Leitsatz (amtlich)
Der in Art. 143 Abs. 3 GG für bestandskräftig erklärte Restitutionsausschluß für die in den Jahren 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (Bestätigung von BVerfGE 84, 90).
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die im Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – (BGBl 1990 II S. 889) – im folgenden: EV – enthaltenen Regelungen und die zu ihrer Durchführung bestimmten Vorschriften, nach denen die in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands „auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949)” durchgeführten Enteignungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dabei erheben die Beschwerdeführer auch Einwendungen gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90).
I.
1. a) Nach Nr. 1 Satz 1 der im Zuge der Verhandlungen über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland abgegebenen Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der beiden deutschen Staaten zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 sind die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) nicht mehr rückgängig zu machen. Im Anschluß an diese Erklärung, die Bestandteil des Einigungsvertrages geworden ist (Art. 41 Abs. 1 EV in Verbindung mit Anlage III des Vertrages ≪BGBl 1990 II S. 1237 f.≫), schließt das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 23. September 1990 (BGBl II S. 1159) – im folgenden: VermG – in § 1 Abs. 8 Buchst. a seine Geltung für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage aus. Art. 143 Abs. 3 GG, der durch das Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag vom 23. September 1990 (BGBl II S. 885) in Verbindung mit Art. 4 Nr. 5 EV in das Grundgesetz eingefügt worden ist, bestimmt dazu, daß Art. 41 EV und Regelungen zu seiner Durchführung auch insoweit Bestand haben, als sie vorsehen, daß Eingriffe in das Eigentum auf dem in Art. 3 EV genannten Gebiet nicht mehr rückgängig gemacht werden.
b) Mit Urteil vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß Art. 143 Abs. 3 GG, soweit darin der Restitutionsausschluß für die in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung bezeichneten Enteignungen verfassungsrechtlich für bestandskräftig erklärt worden ist, mit Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar ist, Die genannten Enteignungen seien nicht am Grundgesetz zu messen, weil sie außerhalb seines Geltungsbereiches vorgenommen wurden. Im Zeitpunkt der Erstreckung des Grundgesetzes auf das Beitrittsgebiet habe eine Rechtsposition der früheren Eigentümer oder ihrer Rechtsnachfolger, in die der Gesetzgeber hätte eingreifen können, nicht mehr bestanden; soweit eine solche etwa aus völkerrechtlichen Grundsätzen hergeleitet werden könnte, sei sie jedenfalls nicht durchsetzbar und damit praktisch wertlos gewesen. Art. 79 Abs. 3 GG verlange nicht, daß zur Wiedergutmachung von Enteignungsmaßnahmen einer fremden Staatsgewalt, die sich für den dem Grundgesetz verpflichteten Gesetzgeber als nicht hinnehmbar erwiesen, die enteigneten Objekte zurückgegeben werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluß der Restitution ergäben sich auch nicht daraus, daß bei entschädigungslosen Enteignungen, die nicht unter die Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 fallen, die Rückgabe der enteigneten Objekte jedenfalls im Grundsatz vorgesehen sei. Die Grundelemente des Gleichheitssatzes, die nach Art. 79 Abs. 3 GG unantastbar seien, würden dadurch nicht verletzt. Der Restitutionsausschluß werde hinreichend dadurch gerechtfertigt, daß die Deutsche Demokratische Republik und die Sowjetunion bei den Verhandlungen, die zur Herstellung der deutschen Einheit geführt haben, auf der Einführung dieser Regelung bestanden hätten und die Bundesregierung nach ihrer pflichtgemäßen Einschätzung auf diese Bedingung habe eingehen müssen, um die Einheit Deutschlands zu erreichen.
2. Gegen diese Entscheidung ist in tatsächlicher Hinsicht unter anderem eingewandt worden, daß sie auf Annahmen beruhe, die sich nicht mehr aufrechterhalten ließen.
a) Nicht ausreichend gewürdigt worden, zum Teil auch noch gar nicht bekannt gewesen seien insbesondere von sowjetischer Seite abgegebene Erklärungen zur Behandlung der zwischen 1945 und 1949 in der sowjetischen Besatzungszone durchgeführten Enteignungen sowie die Vorstellungen der Sowjetunion zu dieser Frage, wie sie im Verlauf der Verhandlungen zum Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (BGBl II S. 1318), dem sogenannten Zweiplus-Vier-Vertrag, in Verhandlungspapieren und Vertragsentwürfen zum Ausdruck gekommen seien. Im einzelnen geht es dabei um folgende Dokumente, die hier, soweit nichts anderes angegeben ist, im Wortlaut der vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung mit Pressemitteilung Nr. 327/94 vom 2. September 1994 veröffentlichten „Chronologie zur Frage der Enteignungen von 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone im Zusammenhang mit den 2+4-Verhandlungen über die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit” auszugsweise wiedergegeben werden:
Von der Nachrichtenagentur TASS verbreitete Erklärung der sowjetischen Regierung vom 27. März 1990:
Unter Berücksichtigung ihrer Rechte und ihrer Verantwortung in den deutschen Angelegenheiten tritt die Sowjetunion für die Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der DDR ein, und sie ist gegen die Versuche, die Vermögensverhältnisse in der DDR im Falle der Bildung der Währungs- und Wirtschaftsunion mit der BRD sowie im Falle des Entstehens des einheitlichen Deutschlands in Frage zu stellen. Das setzt voraus, daß beide deutsche Staaten … davon ausgehen, daß die 1945–1949 von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland verwirklichten Wirtschaftsmaßnahmen gesetzmäßig waren. Absolut unannehmbar wären eventuelle Versuche, die Rechte der gegenwärtigen Besitzer von Boden und anderen Vermögens in der DDR in Abrede zu stellen, die seinerzeit mit Einwilligung oder auf Beschluß der sowjetischen Seite … erworben wurden.
Der deutschen Botschaft in Moskau übergebenes Aide-mémoire vom 28. April 1990:
Nichts im Vertragsentwurf zwischen der BRD und der DDR darf dazu berechtigen, die Gesetzlichkeit der Maßnahmen und Verordnungen in Frage zu stellen, die die Vier Mächte in Fragen der Entnazifizierung, der Demilitarisierung und der Demokratisierung gemeinsam oder jede in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen haben. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, vor allem in Besitz- und Bodenfragen, unterliegt keiner neuerlichen Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane.
Sowjetisches Positionspapier für das Gespräch auf Beamtenebene am 9. Juni 1990:
Anerkennung der Legitimität und Unumkehrbarkeit der Maßnahmen, die von den Vier Mächten in ihren Besatzungszonen zu politischen, militärischen und wirtschaftlichen Fragen getroffen wurden.
Nr. 4 des Vertragsentwurfs vom 22. Juni 1990, enthaltend die Grundprinzipien für eine abschließende völkerrechtliche Regelung mit Deutschland:
Das vereinte Deutschland wird die Legitimität jener Maßnahmen und Verfügungen anerkennen, die von den Vier Mächten gemeinsam oder in jeder ihrer ehemaligen Besatzungszonen hinsichtlich der Entnazifizierung, der Entmilitarisierung und der Demokratisierung getroffen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse einschließlich der Vermögens- und Bodenfragen wird einer Überprüfung bzw. Revision durch deutsche Gerichte bzw. durch andere deutsche Staatsorgane nicht unterliegen.
Nr. 8 des Vertragsentwurfs vom 17. August 1990:
Die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland erklären, daß das vereinte Deutschland … die Legitimität der Maßnahmen und Verordnungen anerkennt, die von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder von jeder in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen bzw. erlassen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, darunter auch in Vermögens- und Bodenfragen, wird von deutschen Gerichten und anderen deutschen staatlichen Stellen nicht revidiert.
Nr. 4 des Vertragsentwurfs vom 1. September 1990 (zitiert nach Wasmuth, NJW 1993, S. 2476 ≪2478≫):
Die Regierungen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland erklären, daß das vereinte Deutschland … die Legitimität der Maßnahmen und Verordnungen anerkennt, die von den Vier Mächten in Fragen der Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung gemeinsam oder von jeder in ihrer ehemaligen Besatzungszone ergriffen bzw. erlassen wurden. Die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse, darunter auch in Vermögens- und Bodenfragen, wird nicht revidiert.
b) Die Einwendungen gegen die tatsächlichen Grundlagen des Urteils vom 23. April 1991 stützen sich außerdem auf Äußerungen von Beteiligten an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, insbesondere des letzten Präsidenten der Sowjetunion Gorbatschow. Dieser hat nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom 27. August 1994 dem britischen Historiker Norman Stone auf dessen Frage:
Anders als in anderen osteuropäischen Ländern wird in Deutschland den Bürgern, die ihr Eigentum in der Zeit zwischen 1945 und 1949 (zur Zeit der Sowjetischen Militäradministration) verloren haben, die Rückgabe des Eigentums verweigert. Dabei beruft man sich auf Sie. Die für uns zugänglichen Unterlagen zeugen davon, daß die UdSSR lediglich auf der Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen während der Nachkriegszeit (1945–1949) bestanden hat, was auch verständlich ist. Könnten Sie uns bitte sagen, ob es stimmt, daß die UdSSR im Laufe der Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands als eine unerläßliche Bedingung ein Verbot der Restitutionen (Rückgabe des während dieser Zeit bei den Bürgern konfiszierten Eigentums, das mit dem Eigentum der Militäradministration nichts zu tun gehabt hat) gefordert hat? Ist es wahr, daß gerade Sie auf dem Verbot solcher Restitutionen in der Zukunft bestanden haben?
in einem Schreiben vom 5. Juli 1994 geantwortet:
Nein, das stimmt nicht.
Auf meiner Ebene als Präsident der UdSSR wurde diese Frage nicht erörtert, und von einer Alternative – entweder ein Verbot für Restitutionen oder der große Vertrag – konnte schon gar keine Rede sein. Es war eine große intellektuelle Arbeit, durchdrungen von einem hohen Gefühl der Verantwortung, damit die Verhandlungen nicht zu Verletzungen des deutschen Volkes führen. Im gleichen Kontext wurde auch die Frage der Rechtmäßigkeit von Handlungen der UdSSR in der Nachkriegszeit erörtert.
Im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” vom 5. September 1994 hat er diese Äußerung kurze Zeit später ergänzt:
In den Verhandlungen zwischen mir und diesen deutschen Staatsmännern (gemeint sind Bundeskanzler Kohl, Außenminister Genscher und die Ministerpräsidenten Modrow und de Maiziere) tauchte die Frage der Restitution von zwischen 1945 und 1949 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone enteignetem Besitz nicht auf und wurde nicht erörtert. …
Zugleich fanden intensive Gespräche zwischen den Vertretern der beiden deutschen Staaten statt, in engem Kontakt mit unserem Außenministerium. Dabei kam die Eigentumsfrage durchaus zur Sprache, und unser Außenministerium vertrat klar den sowjetischen Standpunkt.
Unserer Position wurde in der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik und der DDR vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen Rechnung getragen. Dort hieß es:
Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. …
Am 12. September 1990 haben Herr Genscher und Herr de Maiziere den sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse über diese Gemeinsame Erklärung informiert.
…
Zugleich wiederhole ich: Bundeskanzler Kohl und ich waren mit dieser Frage nicht befaßt. Sie wurde auf anderen Ebenen diskutiert. Jedenfalls existieren keine von sowjetischen Verantwortlichen unterzeichneten Verträge oder Abkommen, in denen die Eigentumsfrage auch nur zur Sprache kommt.
Genau das habe ich gemeint, als ich die Frage von Professor Stone beantwortete, ob die UdSSR das Restitutionsverbot zu einer Vorbedingung bei den Wiedervereinigungsgesprächen gemacht habe, und ob es stimme, daß ich persönlich darauf bestanden habe, solche Restitutionen auch für die Zukunft zu verbieten. Von einer Alternative „Restitutionsverbot oder Scheitern des Großen Vertrages” konnte keine Rede sein.
Auch der ehemalige sowjetische Außenminister Schewardnadse hat sich – nach einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt” vom 5. September 1994 – in einem Fernsehinterview zur Restitutionsfrage geäußert:
Der frühere sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse bestritt in einem „Spiegel TV”-Interview, daß die Sowjetunion ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung von der Garantie der Bodenreform abhängig gemacht habe. „Vorbedingungen in bezug auf die Vereinigung haben wir nicht gestellt”, sagte Schewardnadse. Bei den Besprechungen sei dieses Thema nicht erörtert worden – „weder im Stab von Gorbatschow, noch im Außenministerium”.
3. a) Im Schrifttum ist daraus in rechtlicher Hinsicht teilweise gefolgert worden, daß das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 23. April 1991 von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen sei und daß sich der Restitutionsausschluß für die besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 nicht durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lasse. Die dazu ergangenen Regelungen seien deshalb mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (vgl. vor allem Wasmuth, NJW 1993, S. 2476 ≪2477 ff.≫). Den Betroffenen werde ein Sonderopfer auferlegt, das vor dem im Gleichheitssatz enthaltenen Prinzip der Lastengleichheit keinen Bestand haben könne (vgl. Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 143 Rn. 29 ≪Stand: 29. Lfg. 1991≫).
b) Überdies ist gegen das Urteil vom 23. April 1991 in der Literatur geltend gemacht worden:
aa) Das Bundesverfassungsgericht habe die völkerrechtlichen Implikationen nicht ausreichend geprüft. Bei den in der sowjetischen Besatzungszone vorgenommenen Enteignungen habe es sich um Konfiskationen mit Verfolgungscharakter gehandelt, die, soweit der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen, gegen Art. 46 der Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 (RGBl 1910 S. 107) – im folgenden: HLKO – verstoßen hätten, wonach das Privateigentum geachtet werden soll (Absatz 1) und nicht eingezogen werden darf (Absatz 2). Ihre Anerkennung widerspreche deshalb der Menschenwürde (vgl. etwa Blumenwitz, BayVBl 1993, S. 705 ≪714 f.≫). Soweit die Enteignungen auf nationalrechtlicher Grundlage ergangen seien, wäre auch Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung – im folgenden: WRV – zu berücksichtigen gewesen (vgl. Scholz, a.a.O., Art. 143 Rn. 22 und 29).
bb) Die in Rede stehenden Enteignungen seien auch wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) als unwirksam anzusehen. Entschädigungslose Enteignungen dürften danach nur als wirksam anerkannt werden, solange sich ihre Auswirkungen auf das Gebiet eines anderen Staates beschränkten. Wenn ihre Auswirkungen nunmehr – wie hier – im eigenen Staat in Frage stünden, folge aus dem ordre public, daß sie nicht mehr hingenommen werden dürften. Das Eigentum gelte als nicht mehr vernichtet. Die daraus folgenden Herausgabe- und Grundbuchberichtigungsansprüche seien auch nicht infolge des Einigungsvertrages untergegangen und daher mit der Wiedervereinigung, vorbehaltlich eines redlichen Erwerbs, wieder durchsetzbar geworden (vgl. Graf von Schlieffen, ZOV 1994, S. 151 ≪157≫).
