Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit unabhängig von deren Rechtsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
1.Es ist mit Artikel 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, daß § 34 a des Einkommensteuergesetzes die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit davon abhängig macht, auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen.
2.Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Oktober 1965 – VI 46/65 – wird aufgehoben; die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
Normenkette
EStG § 34a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1
Tatbestand
A.
I.
§ 34 a EStG hat durch Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373) folgende Fassung erhalten:
Die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 7 200 Deutsche Mark im Kalenderjahr nicht übersteigt.
Die darin genannte Einkommensgrenze wurde verschiedentlich erhöht, zuletzt durch Art. 1 Nr. 14 des Steueränderungsgesetzes 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I S. 377) auf 24 000 DM.
II.
1. Im Jahre 1960 wurde zwischen dem Verband der Badischen Textilindustrie e. V. und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, Bezirksleitung Baden-Württemberg, ein Manteltarifvertrag für die Badische Textilindustrie abgeschlossen. § 6 Abs. 7 dieses Tarifvertrages lautet: „Der Zuschlag für Arbeit an Sonntagen und staatlichen Feiertagen beträgt 100 %.”
Die Beschwerdeführerin ist nicht Mitglied des genannten Arbeitgeberverbandes. Sie vereinbarte in den mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Einzelarbeitsverträgen einen 100%igen Zuschlag für Sonn- und Feiertagsarbeit. So lautet z.B. § 3 eines Einzelarbeitsvertrages wie folgt: „Aufgrund freier Vereinbarung wird vereinbart, daß Herr … zu Sonn- und Feiertagsschichten eingeteilt werden kann, wobei er einen Vergütungszuschlag … von 100 % pro Stunde erhält …”.
Von diesen Zuschlägen behielt die Beschwerdeführerin keine Lohnsteuer ein, weil sie die Zuschläge als steuerfrei nach § 34 a EStG ansah.
2. Das FA verneinte eine Steuerfreiheit nach § 34 a EStG und nahm die Beschwerdeführerin wegen des unterlassenen Lohnsteuerabzugs in Anspruch. Der hiergegen gerichtete Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg. Der BFH hob das Urteil des FG unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu § 34 a EStG auf, wonach Zuschläge, die auf Grund eines Einzelarbeitsvertrages gezahlt werden, nur dann steuerfrei sein sollen, wenn der örtlich und für die Branche einschlägige Tarifvertrag in vollem Umfang in den Einzelarbeitsvertrag aufgenommen worden ist.
Da die genannten Voraussetzungen nicht vorlagen, wies das FG die Berufung im zweiten Rechtsgang erneut zurück. Die gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde wurde durch das angefochtene Urteil des BFH als unbegründet zurückgewiesen.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung der Art. 3 Abs. 1, Art. 9 und 12 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt sie vor:
Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil kein vernünftiger Grund ersichtlich sei, weshalb tarifungebundene Arbeitspartner keine Steuerfreiheit genießen sollten, obwohl sie sich hinsichtlich des steuerrechtlich bedeutsamen Tatbestandes im Rahmen der tarifvertraglichen Regelung hielten. Außerdem verstoße es gegen Art. 9 Abs. 3 GG wenn der nicht tarifgebundene Arbeitgeber den Tarifvertrag in vollem Umfang übernehmen müsse, um dadurch die Steuerfreiheit der Zuschläge zu erreichen. Schließlich sei auch Art. 12 GG verletzt, da sie – die Beschwerdeführerin – durch die Rechtsprechung des BFH in ihrer Wettbewerbssituation gegenüber den übrigen Betrieben empfindlich beeinträchtigt werde; denn die Arbeitnehmer würden solche Betriebe wählen, in denen sie im Hinblick auf ihre Zuschläge steuerlich günstiger gestellt seien.
III.
1. Namens der Bundesregierung hält der BdF die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Er tritt der Rechtsansicht des BFH bei und meint, das Merkmal „tariflich” habe den Zweck, eine gewisse Gewähr für die Angemessenheit der Zuschläge zu bieten und von vornherein Mißbrauchsmöglichkeiten entgegenzutreten. Die Steuerbefreiung könne nur an objektiv nachprüfbare Voraussetzungen geknüpft werden. Im Gegensatz zu den Zuschlägen für Mehrarbeit könnten die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei sein, weil diese sog. Erschwerniszuschläge seien, während die Mehrarbeit regelmäßig innerhalb normaler Schichten geleistet werde. Die Arbeitslohngrenze von 24 000 DM sei im Hinblick auf soziale Erwägungen eingeführt worden und daher verfassungsgemäß.
2. Der Deutsche Gewerkschaftshund ist der Ansicht, die Beschwerdeführerin behaupte keine Verletzung eigener Rechte, da Steuerschuldner allein der Arbeitnehmer sei. Der Gesetzgeber habe bewußt nur tarifvertragliche Zuschläge begünstigen wollen, weil mit der Abhängigkeit von einer tarifvertraglichen Regelung eine Gewähr dafür gegeben sei, daß sich die Zuschläge in einem angemessenen Rahmen hielten. Ein „tariflicher” Zuschlag im Sinne des § 34 a EStG liege nicht vor, wenn in einem Einzelarbeitsvertrag nur ein Teil des einschlägigen Tarifvertrages übernommen werde; denn jede tarifliche Regelung stehe in engem Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen des Tarifvertrages.
Es sei auch sachgemäß, die Zuschläge für Mehrarbeit steuerlich nicht zu begünstigen. Die Belastung des Arbeitnehmers durch Mehrarbeit sei geringer als die Belastung durch Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, weil diese außerhalb des biologischen und kulturellen Lebensrhythmus des Arbeitnehmers liege. Für die Mehrarbeit bestehe regelmäßig kein zwingender Grund; sie widerspreche sogar den Bestrebungen zur Arbeitszeitverkürzung, so daß ein Anreiz durch Steuerbefreiung nicht geschaffen werden sollte. Die gesetzliche Grenze von 24 000 DM sei dadurch begründet, daß Arbeitnehmer mit höheren Bezügen im allgemeinen leitende Angestellte seien, die keine Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhielten.
3. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hält eine Steuervergünstigung nach dem Sinn und Zweck des § 34 a EStG auch dann für gegeben, wenn in einem Einzelarbeitsvertrag nur auf die Regelungen des Tarifvertrages über die Zuschläge für Sonntags- und Feiertagsarbeit Bezug genommen werde. Die Mehrarbeit könne der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht gleichgesetzt werden, da diese eine besondere Erschwernis darstelle. Sofern die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nur in einem Pauschallohn berücksichtigt würden, könne aus steuertechnischen Gründen keine Vergünstigung gewährt werden. Die Begrenzung für Arbeitnehmer mit einem Lohn unter 24 000 DM jährlich sei aus sozialen Gesichtspunkten getroffen.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.
Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des BFH beruht auf § 34 a EStG. Diese Bestimmung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich für eine gesetzliche Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grand nicht finden läßt und deshalb die Gesetzesbestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. etwa BVerfGE 1, 14 [52]; 21, 6 [9]; 22, 254 [263]). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Nach dem Wortlaut des § 34 a EStG sind nur „gesetzliche” oder „tarifliche” Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei. Legt man den Begriff „tarifliche” Zuschläge im Sinne des Arbeitsrechts dahin aus, daß damit nur „tarifvertragliche” Zuschläge gemeint sind, so werden nur solche Zuschläge steuerbegünstigt, die auf Grund eines Tarifvertrages gezahlt werden. Da die Rechtsnormen des Tarifvertrages grundsätzlich nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen gelten (§ 4 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes – TVG –) und tarifgebunden regelmäßig nur die Mitglieder der Tarifvertragsparteien sind (§ 3 Abs. 1 TVG), kommt bei dieser Auslegung des § 34 a EStG die Steuerbegünstigung nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und Arbeitnehmers in Betracht, wenn man von der Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Abs. 4 TVG) absieht. Demnach wären die genannten Zuschläge steuerfrei, wenn sie sich aus einem einschlägigen Tarifvertrag ergeben und der tarifgebundene Arbeitgeber sie an einen ebenfalls tarifgebundenen Arbeitnehmer zahlt. Ist der Arbeitnehmer jedoch nicht organisiert und erhält er den gleichen Zuschlag wie sein organisierter Arbeitskollege, so würde § 34 a EStG nicht eingreifen. Für diese unterschiedliche steuerliche Behandlung läßt sich ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden.
