Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung an Revisionsbegründung
Leitsatz (redaktionell)
Die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesfinanzhof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte vertretene Auffassung, daß die von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung erkennen lassen müsse, daß dieser den Prozeßstoff überprüft hat und die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernimmt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 31.08.1984; Aktenzeichen VI R 35/81) |
FG Köln (Urteil vom 25.11.1980; Aktenzeichen XI (XIII) 593/77 E) |
Gründe
1. a) Soweit die Verfassungsbeschwerde den Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 31. August 1984 angreift, fehlt ihr – die Zulässigkeit der Rüge unterstellt – jedenfalls eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Auslegung des § 120 Abs. 2 FGO i.V.m. Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vom 8. Juli 1975 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 4. August 1980 (BGBl. I S. 1147) sowie die Würdigung, ob die Revisionsbegründung den Mindesterfordernissen in diesen Bestimmungen genügt, sind grundsätzlich allein Sache des Bundesfinanzhofs als Revisionsgericht. Das Bundesverfassungsgericht prüft diese Entscheidung nicht auf Rechtsfehler nach. Es könnte nur bei Verletzung von Verfassungsrecht eingreifen. Der Beschluß läßt jedoch bei der Auslegung des einfachen Rechts und seiner Anwendung auf den konkreten Fall keine die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten außer acht lassende Gesichtspunkte, insbesondere auch keine sachfremden, nicht mehr nachvollziehbaren Erwägungen erkennen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 70, 93 ≪97≫).
Die in ständiger Rechtsprechung vom Bundesfinanzhof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte vertretene Auffassung, daß die von einem postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnete Revisionsbegründung erkennen lassen müsse, daß dieser den Prozeßstoff überprüft hat und die volle Verantwortung für den Inhalt der Revisionsbegründung übernimmt (vgl. BFH, BStBl. II 1985 S. 470; BStBl. II 1982 S. 607, 608; BSG, HFR 1982, S. 80, 81; BVerwG, HFR 1978, S. 256 und BVerwGE 22, 38 ≪40≫; BGH, NJW 1981, S. 1620; BGH, NJW 1974, S. 655), ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
Ebenso ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Bundesfinanzhof aufgrund der vom Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers eingereichten Schriftstücke und deren Inhalts zu der Überzeugung gelangt ist, daß der Prozeßvertreter sich mit dem Prozeßstoff nicht befaßt hat, ihn also weder geprüft.noch rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 10. Juli 1970, StRK § 120 FGO R. 46 und vom 4. März 1982, StRK § 120 FGO R. 136). Der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Vertretungszwang gemäß Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG (vgl. BVerfGE 9, 194 ≪199≫; 10, 264 ≪267≫; 27, 297 ≪310≫; 35, 65 ≪73≫; BVerfG-Beschlüsse vom 12. Januar 1978, BFHEntlG, StRK R. 43 und vom 12. August 1981, a.a.O., R. 81) soll die Überlastung des Bundesfinanzhofs beseitigen und das Verfahren dadurch beschleunigen, daß sachkundige Prozeßbevollmächtiate selbst die verschiedenen Erfordernisse bei der Revisionsbeqründung im Interesse auch der rechtsuchenden Bürger sachgerecht vorbringen und das Revisionsgericht in die Lage versetzen, sich schnell und einfach über den Streitstoff zu unterrichten (vgl. BFH, BStBl. II 1984 S. 439 ff.; BStBl. II 1985 S. 470, 471). Dieser gerade auch einem effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) des einzelnen Bürgers dienende Zweck des Vertretungszwanges würde leerlaufen, wenn eine Revision bei bloßer Übernahme von der Partei gefertigter Schriftsätze als ausreichend begründet angesehen würde.
Der allgemeine Rechtsgedanke, der in § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO niedergelegt ist (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪302≫), rechtfertigt auch das Einstehenmüssen des Vertretenen für seinen Vertreter. Dem Vertretenen kommen nach den allgemeinen Regeln der Stellvertretung alle Vorteile derselben zugute. Insofern ist es nicht unangemessen, wenn Handlungen und Erklärungen auch dann unmittelbar gegen ihn wirken, wenn sie seinem Interesse und seinem eigenen Willen nicht entsprechen.
b) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ein Gericht zwar, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es kann oder muß das Vorbringen aber unberücksichtigt lassen, wenn und soweit dies nach den Prozeßvorschriften oder aus materiellrechtlichen Gründen notwendig ist (vgl. BVerfGE 63, 80 ≪85≫).
Der Bundesfinanzhof hat deshalb zu Recht mangels einer zulässigen Revision die vom Beschwerdeführer gewünschte Sachprüfung, ob der Gesetzgeber nach der Verfassung befugt war, die besondere Veranlagung nach § 26 c EStG mit Wirkung vom 1. Januar 1975 (vgl. Art. 1 Nr. 39 Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974, BGBl. I S. 1769; bejahend BFH, BStBl. 11 1981 S. 316) zu streichen, nicht vorgenommen.
2. Hinsichtlich des ebenfalls angegriffenen Urteils des Finanzgerichts Köln vom 25. November 1980 ist der Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht erschöpft. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde überhaupt innerhalb der Monatsfrist des § 93 BVerfGG in der gebotenen Weise (vgl. § 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG) begründet und fristgerecht erhoben worden ist.„Dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist jedenfalls dann nicht genügt, wenn ein Verfahrensmangel im Instanzenzug nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn – wie hier – ein Rechtsmittel aus formellen Gründen verworfen wird (vgl. BVerfGE 1, 13 ≪14≫; 16, 124 ≪127≫; 62, 347 ≪352≫; 63, 1≪72≫). Zwar kann eine zunächst unzulässige Verfassungsbeschwerde durch eine nachträgliche Rechtswegerschöpfung zulässig werden (vgl. BVerfGE 2, 105 ≪109≫; 54, 53 ≪66≫). Das seinerzeitige Beschwerdeverfahren gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln – 1 BvR 133/81 – ist jedoch durch Beschluß vom 24. Juni 1981 bereits rechtskräftig abgeschlossen worden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen