Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit von Unterschriftenquoren bei Personalvertretungswahlen (vgl. BVerfGE 60, 162).
Verfahrensgang
VG Düsseldorf (Vorlegungsbeschluss vom 05.07.1982; Aktenzeichen PVB 22/82) |
Tenor
§ 19 Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 (Bundesgesetzbl. I S. 693), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. Mai 1980 (Bundesgesetzbl. I S. 561), sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit danach Wahlvorschläge von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen oder von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Beschäftigten unterzeichnet sein müssen.
Tatbestand
A.
Gegenstand der Vorlagen ist die Frage, ob das im Bundespersonalvertretungsgesetz für gültige Wahlvorschläge zur Wahl des Personalrats vorgeschriebene Unterschriftenquorum von einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen oder der wahlberechtigten Beschäftigten, höchstens jedoch von jeweils 100 Wahlberechtigten, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693), zuletzt geändert durch Art. 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. Mai 1980 (BGBl. I S. 561), regelt die Bildung, die Organisation und die Rechtsstellung von Personalvertretungen in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einschließlich der Betriebsverwaltungen sowie in den Gerichten des Bundes. Für die Wahl der nach § 12 BPersVG grundsätzlich in allen Dienststellen zu bildenden Personalräte, in denen nach § 17 Abs. 1 BPersVG die Gruppen der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Dienststelle in der Regel entsprechend ihrer Gruppenstärke vertreten sein müssen, bestimmt § 19 BPersVG unter anderem:
(1) Der Personalrat wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt.
(2) …
(3) Die Wahl wird nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt. Wird nur ein Wahlvorschlag eingereicht, so findet Personenwahl statt …
(4) Zur Wahl des Personalrates können die wahlberechtigten Beschäftigten Wahlvorschläge machen. Jeder Wahlvorschlag muß von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen, jedoch von mindestens drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein. In jedem Fall genügt die Unterzeichnung durch 100 wahlberechtigte Gruppenangehörige …
(5) Ist gemeinsame Wahl beschlossen worden, so muß jeder Wahlvorschlag von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Beschäftigten unterzeichnet sein; Absatz 4 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(6)–(8) …
Liegen Nebenstellen oder Teile einer Dienststelle räumlich weit von dieser entfernt, so gelten sie als selbständige Dienststellen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). In diesem Fall wird neben den einzelnen Personalräten ein Gesamtpersonalrat gebildet, für dessen Wahl § 19 BPersVG entsprechend gilt (§§ 55, 56 i.V.m. § 53 Abs. 3 Satz 1 BPersVG).
In Dienststellen, bei denen Personalvertretungen gebildet sind und denen in der Regel mindestens fünf Beschäftigte angehören, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden Jugendvertretungen und für den Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, soweit Stufenvertretungen (vgl. § 53 BPersVG) bestehen, u.a. bei den Behörden der Mittelstufen Bezirksjugendvertretungen gebildet. Für deren Wahl gilt u.a. § 19 Abs. 5 BPersVG entsprechend (vgl. §§ 57, 64 Abs. 1 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 2 BPersVG).
II.
1. a) Antragsteller des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 20/82 ist der Deutsche Postverband, Bezirksverband Düsseldorf. Er hatte bei den vom 4. bis 6. Mai 1982 durchgeführten Wahlen u.a. zum Gesamtpersonalrat beim Postamt Düsseldorf 1 einen Wahlvorschlag für die Gruppe der Angestellten eingereicht, der zuletzt nicht die erforderliche Anzahl von Unterschriften aufwies und deshalb vom Wahlvorstand als ungültig zurückgegeben wurde. Ein Teil der Unterzeichner hatte entgegen § 9 Abs. 3 der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) – BGBl. 1974 I S. 2337 – zunächst zwei Wahlvorschläge unterschrieben und nach Aufforderung durch den Wahlvorstand die Unterschrift auf dem Wahlvorschlag des Antragstellers widerrufen. Infolgedessen wurde in der Gruppe der Angestellten nur ein anderer Wahlvorschlag als gültig anerkannt, aus dem die auf die Gruppe der Angestellten entfallenden drei Vertreter gewählt wurden.
b) Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als sie bestimmt, daß jeder Wahlvorschlag von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen unterzeichnet werden muß.
