. Vielmehr ist zu prüfen, ob nicht auf andere Weise die maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen hätten in sachgerechter Weise ermittelt werden können. Denkbar ist hier die Beiziehung schon vorliegender schriftlicher Berichte bezüglich des konkreten Anlasses der Ingewahrsamnahme oder die mündliche Anhörung eines Einsatzbeamten – sofern der Richter nicht ohnehin durch seinen bisherigen Dienst von dem jeweiligen Anlass Kenntnis hat –, die mit einer Anhörung des Betroffenen einhergehen können. Aus den Feststellungen der Fachgerichte ist weder ersichtlich, dass diese Möglichkeit in Betracht gezogen wurde, noch dass sachlich gerechtfertigte Gründe eine derartige Verfahrensgestaltung nicht zugelassen hätten. Ebenso gibt die dienstliche Erklärung des Amtsgerichtsdirektors nichts für den Schluss her, dass Richter des Bereitschaftsdienstes im Hinblick auf die zurückliegende Länge der Dienstzeit physisch nicht mehr zu einer sachgerechten Verfahrensabwicklung in der Lage gewesen wären.
c) Indem die Fachgerichte den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und geprüft haben, fehlt es auch an der dem Einzelfall gerecht werdenden Würdigung der Geschehensabläufe. Damit aber haben sowohl das Amtsgericht wie auch das Landgericht die Bedeutung von Tragweite des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und seiner formellen Gewährleistung in Gestalt des Richtervorbehalts nach Art. 104 Abs. 2 GG verkannt. Die Fachgerichte werden daher im Rahmen einer erneuten Befassung mit der Sache die gebotene Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen und auf ihrer Grundlage zu bewerten haben, ob dem Gebot der Unverzüglichkeit des Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG genügt wurde.
3. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass es möglich gewesen sei, schon vor der Ingewahrsamnahme eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, geht weder aus der Verfassungsbeschwerde noch aus den Gerichtsakten hervor, dass sie entsprechend schon vor den Fachgerichten vorgetragen hat. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde in diesem Punkt auch nicht hinreichend begründet. Insoweit fehlt es an der Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich auch in diesem Fall der Zweck der polizeilichen Maßnahmen hätte verwirklichen lassen.
II.
Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin ferner in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, soweit sie den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams zurückgewiesen haben.
1. Art. 19 Abs. 4 GG verbürgt ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 ≪326≫; 67, 43 ≪58≫; 96, 27 ≪39≫; 104, 220 ≪231≫). Die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 94, 166 ≪213≫; 96, 27 ≪39≫).
a) Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung des Rechtswegs muss das Ziel der Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG – den wirkungsvollen Rechtsschutz – verfolgen. Sie muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtssuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪268 f.≫; 77, 275 ≪284≫). Das muss auch der Richter bei der Auslegung dieser Normen beachten. Er darf den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪234≫; 77, 275 ≪284≫; 88, 118 ≪125≫).
b) Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es grundsätzlich auch vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪39≫; 104, 220 ≪232≫). Ein solches Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann jedoch ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Dies ist der Fall bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff (vgl. BVerfGE 96, 27 ≪40≫). Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht. Hierunter fallen vornehmlich solche, die schon das Grundgesetz – wie etwa in dem Fall des Art. 104 Abs. 2 und 3 GG – unter Richtervorbehalt gestellt hat. Bei derart schwerwiegenden Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse unter anderem in Fällen angenommen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz kaum erlangen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 ≪233 ff.≫ m.w.N.).
2. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang rügt, dass die gesetzlich begründete Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Ausübung des Richtervorbehalts und zur Kontrolle beendeter Ingewahrsamnahmen nicht sachgerecht sei, ist die Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht ersichtlich.
a) Die Zuweisung der Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams (§ 19 Abs. 1 NGefAG) und des nachträglichen Feststellungsverfahrens (§ 19 Abs. 2 NGefAG) an das nach § 19 Abs. 3 NGefAG zuständige Amtsgericht, das ohnehin in anderen Zusammenhängen, wie etwa im Rahmen der Strafverfolgung und in Unterbringungssachen, mit freiheitsentziehenden Maßnahmen befasst ist, verstößt nicht gegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1 GG. Der Bund hat zwar von der ihm in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG übertragenen konkurrierenden Kompetenz, Organisation und Verfahren der Verwaltungsgerichte zu regeln, abschließend und erschöpfend Gebrauch gemacht. § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO eröffnet jedoch dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art auf dem Gebiet des Landesrechts einem anderen Gericht als dem Verwaltungsgericht zuzuweisen. Ein derartiger Vorbehalt des Bundesrechts zu Gunsten der Landesgesetzgebung ist auch bei einer erschöpfenden Regelung eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebung zulässig (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪30≫ m.w.N.).
