Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 23.11.2000; Aktenzeichen II Qs 2128/00) |
LG Landau (Pfalz) (Beschluss vom 25.10.2000; Aktenzeichen 1 Qs 138/00) |
AG Ulm (Beschluss vom 12.10.2000; Aktenzeichen 5 Gs 1440/00) |
LG Bielefeld (Beschluss vom 08.09.2000; Aktenzeichen Qs 386/00 III) |
LG Hagen (Beschluss vom 30.08.2000; Aktenzeichen 43 Qs 107/00) |
AG Bielefeld (Beschluss vom 11.07.2000; Aktenzeichen 9 Gs 2312/00) |
AG Kandel (Beschluss vom 10.07.2000; Aktenzeichen Gs 65/00) |
AG Lüdenscheid (Beschluss vom 03.07.2000; Aktenzeichen 6 Gs 469/00) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden verbunden.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 3. Juli 2000 – 6 Gs 469/00 – und des Landgerichts Hagen vom 30. August 2000 – 43 Qs 107/00 – verletzen den Beschwerdeführer zu 1. in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer zu 1. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Bielefeld vom 11. Juli 2000 – 9 Gs 2312/00 – und des Landgerichts Bielefeld vom 8. September 2000 – Qs 386/00 III – verletzen den Beschwerdeführer zu 2. in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer zu 2. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Kandel vom 10. Juli 2000 – Gs 65/00 – und des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 25. Oktober 2000 – 1 Qs 138/00 – verletzen den Beschwerdeführer zu 3. in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Kandel zurückverwiesen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer zu 3. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Ulm/Donau vom 12. Oktober 2000 – 5 Gs 1440/00 – und des Landgerichts Ulm (Donau) vom 23. November 2000 – II Qs 2128/00 – verletzen den Beschwerdeführer zu 4. in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Ulm/Donau zurückverwiesen.
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer zu 4. die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen richterliche Anordnungen der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g Abs. 1 StPO.
I. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1841/00
1. Anlass der gegen den Beschwerdeführer zu 1. mit Beschluss vom 3. Juli 2000 angeordneten Entnahme von Zellproben zur Feststellung seines DNA-Identifizierungsmusters war eine Verurteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 8. Mai 1989 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall. Der Beschwerdeführer war seinerzeit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten zur Bewährung verurteilt worden, die nach Ablauf der Bewährungszeit mit Wirkung vom 17. Juni 1992 erlassen worden war. Der Bundeszentralregisterauszug vom 9. Juni 2000 weist sechs weitere Eintragungen auf, denen Verurteilungen aus den Jahren 1981 bis 1985 u. a. wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in zwei Fällen und Anstiftung zur Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung sowie aus den Jahren 1991 und 1997 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zugrundeliegen.
Das Amtsgericht erkannte in der am 18. Februar 1986 begangenen, noch nicht im Bundeszentralregister getilgten Straftat „eine Katalogtat nach § 2 c DNA-IfG” und damit eine Tat von erheblicher Bedeutung und begründete die Negativprognose damit, dass der Beschwerdeführer bereits einschlägig vorbestraft gewesen sei. Der Prognose stünde auch nicht entgegen, dass die gegen ihn verbüßte Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei. An die Prognoseentscheidung seien keine zu strengen Anforderungen zu stellen, da der Eingriff in Rechte des Beschwerdeführers vergleichsweise gering sei. Es genüge, wenn der festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte dafür biete, dass der Verurteilte hinsichtlich zu klärender oder künftig in Betracht kommender Straftaten in den Kreis möglicher Täter einzubeziehen sei und die durch die DNA-Analyse gewonnenen Ergebnisse zu seiner Be- oder Entlastung beitragen könnten.
Gegen den Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 25. Juli 2000, in der er darauf hinwies, dass er seit 1986 nicht mehr straffällig geworden sei und sein Leben total geändert habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn das Amtsgericht jetzt feststelle, er würde nach so langer Zeit wieder straffällig werden.