Sei § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG gültig, so sei der Antrag abzuweisen, weil das Wahlergebnis rechtlich unbedenklich sei. Bereits vor dem Eingang des Wahlvorschlages seien nämlich mehrere Unterschriften beim Wahlvorstand widerrufen worden, so daß nur noch 21 gültige Unterschriften vorgelegen hätten. Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG seien mindestens 22 Unterschriften erforderlich gewesen.
Sei § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG jedoch ungültig, so hätte der Wahlvorschlag des Antragstellers nicht als unheilbar unwirksam zurückgewiesen werden dürfen. Dem Antrag sei dann stattzugeben.
Nach Auffassung des Gerichts ist § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG, soweit darin für Wahlvorschläge ein Unterschriftenquorum von einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen gefordert werde, mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber nicht vereinbar. Der Zugang zur Wahl werde unverhältnismäßig erschwert.
2. a) Antragsteller des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 21/82 sind der Deutsche Postverband, Bezirksverband Düsseldorf, und drei zur Jugendvertretung wahlberechtigte Beschäftigte der Oberpostdirektion Düsseldorf.
Die Antragsteller hatten bei den vom 9. bis 11. März 1982 durchgeführten Wahlen zur Bezirksjugendvertretung bei der Oberpostdirektion Düsseldorf einen Wahlvorschlag eingereicht, der zuletzt nicht die erforderliche Zahl von 100 Unterschriften aufwies. Mehrere Unterzeichner hatten entgegen § 9 Abs. 3 BPersVWO zunächst zwei Wahlvorschläge unterschrieben und zum Teil nach Aufforderung durch den Wahlvorstand die Unterschrift auf dem Wahlvorschlag der Antragsteller widerrufen, zum Teil auf eine entsprechende Aufforderung des Wahlvorstandes hin nicht rechtzeitig geantwortet, auf welchem Wahlvorschlag ihre Unterschrift aufrechterhalten werden solle.
In der vom Wahlvorstand gesetzten Frist zur Nachbesserung gelang es nicht, die noch erforderliche Zahl von 35 Unterschriften zu sammeln. Somit konnten die Antragsteller mit ihrem Wahlvorschlag nicht an der Wahl zur Bezirksjugendvertretung teilnehmen. Es wurde nur ein anderer Wahlvorschlag als gültig anerkannt, aus dem die 15 Jugendvertreter gewählt wurden.
Die Antragsteller haben die Wahl vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf angefochten.
b) Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung darüber vorgelegt, ob die Vorschrift des § 19 Abs. 5 BPersVG insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als sie bestimmt, daß jeder Wahlvorschlag von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten jugendlichen Beschäftigten unterzeichnet werden muß.
Sei § 19 Abs. 5 BPersVG gültig, so sei der Antrag abzulehnen, weil das angefochtene Wahlergebnis rechtlich unbedenklich sei. Die jugendlichen Beschäftigten, die mehrere Wahlvorschläge unterzeichnet hätten, seien gemäß § 10 Abs. 4 BPersVWO zu Recht aufgefordert worden zu erklären, welche Unterschriften sie aufrechterhielten. Die Zulässigkeit des Verbots der Doppelunterschriften folge aus dem in § 19 Abs. 4 und 5 BPersVG vorgeschriebenen Unterschriftenquorum. Sei § 19 Abs. 5 BPersVG jedoch unwirksam, habe der Wahlvorschlag der Antragsteller nicht wegen Fehlens der nach §§ 60 Abs. 1, 19 Abs. 5 BPersVG erforderlichen Zahl gültiger Unterschriften zurückgewiesen werden dürfen.
Nach Auffassung des Gerichts ist § 19 Abs. 5 BPersVG, soweit darin für Wahlvorschläge ein Unterschriftenquorum von einem Zehntel der wahlberechtigten Beschäftigten gefordert werde, mit dem aus Art. 3 Abs. 1 abzuleitenden Grundsatz der Chancengleichheit aller Bewerber unvereinbar. Der Zugang zur Wahl werde unverhältnismäßig erschwert.