b) § 19 Abs. 4 NGefAG begegnet auch unter dem Gesichtspunkt, dass er das Verfahren, in dem der Richter über die Zulässigkeit des Gewahrsams entscheidet, nicht näher regelt, sondern auf die Vorschriften des Niedersächsischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit verweist, das in seinem Art. 7 wiederum die Vorschriften der §§ 2 bis 34 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) für entsprechend anwendbar erklärt, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art. 104 GG steht einer solchen Ausgestaltung des Verfahrensrechts nicht entgegen, sofern die Gewährleistung richterlicher Kontrolle sichergestellt ist. Das gerichtliche Verfahren bei Entscheidungen über die Zulässigkeit oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung muss darauf angelegt sein, dem Betroffenen vor dem Freiheitsentzug alle diejenigen rechtsstaatlichen Sicherungen zu gewähren, die mit einem justizförmigen Verfahren verbunden sind. Die Eilbedürftigkeit einer solchen Entscheidung kann eine Vereinfachung und Verkürzung des gerichtlichen Verfahrens rechtfertigen, darf aber die unabhängige, auf Grund der Justizförmigkeit des Verfahrens besonders verlässliche Entscheidung nicht gefährden (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪32≫). Die entsprechende Anwendung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat zur Folge, dass für die nach § 19 NGefAG zu treffende Entscheidung vor allem der in § 12 FGG niedergelegte Grundsatz der Amtsermittlung gilt, der dem Schutzzweck des Art. 104 GG gemäß auszulegen ist. Damit ist dem Verfassungsgebot der förmlichen Regelung des gerichtlichen Verfahrens genügt. Für die kurzfristig zu treffende richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit eines polizeilichen Gewahrsams in zeitlich eng begrenzter Dauer von höchstens 48 Stunden (§ 21 Satz 1 Nr. 3 NGefAG) ist ein gesetzlich eingehend ausgestaltetes Verfahren von Verfassungs wegen nicht gefordert. Das gerichtliche Verfahren muss vielmehr hinreichend flexibel ausgelegt sein, um den Anforderungen verschiedener Gefahrenlagen gerecht zu werden. Aus Art. 104 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GG selbst folgt zudem die Eilbedürftigkeit des Verfahrens, weil jede richterliche Sachaufklärung zeitlich durch das Erfordernis der unverzüglichen Entscheidung beschränkt und der Inhaftierung ohne richtliche Entscheidung mit dem Ende des dem Ergreifen folgenden Tages eine äußerste Grenze gesetzt ist (vgl. BVerfGE 83, 24 ≪32 f.≫). Auch in Bezug auf den Antrag eines Betrofffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des vollzogenen Gewahrsams ist vor dem Hintergrund der Geltung des im Lichte des Freiheitsgrundrechts auszulegenden Amtsermittlungsgrundsatzes die Regelung weitergehender Einzelheiten des Verfahrens nicht geboten.
3. Allerdings werden die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Maßstäben nicht gerecht.
a) Zunächst fehlt es an einer sachgerechten Auseinandersetzung der Fachgerichte mit dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerin. Diese hat vor dem Amtsgericht mit dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz die Feststellung beantragt, dass die erlittene Freiheitsentziehung dem Grunde nach, der Dauer nach und wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerdeführerin hat damit nicht nur die Zulässigkeit und Dauer der freiheitsentziehenden Maßnahmen, sondern auch die Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams zum Streitgegenstand erhoben. Das Amts- und Landgericht haben den letzteren Antrag für zulässig erachtet, ihn aber – ohne dass die konkreten Maßstäbe hinreichend deutlich werden – als unbegründet angesehen. Das Amtsgericht hat diesbezüglich ausgeführt, dass die Rahmenbedingungen der Unterbringung im Polizeigewahrsam nur bei wohlwollender Auslegung den gesetzlichen Anforderungen genügt hätten. Eine Unzulässigkeit der Freiheitsentziehung als solcher wegen der nur bedingt vertretbaren Rahmenbedingungen könne jedoch gleichwohl nicht festgestellt werden. Das Amtsgericht wie auch das Landgericht, das eine hiervon abweichende Einschätzung nicht vorgenommen hat, stellen mit dieser Argumentation eine Verknüpfung zwischen Vollzug des Gewahrsams und der Zulässigkeit der Freiheitsentziehung als solcher her. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des übergeordneten Oberlandesgerichts Celle.