Mit Beschluss vom 30. August 2000 verwarf das Landgericht Hagen die Beschwerde des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf die „zutreffenden Gründe” des angefochtenen Beschlusses. Zugleich wies es darauf hin, dass für eine negative Prognose eine konkrete Wiederholungsgefahr zur Begehung neuer Straftaten nicht gegeben sein müsse. Ausreichend sei vielmehr die begründete Annahme, dass gegen den Betroffenen künftig erneut Verfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Es genüge ein Anfangsverdacht dafür, dass der Beschwerdeführer künftig in den Kreis der Beschuldigten einbezogen werden könne. Es sei nicht vorauszusetzen, dass von ihm künftig rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Eine solche Auslegung entspreche auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Erweiterung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zur Erleichterung der Strafverfolgung in künftigen Strafverfahren. Die nach wie vor positive Sozialprognose des mehrfach einschlägig vorbestraften Beschwerdeführers stünde der Maßnahme deshalb nicht entgegen. Im Übrigen sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den langen Zeitablauf gewahrt, zumal die Registrierung für den Beschwerdeführer im Falle eines künftigen Entlastungsbeweises auch vorteilhaft sein könne.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Entscheidungen seien lediglich formelhaft begründet worden. Dabei hätten die Fachgerichte den Einfluss und die Ausstrahlungskraft der Grundrechte grundsätzlich verkannt. Dies gelte insbesondere auch für das Landgericht, das für eine Zukunftsprognose einen bloßen Anfangsverdacht genügen lasse und bei seiner Entscheidungsfindung offenbar auf einschlägige Vorstrafen des Beschwerdeführers aus der Zeit vor 1986 zurückgegriffen habe. Eine solche Beurteilung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
3. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat davon aber keinen Gebrauch gemacht.
II. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1876/00
1. Der Beschwerdeführer zu 2., der an einer psychischen Erkrankung leidet, wurde in den Jahren 1996 und 1997 dreimal wegen in der Zeit zwischen 1995 und 1997 begangener Körperverletzungen zu Geldstrafen verurteilt. Ein weiteres Strafverfahren u. a. wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, dem Vorgänge aus dem Jahr 1999 zugrundelagen, wurde noch im gleichen Jahr wegen Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers eingestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne den Beschwerdeführer anzuhören, ordnete das Amtsgericht Bielefeld am 11. Juli 2000 die Entnahme von Zellproben des Beschwerdeführers und die Feststellung seines DNA-Identifizierungsmusters an. Zur Begründung der auf § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g StPO gestützten Maßnahme berief es sich auf die genannten Straftaten, das wegen Schuldunfähigkeit eingestellte Strafverfahren und einen Tatverdacht wegen einer Katalogstraftat nach § 81 g StPO; danach bestehe Grund zu der Annahme, dass gegen den Beschwerdeführer auch künftig Strafverfahren wegen einschlägiger Taten zu führen seien.
Der Beschwerdeführer beanstandete diese Entscheidung mit der Beschwerde, in der er darauf hinwies, dass gegen ihn kein Strafverfahren mehr anhängig sei, vielmehr sämtliche Verfahren aus dem Jahr 1999 eingestellt worden seien. Für den Fall einer nachträglich angeordneten DNA-Analyse, die einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstelle, fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Im Übrigen sei die Annahme einer negativen Prognose nicht gerechtfertigt; er habe seine Lebensführung geändert und sich deshalb seit einem Jahr straffrei geführt.
Das Landgericht Bielefeld verwarf die Beschwerde am 8. September 2000 unter Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung. Zugleich wies es darauf hin, dass § 2 DNA-IfG Maßnahmen auch erlaube, wenn der Betroffene bei nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit wegen einer der in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Straftaten nicht verurteilt worden sei. Eine nach dem Beschwerdevorbringen seit einem Jahr straffreie Lebensführung sowie geänderte Lebensumstände stünden einer negativen Prognose nicht entgegen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. So sei das DNA-IfG schon keine geeignete Grundlage für die getroffenen Anordnungen, da dieses Gesetz selbst gegen Art. 1 und Art. 2 GG verstoße. Die nachträgliche Anordnung einer DNA-Analyse nach Beendigung des Strafverfahrens lasse das Interesse eines straffällig Gewordenen an einer Rehabilitierung unberücksichtigt. Aber auch die angegriffenen Entscheidungen selbst stünden mit dem Grundgesetz nicht in Einklang. Sie seien unter Verletzung rechtlichen Gehörs zustandegekommen. Außerdem sei von den Gerichten nicht geprüft worden, ob seine Vorverurteilungen „erhebliche Straftaten” im Sinne von § 81 g Abs. 1 StPO seien. Es fehle an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesen Straftaten und deshalb auch an einer tragfähigen negativen Prognose; offensichtlich seien die Gerichte davon ausgegangen, dass die „Geringfügigkeit der Durchführung der angeordneten Maßnahme” einen größeren Aufwand an Feststellungen nicht erfordere.
3. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zu der Verfassungsbeschwerde keine Stellungnahme abgegeben.
III. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2132/00
1. Anlass der gegen den Beschwerdeführer zu 3. angeordneten Maßnahme war seine Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten.
a) Am 21. Juli 1993 verurteilte ihn das Amtsgericht Germersheim wegen fortgesetzten unerlaubten Anbaus und Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 20 DM.
b) Am 17. Oktober 1994 folgte eine Verurteilung durch das Landgericht Landau wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung.