II.
Die Ausgangsfälle stellen sich nach dem Vortrag der Beschwerdeführer wie folgt dar:
1. Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 1452/90 macht geltend, daß ihr Großvater, den sie nach ihrem 1993 verstorbenen Vater beerbt hat, Eigentümer zweier Güter und weiteren Landes in Sachsen-Anhalt gewesen sei. Das Grundvermögen sei aufgrund der sogenannten September-Verordnungen (vgl. dazu BVerfGE 84, 90 ≪96 f.≫) in die Bodenreform einbezogen und enteignet worden. Ihr Vater habe zum Kreis des Widerstands gegen Hitler gehört, sei aber als Widerstandskämpfer unerkannt geblieben, weil er den Plan, sich zusammen mit Hitler in die Luft zu sprengen, 1943 nicht habe ausführen können.
2. Im Verfahren 1 BvR 1459/90 tragen die Beschwerdeführer vor, ihr oder ihrer Rechtsvorgänger gesamtes Vermögen, neben mehreren Wohnhäusern ein Arzneimittelunternehmen in Sachsen, sei zwischen 1945 und 1949 entschädigungslos enteignet worden. Beschlagnahme und Enteignung seien, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hätten, 1948 in amtlichen Dokumenten den Befehlen Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und Nr. 64 vom 17. April 1948 der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) und dem durch Volksentscheid vom 30. Juni 1946 angenommenen Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes (vgl. dazu BVerfGE 84, 90 ≪100 ff.≫) zugeordnet worden.
3. Die Beschwerdeführer des Verfahrens 1 BvR 2031/94 machen geltend, sie seien Erbeserben des früheren Eigentümers eines Gutes und dazugehöriger Hausgrundstücke in Sachsen, die 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet worden seien. Ihr Antrag auf Rückübertragung dieser Vermögenswerte ist 1992 mit der Begründung abgelehnt worden, daß es sich um eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage gehandelt habe. Widerspruch, Klage und Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatten keinen Erfolg.
III.
1. In den Verfahren 1 BvR 1452/90 und 1 BvR 1459/90 rügen die Beschwerdeführer, deren Vorbringen weithin übereinstimmt, die Verfassungswidrigkeit von Art. 1 des Zustimmungsgesetzes zum Einigungsvertrag, soweit darin zugestimmt worden ist:
- Art. 4 Nr. 4 EV (Ergänzung von Art. 135 a GG) in Verbindung mit Art. 45 EV,
- Art. 4 Nr. 5 EV (Einfügung von Art. 143 GG, insbesondere von Art. 143 Abs. 3 GG) in Verbindung mit Art. 45 EV (Protokoll I Nr. 4).
- Art. 25 EV (soweit die Treuhandanstalt weiterhin damit beauftragt ist, volkseigene Betriebe zu privatisieren) in Verbindung mit dem Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 (GBl I S. 300),
- Art. 41 EV (Regelung von Vermögensfragen),
- Art. 45 EV in Verbindung mit Anlage II zum EV, Kap. III Sachgebiet B Abschnitt I Nr. 4 (Gesetz über besondere Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik),
- Art. 45 EV in Verbindung mit Anlage II zum EV, Kap. III Sachgebiet B Abschnitt I Nr. 5 (Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen),
Vereinbarung vom 18. September 1990, soweit in Art. 3 Nr. 6 das Rehabilitierungsgesetz vom 6. September 1990 (GBl I S. 1459) mit Maßgaben aufrechterhalten worden ist,
sowie – nur im Verfahren 1 BvR 1452/90 –
- Art. 45 EV in Verbindung mit Anlage II zum EV, Kap. VI Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 1 (Aufrechterhaltung des DDR-Gesetzes vom 22. Juli 1990 ≪GBl I S. 899≫).
Sie machen eine Verletzung von Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den unantastbaren Grundelementen des Gleichheitssatzes geltend und tragen zur Begründung vor:
a) Entgegen der Einschätzung der Bundesregierung könne nicht angenommen werden, daß die Deutsche Demokratische Republik den Verzicht auf die Rückgabe der 1945 bis 1949 enteigneten Vermögenswerte als Vorbedingung für ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung verlangt habe. Für die Deutsche Demokratische Republik habe es zur Wiedervereinigung keine Alternative gegeben. Das sei ihren Politikern auch bewußt gewesen. So habe der ehemalige Außenminister Meckel 1994 in der Presse erklärt, zur Anerkennung der Bodenreform sei der Einigungsvertrag notwendig gewesen; ohne diesen hätte es die Wiedervereinigung nur mit einem Überleitungsgesetz und ohne Festschreibung der Bodenreform gegeben. Im Sommer 1990 habe sich die Deutsche Demokratische Republik wirtschaftlich und politisch in einem derart desolaten Zustand befunden, daß sie keine Forderungen mehr habe stellen können. Der Regierung de Maiziere und der Volkskammer sei es nur noch um den Schutz redlich erworbener Eigentums- und Nutzungsrechte gegangen. Der weiterreichende, auch volkseigenes Vermögen einschließlich des Vermögens aus der Enteignung gewerblicher Betriebe betreffende Restitutionsausschluß erkläre sich allein mit fiskalischen Interessen des Bundes. Abgesehen davon sei die Deutsche Demokratische Republik rechtlich gehindert gewesen, die vor 1949 Enteigneten gegenüber den später Enteigneten zu diskriminieren. Denn sie sei seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (Verfassungsgrundsätze) vom 17. Juni 1990 (GBl I S. 299) – im folgenden: Verfassungsgrundsätzegesetz – an rechtsstaatliche Prinzipien gebunden gewesen.
