Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 02.07.2008; Aktenzeichen 1 A 10430/08) |
VG Koblenz (Urteil vom 18.03.2008; Aktenzeichen 1 K 1841/07) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Streitigkeit über eine denkmalschutzrechtliche Abrissgenehmigung nach rheinland-pfälzischem Landesrecht.
I.
Durch eine Rechtsverordnung aus dem Jahre 1984 wurde ein Gebiet in K… als Denkmalzone „N…” unter Denkmalschutz gestellt. Schutzzweck der Denkmalzone ist die Erhaltung und Pflege der N… zu G…, wobei die Denkmalschutzverordnung die N… mit der Schlosskapelle und den zugehörigen Parkanlagen als bauliche Gesamtanlage im Sinne von § 5 Abs. 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und -pflegegesetzes vom 23. März 1978 (GVBl S. 159 – DSchPflG) einordnet. In die Denkmalzone einbezogen war das (damalige) Grundstück Gemarkung G…, Flur …, Parzelle Nr. …, auf dem die Schlosskapelle steht.
Die Geschwister des Beschwerdeführers sind seit Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Eigentümer des Areals der N… einschließlich des Kapellengrundstücks und nutzten es in Teilen gewerblich. Im Jahre 1993 ließen sie eine Zwischendecke mit Fußbodenheizung in die Kapelle einziehen. Die Denkmalschutzbehörde gab ihnen daraufhin auf, die Zwischendecke zu beseitigen und den alten Zustand der Kapelle wiederherzustellen. Widerspruch, verwaltungsgerichtliche Klage sowie anschließende Verfassungsbeschwerde hiergegen blieben erfolglos.
Während dieses Rechtsstreits teilten die Geschwister des Beschwerdeführers im Jahre 2006 das Grundstück Nr. …. Das neue Grundstück Parzelle Nr. …, auf dem die Schlosskapelle steht, ließen sie dem Beschwerdeführer auf. Er wurde im Sommer 2006 in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Im Herbst 2006 beantragte er die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 DSchPflG in der bis zum 9. Dezember 2008 gültigen Fassung erforderliche Genehmigung zum Abriss der Kapelle (zur teilweisen Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung vgl. BVerfGE 100, 226 sowie zu den Anforderungen an eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2001 – 1 A 11012/01.OVG –, NVwZ-RR 2002, S. 267 ≪268≫; Urteil vom 21. August 2003 – 1 A 11997/02.OVG –, juris Rn. 28; Urteil vom 26. Mai 2004 – 8 A 12009/03 –, juris Rn. 34).
Die Denkmalschutzbehörde lehnte mit dem hier angegriffenen Bescheid den Antrag auf Erteilung der Abrissgenehmigung ab. Seine Klage hiergegen stützte der Beschwerdeführer vor allem darauf, dass ihm die Erhaltung des Denkmals nicht zumutbar sei. Als Eigentümer der Schlosskapelle könne er die Erhaltungspflicht aus den mit dem Denkmal möglicherweise erzielbaren Einnahmen nicht erfüllen. Die Schlosskapelle, auf die es hier allein ankomme, erfordere Modernisierungs- und Instandsetzungsaufwendungen im Werte von ca. 195.000 EUR, denen ein Ertragswert des Grundstücks in Höhe von lediglich 50.000 EUR gegenüberstehe.
Die Klage vor dem Verwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung ab. Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist es der Auffassung, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Erhaltung des Denkmals, wenn wie hier eine Denkmalzone in Rede stehe, auf den im Eigentum einer Person stehenden denkmalgeschützten Gesamtbestand abzustellen sei. Dabei müssten hier die nach Unterschutzstellung eingetretenen Änderungen in den Eigentumsverhältnissen berücksichtigt werden, wenn sie auf das Verhältnis zwischen Erhaltungsaufwand für das Denkmal und Ertrag Auswirkungen haben könnten. Ansonsten bestünde die Gefahr einer Aufsplitterung des Denkmalschutzes.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Die Auslegung des denkmalschutzrechtlichen Genehmigungsvorbehalts, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf die bauliche Gesamtanlage abzustellen sei, verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Zwar könnten Eigentümerbefugnisse durch Gesetz eingeschränkt werden. Dabei dürfe der Kernbereich der Eigentumsgarantie jedoch nicht ausgehöhlt werden. Zu dieser gehörten sowohl die Privatnützigkeit, also auch die Zuordnung des Eigentumsobjekts zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein solle, als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand. Diese grundsätzliche Verfügungsbefugnis und die Privatnützigkeit des Eigentums würden durch die mit der Beschwerde angegriffenen Akte nicht mehr gewährleistet, wenn bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die gesamte unter Denkmalschutz gestellte Anlage und nicht die Kapelle als Einzelbauwerk als maßgebend angesehen werde und keinerlei andere Kompensation der nicht mehr zumutbaren Eigentumsbelastung vorgesehen sei.