Nach den Feststellungen dieses Urteils wurde der zum damaligen Zeitpunkt 23 Jahre alte Beschwerdeführer, der im Hause seiner Eltern lebte und diese unterstützte, im Herbst 1992 arbeitslos. Während dieser Zeit begann er, Marihuana und Haschisch zu konsumieren, das er u. a. auch von einem Drogenhändler erwarb. Im März 1994 beschädigte er, als er jenen Händler aufsuchen wollte, dessen Kraftfahrzeug. Den von diesem geltend gemachten Schaden in Höhe von 3.500 DM konnte er nicht begleichen, woraufhin er sich durch den Drogenhändler gedrängt sah, eine Drogeneinkaufsfahrt nach Holland zu unternehmen, um mit dem Entgelt den Schaden zu begleichen. Mit dem Geld des Drogenhändlers und Mitteln aus dem Freundeskreis erwarb er in Amsterdam 4 kg Haschisch. Noch im Amsterdamer Bahnhof wurde der Beschwerdeführer festgenommen; das Haschisch wurde sichergestellt. Fünf Tage später wurde er aus der Polizeihaft entlassen, zur deutschen Grenze gebracht und dort freigelassen. Kurze Zeit später setzte er sich mit der Polizei in Deutschland in Verbindung und offenbarte den gesamten Sachverhalt.
Das Landgericht nahm einen minderschweren Fall der tateinheitlich begangenen Verbrechenstatbestände an. Dafür war maßgebend, dass der Beschwerdeführer geständig war, Aufklärungshilfe im Sinne von § 31 Abs. 2 BtMG geleistet hatte und das Geschäft praktisch unter den Augen der Polizei stattgefunden hatte. Außerdem berücksichtigte das Landgericht, dass nur die „weiche” Droge Haschisch betroffen war, der Beschwerdeführer nur auf Grund des Drängens des Drogenhändlers tätig geworden war und er selbst finanziellen Schaden erlitten hatte. Insbesondere auf Grund der familiären Eingebundenheit des Beschwerdeführers und der Wiederaufnahme seiner Arbeit wurde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers ordnete das Amtsgericht Kandel mit Beschluss vom 10. Juli 2000 die Entnahme von Körperzellen und ihre molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters an. Zur Begründung wies das Gericht darauf hin, dass es sich bei der letzten Verurteilung um eine Tat aus dem mittleren Kriminalitätsbereich gehandelt habe, die den Rechtsfrieden empfindlich störe und geeignet sei, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Nach den Umständen der Tat und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, wie sie sich aus dem Urteil ergebe, fehlten greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Anlasstat um eine einmalige Entgleisung gehandelt haben könnte. Dabei bestünde Grund zu der Annahme, dass gegen den Beschwerdeführer auch künftig Strafverfahren wegen der in § 81 g Abs. 1 StPO bezeichneten Taten zu führen sein würden. Dem stünde auch die Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen, weil es sich bei den angeordneten Maßnahmen eher um eine erkennungsdienstliche Maßnahme handele, für deren Anordnung andere Maßstäbe gälten als bei Entscheidungen nach § 56 StGB. Im Übrigen diene die Maßnahme auch dazu, einen früheren Verurteilten in einer Strafsache künftig als Verdächtigen aus dem Kreis potentieller Straftäter auszuschließen.
Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, dass er seit 1994 keinen Kontakt mehr zur Drogenszene habe, Beschwerde ein. Er sei nunmehr in einem festen Beschäftigungsverhältnis und habe sein soziales Umfeld verändert. Er sei seit dieser Zeit nicht mehr straffällig geworden und habe so die positive Sozialprognose des Landgerichts bestätigt. Der Nachweis sei erbracht, dass es sich bei der Anlasstat um eine einmalige Entgleisung gehandelt habe. Im Übrigen beruhe die Entscheidung des Amtsgerichts auf einer „geschönten Auslegung des § 81 g StPO”, die letztlich zur Folge habe, dass jedes Betäubungsmitteldelikt zur Datenspeicherung führe. Die Annahme, dass mit Nachweisen aus einer DNA-Kartei auch ein Entlastungsbeweis geführt werden könne, sei keine Rechtfertigung für den Eingriff, der tief in sein Persönlichkeitsrecht eingreife. Die Entscheidung beruhe damit insgesamt auf einer Praxis, die nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, der nicht die Absicht gehabt habe, alle Verurteilten zu einer DNA-Analyse heranzuziehen.
3. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seiner Menschenwürde, in seinem Persönlichkeitsrecht und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g StPO knüpfe vor allem an Sexualverbrechen und nicht an Straftaten an, wie er sie begangen habe. Seine Situation sei völlig anders zu bewerten. Die Feststellungen des Amtsgerichts, es handele sich bei seiner Tat um eine solche aus dem mittleren Kriminalitätsbereich, die den Rechtsfrieden erheblich störe, sei mit den Erkenntnissen aus der landgerichtlichen Verurteilung nicht zu vereinbaren. Danach sei die Tat noch in Amsterdam entdeckt und beendet worden. In Deutschland wäre die Tat nicht einmal bekannt geworden, wenn er sich nicht selbst zur Polizei begeben hätte.
4. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme zu dieser Verfassungsbeschwerde abgesehen.
IV. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2307/00
1. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2000 ordnete das Amtsgericht Ulm/Donau die Entnahme von Körperzellen des Beschwerdeführers zu 4. und ihre molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters an. Anlass dafür war eine rechtskräftige Verurteilung am 14. November 1996 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, die das Amtsgericht Crailsheim nach Ablauf der Bewährungszeit mit Beschluss vom 27. Dezember 2000 erlassen hat. Das Amtsgericht Ulm/Donau war der Ansicht, es seien Straftaten von erheblicher Bedeutung in Bezug auf eine der in § 81 g StPO aufgeführten Fallgruppen begangen worden. Die entsprechende Eintragung der Straftat im Bundeszentralregister bzw. im Erziehungsregister sei noch nicht getilgt. Die angeordnete molekulargenetische Untersuchung des Spurenmaterials sei zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren erforderlich, weil wegen der Art der Tat, ihrer Ausführung und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers Grund zu der Annahme bestehe, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen einer der in § 81 g StPO genannten Straftaten zu führen seien.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein, in der er darauf hinwies, dass sich der Beschluss einzig darin erschöpfe, den Gesetzeswortlaut wiederzugeben, ohne diesen mit gerichtsverwertbaren Tatsachen zu unterlegen. Er enthalte keinerlei Begründung und genüge nicht den Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren bei einer Entscheidung über einen grundrechtsrelevanten Eingriff. Insbesondere seien keinerlei Gründe angeführt worden, die zu der Annahme führen könnten, gegen ihn seien künftig Strafverfahren wegen einer Katalogstraftat des § 81 g StPO zu führen. Der Hinweis auf die zuletzt erfolgte Verurteilung, die bereits mehr als vier Jahre und sechs Monate zurückliege, im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt sei und nach Erfüllung der Bewährungsauflage mit Ablauf der Bewährungszeit zum 21. November 2000 erlassen worden sei, könne die notwendige Gefahrenprognose nicht ersetzen. Im Übrigen könne auch die Gefahr künftiger Strafverfahren nicht aus den für ihn im Bundeszentralregister eingetragenen Katalogstraftaten des Diebstahls in einem besonders schweren Fall aus den Jahren 1988 und 1989 hergeleitet werden, weil diese bereits lange zurücklägen.
Mit Beschluss vom 23. November 2000 verwarf das Landgericht Ulm (Donau) die Beschwerde. Zur Begründung führte es an, der Beschwerdeführer habe mit dem Diebstahl von 250 DM aus einem Spielautomaten eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 81 g StPO begangen. Es bestehe auch eine negative Gefahrenprognose, an die zum Schutze der Allgemeinheit und zum Zweck der praktischen Handhabbarkeit des Identitätsfeststellungsverfahrens und unter Berücksichtigung des relativ geringen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürften. Es müsse weder die Persönlichkeit des Beschwerdeführers in einer der Sozialprognose nach § 56 StGB entsprechenden Weise gewürdigt noch müssten Ermittlungen hinsichtlich der aktuellen Lebensumstände geführt werden. Ein besonderer Grad der Wahrscheinlichkeit werde im Rahmen des § 2 DNA-IfG nicht verlangt. Für eine negative Prognose reiche es vielmehr aus, dass eine einschlägige Anlasstat – wie vorliegend – gegeben sei und nach den Umständen dieser Tat, der Persönlichkeit des Täters sowie den sonstigen Umständen greifbare Anhaltspunkte dafür vorlägen, es habe sich bei dieser Tat nicht nur um eine auf ganz besondere Lebensumstände zurückzuführende einmalige Entgleisung gehandelt. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung genüge es, dass der Verurteilte zum Kreis potentieller Verdächtiger gehören könne. Dass es sich bei der 1996 abgeurteilten Tat des Beschwerdeführers nicht um eine einmalige Entgleisung handele, ergebe sich daraus, dass er 1987 bis 1989 viermal wegen Diebstahls bzw. versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall verurteilt worden sei. Die Tat aus dem Jahr 1996 liege auch nicht so weit zurück, dass davon auszugehen sei, der Beschwerdeführer habe nunmehr mit fortschreitendem Alter eine grundsätzlich andere Lebenseinstellung gewonnen und sich stabilisiert.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, in das nur auf Grund einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage eingegriffen werden dürfe. § 2 DNA-IfG sei keine solche Grundlage, weil sie die Anordnung bereits bei einem alltäglich vorkommenden und der Kleinkriminalität zuzuordnenden Delikt wie dem Diebstahl in einem besonders schweren Fall zulasse und deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Außerdem verletze die Regelung das grundgesetzlich verbürgte Verbot der Rückwirkung, da an Taten angeknüpft werde, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits rechtskräftig abgeurteilt worden seien. Den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an Normenklarheit sei nicht genügt, weil weder § 81 g StPO noch § 2 DNA-IfG konkrete und absolute Löschungsvorschriften enthielten. Im Übrigen stehe die generelle Verwertung des gewonnenen DNA-Identifizierungsmaterials in allen künftigen Strafverfahren nicht mit dem Grundgesetz in Einklang.
Auch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen hielten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der amtsgerichtliche Beschluss erschöpfe sich in einer Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und enthalte keinerlei Begründung. Die Entscheidung des Landgerichts verkenne vollständig die Intensität des Eingriffs und stelle lediglich auf die körperliche Beeinträchtigung durch Abgabe einer Speichelprobe ab. Zu Unrecht stelle das Landgericht an den Eingriff geringste Anforderungen und verletze durch seine Anordnung, die ohne sachgerechte Abwägung aus reinen Zweckmäßigkeitserwägungen erfolgt sei, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
3. Das Land Baden-Württemberg hat von der Möglichkeit, im Verfassungsbeschwerde-Verfahren eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1. bis 4. zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung ihrer Grundrechte angezeigt ist (§§ 93b, 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit sie sich gegen die Anwendung und Auslegung von § 2 DNA-IfG durch die Fachgerichte wenden, und sie sind – in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer begründenden Weise – auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Gerichte der Ausgangsverfahren haben bei der Anwendung von § 2 DNA-IfG die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 65, 1 ≪41 ff.≫) verkannt.
I.
Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfGE 65, 1 ≪41 f.≫; 78, 77 ≪84≫). Diese Verbürgung darf nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist.
Dem Schrankenvorbehalt für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt die gesetzliche Regelung in § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g StPO ausreichend Rechung (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –). Sie bezweckt die Erleichterung der Aufklärung künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung und dient damit einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege, der ein hoher Rang zukommt (BVerfGE 77, 65 ≪76≫; 80, 367 ≪375≫).
Die Gerichte sind allerdings bei der Anwendung und Auslegung des § 2 DNA-IfG gehalten, bei ihrer Entscheidung die Bedeutung und Tragweite des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, in das die Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters eingreifen, hinreichend zu berücksichtigen. Notwendig für die Anordnung der Maßnahme nach § 2 DNA-IfG ist, dass wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Vorausgesetzt ist als Anlass für die Maßnahme im Vorfeld eines konkreten Strafverfahrens eine Straftat von erheblicher Bedeutung, wobei das Vorliegen eines Regelbeispiels im Sinne von § 81 g Abs. 1 StPO nicht in jedem Fall von einer einzelfallbezogenen Prüfung der Erheblichkeit der Straftat entbindet. Gibt es etwa mit Blick auf milde Strafen oder eine Strafaussetzung zur Bewährung Hinweise aus den zu Grunde liegenden Strafverfahren auf das Vorliegen einer von der Regel abweichenden Ausnahme, muss die Entscheidung sich damit im Einzelnen auseinander setzen.
Die Prognoseentscheidung setzt von Verfassungs wegen voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪309≫), insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungsheftes und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister vorausgegangen ist und die für sie bedeutsamen Umstände nachvollziehbar abgewogen werden. Dabei ist eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung, die auf schlüssigen, verwertbaren und in der Entscheidung nachvollziehbar dokumentierten Tatsachen beruht und die richterliche Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung belegt, erforderlich; die bloße Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut reicht nicht aus (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000 – 2 BvR 1741/99 u. a. –).
II.
1. Diesem Maßstab genügen die von dem Beschwerdeführer zu 1. mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen offensichtlich nicht.
