Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 06.11.1992; Aktenzeichen 8 U 3407/92)

LG München I (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 30 O 19372/91)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Tatbestand

I.

  • Die Beschwerdeführerin, eine selbständig tätige Rechtsanwältin, hat bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung genommen. Mit Rücksicht auf ihre Schwangerschaft verlangte sie von dieser für einen Zeitraum, der den Beschäftigungsverbotszeiten der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) entspricht, Zahlung eines Krankentagegeldes in Höhe von 100 DM täglich. Die Beklagte hat die Leistung verweigert. Schwangerschaft und Entbindung seien keine Krankheit.

    Das Landgericht hat die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben. Beide Gerichte haben keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG darin gesehen, daß die Beschwerdeführerin nach den Versicherungsbedingungen keinen Anspruch auf Zahlung des Krankentagegeldes hat. Das Berufungsgericht führt aus, daß es nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin während der Schwangerschaft und der Zeit nach der Entbindung an einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung gefehlt habe. Auch habe sie nicht vorgetragen, daß sie während dieser Zeit ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend nach medizinischem Befund nicht habe ausüben können und ihren Beruf tatsächlich nicht ausgeübt habe.

  • Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Art. 3 Abs. 2 und 6 Abs. 4 GG.

    Der Gesetzgeber habe mit dem in den §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG verankerten Beschäftigungsverbot entschieden, daß Kind und Mutter während der Mutterschutzfristen gesundheitlich geschützt und finanziell abgesichert sein sollten. Das müsse auch im Rahmen einer privaten Krankenversicherung gelten. Die in diesen gesetzlichen Vorschriften “konkretisierte Wertentscheidung des Gesetzgebers” müsse “über das Institut der Drittwirkung der Drittgrundrechte aber über die Generalklausel der §§ 133, 157, 242 BGB auch im Recht der privaten Krankenversicherung seinen Niederschlag finden”.

    Der Krankheitsbegriff bzw. Leistungsausschluß bei Schwangerschaft und Entbindung in der privaten Krankentagegeldversicherung verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 GG, weil Frauen wegen des “Gebärrisikos” mit fast doppelt so hohen Beiträgen wie Männer belastet würden, gleichwohl aber während der schwangerschaftsbedingten Schutzfristen sowie sogar bei Arbeitsunfähigkeit mit medizinisch notwendiger Heilbehandlung bei Schwangerschaft und Entbindung ausgeschlossen würden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 93b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BVerfGG).

Für einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG ist nichts erkennbar geworden. Diese Bestimmung enthält zwar den bindenden Auftrag an den Gesetzgeber, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen, und erstreckt sich insbesondere auf den Schutz der werdenden Mutter (vgl. BVerfGE 32, 273 ≪277≫; 52, 357 ≪365≫). Das Schutzgebot aus Art. 6 Abs. 4 GG hat – auch – das Ziel und die Tendenz, den Gesetzgeber zu verpflichten, wirtschaftliche Belastungen der Mütter, die im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft stehen, auszugleichen. Insoweit schützt Art. 6 Abs. 4 GG die Mutter (vgl. BVerfGE 60, 68 ≪74≫m.w.N.). Indessen bedeutet das nicht, daß der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung auszugleichen (BVerfG, a.a.O.).

Es kann offen bleiben, ob sich aus Art. 6 Abs. 4 GG ableiten ließe, die selbständige schwangere Mutter müsse in gleicher Weise wie eine schwangere Arbeitnehmerin (vgl. § 1 MuSchG) geschützt werden. Es kann ferner unerörtert bleiben, ob der Gesetzgeber im Einklang mit der Verfassung überhaupt private Versicherer verpflichten könnte, Versicherungsnehmerinnen während der Beschäftigungsverbotszeiten der §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG Krankentagegeld zu zahlen oder jedenfalls den Abschluß eines darauf gerichteten Vertrages anzubieten. Die Verfassungsbeschwerde scheitert jedenfalls hinsichtlich der Rüge einer Verletzung des Art. 6 Abs. 4 GG daran, daß die Beschwerdeführerin nach der Begründung des Berufungsurteils infolge ihrer Schwangerschaft und nach der Entbindung – abgesehen von ihrem stationären Krankenhausaufenthalt, wofür ihr das vertraglich geschuldete Krankenhaustagegeld gezahlt worden ist – keine wirtschaftlichen Einbußen hat hinnehmen müssen. Denn sie hat nicht vorgetragen, daß sie ihren Beruf während dieser Zeit nicht habe ausüben können und tatsächlich nicht ausgeübt habe. Noch nicht einmal mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht sie geltend, infolge ihrer Schwangerschaft und nach Beendigung ihres Krankenhausaufenthaltes nicht als Rechtsanwältin habe arbeiten zu können. So läuft das Begehren der Beschwerdeführerin im Ergebnis darauf hinaus, daß sie ohne Rücksicht auf irgend eine wirtschaftliche Einbuße ein Entgelt allein deshalb beansprucht, weil sie schwanger geworden ist und entbunden hat. Derartiges läßt sich indessen Art. 6 Abs. 4 GG auch bei weitester Auslegung nicht entnehmen.

Ob private Versicherer überhaupt im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG gehindert wären, nur wegen des Geschlechts ihrer Versicherungsnehmerinnen von diesen höhere Beiträge zu erheben, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn die Behauptung der Beschwerdeführerin als richtig unterstellt wird, die Versicherer erhöben wegen des “Gebärrisikos” der Frauen von diesen höhere Beiträge als von Männern, würde das nicht gegen diesen speziellen Gleichheitssatz verstoßen. Denn dann läge der Grund für den kostspieligeren Versicherungsschutz und damit für die differenzierende vertragliche Regelung in dem biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau; daraus würde sich die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 52, 369 ≪374≫; 68, 384 ≪390≫).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Henschel, Seidl, Grimm

 

Fundstellen

Haufe-Index 1084320

NJW 1994, 785

NVwZ 1994, 477

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