Ihr zufolge sind die Behandlung während des polizeilichen Gewahrsams sowie die Art und Weise der Unterbringung für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme nach § 18 NGefAG grundsätzlich unbeachtlich. Es könne nicht Aufgabe der ordentlichen Gerichte sein, jeden Einzelnen mit der Freiheitsentziehung im Zusammenhang stehenden Umstand auf seine Rechtmäßigkeit oder gar auf seine Vereinbarkeit mit Verwaltungsvorschriften wie der Polizeigewahrsamordnung hin zu überprüfen. § 19 NGefAG sei eine Ausnahmevorschrift und beschränke die nachträgliche Überprüfung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung als solcher. Die Umstände der Unterbringung könnten allerdings dann Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit gewinnen, wenn auf Grund einer Gesamtschau aller Umstände so schwerwiegende Verstöße gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte vorlägen, dass die Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen des § 18 NGefAG unverhältnismäßig erscheine. Bloße Beschwernisse und Unbequemlichkeiten stellten die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme indes nicht in Frage (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2005 – 22 W 32/05 –; Beschluss vom 25. Oktober 2004 – 16 W 145/04 –, Nds.Rpfl 2004, S. 348).
Die Frage der Anordnung der Ingewahrsamnahme und deren Vollzug sind indes grundsätzlich voneinander zu scheiden. So kann die Anordnung einer Ingewahrsamnahme durchaus rechtmäßig sein, während etwa eine einzelne Maßnahme während des Vollzuges, die zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme nicht notwendigerweise vorhersehbar ist, sich als rechtswidrig erweisen kann, ohne dass von einem Durchschlagen dieses Mangels auf die Freiheitsentziehung als solche ausgegangen werden muss. Das Anlegen des dargestellten verengten Prüfungsmaßstabes auf der Begründetheitsebene verschließt den Blick auf das weitergehende Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerin. Demgemäß bleibt in den angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen auch offen, aus welchen konkreten Gründen der weitergehende Antrag der Beschwerdeführerin keinen Erfolg hat.
b) Soweit der verengte Prüfungsmaßstab der Fachgerichte in den angegriffenen Entscheidungen zum Ausdruck bringen will, dass eine erweiterte Prüfung im Hinblick auf die Rechtswegzuweisung in § 19 NGefAG nicht möglich sei, fehlt es an der erforderlichen eingehenden Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm ebenso wie mit der Frage, ob eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG ist weit formuliert. Er ermöglicht die gerichtliche Feststellung, dass die Freiheitsbeschränkung rechtswidrig gewesen ist. Bedenkt man, dass diese Norm anders als § 19 Abs. 1 NGefAG die Beendigung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme voraussetzt, so ist die Entscheidungsgrundlage eine breitere. Sie eröffnet schon auf Grund des zeitlichen Ablaufs auch eine Prüfung, ob den §§ 20 f. NGefAG, die die Behandlung festgehaltener Personen und die Dauer der Freiheitsbeschränkung regeln, Beachtung geschenkt wurde.