b) Ebenfalls unzutreffend sei die Behauptung der Bundesregierung, die Unumkehrbarkeit der 1945 bis 1949 vorgenommenen Enteignungen sei im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen auch eine Bedingung für die Zustimmung der Sowjetunion zur Wiedervereinigung gewesen, über die nicht habe verhandelt werden können.
In der TASS-Erklärung vom 27. März 1990 habe die Sowjetunion klar zum Ausdruck gebracht, daß neben der Forderung nach Wahrung der Gesetzlichkeit der Eigentumsverhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik lediglich verlangt werde, die Eigentumsrechte ihrer Bürger zu schützen; das stehe einer Änderung der Eigentumsverhältnisse in bezug auf das sozialistische Volkseigentum durch das wiedervereinigte Deutschland nicht entgegen. Die im Aide-mémoire vom 28. April 1990 enthaltene Forderung nach Nichtüberprüfung und Nichtrevision beziehe sich unzweideutig nur auf die Rechtmäßigkeit der sowjetischen Beschlüsse. Forderungen in bezug auf deutsche Maßnahmen, die aufgrund einer Einwilligung oder eines Beschlusses der sowjetischen Seite durchgeführt worden seien, seien darin nicht enthalten. Auf dem Außenministertreffen am 5. Mai 1990 habe Außenminister Schewardnadse wiederum nur gefordert, die Legitimität der sowjetischen Maßnahmen nicht zu revidieren oder in Zweifel zu ziehen. Am 23. Mai 1990 habe er gegenüber Außenminister Genscher wiederholt, das vereinigte Deutschland müsse die Legitimität der Maßnahmen der vier Mächte anerkennen; dazu gehörten die Vergesellschaftung von Eigentum und insbesondere Grundbesitz betreffende Maßnahmen. Gemeint gewesen seien damit allein besatzungsrechtliche, nicht dagegen deutsche oder nur besatzungshoheitliche Maßnahmen. In dem bei dem Zwei-plus-Vier-Beamtentreffen vom 9. Juni 1990 vorgelegten Papier sei zwar von Legitimität und Unumkehrbarkeit der Maßnahmen der vier Mächte die Rede gewesen.
Da jedoch im Zwei-plus-Vier-Vertrag der Begriff „Unumkehrbarkeit” nicht mehr vorkomme, sei dieses Beamtenpapier ein weiteres Indiz dafür, daß die Sowjetunion die Unumkehrbarkeit der Enteignungsmaßnahmen letztlich nicht gefordert habe. In dem bei dem Außenministertreffen am 22. Juni 1990 von sowjetischer Seite vorgelegten Papier über die Grundprinzipien für eine abschließende völkerrechtliche Regelung mit Deutschland sei nur auf die Anerkennung der Legitimität der Maßnahmen der vier Mächte – einschließlich der Vermögens- und Bodenfragen – sowie darauf abgehoben worden, daß die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen einer Überprüfung durch deutsche Gerichte oder andere deutsche Staatsorgane nicht unterliegen dürfe. Daraus ergebe sich, daß nur sowjetische Maßnahmen (nicht dagegen deutsche wie die Bodenreform) erfaßt werden sollten und daß die Anerkennung ihrer Legitimität nicht zur Vorbedingung für die Wiedervereinigung gemacht worden sei. Nach dem Vermerk über ein Gespräch am 13. August 1990 zwischen dem sowjetischen Verhandlungsführer bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen. Kwizinskij und Staatssekretär Dr. Kastrup vom Auswärtigen Amt, in dem jener erklärt habe, die Sowjetunion sei lediglich besorgt mit Blick auf alliierte Entscheidungen, deutsche Beschlüsse interessierten in diesem Zusammenhang nicht, habe die sowjetische Seite deutlich zwischen dem Besatzungsrecht und etwa nur „besatzungshoheitlichen Maßnahmen” differenziert. Im sowjetischen Vertragsentwurf vom 17. August 1990 sei wiederum nur von der Legitimität der Maßnahmen und Verordnungen der vier Mächte die Rede gewesen. Ebenso belegten die weiteren Verhandlungen auf Beamtenebene, daß es auch später keine sowjetische Vorbedingung im Sinne eines Restitutionsausschlusses für Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage gegeben habe. Der letzte sowjetische Vertragsentwurf vom 1. September 1990 habe nicht einmal mehr die Forderung enthalten, deutsche Behörden und Gerichte dürften die Legitimität nicht prüfen. Ferner habe die sowjetische Seite angeboten, die die Legitimität anerkennenden Aussagen könnten in ein Begleitschreiben aufgenommen werden. Mit dem sodann von den beiden deutschen Außenministern anläßlich der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrages „einseitig” formulierten Gemeinsamen Brief vom 12. September 1990 mit seiner Bezugnahme auf Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung sei auf eine viel weitergehende Vereinbarung hingewiesen worden, als sie der Bundesregierung abverlangt worden sei.
