Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Juni 2006 (BVerfGE 116, 96 ff.) vom Gesetzgeber in Art. 6 § 4c Abs. 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) geschaffene Übergangsregelung (im Folgenden: Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007).
I.
1. a) Die politischen Umwälzungen in den Staaten Ost- und Südosteuropas Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre veranlassten den Gesetzgeber zu einer Einschränkung und schließlich zu einer Abkehr des bis dahin das Fremdrentenrecht prägenden Eingliederungsprinzips (vgl. BVerfGE 116, 96 ≪97 ff.≫).
In einem ersten Schritt führte der Gesetzgeber 1991 einen Abschlag in Höhe von 30 vom Hundert auf die nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte ein (§ 22 Abs. 3 FRG in der vom 1. August 1991 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bzw. § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 – RÜG, BGBl I S. 1606; vgl. BVerfGE 116, 96 ≪99 f.≫).
In einem zweiten Schritt erhöhte der Gesetzgeber durch das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz – WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) mit Wirkung zum 7. Mai 1996 den in § 22 Abs. 4 FRG vorgesehenen Abschlag von 30 vom Hundert auf 40 vom Hundert (im Folgenden: § 22 Abs. 4 FRG 1996).
§ 22 Abs. 4 FRG 1996 war nach Art. 6 § 4c FANG in der Fassung des Art. 4 Nr. 4 WFG (im Folgenden: Art. 6 § 4c FANG 1996) nicht anwendbar auf Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt. Außerdem war § 22 Abs. 4 FRG 1996 nach Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG 1996 nicht anwendbar auf Berechtigte, die nach Maßgabe des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit (BGBl II 1991 S. 743) Ansprüche und Anwartschaften auf der Grundlage des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (BGBl II 1976 S. 396) hatten.
Art. 13 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 – RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2998) gab der Übergangsregelung des Art. 6 § 4c FANG mit Wirkung zum 7. Mai 1996 (vgl. Art. 32 Abs. 6 RRG 1999) folgenden Wortlaut:
„Für Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt, sind für die Berechnung dieser Rente § 22 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung und § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung sowie § 4 Abs. 5 und 7 in der am 6. Mai 1996 geltenden Fassung anzuwenden.”
b) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2006 (BVerfGE 116, 96 ff.) entschieden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs. 4 FRG 1996 auf Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt.
c) Der Gesetzgeber änderte hierauf durch Art. 16 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz rückwirkend zum 1. Oktober 1996 die Übergangsregelung in Art. 6 § 4c FANG. Dessen bisheriger Text wurde zum neuen Abs. 1 der Vorschrift. Der neue Abs. 2 erhielt folgenden Wortlaut:
„Für Berechtigte,
- die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben,
- deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und
über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist,
wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges
vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll,
vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln,
vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und
vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel
Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung.”
2. Die 1937 geborene Beschwerdeführerin war von September 1955 bis Juli 1982 in Rumänien beschäftigt. Im November 1983 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland aus und wurde als Spätaussiedlerin anerkannt. Ihr Versicherungskonto weist auch bundesdeutsche Beitragszeiten auf.
Auf ihren Antrag hin bewilligte ihr der Rentenversicherungsträger Altersrente für Frauen ab Mai 1997. Bei der Rentenberechnung kürzte er die Entgeltpunkte für die nach dem Fremdrentengesetz anerkannten Beschäftigungszeiten in Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 um 40 vom Hundert. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Landessozialgericht ordnete das Ruhen des Verfahrens an.
Nach Schaffung der Übergangsregelung in Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 berechnete und bewilligte der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 26. Februar 2008 die Rente der Beschwerdeführerin nach Maßgabe der Übergangsregelung. Es ergab sich für die Zeit von Mai 1997 bis Juni 2000 eine Nachzahlung (einschließlich Zinsen) in Höhe von 8.095,92 Euro. Das Landessozialgericht wies die Klage, die sich nun gegen den Bescheid vom 26. Februar 2008 richtete, ab. Die Übergangsregelung sei verfassungsgemäß.
Das Bundessozialgericht wies die vom Landessozialgericht zugelassene Revision zurück. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 genüge den vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangsregelung aufgestellten Anforderungen (vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 38/08 R –, juris, Rn. 17 ff.).
3. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie mittelbar gegen die Übergangsregelung. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 14 GG sowie von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Übergangsregelung entspreche nicht der vom Bundesverfassungsgericht geforderten verfassungsmäßigen Regelung. Es sei für sie nicht zumutbar, dass ihre Rente binnen drei Jahren und zwei Monaten um etwa ein Viertel gekürzt werde. Wenn sie mittel- und langfristig wirkende finanzielle Dispositionen getroffen hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, diese der verringerten Rente anzupassen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
a) Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 ausdrücklich festgestellt, dass sich der Gesetzgeber zur Erfüllung der sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen auch zu einer gestuften Übergangsregelung entschließen kann, und dass es dann seine Sache ist zu regeln, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen soll, um dem legitimen Interesse der Betroffenen zu genügen (vgl. BVerfGE 116, 96 ≪134≫). Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der Übergangsregelung also einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. auch BVerfGE 43, 242 ≪288≫). Diesem Spielraum des Gesetzgebers korrespondiert eine nur eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht kann nur prüfen, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung aller Umstände die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten hat (vgl. BVerfGE 43, 242 ≪288 f.≫).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Verfassung lässt sich nicht die Verpflichtung entnehmen, die Übergangsregelung über einen längeren als den in Art. 6 § 4c FANG 2007 vorgesehenen Zeitraum von 45 Monaten zu erstrecken oder die Reduzierung des Rentenbetrages in anderen Schritten vorzunehmen. Dass es auf der Grundlage der vom Gesetzgeber gewählten Regelung der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, ihre Lebensführung auf die niedrigere Rente einzustellen (vgl. BVerfGE 116, 96 ≪134≫), ist nicht ersichtlich und lässt sich auch insbesondere der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen. Sie geht über die bloße Behauptung, die Rentenkürzungen seien ihr nicht zumutbar, nicht hinaus und legt insbesondere eine konkrete Unzumutbarkeit nicht dar.
b) Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Dabei kann weiterhin offen bleiben, ob die aus dem Fremdrentengesetz abgeleiteten Anwartschaften der Beschwerdeführerin dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen, weil sie zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften eine rentenrechtliche Gesamtrechtsposition bildeten (vgl. BVerfGE 116, 96 ≪124≫). In diesem Fall wäre zwar Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes, ohne dass dies aber Auswirkungen auf den Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Übergangsregelung hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass insoweit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Übergangsregelung im Ergebnis nicht davon abhängen, ob Art. 14 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG Prüfungsmaßstab ist (vgl. BVerfGE 116, 96 ≪131≫).
2. Entsprechend stehen auch die angegriffenen Entscheidungen, die auf der Anwendung von Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 beruhen, mit dem Grundgesetz in Einklang.
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2368733 |
NZS 2010, 557 |