Die (nachträgliche) Aufteilung eines Grundstücks sei rechtlich nicht untersagt. Sie sei auch nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, so dass der zivilrechtliche Auseinandersetzungsvertrag zwischen ihm und seinen Geschwistern wegen Verstoßes gegen § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig wäre. Vielmehr sei damit eine Grundstückssituation entstanden, die für Denkmalensembles häufig anzutreffen sei, dass nämlich in einer Denkmalzone verschiedene Grundstückseigentümer lediglich „denkmalrechtlich” zu einem Ensemble zusammengefasst würden. Weshalb in diesen Konstellationen die verfassungsrechtlich gebotene Betrachtung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit anders durchzuführen sei als bei einer Situation, in der die Denkmalwirkung erst nachträglich über verschiedene Grundstückseigentümer durch eine Rechtsverordnung erzeugt werde, erschließe sich nicht.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Kreisverwaltung Mayen-Koblenz, das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz und das Bundesverwaltungsgericht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG für eine Annahme sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Die Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Versagung einer denkmalschutzrechtlichen Abrissgenehmigung hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG geklärt (vgl. BVerfGE 100, 226). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Die Versagung der Genehmigung zum Abriss der Schlosskapelle ist die Konkretisierung einer Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 100, 226 ≪240≫). Sie schränkt die Eigentümerbefugnisse des Beschwerdeführers zwar ein, belastet ihn aber nicht unverhältnismäßig.
Die Denkmalschutzbehörde verfolgt mit der Versagung der Abrissgenehmigung einen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Zweck.
Der Schutz von Kulturdenkmälern ist grundsätzlich ein legitimes Anliegen, Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang, die einschränkende Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigt (BVerfGE 100, 226 ≪242≫). Die Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (VOBl S. 209, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 2005 ≪GVBl S. 495, ber. GVBl 2006 S. 20≫) verpflichtet zudem in Art. 40 Abs. 3 das Land, die Denkmäler der Kunst und der Geschichte in seine Obhut und Pflege zu nehmen.
Die Denkmalschutzbehörde hat in dem angegriffenen Bescheid die besondere Bedeutung der Schlosskapelle für die N… nachvollziehbar geschildert. Auch der Beschwerdeführer stellt die Berechtigung der Unterschutzstellung der Schlosskapelle nicht in Frage.
Die Versagung der Genehmigung ist geeignet und erforderlich, den Zweck der Rechtsverordnung über die Unterschutzstellung der Denkmalzone „N…” zu erfüllen. Ein Abriss hätte den unwiederbringlichen Verlust eines in dieser Rechtsverordnung ausdrücklich genannten Gebäudes zur Folge.
Die Versagung der Genehmigung belastet den Beschwerdeführer auch nicht unverhältnismäßig.
Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines geschützten Denkmals kann nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks und Gebäudes Rechnung getragen werden, dessen Eigentum daher einer gesteigerten Sozialbindung unterliegt. Sie ergibt sich aus der Situationsgebundenheit, hier der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks (BVerfGE 100, 226 ≪242≫).
Durch das Beseitigungsverbot wird die bestehende Nutzung eines Baudenkmals nicht eingeschränkt (BVerfGE 100, 226 ≪242≫). Angesichts des hohen Ranges des Denkmalschutzes und im Blick auf Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG muss der Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, dass ihm möglicherweise eine rentablere Nutzung des Grundstücks verwehrt wird. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (BVerfGE 91, 294 ≪310≫; 100, 226 ≪242 f.≫).
Anders liegt es aber, wenn für ein geschütztes Baudenkmal keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht. Dazu kann es kommen, wenn die ursprüngliche Nutzung infolge veränderter Verhältnisse hinfällig wird und eine andere Verwendung, auf die der Eigentümer in zumutbarer Weise verwiesen werden könnte, sich nicht verwirklichen lässt. Wenn selbst ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer von einem Baudenkmal keinen vernünftigen Gebrauch machen und es praktisch nicht veräußern kann, wird dessen Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt. Nimmt man die gesetzliche Erhaltungspflicht hinzu, so wird aus dem Recht eine Last, die der Eigentümer allein im öffentlichen Interesse zu tragen hat, ohne dafür die Vorteile einer privaten Nutzung genießen zu können. Die Rechtsposition des Betroffenen nähert sich damit einer Lage, in der sie den Namen „Eigentum” nicht mehr verdient. Die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung ist dann nicht mehr zumutbar (BVerfGE 100, 226 ≪243≫).