Diese Differenzierung ist dadurch entstanden, daß der Gesetzgeber die Formulierung „gesetzliche oder tarifliche Zuschläge” aus einem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 7. November 1940 (RStBl 1940 S. 945) übernommen hat. Die Regelung galt damals praktisch für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Denn nach dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 (RGBl I S. 45) wurden die Arbeitsbedingungen durch „Treuhänder der Arbeit” in Tarifordnungen festgesetzt. Nur der Wortlaut „gesetzliche oder tarifliche Zuschläge” ist von 1940 an gleich geblieben. Die Rechtslage hat sich seit dem Kriegsende erheblich geändert. Der Anspruch auf Zuschläge kann sich heute – abgesehen von etwaigen noch weitergeltenden Tarifordnungen – aus Gesetzen, Tarifverträgen, aber auch aus Betriebsvereinbarungen und Einzelarbeitsverträgen ergeben, so daß bei der gegenwärtigen Rechtslage nur einem Teil der Arbeitnehmer die Steuervergünstigung des § 34 a EStG zuteil wird.
2. Diese Ungleichbehandlung wird teilweise durch die erweiternde Auslegung des § 34 a EStG in der Rechtsprechung des BFH (BFH 78, 27) beseitigt. Danach findet die Bestimmung auch dann Anwendung, wenn entweder ein tarifgebundener Arbeitgeber an die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer die im Tarifvertrag vorgesehenen Zuschläge zahlt oder ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber durch Einzelarbeitsvertrag in vollem Umfang den einschlägigen Tarifvertrag übernimmt. Im letzteren Falle fordert der BFH nach einer Entscheidung vom 27. Oktober 1967, (BFH 90, 481; BStBl II 1968, 117) nicht, daß auch alle die Teile des Tarifvertrages, die mit der Festsetzung der Zuschläge, der Entlohnung und der Arbeitszeit nichts zu tun haben, uneingeschränkt übernommen werden; es müssen aber die tarifvertraglichen Vereinbarungen, die sich auf diese Fragen beziehen, voll in die vertragliche Regelung einbezogen werden. Auch nach dieser Auslegung des § 34 a EStG wird die Steuervergünstigung nicht für die Fälle gewährt, in denen in einem Einzelarbeitsvertrag nur die Bestimmung des Tarifvertrages hinsichtlich der Zuschläge übernommen wird. Hier ist nach Ansicht des BFH kein tariflicher bzw. tarifvertraglicher Zuschlag gegeben, weil es an objektiven, der Parteiwillkür entzogenen Merkmalen fehle und damit eine einfache und gleichmäßige Besteuerung unmöglich sei.
3. Versteht man das Wort „tariflich” im Sinne von „tarifgemäß”, so könnte möglicherweise eine Benachteiligung der nicht tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien entfallen, die nur die tarifvertragliche Regelung der Zuschläge in ihre Vereinbarungen einbezogen haben. Die Formulierung „tarifliche Zuschläge” in § 34 a EStG würde im Rahmen der steuerrechtlichen Abgrenzung dann bedeuten, daß nur solche Zuschläge steuerfrei sein sollen, die nach Umfang und Höhe der Zuschläge der Regelung in einem Tarifvertrag entsprechen. Ob eine solche Auslegung möglich ist, kann dahingestellt bleiben; denn auch sie könnte nicht dazu führen, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vermieden würde. Auch diese Auslegung setzt nämlich voraus, daß ein einschlägiger Tarifvertrag vorhanden ist, in dem solche Zuschläge geregelt sind. Das braucht aber nicht der Fall zu sein:
a) Fehlt ein solcher und ist er in dem Bereich, welchem der Betrieb angehört, auch nicht üblich, so ist eine Betriebsvereinbarung über die Zuschläge zulässig (§ 59 des Betriebsverfassungsgesetzes – BetrVG –). Zuschläge, die auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, fallen nach dem bisher Gesagten nicht unter § 34 a EStG. Denn entweder besteht ein einschlägiger Tarifvertrag über die Zuschläge; dann ist die Betriebsvereinbarung nach § 59 BetrVG unwirksam; oder aber die Betriebsvereinbarung ist gültig, dann existiert ein einschlägiger Tarifvertrag nicht.
b) Ferner kann sich die Regelung der Zuschläge aus dem einzelnen Arbeitsvertrag ergeben, ohne daß ein Tarifvertrag besteht, mit dem die einzelarbeitsvertraglichen Bestimmungen über die Zuschläge verglichen werden könnten.