III.
Zu beiden Verfahren haben sich für die Bundesregierung der Bundesminister des Innern, für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg deren Justizbehörde sowie das Bundesverwaltungsgericht geäußert. Im Verfahren 2 BvL 20/82 haben ferner die Bayerische Staatsregierung, der Deutsche Postverband und der Gesamtpersonalrat beim Postamt Düsseldorf 1, im Verfahren 2 BvL 21/82 hat die Bezirksjugendvertretung bei der Oberpostdirektion Düsseldorf eine Stellungnahme abgegeben.
1. Der Bundesminister des Innern vertritt die Auffassung, im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1982 (BVerfGE 60, 162) spreche einiges dafür, daß das Unterschriftenquorum des § 19 Abs. 4 und 5 BPersVG mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei, weil es den nicht der Mehrheit zuzurechnenden Bewerbern die Teilnahme an Personalratswahlen in einer Weise erschwere, die von der Zweckbestimmung der Vorschrift nicht geboten sei. Das Unterschriftenquorum für Wahlvorschläge zur Personalratswahl übersteige das Quorum für Wahlvorschläge zur Bundestagswahl bei weitem. Die sehr hohe Schwelle für Personalratswahlen werde zwar durch § 19 Abs. 4 Satz 3 BPersVG, wonach in jedem Fall 100 Unterschriften genügen, geringfügig reduziert. Das habe jedoch nur für Wahlvorschläge sehr großer Gruppen (bei Gruppenwahl) oder für solche in sehr großen Dienststellen (bei gemeinsamer Wahl) Bedeutung. Generell würden durch das hohe Quorum zum Teil sogar aussichtsreiche Bewerber von der Wahl ausgeschlossen.
2. Für den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg vertritt deren Justizbehörde die Ansicht, § 19 Abs. 5 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes in der Fassung vom 16. Januar 1979 (GVBl. S. 17) enthalte eine Regelung, die teilweise und vor allem in dem hier interessierenden Bereich mit § 19 Abs. 4 BPersVG vergleichbar sei. In Abweichung vom Bundesrecht bestehe jedoch ein selbständiges, nicht von einem Unterschriftenquorum abhängiges Wahlvorschlagsrecht der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften.
3. Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die streitigen Vorschriften bereits in mehreren Personalvertretungssachen angewendet und dabei ohne nähere Prüfung ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bejaht. Er ist der Auffassung, die in diesen Vorschriften festgesetzte Höhe des Unterschriftenquorums könne zwar in Ausnahmefallen dazu führen, daß ein aussichtsreicher Wahlvorschlag ausgeschlossen werde. Diese Konstellationen dürften jedoch wegen ihrer Seltenheit bei der Prüfung, ob der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Höhe des Unterschriftenquorums die Grenzen seines Ermessens eingehalten habe, außer acht gelassen werden. Personalratswahlen seien nicht uneingeschränkt mit allgemeinen politischen Wahlen gleichzusetzen. Darum seien bei jenen die Grenzen des Gesetzgebers bezüglich der Höhe des Unterschriftenquorums weiter zu ziehen als bei diesen.
4. Die Bayerische Staatsregierung hält § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für verfassungsgemäß.
5. Der Deutsche Postverband im Deutschen Beamtenbund, Antragsteller im Ausgangsverfahren zu 2 BvL 20/82, vertritt die Auffassung, das Unterschriftenquorum des Bundespersonalvertretungsgesetzes gewährleiste keine Chancengleichheit aller Wahlbewerber und widerspreche den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 1982. Darüber hinaus verstoße das Unterschriftenquorum gegen Art. 9 Abs. 3 GG, weil es anerkannte Gewerkschaften in ihrer Betätigungsfreiheit beeinträchtige und den Koalitionspluralismus gefährde.