Unter diesen Umständen könne von einer sowjetischen Vorbedingung eines Restitutionsausschlusses objektiv keine Rede sein, was durch die Äußerungen insbesondere Gorbatschows und Schewardnadses im Jahre 1994 bestätigt werde. Die Bundesregierung habe dies gewußt. Für eine andere Einschätzung der sowjetischen Haltung habe somit kein Raum bestanden.
c) Sonstige Sachgründe für die Ungleichbehandlung der Enteignungen vor und nach 1949 gebe es nicht. Dies gelte auch für § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG. Hierzu führt die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 1452/90 ergänzend aus, daß das in dieser Vorschrift enthaltene Restitutionsverbot durch § 1 Abs. 6 VermG zugunsten einer Rückgängigmachung nationalsozialistischen Unrechts durchbrochen werde. Zu ihren Gunsten sei ebenfalls eine Durchbrechung geboten. Es könne keinen Unterschied machen, ob ihr Vater noch von den Nationalsozialisten verurteilt und enteignet oder unentdeckt geblieben sei mit der Folge, daß sein Vermögen erst von den Kommunisten enteignet worden sei.
2. Im Verfahren 1 BvR 2031/94 rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG durch die im Ausgangsverfahren ergangenen Behörden- und Gerichtsentscheidungen. Mittelbar richtet sich ihre Verfassungsbeschwerde gegen Art. 143 Abs. 3 GG und § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG in der Fassung des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1257) – im folgenden: VermG 1992 –. Soweit ihr Vortrag sich nicht mit dem der übrigen Beschwerdeführer (oben 1) deckt, führen sie aus:
a) Das Bundesverfassungsgericht habe sowohl bei der Senatsentscheidung vom 23. April 1991 als auch bei dem Kammerbeschluß vom 15. April 1993 (DtZ 1993, S. 275) auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage entschieden. Es habe die Tatsachen zugrunde gelegt, die von der Bundesregierung vorgetragen und von Bundesminister Dr. Kinkel, Ministerpräsident a.D. de Maiziere und Staatssekretär Dr. Kastrup in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1991 dargelegt worden seien. Inzwischen sei bekannt geworden, daß weder die Deutsche Demokratische Republik noch die Sowjetunion einen Restitutionsausschluß für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage verlangt hätten. Maßgebend für den Restitutionsausschluß seien vielmehr fiskalische Motive gewesen. Wie sich aus Art. 26 Abs. 4 und Art. 27 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (BGBl II S. 537) ergebe, habe das volkseigene Vermögen für fiskalische Zwecke bereitgestellt werden sollen. Schon vor Beginn der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen sei in Bonn die Entscheidung gefallen gewesen, von einer Restitution der Enteignungen vor 1949 abzusehen. So sei im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” vom 5. März 1990 über Gespräche einer Expertenrunde der Bonner Ressorts zur Vorbereitung der Verhandlungen über den Einigungs- und den Zwei-plus-Vier-Vertrag berichtet worden. Danach seien sich die Experten der Bundesregierung im groben darüber einig gewesen: „Enteignungen von Großgrundbesitz, Großindustrie und Bodenschätzen vor 1949 werden nicht wieder rückgängig gemacht, die früheren Eigentümer nicht entschädigt.” Auch habe Bundesfinanzminister Dr. Waigel am 23. Mai 1990 vor dem Deutschen Bundestag angekündigt, die Erlöse aus möglichen Veräußerungen volkseigenen Vermögens sollten zum Ausgleich staatlicher Verpflichtungen eingesetzt werden.