4. Es ist also zu prüfen, ob sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund dafür finden läßt, daß die Zuschläge, die auf einer Betriebsvereinbarung beruhen oder einzelvertraglich ohne entsprechenden Tarifvertrag vereinbart sind, im Gegensatz zu Zuschlägen, die eine andere Rechtsgrundlage haben, steuerlich nicht begünstigt, also schlechter behandelt werden. Das ist nicht der Fall.
a) Der BFH geht davon aus, daß es Sinn der Beschränkung der Steuervergünstigung auf gesetzliche und tarifliche Zuschläge ist, eine Gewähr für die Angemessenheit der Zuschläge zu erreichen. Diese Begründung rechtfertigt die hier gewählte Differenzierung nicht. Zwar können die Parteien eines Arbeitsvertrages oder einer Betriebsvereinbarung zur Ausnutzung der Steuervorteile nach § 34 a EStG niedrigere Löhne und dafür um so höhere Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit vereinbaren. Möglich ist eine solche Regelung aber auch in einem Tarifvertrag.
Es ist auch nicht einzusehen, weshalb etwa die Zuschläge auf Grund einer Betriebsvereinbarung, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geschlossen wird, zu versteuern sind, während die Zuschläge auf Grund eines Firmentarifvertrages, den der Arbeitgeber mit der Gewerkschaft schließt, steuerfrei sein sollen, obwohl beide Rechtsgrundlagen für denselben Betrieb gelten.
b) Allerdings sind im Steuerrecht die Auswirkungen auf die Praktikabilität des Verfahrens besonders zu beachten. In diesem Zusammenhang meint der BFH, § 34 a EStG enthalte objektive Merkmale für die Steuerbefreiung und ermögliche eine einfache und gleichmäßige Besteuerung (BFH 66, 512 [515]). Aber auch dieser Gesichtspunkt reicht nicht aus, um eine verschiedene Behandlung der genannten Gruppen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungsgemäß anzusehen. Das Ziel, die Lohnsteuerfreiheit für beliebig festsetzbare und eventuell unangemessen hohe Zuschläge zu versagen, kann auch dadurch erreicht werden, daß die Steuerbehörde die Angemessenheit des Zuschlags überprüft. Selbst wenn hiermit eine gewisse Mehrbelastung der Steuerbehörden entstehen sollte, so muß diese im Interesse der Gleichbehandlung auch derjenigen Arbeitnehmer in Kauf genommen werden, die angemessene Zuschläge auf Grund eines Arbeitsvertrages oder einer Betriebsvereinbarung erhalten. Denn die gegenwärtige Regelung des § 34 a EStG bringt für diese Arbeitnehmer einen wesentlichen steuerlichen Nachteil mit sich. Sie haben auch selbst keine Möglichkeit, in den Genuß der Steuerfreiheit zu kommen, da sie keinen Einfluß darauf haben, ob ein einschlägiger Tarifvertrag abgeschlossen wird. Entsprechendes gilt auch für die Arbeitgeber dieser Arbeitnehmer; zwar können sie Partei eines Tarifvertrages sein, aber zum Tarifvertrag kommt es nicht, wenn eine Gewerkschaft nicht abschließen will oder eine zuständige Gewerkschaft gar nicht besteht.
c) Die geschilderte Ungleichbehandlung könnte allenfalls außer Betracht bleiben, wenn die aufgezählten Fälle, in denen Steuerpflichtige benachteiligt werden, äußerst selten und im Gesamtbild von ganz untergeordneter Bedeutung wären. Das kann aber nicht festgestellt werden. Hierzu mag auch auf die Entscheidung des BFH vom 27. Oktober 1967 (BFH 90, 481; BStBl II 1968, 117) hingewiesen werden, die ebenfalls mit Verfassungsbeschwerde angefochten ist; dort geht es um Zuschläge, die auf Grund einer Betriebsvereinbarung gezahlt wurden und die nicht in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten sind, weil ein solcher fehlt.