a) Das Amtsgericht hat weder bei der Qualifizierung der Anlasstat als Straftat von erheblicher Bedeutung noch bei seiner Negativprognose den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Soweit das Gericht bei der Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung auf eine „Katalogtat nach § 2 c DNA-IfG” abstellt, verkennt es schon im Ansatz, dass es für diese Prüfung nicht auf den für den Suchlauf der Staatsanwaltschaften im Bundeszentralregister geschaffenen Katalog in der Anlage zu § 2 c DNA-IfG, sondern auf denjenigen nach § 81 g Abs. 1 StPO ankommt (vgl. Messer/Siebenbürger in: Vordermayer/von Heintschel-Heinegg, Handbuch für den Staatsanwalt, 2000, Teil A, Kapitel 1, Rn. 128). Darüber hinaus lässt es außer Acht, dass das Vorliegen einer Katalogtat nicht zwingend eine Straftat von erheblicher Bedeutung belegt. Im Hinblick auf die im unteren Bereich des Strafrahmens liegende Strafe gegen den Beschwerdeführer und die ihm gewährte Strafaussetzung zur Bewährung hätte Anlass bestanden, die Annahme einer Ausnahme zu prüfen. Dass das Amtsgericht eine solche Prüfung vorgenommen habe, lässt die Entscheidung nicht erkennen.
Auch die Negativprognose hat das Amtsgericht nicht in tragfähiger Weise begründet. Der alleinige Hinweis auf einschlägige Vorverurteilungen des Beschwerdeführers genügt insoweit nicht den an eine Gefahrenprognose von Verfassungs wegen zu stellenden Anforderungen. Es fehlt auch an einer auf den Einzelfall bezogenen individuellen Prüfung, die nicht durch die allgemeinen Ausführungen des Gerichts zu den Anforderungen an eine Prognoseentscheidung ersetzt werden kann. Dabei hätte sich das Gericht zum einen konkret im Rahmen der Abwägung damit auseinander setzen müssen, dass die Anlasstat lange zurückliegt, die damals verhängte Strafe zur Bewährung ausgesetzt war und inzwischen erlassen ist. Zum anderen wäre eine ins Einzelne gehende Würdigung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers erforderlich gewesen, um nachvollziehbar darzutun, warum auch heute, mehr als zehn Jahre nach der letzten Verurteilung, noch Grund zu der Annahme bestehen soll, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Dazu wäre es, auch um dem in diesem Verfahren geltenden Gebot bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung Genüge zu tun (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪309≫), angezeigt gewesen, den Inhalt des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Urteils und eventuell im Zuge des Strafverfahrens bekannt gewordene weitere Erkenntnisse hinsichtlich seiner Person zu berücksichtigen.
b) Die Entscheidung des Landgerichts, die sich den Gründen des angefochtenen Beschlusses angeschlossen hat, leidet damit an den gleichen Mängeln wie die Entscheidung des Amtsgerichts. Soweit es das Landgericht im Rahmen der Prognoseentscheidung im Übrigen genügen lassen will, dass der Beschwerdeführer wegen einer der in § 81 g Abs. 1 StPO genannten Straftaten in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werden könnte, wird dies der Bedeutung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht gerecht. Ein Verurteilter kann nach § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g Abs. 1 StPO nur in Anspruch genommen werden, wenn er in seiner Person genügenden Anlass für die Annahme bietet, dass es zu künftigen Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung kommen wird, nicht dagegen schon dann, wenn er in Strafverfahren verwickelt wird, ohne dass eine Wahrscheinlichkeit für die Begehung von Straftaten durch ihn besteht. Die Inanspruchnahme einer Person, die voraussichtlich keine Straftaten begehen wird, wird im Übrigen auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters gegebenenfalls als Entlastungsbeweis wirken könnte.
2. Auch die den Beschwerdeführer zu 2. betreffenden Entscheidungen genügen den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht und verletzen ihn in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
a) Die Begründung des Amtsgerichts erschöpft sich im Wesentlichen in dem Hinweis auf die Vorverurteilungen des Beschwerdeführers wegen Körperverletzung, auf ein auf Grund Schuldunfähigkeit eingestelltes Verfahren u. a. wegen versuchter schwerer Körperverletzung und auf den Verdacht einer Katalogstraftat nach § 81 g Abs. 1 StPO, ohne dass das Amtsgericht im Einzelnen prüft, ob eine Straftat von erheblicher Bedeutung als tauglicher Anlass für die Maßnahme vorliege. Zwar betraf das eingestellte Verfahren eine Katalogstraftat des § 81 g StPO, doch sind Ausnahmen von der Regelwirkung möglich und bedürfen der Prüfung, wenn Anhaltspunkte hierfür gegeben sind. Hier bot allein schon die Tatsache, dass die gefährliche Körperverletzung allenfalls versucht worden war, vor allem aber die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers genügenden Anlass zu einzelfallbezogener Erörterung.
