Verfahrensgang
Tenor
- Die Urteile des Landgerichts Köln vom 18. Dezember 1997 – 84 O 92/97 – und des Oberlandesgerichts Köln vom 28. August 1998 – 6 U 17/98 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln wird aufgehoben. Die Sache wird an dieses Gericht zurückverwiesen.
- Das Land Nordrhein-Westfalen hat die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes auf Fernsehsendungen.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist ein privatrechtlicher Fernsehveranstalter (“RTL”). Sie hatte gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens, einem Rechtsanwalt, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Darin hatte sie sich verpflichtet, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von DM 20.000 zu unterlassen, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes vorzunehmen. Sie produzierte unter anderem die Sendereihe “Wie Bitte?!”, die sich mit realen Fällen beschäftigt, in denen sich Zuschauer ihres Programms durch Behörden und Unternehmen ungerecht behandelt fühlten. In den Sendungen trat ein als “Mahnman” bezeichneter Schauspieler auf, der in Anlehnung an die Comicfigur “Superman” bei ärgerlichen Alltagserlebnissen von Zuschauern mit Verantwortlichen Kontakt aufnahm und diese zur Rede stellte. In der am 8. März 1997 ausgestrahlten Sendung ging es unter anderem um zwei Fälle:
In dem ersten Beitrag wurde eine Auseinandersetzung zwischen einer Speditionsfirma und der Firma M.… nachgespielt, in der es um Abrechnungen für einen Telefonanschluss und die Benutzung einer Twincard ging. Die die Sendung für die Beschwerdeführerin produzierende Firma richtete unter dem 5. Dezember 1996 ein Schreiben an die Firma M.…, in dem um nähere Informationen zur Benutzung der Twincard gebeten wurde. In dem zweiten Beitrag wurde der “Mahnman” zugunsten der Mitglieder einer Familie W.… tätig. Diese hatten bei der Firma Möbel U.… eine Kommode gekauft, die dazugehörigen Schubladen jedoch in falscher Ausführung erhalten. Der “Mahnman” begab sich zur Firma Möbel U.… und stellte den Sachverhalt außerhalb des Gebäudes per Megaphon dar. In der Folge sagte ein Mitarbeiter der Firma ihm die umgehende Lieferung der richtigen Schubladen an die Familie W.… zu.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens sah auf Grund der beiden geschilderten Beiträge die Vertragsstrafe als in zwei Fällen verwirkt an und nahm die Beschwerdeführerin vor dem Landgericht auf Zahlung von 40.000 DM in Anspruch. Durch das angegriffene Urteil gab das Landgericht der Klage in Höhe von 20.000 DM statt und wies sie im Übrigen ab.
Auf die von beiden Parteien hiergegen eingelegte Berufung änderte das Oberlandesgericht durch das weiter angegriffene Urteil die landgerichtliche Entscheidung ab und verurteilte die Beschwerdeführerin zur Zahlung von 40.000 DM (vgl. OLG Köln, NJW 1999, S. 502). Beide von dem Kläger beanstandeten Beiträge stellten nach Auffassung des Oberlandesgerichts einen Verstoß gegen den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag dar. Das Vorgehen der Beschwerdeführerin gegen das Unternehmen Möbel U.… stelle eine – sogar massive – Besorgung der Rechtsangelegenheiten der Familie W.… dar. Insbesondere durch das Auftreten der Figur des “Mahnman” werde eine Rechtsangelegenheit der Käufer besorgt. Die eine massive Prangerwirkung entfaltenden Umstände belegten, dass das Vorgehen über den Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz hinaus auch in hohem Maß als sittlich anstößig zu bezeichnen sei. Die Rechte der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 1 GG geböten keine andere Beurteilung. Sie habe durch die Sendung keine journalistischen Aufgaben oder Interessen wahrgenommen, sondern sich für die Käuferinteressen in der beschriebenen Weise verwendet.
Auch durch den Beitrag über den Fall der Firma M.… habe die Beschwerdeführerin gegen die Unterlassungsvereinbarung verstoßen. Bei dem Schreiben vom 5. Dezember 1996 habe es sich um eine journalistische Recherchearbeit zur Vorbereitung einer Sendung gehandelt, die wiederum einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz dargestellt hätte. Bereits durch diese Recherchearbeiten seien fremde Rechtsangelegenheiten besorgt worden.
2. Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Zwar sei das Rechtsberatungsgesetz auf der generell abstrakten Ebene nicht zu beanstanden, auf der Rechtsanwendungsebene hätten die Gerichte jedoch der Rundfunkfreiheit nicht hinreichend Rechnung getragen. Auch die szenische Aufbereitung konkreter Rechtsfälle im Rahmen von Sendungen unterhaltender Art falle in den Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit. Zu einer Kollision mit dem Normzweck des Rechtsberatungsgesetzes komme es jedenfalls dann nicht, wenn der Fall juristisch korrekt aufbereitet und durch die breite Öffentlichkeit Druck auf eine Firma ausgeübt werde. Der mit dem Einsatz des “Mahnman” erzielte Effekt stehe nicht in einem Konkurrenz-, sondern eher in einem Ergänzungsverhältnis zur anwaltlichen Tätigkeit.