b) In den Verhandlungen über den Zwei-plus-Vier-Vertrag habe die sowjetische Seite ihre Positionen Schritt für Schritt geräumt. So sei von dem noch in der TASS-Erklärung vom 27. März 1990 verlangten Schutz der Besitzer am Schluß nichts mehr übrig geblieben. Zunächst sei auf die Forderung nach Unumkehrbarkeit der besatzungsrechtlichen bzw. besatzungshoheitlichen Enteignungen verzichtet worden. Dann sei auch die Forderung nach Anerkennung ihrer Legitimität aufgegeben worden, die ausweislich des sowjetischen Papiers vom 9. Juni 1990 mit der Forderung nach Unumkehrbarkeit nicht gleichgesetzt werden könne und eine Rückgabe der betroffenen Vermögenswerte nicht ausgeschlossen hätte, weil die Restitution über die Rechtmäßigkeit der früheren Vermögenszugriffe nichts aussage. Der Bundesregierung sei spätestens seit dem Gespräch zwischen Dr. Kastrup und seinem sowjetischen Verhandlungspartner Kwizinskij am 13. August 1990 bekannt gewesen, daß Enteignungen durch deutsche Stellen die Sowjetunion nicht interessiert hätten und das wiedervereinigte Deutschland somit freie Hand erhalten habe, mit den enteigneten Vermögenswerten nach eigenen Vorstellungen zu verfahren. Außerdem habe nach den Notizen über dieses Gespräch „Platz für Entscheidungen im Einzelfall” bestanden, nämlich bei der Rehabilitierung von Personen, die Opfer von Enteignungsmaßnahmen geworden seien, obwohl die Voraussetzungen für eine Enteignung selbst nach den damaligen Beschlüssen der sowjetischen Besatzungsmacht nicht erfüllt gewesen seien. Wenn die Sowjetunion in diesen Einzelfällen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahmen akzeptiert habe, sei es unverständlich, daß sie im übrigen ein vollständiges Rückgabeverbot gefordert haben solle.
Die im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” vom 5. September 1994 wiedergegebene Aussage Gorbatschows, mit der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 sei der Position der Sowjetunion zur Regelung offener Vermögensfragen „Rechnung getragen”, sei nur dahin zu verstehen, daß die Sowjetunion keine unerfüllten, über die Gemeinsame Erklärung hinausgehenden Forderungen gehabt habe. Sie bedeute jedoch nicht, daß der Inhalt der Gemeinsamen Erklärung mit Forderungen oder gar Vorbedingungen der Sowjetunion zur Wiedervereinigung identisch gewesen sei.
c) § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG 1992 gehe über Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 weit hinaus. Diese schließe nach der Deutung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 eine umfassende, also vollständige Rückabwicklung aller Enteignungen aus, lasse aber die Rückübertragung in den Fällen zu, in denen sich der Vermögenswert noch in der Hand des Staates befinde. § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG 1992 verhindere dagegen jegliche Rückgabe der betroffenen Vermögenswerte. Jedenfalls für dieses totale Restitutionsverbot gebe es keine sachlich rechtfertigenden Gründe.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Bundesregierung und im Verfahren 1 BvR 2031/94 außerdem die Stadt B. Stellung genommen.
1. Das Bundesministerium der Justiz hat namens der Bundesregierung ausgeführt:
a) Die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 1452/90 und 1 BvR 1459/90 seien unzulässig, soweit die Beschwerdeführer behaupteten, in ihren Grundrechten dadurch verletzt zu sein, daß die angegriffenen Normen auch solche Enteignungen erfaßten, die formal auf besatzungsrechtliche oder besatzungshoheitliche Grundlagen gestützt gewesen seien, deren materielle Voraussetzungen aber offenkundig nicht erfüllten (sogenannte Exzeßfälle). Insoweit seien die Beschwerdeführer auf den Rechtsweg zu den Fachgerichten zu verweisen.
b) Der Restitutionsausschluß für die zwischen 1945 und 1949 durchgeführten Enteignungen sei nicht im Fiskalinteresse der Bundesrepublik Deutschland vereinbart worden; eine dahin gehende Absprache innerhalb der Regierungskoalition habe es nicht gegeben. Diese Enteignungen hätten, auch soweit sie den Industriebereich beträfen, für die Deutsche Demokratische Republik nie zur Diskussion gestanden. Die Bundesregierung habe das zur Kenntnis nehmen müssen. Das einzige, was sie habe erreichen können, sei ein Vorbehalt zugunsten etwaiger staatlicher Ausgleichsleistungen gewesen. Die Behauptung, die Deutsche Demokratische Republik sei gar nicht mehr in der Lage gewesen, Bedingungen zu stellen, gehe an der Realität vorbei. Die Verhandlungen hätten wegen des beginnenden Zerfallsprozesses der Deutschen Demokratischen Republik unter immensem Zeitdruck gestanden. In dieser Situation sei die Schwäche der Deutschen Demokratischen Republik zur verhandlungstaktischen Stärke geworden.