d) Nach alledem sind nach den Maßstäben des Art. 3 Abs. 1 GG legitime Merkmale für eine differenzierende Behandlung der genannten Gruppen nicht ersichtlich. Dieser Ansicht neigt offenbar – wenn auch eher aus steuerpolitischen Gründen – die Bundesregierung ebenfalls zu. Das ergibt sich aus dem sog. „Subventionsbericht” (BT-Drucks. V/2423, Übersicht über die Steuervergünstigungen, lfd. Nr. 45, S. 56/57). Dort wird die Regelung als „steuersystematisch kaum zu rechtfertigende und einseitige Begünstigung bestimmter Gruppen” bezeichnet. Auch der Bericht der Einkommensteuerkommission (Untersuchungen zum Einkommensteuerrecht unter besonderer Berücksichtigung textkritischer, rechtssystematischer und verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 7, S. 267 f.; vgl. auch Gutachten zur Reform der direkten Steuern, erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen am 11. Februar 1967, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 9, S. 47 f.) erörtert die gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 34 a EStG erhobenen Bedenken und hält die Ansicht, welche die Regelung als wenig befriedigend empfindet, für nicht unbegründet. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, es „sollte auf die einseitige Begünstigung nach § 34 a EStG im Interesse der steuerlichen Gleichbehandlung überhaupt verzichtet werden”.
II.
1. Obwohl die verschiedene steuerliche Behandlung von gesetzlichen oder tariflichen Zuschlägen einerseits und Zuschlägen, die auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhen, andererseits mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, kann das Bundesverfassungsgericht § 34 a EStG nicht für nichtig erklären. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, den Gleichheitsverstoß gerade dadurch zu beseitigen, daß auch den jetzt durch § 34 a EStG Begünstigten die Steuerfreiheit für Zuschläge versagt wird. Auch kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, daß der Gesetzgeber von einer Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit überhaupt abgesehen hätte, wenn er den Verstoß gegen den Gleichheitssatz erkannt hätte. Zur Behebung der geschilderten Ungleichheit bieten sich dem Gesetzgeber mindestens zwei Möglichkeiten. Er kann die Steuervergünstigung für Zuschläge ganz beseitigen; damit gleicht er die steuerliche Behandlung der gesetzlichen und tariflichen Zuschläge derjenigen an, welche für die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhenden Zuschläge gilt. Es steht aber auch in seinem Ermessen, die zuletzt genannten Zuschläge steuerlich ebenso zu begünstigen wie die gesetzlichen und tariflichen.
Bei dieser Rechtslage muß sich das Bundesverfassungsgericht auf die in der Entscheidungsformel enthaltene Feststellung beschränken, daß die Beschwerdeführerin durch § 34 a EStG in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist Diese Feststellung ergibt noch keine Grundlage für das Begehren der Beschwerdeführerin; sie eröffnet ihr aber die Chance, daß der Gesetzgeber bei Herstellung der Gleichheit eine ihr günstige Regelung trifft (vgl. BVerfGE 23, 1 [10 f.]).
Die Verfassungsbeschwerde bezieht sich allerdings nur auf die Regelung für Zuschläge wegen Sonn- und Feiertagsarbeit. Da aber keine Gründe ersichtlich sind, die Zuschläge für Nachtarbeit anders zu behandeln, erscheint es schon im Interesse der Rechtsklarheit geboten, diese Zuschläge in diese Feststellung einzubeziehen.
2. Die angefochtene Entscheidung des BFH ist aufzuheben. Dies rechtfertigt sich deshalb, weil der Beschwerdeführerin die Möglichkeit erhalten werden soll, an einer eventuellen gesetzlichen Neuregelung im Sinne einer Steuerfreiheit der Zuschläge teilzuhaben. Der Ausgang des Rechtsstreite ist solange ungewiß, als der Gesetzgeber nicht entschieden hat, in welcher Weise er dem Gleichheitsgebot Rechnung tragen will (vgl. BVerfGE 22, 349 [361 ff.]; 23, 1 [11]).
III.
Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung zu prüfen, ob gegen § 34 a EStG auch aus anderen Gründen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen können, insbesondere deshalb, weil die Steuervergünstigung nicht denjenigen Arbeitnehmern zugute kommt, die zwar Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit leisten, bei denen aber der hierauf entfallende Anteil ihres steuerpflichtigen Lohnes nicht selbständig ausgewiesen ist.
Fundstellen
BStBl II 1969, 253 |
BVerfGE 25, 101 |
BVerfGE, 101 |
BB 1969, 344 |
DB 1969, 467 |
MDR 1969, 452 |