Bezüglich des Komplexes der Speditionsfirma und der Firma M.… verkenne das Oberlandesgericht den grundrechtlichen Stellenwert publizistischer Vorbereitungstätigkeit. Die Informationsbeschaffung dürfe auch dann nicht als unzulässige Rechtsbesorgung eingestuft werden, wenn die angestrebte Information später zu einer vom Rechtsberatungsgesetz zulässigerweise untersagten geschäftsmäßigen Rechtsbesorgungshandlung benutzt werden könnte. Entscheidend und ausreichend sei, dass die Recherche-Tätigkeit selbst noch neutral gehalten sei und zu einem für das Rechtsberatungsgesetz indifferenten objektiven Berichterstattungsfall führen könne.
Die zivilgerichtlichen Entscheidungen stellten in doppelter Hinsicht einen Grundrechtseingriff dar: In der Beschneidung des Rechts zur inhaltlichen Gestaltung der Sendung und in der Verkürzung des Rechts der journalistischen Recherche. Beide Elemente, die inhaltliche Programmgestaltung und die publizistische Vorbereitungstätigkeit, seien integrale Bestandteile der Rundfunkfreiheit.
II.
Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, verletzt.
1. a) Der Schutz aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst Sendungen des vorliegend zu beurteilenden Typs. Auch werden die zu ihrer Vorbereitung dienenden Handlungen geschützt, denn die Rundfunkfreiheit reicht von der Verschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht (vgl. BVerfGE 91, 125 ≪134≫; stRspr). Vom Grundrechtsschutz umfasst sind die Art und Weise der Darstellung im Rundfunk unabhängig davon, ob es sich um ein eher informatives oder eher unterhaltendes Sendeformat handelt (vgl. BVerfGE 35, 202 ≪222 f.≫).
In das Grundrecht wird durch die Verurteilungen zur Zahlung einer Vertragsstrafe und zur Unterlassung eingegriffen. Dem steht nicht entgegen, dass die Verurteilung der Beschwerdeführerin auf einer vertraglichen Verpflichtung beruhte, die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes nicht vorzunehmen, insbesondere gegenüber Behörden, Versicherungen oder Vermietern tätig zu werden und/oder hiermit zu werben. Durch die darin enthaltene Erklärung hat sich die Beschwerdeführerin keiner grundrechtlichen Position begeben und es ist ihr insbesondere nicht verwehrt, Rundfunksendungen durchzuführen oder anzukündigen, wenn darin keine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes zu sehen ist.
b) Die Rundfunkfreiheit ist wie die anderen in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Freiheiten nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern wird durch die allgemeinen Gesetze beschränkt (Art. 5 Abs. 2 GG). Zu ihnen gehört neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch das Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsvereinbarung. In ihr hat die Beschwerdeführerin sich gegenüber dem Kläger des Ausgangsverfahrens verpflichtet, keine im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes fremden Rechtsangelegenheiten zu besorgen. Die angegriffenen Entscheidungen würdigen das Verhalten der Beschwerdeführerin als eine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes und dementsprechend als einen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Ihrer Prüfung haben die Gerichte ersichtlich diejenigen Kriterien zu Grunde gelegt, die zu § 1 RBerG entwickelt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht beschränkt seine Prüfung darauf, ob dabei die Bedeutung und Tragweite der betroffenen Grundrechte beachtet worden sind oder ob eine unverhältnismäßige Beschränkung grundrechtlicher Freiheit erfolgt ist (vgl. BVerfGE 97, 12 ≪27≫).
aa) Was erlaubte Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist, bedarf angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der Abklärung im Einzelfall, die einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 97, 12 ≪28≫, zu Art. 12 GG).
Die Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, die eine geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einer Erlaubnispflicht unterwirft, wird in der fachgerichtlichen Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass nicht jede rechtsbezogene Tätigkeit betroffen ist. Die mit dem Rechtsberatungsgesetz verfolgten Belange, insbesondere die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der Schutz des Einzelnen und der Allgemeinheit vor ungeeigneten Rechtsberatern (dazu vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 ≪2878≫), sind nur gefährdet, wenn es sich um Rechtsberatung im rechtstechnischen Sinne handelt. Erfasst wird lediglich die unmittelbare Förderung konkreter Rechtsangelegenheiten dergestalt, dass diese einem gewissen Abschluss, sei es zwecks Rechtsgestaltung, sei es zwecks Rechtsverwirklichung, zugeführt werden sollen (vgl. BGH, NJW 1956, S. 591 ≪592≫; NJW-RR 1987, S. 875; OLG Düsseldorf, AfP 1992, S. 153; OLG Dresden, AfP 1996, S. 180). Eine Rechtsbesorgung ist nicht schon bei jeder Tätigkeit gegeben, die auf die Verwirklichung oder Gestaltung konkreter Rechte gerichtet ist (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 f.; NJW 2002, S. 2879 f.; NJW 2002, S. 2880 f.; NJW 2002, S. 2882 f.; NJW 2002, S. 2884 f.). Das Rechtsberatungsgesetz beruht nicht auf der Vorstellung, dass Streitigkeiten über die Durchsetzung von Forderungen und Verbraucherinteressen stets mit Schwerpunkt auf rechtlichem Gebiet und als Rechtsstreitigkeiten geführt werden und damit diesem Gesetz unterliegen. In der täglichen Praxis gibt es auch andere Wege der Streitbewältigung. Welche Möglichkeiten dafür in Betracht kommen, steht nicht ein für alle Mal fest.
In der Gegenwart haben auch Massenmedien eine Rolle bei der Bewältigung von Streitigkeiten des täglichen Lebens übernommen. Ihre publizistische Betätigung nimmt dann zwar ihren Ausgang an dem jeweiligen konkreten Problemfall, geht aber in der Zielsetzung und Wirkung darüber hinaus, indem zugleich allgemeine Informations- und Unterhaltungsinteressen befriedigt werden. Soweit sich ein Rundfunkveranstalter auf journalistische Weise mit Streitigkeiten befasst, muss das Grundrecht der Rundfunkfreiheit bei der Beurteilung seines Verhaltens anhand des Rechtsberatungsgesetzes berücksichtigt werden. Dabei ist zu fragen, ob die Art der Betätigung der Medien die vom Rechtsberatungsgesetz erfassten Schutzgüter überhaupt gefährden kann, und es ist gegebenenfalls im Zuge einer Abwägung mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit zu klären, ob den publizistischen Belangen Vorrang zukommt. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einbeziehend nimmt der Bundesgerichtshof an, dass eine Handlung im Sinne des Art. 1 § 1 RBerG voraussetze, der Handelnde werde unmittelbar auf rechtlichem Gebiet tätig. Daran fehle es beispielsweise, wenn die Berichterstattung der Medien nur die von ihnen ausgehende Wirkung nutze, um Forderungen auf Grund des öffentlichen Drucks durchzusetzen, ohne dass der Schwerpunkt der Hilfestellung im rechtlichen Bereich liege (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 ≪2878≫).
bb) Tätigkeiten des Rundfunks, die unter Berücksichtigung des publizistischen Kontextes nicht als Gefährdung des vom Rechtsberatungsgesetz geschützten Rechtsguts einzuordnen sind, können nicht unter Berufung auf dieses Gesetz unterbunden werden. Die einengende Auslegung des Begriffs der Rechtsberatung erlaubt es, den Interessen der Rundfunkveranstalter an publizistischer Betätigung ebenso gerecht zu werden wie denen der Fernsehteilnehmer an der Rezeption von Fernsehsendungen, hier solcher über Streitigkeiten des täglichen Lebens und deren Bewältigung. Vom Schutz der Rundfunkfreiheit umfasst ist nicht nur die generell-abstrakte Behandlung von Rechtsfragen in solchen Sendungen, sondern auch die aus Gründen der Veranschaulichung und Vertiefung erfolgende Darstellung einzelner konkreter Streitfälle.
cc) Das Rechtsberatungsgesetz verfolgt nicht den Zweck des Persönlichkeitsschutzes oder des Schutzes wirtschaftlicher Interessen der von einer Berichterstattung Betroffenen. Die anprangernde Wirkung, die von Rundfunksendungen des hier betroffenen Typs ausgehen kann, reicht daher als Ansatzpunkt nicht, um die Äußerung dem Rechtsberatungsgesetz zu unterwerfen (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 ≪2878≫). Dies bedeutet nicht, dass die Rechtsordnung die öffentliche Anprangerung stets hinnimmt (vgl. allgemein Edenfeld, JZ 1998, S. 645 ff.). Vielmehr gewährt sie Schutz vor der Verletzung von Persönlichkeitsrechten (etwa gemäß §§ 138, 823, 826, 1004 BGB), der auch gegenüber anprangernden Fernsehsendungen beansprucht werden kann. Insofern müssen die Betroffenen sich selbst vor einer möglichen Bloßstellung mit rechtlichen Mitteln schützen (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 ≪2878≫). Vor dem Einsatz unlauterer Mittel in Rundfunksendungen schützen auch die Regelungen des Rundfunkrechts. Dieses überträgt den Landesmedienanstalten Aufgaben zur Überwachung der Rundfunkprogramme unter anderem mit dem Ziel, die Einhaltung des Schutzes der Menschenwürde zu sichern (vgl. etwa § 31 Abs. 3, § 88 Landesmediengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen). Sollten die vorhandenen Rechtsnormen nicht ausreichen, um vor der öffentlichen Anprangerung hinreichend zu schützen, ist über eine gesetzliche Ausweitung des Schutzes zu entscheiden. Das Rechtsberatungsgesetz ist nach seiner gegenwärtigen Konzeption jedoch nicht zur Verwirklichung dieses Schutzzwecks bestimmt.
c) Die angegriffenen Entscheidungen genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Schutz der Rundfunkfreiheit nicht.