Auch der Negativprognose des Amtsgerichts fehlt eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung. Die amtsgerichtliche Entscheidung verstößt insoweit gegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (vgl. BVerfGE 70, 297 ≪309≫), da es das Amtsgericht unterlassen hat, die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers und die von ihm angesichts seiner veränderten Lebenssituation noch ausgehenden Gefahren im Einzelnen zu klären. Bei der ihm bekannten Ausgangslage war das Amtsgericht von Verfassungs wegen gehindert, die Annahme einer Negativprognose allein mit den dem Bundeszentralregister zu entnehmenden Strafverfahren zu begründen.
b) Soweit das Landgericht die Beschwerde aus den „zutreffenden Gründen” der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen hat, begegnet diese Entscheidung denselben verfassungsrechtlichen Bedenken wie der Beschluss des Amtsgerichts. Daran ändert auch nichts der zusätzliche Hinweis des Landgerichts auf die straffreie Lebensführung des Beschwerdeführers und seine geänderten Lebensverhältnisse, die einer negativen Prognose gleichwohl nicht entgegenstehen sollen. Auch diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass sich das Landgericht ernsthaft um die Aufklärung und Berücksichtigung der Lebenssituation des Beschwerdeführers, die für die Beurteilung der von ihm heute ausgehenden Gefahren von wesentlicher Bedeutung ist, bemüht hat. Dass eine schnelle und sorgfältige Ermittlung der die Krankheit des Beschwerdeführers betreffenden Umstände leicht möglich gewesen wäre, zeigt im Übrigen der Umstand, dass eine telefonische Erkundigung des Landgerichts die weitere Information erbracht hatte, für den Beschwerdeführer, bei dem laut ärztlichem Gutachten eine paranoide Symptomatik bestehe, sei eine Betreuung beim Amtsgericht Bielefeld eingerichtet. Soweit das Landgericht diese Erkenntnis, die nicht einmal in den Gründen der Entscheidung Erwähnung findet, nicht zum Anlass genommen hat, weitere Erkundigungen einzuholen, etwa die Akte aus dem Betreuungsverfahren beizuziehen, lässt dies darauf schließen, dass auch das Landgericht die Bedeutung des grundrechtlichen Eingriffs durch die Anordnung einer DNA-Analyse und die damit verbundenen Aufklärungs- und Begründungspflichten verkannt hat.
3. Auch der Beschwerdeführer zu 3. wird durch die gegen ihn ergangenen Beschlüsse zur Anordnung eines DNA-Identifizierungsmusters in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
a) Die Entscheidung des Amtsgerichts verkennt die verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 81 g Abs. 1 StPO und der Bejahung einer Negativprognose. So legt das Amtsgericht nicht dar, warum die abgeurteilte Tat eine Straftat von erheblicher Bedeutung und damit tauglicher Anlass für die angeordnete Maßnahme gewesen sei. Zwar handelt es sich bei den von dem Beschwerdeführer verwirklichten Betäubungsmitteldelikten um Verbrechenstatbestände, die nach § 81 g Abs. 1 StPO im Regelfall Straftaten von erheblicher Bedeutung sind. Liegen aber wie im vorliegenden Fall Umstände vor, die eine Ausnahme als möglich erscheinen lassen, bedarf die gegenteilige Annahme einer Begründung. So hatte das verurteilende Landgericht einen minderschweren Fall angenommen und darüber hinaus die verwirkte Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Annahme des Amtsgerichts, es liege gleichwohl eine Straftat von erheblicher Bedeutung vor, trägt nur formelhafte Züge und ersetzt eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung nicht. Dass die Tat den Rechtsfrieden erheblich gestört habe und das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich beeinträchtigt worden sei, wird zudem lediglich in den Raum gestellt, aber nicht mit Umständen des Einzelfalls begründet. Zudem fehlt eine Auseinandersetzung mit dem für die Abwägung bedeutsamen Umstand, dass die niederländischen Polizeibeamten den Beschwerdeführer freiließen, ohne die deutschen Behörden zu informieren, und sich der Beschwerdeführer der deutschen Polizei erst selbst zur Strafverfolgung stellen musste.
Auch der Negativprognose fehlt es aus verfassungsrechtlicher Sicht an einer tragfähigen Grundlage. Das Amtsgericht verzichtet auf eine fallbezogene Begründung und übersieht darüber hinaus eine Reihe von bedeutsamen Gesichtspunkten, die gegen die Annahme von Gefahren sprechen, die von dem Beschwerdeführer noch heute ausgingen. So setzt sich das Amtsgericht weder mit der Strafaussetzung zur Bewährung, dem Straferlass oder dem erheblichen Zeitablauf seit der Tatbegehung noch mit dem vom Drängen eines Dritten geprägten Tatmotiv, dem Nachtatverhalten des Beschwerdeführers, seiner Abwendung von der Drogenszene oder mit seinen offenbar wieder intakten Lebensverhältnissen auseinander. Die Annahme des Amtsgerichts, es fehlten greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei „den Anlasstaten um eine einmalige Entgleisung gehandelt haben könnte”, ist bei dieser Sachlage nicht begründet.