6. Der Gesamtpersonalrat beim Postamt Düsseldorf 1, Beteiligter des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 20/82, erachtet § 19 Abs. 4 BPersVG für mit dem Grundgesetz vereinbar. Diese Vorschrift begrenze – anders als der von BVerfGE 60, 162 für verfassungswidrig erklärte § 48 Abs. 3 des Bremischen Personalvertretungsgesetzes – die Höchstzahl der erforderlichen Unterschriften auf 100. Zwar könne in Ausnahmefällen die Zahl der erforderlichen Unterschriften größer sein als die Zahl der für die Erringung eines Sitzes nötigen Stimmen. Solche mehr zufälligen Auswirkungen vermöchten jedoch die Verfassungswidrigkeit des § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG nicht zu begründen.
7. Die Bezirksjugendvertretung bei der Oberpostdirektion Düsseldorf, Beteiligte des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 21/82, hält § 19 Abs. 5 BPersVG für mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Prinzip der gemeinsamen Wahl, das kraft der Verweisung des § 60 Abs. 1 Satz 2 BPersVG bei der Wahl der Jugendvertretung gelte, sei die Ausnahme, die Gruppenwahl nach § 19 Abs. 2 BPersVG der Normalfall. § 19 Abs. 5 BPersVG könne deshalb nicht isoliert, sondern nur in Abhängigkeit von der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG betrachtet werden. Da diese Vorschrift verfassungsgemäß sei, sei es auch § 19 Abs. 5 BPersVG.
Entscheidungsgründe
B.
Die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Vorlagen sind zulässig und begründet.
I.
In seinem Beschluß vom 23. März 1982 (BVerfGE 60, 162) hat das Bundesverfassungsgericht § 48 Abs. 3 Satz 1 des Bremischen Personalvertretungsgesetzes vom 5. März 1974 (GBl. S. 131) für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und damit nichtig erklärt, soweit danach Wahlvorschläge für die Wahl zum Gesamtpersonalrat für das Land und die Stadtgemeinde Bremen von einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen unterzeichnet sein mußten. Für diese Entscheidung waren mehrere überlegungen maßgeblich. Die aus Art. 3 Abs. 1 GG für die Gestaltung des Wahlrechts bei allgemeinen politischen Wahlen entwickelten Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl hätten als ungeschriebenes Verfassungsrecht über den Anwendungsbereich der Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 GG hinaus und auch für das Wahlvorschlagsrecht Gültigkeit (BVerfG, a.a.O., 167 m.w.N.). Danach dürfe die Zahl der Unterschriften für Wahlvorschläge nur so hoch festgesetzt werden, wie es erforderlich sei, um den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, dadurch das Stimmgewicht der einzelnen Wählerstimmen zu sichern und so indirekt der Gefahr der Stimmenzersplitterung vorzubeugen. Der Wählerentscheidung dürfe möglichst wenig vorgegriffen werden, das Quorum nicht so hoch sein, daß einem neuen Bewerber die Teilnahme an der Wahl praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde (BVerfG, a.a.O., 168 m.w.N.). Diese auch für Personalvertretungswahlen anzuwendenden Grundsätze trügen zugleich den hierbei aus Art. 9 Abs. 3 GG zu stellenden Anforderungen Rechnung. Da nämlich die spezifische Betätigung der Koalitionen auch darin bestehe, zur Verfolgung ihrer in Art. 9 Abs. 3 GG umschriebenen Zwecke Einfluß auf die Wahl der Personalräte zu nehmen, sei mit dieser verfassungsrechtlich gesicherten Freiheit im Grundsatz auch die volle Gleichberechtigung aller Koalitionen bei der Wahl notwendig verbunden (BVerfG, a.a.O., 169 f.). Außerdem stelle ein Unterschriftenquorum, das einen absehbaren Wahlerfolg einer ernst zu nehmenden Bewerbergruppe vereitelt, indem es diese nicht zur Wahl zuläßt, eine übermäßige Beschränkung der Allgemeinheit und Gleichheit der Personalratswahl dar (BVerfG, a.a.O., 174).
II.
Nach diesen Grundsätzen, die nach wie vor Geltung haben, ist das Erfordernis des Unterschriftenquorums in den zur Prüfung gestellten Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes durch keinen zwingenden Grund gerechtfertigt, auch nicht unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 5 2. Halbsatz BPersVG, wonach, entsprechend der Verweisung auf § 19 Abs. 4 Satz 3 BPersVG, in jedem Fall eine Unterzeichnung durch 100 wahlberechtigte Gruppenangehörige oder Beschäftigte genügt.