Das Oberlandesgericht hat die Verurteilung darauf gestützt, das Aufforderungsschreiben der Beschwerdeführerin an die Firma M.…, Informationen zur Benutzung der Twincard mitzuteilen, stelle eine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes dar und verletze deshalb die Unterlassungspflicht. Gleiches gelte für das Auftreten des “Mahnman”, das zugleich sittlich anstößig gewesen sei. Dabei hat das Gericht die Ausstrahlungswirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei der Auslegung der Bezugnahme der Unterlassungserklärung auf das Rechtsberatungsgesetz nicht hinreichend beachtet. Zwar können auch ein im Zuge journalistischer Recherche erfolgendes Anschreiben und die medienwirksame Aufforderung zur Beseitigung eines Rechtsverstoßes eine Rechtsbesorgung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes darstellen. Es bedarf jedoch unter Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG der wertenden Beurteilung, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt. So ist zu klären, ob die Rechtsdurchsetzung im Zentrum des Verhaltens steht, insbesondere ob der Handelnde unmittelbar auf rechtlichem Gebiet tätig wird oder ob es sich schwerpunktmäßig um eine journalistische Bearbeitung eines Problemfalles mit dem Ziel der Ausstrahlung der Sendung im Rahmen des Rundfunkprogramms handelt (vgl. BGH, NJW 2002, S. 2877 ≪2878≫; NJW 2002, S. 2879 ≪2880≫).
Diese Beurteilung hat das Oberlandesgericht nicht in hinreichender Weise vorgenommen. Es hat die gebotene abwägende Beurteilung durch die Annahme ausgeschlossen, die Beschwerdeführerin habe keine journalistischen Aufgaben oder Interessen wahrgenommen; sie habe sich für die Kaufinteressenten verwendet und die so entstandenen Beiträge zur Unterhaltung der Zuschauer gesendet. Dass die Beiträge von vornherein unter journalistischen Aspekten und mit dem Ziel ihrer Ausstrahlung erstellt worden sind, ist in diese Beurteilung nicht eingeflossen. Wenn das Gericht ergänzend feststellt, es habe der Beschwerdeführerin freigestanden, ohne Geltendmachung der Ansprüche in geeigneter Form über die Streitfälle zu berichten, lässt es außer Betracht, dass von der Rundfunkfreiheit auch die selbstbestimmte Entscheidung umfasst ist, wie ein publizistischer Beitrag gestaltet werden soll. Dabei sind nach Art. 5 Abs. 2 GG rechtliche Grenzen zu beachten, also auch die des Rechtsberatungsgesetzes. Deren Feststellung im konkreten Fall bedarf aber einer Einbeziehung des grundrechtlichen Schutzes der beabsichtigten journalistischen Aufbereitung zum Zwecke der Sendung im Rundfunk. Das ist jedoch unterblieben.
In gleicher Weise verkürzt sind die Ausführungen dazu, dass die der Vorbereitung der Sendung dienenden Fragen an die betroffene Firma zwar als Recherchearbeit, aber nicht als journalistische zu bewerten wären; es habe sich nicht um einen Rechtsvorgang gehandelt, über den journalistisch zu berichten gewesen wäre, sondern um eine Recherche zur Vorbereitung einer Sendung, die einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstelle. Der journalistische Zweck der Recherche entfällt aber selbst dann nicht, wenn die Recherchehandlung oder die darauf bezogene Sendung gegen ein Gesetz verstößt. Ob aber ein solcher Verstoß – hier gegen das Rechtsberatungsgesetz – gegeben ist, lässt sich in einem Fall wie diesem nur unter Berücksichtigung des Zwecks, hier einem journalistischen Handeln im Zuge der Erarbeitung einer Fernsehsendung, beurteilen. Dies aber ist in der angegriffenen Entscheidung nicht erfolgt.
2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den dargelegten Grundrechtsverstößen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte bei Beachtung der sich aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit ergebenden Anforderungen zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Die Entscheidungen sind daher wegen Verletzung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1102059 |
NJW 2004, 672 |
NVwZ 2004, 721 |
ZUM 2004, 304 |
KammerForum 2004, 137 |