Selbst wenn man aber einer solchen weiten Auslegung nicht folgen wollte, wäre zu prüfen, ob nicht im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte kraft Sachzusammenhangs auch für die Überprüfung des Vollzuges des Gewahrsams anzunehmen ist. In der fachgerichtlichen Judikatur wird dies in ähnlichen Zusammenhängen angenommen. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der dem § 19 Abs. 2 NGefAG vergleichbaren Rechtswegregelung des Art. 17 Abs. 2 BayPAG ausgesprochen, dass das nach dessen Absatz 3 zuständige Amtsgericht wegen des engen Sachzusammenhangs auch für die Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen, wie etwa einer persönlichen Durchsuchung, während einer Ingewahrsamnahme des Betroffenen zuständig ist, wenn diese zur Gewährleistung der Ordnung im Gewahrsam erforderlich sind (BayVGH, Urteil vom 25. Oktober 1988 – 21 B 88.01491 –, NJW 1989, S. 1754 f.). Ferner hat der Bundesgerichtshof gerade im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG entschieden, dass für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzuges einer nach § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO nichtrichterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung der Betroffene entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die richterliche Entscheidung beantragen kann (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1998 – 5 AR (VS) 2/98 –, NStZ 1999, S. 200 ≪201 f.≫; Beschluss vom 5. August 1998, – 5 ARs (VS) 2/98 –, NStZ 1999, S. 151 f.; Beschluss vom 25. August 1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, NJW 1999, S. 3499 f.). Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Durchführung einer Abschiebung entschieden, es entspreche im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG einer sinnvollen Ordnung der Rechtswege, dass über einen einheitlichen Lebenssachverhalt möglichst nur in einem Rechtsweg entschieden werde (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1981 – 1 C 93/76 –, NJW 1982, S. 536 f.).
c) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes haben Amtsgericht und Landgericht – unabhängig von den Einwänden gegen den angewendeten Prüfungsmaßstab – durch die Art und Weise ihrer Befassung mit dem Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführerin verletzt.
Das Amtsgericht hat sich einer konkreten Rechtsanwendung entzogen, indem es – gestützt auf eine „wohlwollende Auslegung” der Gewahrsamsordnung der Polizei – eine allgemeine Würdigung der polizeilichen Bemühungen vorgenommen hat. Das Landgericht hat das von seinem eigenen rechtlichen Ansatz aus erforderliche Prüfprogramm nicht eingehalten und das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht ernsthaft geprüft, sondern seine Entscheidung lediglich auf eine pauschalierende, in tatsächlicher Hinsicht nicht tragfähige Würdigung gestützt. Die Beschwerdeführerin hat gerügt, dass die Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams einer Ersatzbestrafung gleichgekommen sei. Diesem Vorbringen ist immanent, dass bessere Bedingungen des Vollzuges durch eine sachgerechte Planung, eine bessere Organisation und Koordinierung wie auch durch eine anderweitige Unterbringung möglich gewesen seien. Den damit von der Beschwerdeführerin in tatsächlicher Hinsicht aufgeworfenen Fragen sind die Gerichte nicht nachgegangen. Ihnen hätte es oblegen, die Gründe für die Auswahl des Standorts der Gefangenensammelstelle, deren Kapazitätsgestaltung und die Frage einer zureichenden Ausstattung ausgehend von einer ex-ante Sicht zu ermitteln und unter Berücksichtigung der behördlicherseits geltend gemachten Belange sowie behördlicher Prognose- und Ermessensspielräume zu würdigen. Hierbei ist auch erheblich, ob bei sich andeutenden Überlastungen alternative Unterbringungsmöglichkeiten bestanden und solche in Betracht gezogen wurden. Im Übrigen wäre eine konkrete Analyse der von der Beschwerdeführerin angeführten Beanstandungen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit und Vermeidbarkeit vorzunehmen gewesen. Dies bedingt eine Aufklärung der konkreten Verhältnisse des Gewahrsamsvollzuges, woran es vorliegend ebenfalls fehlt. Hinzu kommt, dass das Landgericht sich bei seinem Hinweis, die Teilnehmer der Sitzblockade hätten sich auf die Unannehmlichkeiten durch sachgerechte Kleidung sowie die Mitnahme von Isoliermatten und entsprechender Verpflegung einstellen können, nicht auf unbestrittene oder festgestellte Tatsachen stützen kann. Die Beschwerdeführerin hat gerade vorgetragen, dass die in Gewahrsam genommenen Personen die eigene Verpflegung wie auch mitgeführte Gegenstände nicht mit in die Gewahrsamzelle nehmen durften. Eine Grundlage für gegenteilige Feststellungen ist nicht ersichtlich.
III.
Auf die weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rügen kommt es nach alledem nicht an.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 2 GG sowie von Art. 19 Abs. 4 GG festzustellen. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts ist unter Zurückverweisung der Sache an das Landgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Broß, Lübbe-Wolff, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 1979259 |
NVwZ 2006, 579 |
ZAP 2006, 58 |
JuS 2006, 739 |
VR 2006, 140 |
NJW-Spezial 2006, 328 |
NPA 2007 |