1. Die Höchstzahl von 100 Unterschriften führt zu einer Erleichterung der Vorlage gültiger Wahlvorschläge nur, wo – bei Gruppenwahl – die Zahl der wahlberechtigten Gruppenangehörigen und – bei gemeinsamer Wahl und bei der Wahl der Jugend- und der Jugendstufenvertretungen – die Zahl der wahlberechtigten (jugendlichen) Beschäftigten mehr als 1000 beträgt. Dies kann im Einzelfall eine Vermindung des Quorums zur Folge haben. In vielen Dienststellen wird diese Vergünstigung jedoch, wie im Ausgangsverfahren 2 BvL 20/82, keine oder, wie im Ausgangsverfahren 2 BvL 21/82, wo 1222 jugendliche Beschäftigte wahlberechtigt waren, 100 Wahlberechtigte also 8,18 % bildeten, nur geringe Auswirkungen haben.
Die Unterschriftenquoren von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Gruppenangehörigen bei der Gruppenwahl und von mindestens einem Zehntel der wahlberechtigten Beschäftigten bei gemeinsamer Wahl (§ 19 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz, Abs. 5 BPersVG) stellen eine übermäßige Beschränkung der Allgemeinheit und Gleichheit der Personalratswahl dar. Durch diese Regelungen werden im Einzelfall Wahlbewerber vom Wahlvorgang ausgeschlossen, die ernsthafte Aussichten auf einen Sitz in der Personalvertretung haben. Hierbei ist nicht allein ausschlaggebend, ob im Einzelfall die Zahl der für einen Wahlvorschlag tatsächlich geleisteten Unterschriften größer ist als die Zahl der für einen Personalratssitz erforderlichen Stimmen. In diesem Fall ist zwar die Verfassungswidrigkeit der Regelung, die ein höheres Quorum verlangt, offensichtlich (vgl. BVerfGE 60, 162 [174]). Aber auch bei einer Zahl von Unterschriften, die hinter der für die Erlangung eines Mandats erforderlichen Stimmenzahl zurückbleibt, ist es nicht ausgeschlossen, daß der Kandidat einer Gruppierung bei Zulassung ihres Wahlvorschlages die für einen Sitz im Personalrat erforderliche Stimmenzahl erhielte. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß erfahrungsgemäß nicht alle Wahlberechtigten wählen und daß der am Unterschriftenquorum gescheiterte Wahlvorschlag bei Teilnahme an der Wahl Stimmen auf sich ziehen könnte. Beide Gründe führen gegebenenfalls dazu, daß eine geringere Stimmenzahl ausreicht, um einen Sitz im Personalrat zu erlangen.
Die Reichweite der in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit würde verkannt, wollte man die verfassungsrechtliche Grenze eines Unterschriftenquorums erst dort ansetzen, wo die Zahl der Unterschriften die für einen Sitz im Personalrat erforderliche Zahl der Wählerstimmen übersteigt. Die Koalitionsfreiheit eröffnet den Koalitionen auch die Chance, im Wahlkampf, der freilich nur bei einer Wahlteilnahme sinnvoll ist, Stimmen zu gewinnen. Bewerber, die vor Beginn der Wahlwerbung nicht die bei den späteren Wahlen für einen Personalratssitz erforderliche Zahl von Unterschriften aufbringen können, dürfen nicht allein deshalb von der Wahlteilnahme ausgeschlossen werden; denn auch sie können die in der späteren Wahl für einen Sitz erforderliche Stimmenzahl erhalten. Ein nicht unerheblicher Teil der Wahlberechtigten scheut sich vor der Wahl, mit seiner Unterschrift Wahlvorschläge, vor allem solche einer Minderheit zu unterstützen, gibt ihnen jedoch bei der (geheimen) Wahl seine Stimme.