b) Die Entscheidung des Landgerichts, die sich allein in einem Verweis auf die Gründe des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses erschöpft, verletzt den Beschwerdeführer in gleicher Weise wie die Entscheidung des Amtsgerichts in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
4. Die den Beschwerdeführer zu 4. betreffenden Beschlüsse halten ebenfalls einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Begründung des Amtsgerichts erschöpft sich, neben einer Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, in der Darlegung der letzten Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1996 und in einem Hinweis darauf, dass eine Tilgung noch nicht erfolgt sei. Das Amtsgericht unternimmt damit keine auf den Einzelfall bezogene Prüfung, ob mit der Anlasstat eine Straftat von erheblicher Bedeutung gegeben ist, bei der die Anordnung einer DNA-Analyse in Betracht kommt. Dafür hätte trotz des Umstands, dass es sich bei der der Anordnung zu Grunde liegenden Verurteilung um einen Regelbeispielsfall des § 81 g Abs. 1 StPO handelt, angesichts des Tatvorwurfs (Entwendung von 250 DM aus einem Spielautomaten), einer milden Strafe und der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung genügender Anlass bestanden.
Ebenso wenig nimmt das Amtsgericht eine individuelle, auf den Beschwerdeführer bezogene Prüfung vor, ob Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen erheblicher Bedeutung zu führen seien. Dies wäre aber schon deshalb angezeigt gewesen, weil die letzte Verurteilung des Beschwerdeführers mehr als vier Jahre zurückliegt und zudem der Erlass der zuvor zur Bewährung ausgesetzten Strafe unmittelbar bevorstand.
b) Auch die Entscheidung des Landgerichts lässt die konkrete Prüfung vermissen, ob hinsichtlich des Beschwerdeführers die Eingriffsvoraussetzungen des § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g Abs. 1 StPO gegeben sind. Die Annahme des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen, wird allein auf den Hinweis der rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall gestützt. Auch das Landgericht versäumt es, sich mit der in diesem Zusammenhang aufdrängenden Frage auseinander zu setzen, ob trotz Vorliegens eines Regelbeispiels die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung wegen der Art des Tatvorwurfs und angesichts des Umfangs der verhängten Sanktion nicht ausgeschlossen sei.
Die Begründung einer Gefahrenprognose durch das Landgericht ist schon deshalb verfassungsrechtlich zu beanstanden, weil es übersieht, dass die Maßnahme zur Feststellung eines DNA-Identifizierungsmusters nicht nur einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, sondern auch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Wenn es bei diesem Ausgangspunkt und zum Zweck der praktischen Handhabbarkeit des Verfahrens keine allzu hohen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen und die Prüfung deshalb auf die Frage beschränken will, ob es sich bei der Anlasstat nicht nur um eine auf ganz besondere Lebensumstände zurückzuführende einmalige Entgleisung gehandelt habe, wird dies der Bedeutung der durch die Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters berührten Grundrechts nicht gerecht. Es ist zwar angesichts des nach dem Gesetzeszweck unterschiedlichen Prognosemaßstabs – wie das Landgericht noch zutreffend festgestellt hat – nicht angezeigt, dass die Persönlichkeit des Betroffenen in einer der Sozialprognose nach § 56 StGB entsprechenden Weise gewürdigt wird; zumindest ist aber erforderlich, dass eine auf den konkreten Betroffenen bezogene offene Abwägung vorgenommen wird, in die alle diejenigen Umstände einzustellen sind, die gleichermaßen bei einer Sozialprognose nach § 56 StGB von Bedeutung sind.
An einer solchen Abwägung fehlt es hier. Das Landgericht stellt lediglich, ohne Würdigung der zu Grunde liegenden Tatvorwürfe, auf die Verurteilung wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall aus dem Jahr 1996 und weiter zurückliegende Vorverurteilungen wegen Diebstahls bzw. versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall aus den Jahren 1987 bis 1989 ab. Dabei lässt es nicht nur außer Acht, dass bereits der Tatrichter im Jahre 1996 die Freiheitsstrafe von zehn Monaten bei Annahme einer positiven Sozialprognose zur Bewährung ausgesetzt hatte; es übersieht offenbar auch, dass der Erlass der Strafe nach Ablauf einer Bewährungszeit von immerhin vier Jahren zum Zeitpunkt seiner Entscheidung unmittelbar bevorstand. Diese Umstände aber hätte das Gericht in seine Erwägungen einbeziehen müssen, um zu einer auf umfassende Erkenntnisse gestützten Beantwortung der Frage zu kommen, ob von dem Beschwerdeführer zukünftig die Gefahr der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erwarten sei.
III.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Limbach, Hassemer, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 1267262 |
Polizei 2001, 189 |