Gemessen hieran erweist sich die Versagung der Abrissgenehmigung gegenüber dem Beschwerdeführer nicht als unzumutbar. Der Fall des Beschwerdeführers ist durch Besonderheiten gekennzeichnet, die seine Belastung als Eigentümer mit der Erhaltung der denkmalgeschützten Schlosskapelle als mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar erscheinen lassen.
Allerdings wird sich die Zumutbarkeit der Erhaltung eines denkmalgeschützten Gebäudes im Hinblick auf die damit einhergehenden Belastungen grundsätzlich nur nach den sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten des denkmalgeschützten Gesamtbestands in der Hand eines Eigentümers beurteilen lassen. Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten anderer Eigentümer von Teilen einer denkmalgeschützten Gesamtanlage können grundsätzlich nicht in die wirtschaftliche Zumutbarkeitsprüfung einbezogen werden, sofern kein rechtlich gesichertes Ausgleichsverhältnis zwischen den verschiedenen Grundstückseigentümern besteht. Hiervon geht im Grundsatz auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in dem angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Februar 1994 – 8 A 11609/92.OVG –, AS 24, 294 ≪298≫) aus.
Der Fall des Beschwerdeführers weist hingegen die Besonderheit auf, dass er den neu zugeschnittenen Grundstücksteil mit der – nach seinem von den Fachgerichten als richtig unterstellten Vortrag – für sich genommen wirtschaftlich nicht tragfähigen Schlosskapelle zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Gesamtanlage bereits als Denkmalzone ausgewiesen war. Deren wirtschaftlich sinnvolle Nutzbarkeit insgesamt steht nicht in Streit. Das vom Beschwerdeführer in privatautonomer Entscheidung erworbene Grundstück mit der Schlosskapelle war also zum Zeitpunkt seines Eigentumserwerbs bereits denkmalschutzrechtlich vorbelastet. Dies musste ihm auch bewusst sein. Die vom Beschwerdeführer erlangte Eigentümerstellung war mithin, worauf auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme hinweist, von vornherein denkmalschutzrechtlich eingeschränkt. Dieser Umstand beeinflusste notwendig den Wert des von ihm erworbenen Grundstücks.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen bereits in seiner Rechtsprechung zur Kostentragungspflicht des Grundstückseigentümers für eine Altlastensanierung aus Gründen der öffentlichen Gefahrenabwehr betont, dass die Beurteilung dessen, was dem Grundstückseigentümer im Interesse des Gemeinwohls zugemutet werden kann, maßgeblich auch davon beeinflusst wird, ob er die entsprechende Belastung gekannt oder zumindest das Risiko einer solchen Belastung beim Grundstückserwerb bewusst in Kauf genommen hat (vgl. BVerfGE 102, 1 ≪21 f.≫).
Die in Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Privatnützigkeit des Eigentums gewährleistet mithin nicht, dass der Grundstücksertrag der Eigentümer einer denkmalgeschützten Gesamtanlage, deren Erhalt für sich genommen wirtschaftlich zumutbar ist, dadurch gesteigert wird, dass einzelne, wirtschaftlich unrentable Teile mit Denkmalbestand eigentumsrechtlich aus einem solchen Ensemble „herausgeschnitten” werden und dadurch der Erhalt dieser Denkmäler infrage gestellt oder dessen Kosten letztlich der Allgemeinheit auferlegt werden.
Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen Grundsätzen Rechnung und sind daher mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Ein dem Denkmalschutz aufgeschlossener Eigentümer würde eine unter Denkmalschutz gestellte Gesamtanlage nicht zu dem Zweck, die Voraussetzungen einer (vermeintlichen) Unzumutbarkeit der Erhaltung eines Teils des Denkmals zu schaffen, oder jedenfalls unter Inkaufnahme dieser Folge eigentumsrechtlich aufspalten, und eine dem Denkmalschutz aufgeschlossene Person würde eine derartige Eigentumsposition nicht erwerben.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
BauR 2010, 1574 |
DWW 2011, 78 |
NVwZ 2010, 6 |
NVwZ 2010, 8 |
NVwZ 2010, 957 |
WM 2010, 1333 |
ZAP 2010, 642 |
ZfIR 2010, 4 |
ZfIR 2010, 742 |
DÖV 2010, 613 |
BayVBl. 2010, 597 |
DVBl. 2010, 181 |
GuT 2010, 282 |
KommJur 2010, 337 |
KommJur 2010, 4 |
GuG-aktuell 2010, 39 |
ImmWert 2010, 32 |