Selbst wenn beispielsweise der Wahlvorschlag der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 20/82 nicht rechtzeitig die erforderliche Zahl von 22 Unterschriften erreichen konnte, brauchte er nicht von vornherein ohne Aussicht auf einen Sitz bei der Wahl zum Gesamtpersonalrat beim Postamt Düsseldorf 1 zu sein. Immerhin hatte die Antragstellerin bei denselben Wahlen mit einem Wahlvorschlag in der Gruppe der Beamten Erfolg. Der Wahlvorschlag der Antragstellerin hätte bei der Wahl des Gesamtpersonalrats nur eine Stimme mehr als ein Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen benötigt, um einen der drei Sitze in der Gruppe der Angestellten zu erhalten. Unter diesen Umständen war das Unterschriftenquorum in der vom Gesetz geforderten Höhe nicht erforderlich, um aussichtslose Wahlvorschläge zu verhindern.
Ein Vergleich mit den für Parlamentswahlen geltenden Vorschriften zeigt ebenfalls, daß ein Unterschriftenquorum von 10 Prozent die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl über das notwendige und damit zulässige Maß hinaus beeinträchtigt. Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag etwa genügen für Kreiswahlvorschläge 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkreises, für Landeslisten die Unterschriften von einem Tausendstel der Wahlberechtigten des Landes, höchstens jedoch 2000 Unterschriften, wobei nur diejenigen Parteien ein solches Quorum benötigen, die nicht bereits im Bundestag oder einem landtag seit deren letzter Wahl aufgrund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten waren (§§ 20 Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 2, jeweils in Verbindung mit § 18 Abs. 2 BWahlG). Bei einer durchschnittlichen Größe eines Bundeswahlkreises von 170.000 bis 180.000 Wahlberechtigten reicht also sogar für Kreiswahlvorschläge ein Quorum von etwas mehr als einem Tausendstel aus.
Es kann dahinstehen, welches Quorum im Personalvertretungsrecht noch als sachgerecht und damit verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet werden kann, um aussichtslose Wahlvorschläge von der Wahl auszuschließen. Das nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BPersVG für die Wahl zum Personalrat geforderte Quorum überschreitet jedenfalls die von der Verfassung gezogenen Grenzen.
2. Nichts anderes gilt für § 19 Abs. 5 BPersVG, wie am Beispiel des Ausgangsverfahrens zu 2 BvL 21/82 erhellt. Auch hier wäre bei der Wahlteilnahme einer zweiten Liste statt der Personenwahl die Verhältniswahl durchzuführen gewesen (§§ 47 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 1, 25 Abs. 1 BPersVWO). Hätte der Wahlvorschlag der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens bei 1024 abgegebenen gültigen Stimmen von 1222 wahlberechtigten jugendlichen Beschäftigten nur die 65 Stimmen der Unterzeichner dieses Wahlvorsehlages erhalten, hätte er einen der 15 Sitze in der Bezirksjugendvertretung (vgl. §§ 64 Abs. 1 Satz 2, 59 Abs. 1 BPersVG) errungen.
In diesem Fall waren also mehr Unterschriften für den Wahlvorschlag erforderlich als Stimmen für einen Sitz in der Bezirksjugendvertretung. Dafür gibt es keinen sachlichen Grund: es werden Wahlbewerber vom Wahlvorgang ausgeschlossen, die schon nach der Zahl der für den Wahlvorschlag beigebrachten Unterschriften ernsthafte Aussichten auf einen sitz in der Jugendvertretung hatten (vgl. BVerfGE 60, 162 [174]).
3. Es kann dahinstehen, ob ein auf höchstens 100 Unterschriften beschränktes Quorum (§ 19 Abs. 4 Satz 3 BPersVG) bei sehr großen Dienststellen verfassungsrechtlich zulässig sein kann, wenn im Einzelfall nur auf diese Weise aussichtslose Wahlvorschläge auszuschließen sind und das Gewicht der Wählerstimmen gesichert werden kann. Führt jedenfalls die Höchstzahl zu einer lediglich geringfügigen Unterschreitung der grundsätzlich geforderten Unterstützung durch 10 Prozent der Wahlberechtigten, so gilt dies nicht.
Unterschriften
Rinck, Dr. Dr. h. c. Niebier, Steinberger, Träger, Mahrenholz, Böckenförde, Klein
Fundstellen