c) Die Unumkehrbarkeit der Enteignungen von 1945 bis 1949 sei auch eine Bedingung der Sowjetunion gewesen, über die nicht habe verhandelt werden können. Diese habe als eine der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges – namentlich wegen der mit der Niederwerfung Nazi-Deutschlands verbundenen ungeheuren Opfer – ein besonderes Interesse daran gehabt, die von ihr in ihrer Besatzungszone durchgeführten Maßnahmen zur Entnazifizierung, Entmilitarisierung und Demokratisierung nicht nachträglich zur Disposition des besiegten Deutschlands zu stellen. In den Verhandlungen über den Zwei-plus-Vier-Vertrag habe die Sowjetunion diesen Standpunkt von Anfang an mit großem Nachdruck vertreten. Aus der Tatsache, daß in dem sowjetischen Verhandlungspapier vom 22. Juni 1990 nicht mehr ausdrücklich die Forderung nach Unumkehrbarkeit der Maßnahmen enthalten gewesen sei, dürfe nicht gefolgert werden, die Sowjetunion habe diese Forderung fallen gelassen. Man könne die Fragen nach der Legitimität der Enteignungsmaßnahmen und ihrer faktischen Unumkehrbarkeit nicht trennen. Nach der von der Sowjetunion stets vertretenen Auffassung leugne derjenige, der dem Alteigentümer sein früheres Eigentum allein wegen der damaligen Enteignungen zurückübertrage, zugleich die rechtliche Legitimität der Enteignungen durch die Besatzungsmacht. Sie habe noch in ihrem letzten Vertragsentwurf vom 1. September 1990 die Forderung nach der Unantastbarkeit der Enteignungen von 1945 bis 1949 erhoben und auf eine Regelung im Vertrag erst verzichtet, als bei dem Beamtentreffen vom 4. bis 7. September 1990 beide deutsche Staaten den Gemeinsamen Brief der beiden deutschen Außenminister an die vier Siegermächte zugesagt hätten. Dieser sei nicht völkerrechtlich unverbindlich; denn die darin dargestellte Rechtslage sei Geschäftsgrundlage für den Zwei-plus-Vier-Vertrag geworden.
Den Äußerungen des früheren sowjetischen Präsidenten Gorbatschow lasse sich lediglich entnehmen, daß die Frage des Restitutionsausschlusses nicht zwischen ihm und Bundeskanzler Kohl erörtert worden sei. Dazu habe auch keine Veranlassung bestanden, weil diese Problematik bereits auf Beamtenebene sowie zwischen den Außenministern in dem von der sowjetischen Seite gewünschten Sinne geklärt gewesen sei.
2. Die Stadt B. hat die im Verfahren 1 BvR 2031/94 angegriffenen Entscheidungen verteidigt.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig.
I.
Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 1452/90 kann die Verfassungsbeschwerde ihres 1993 verstorbenen Vaters fortführen; denn diese dient der Durchsetzung vermögenswerter Ansprüche (vgl. BVerfGE 69, 188 ≪201≫).
II.
Die Beschwerdeführer in den Verfahren 1 BvR 1452/90 und 1 BvR 1459/90 können das Zustimmungsgesetz zum Einigungsvertrag mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar angreifen.
1. Sie haben hinreichend dargelegt, daß sie von den angegriffenen Regelungen betroffen sind.
a) Der Begriff der „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage”, wie er in Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 (Anlage III des Einigungsvertrages) und – mit der Maßgabe des verbindenden „oder” – in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG verwendet und in Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 EV in Bezug genommen wird, ist vom Bundesverfassungsgericht weit ausgelegt worden. Er umfaßt insbesondere auch Fälle, in denen Vermögenswerte zunächst aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD sequestriert und nachfolgend von deutschen Stellen nach Vorschriften deutscher Rechtsetzungsorgane enteignet wurden. Bei diesen Enteignungsmaßnahmen handelt es sich um solche auf besatzungshoheitlicher Grundlage, weil sie durch Akte der sowjetischen Besatzungsmacht gezielt ermöglicht worden sind und maßgeblich auf deren Entscheidung beruht haben. Diese Einordnung wird weder dadurch ausgeschlossen, daß deutsche Stellen daran einverständlich mitgewirkt haben, noch steht ihr entgegen, daß die Enteignungen nicht zugunsten der Besatzungsmacht erfolgt sind. Selbst Enteignungsmaßnahmen, bei denen die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Maßstäben willkürlich angewendet worden sind, beruhten auf besatzungshoheitlicher Grundlage, weil der Besatzungsmacht als nicht deutscher Staatsgewalt in dieser Zeit noch die oberste Hoheitsgewalt zukam (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪113 ff.≫).
Die Äußerung des sowjetischen Delegationsleiters bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen Kwizinskij in seinem Gespräch mit Staatssekretär Dr. Kastrup am 13. August 1990, die Sowjetunion sei in der Enteignungsfrage lediglich mit Blick auf alliierte Entscheidungen besorgt, deutsche Beschlüsse interessierten in diesem Zusammenhang nicht, zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn damit ist nicht gesagt, daß mit „deutschen Beschlüssen” auch diejenigen Maßnahmen ausgegrenzt werden sollten, die von der Besatzungsmacht ausdrücklich bestätigt wurden (wie zum Beispiel die Industrieenteignungen im Gefolge des SMAD-Befehls Nr. 124 durch den Befehl Nr. 64), sonst ihrem generell oder im Einzelfall geäußerten Willen entsprachen oder von ihr jedenfalls geduldet wurden. Vielmehr sind unter „deutschen Beschlüssen” nur solche Enteignungsakte zu verstehen, die des maßgeblichen Zurechnungszusammenhangs zur Besatzungsmacht entbehrten, etwa deshalb, weil diese die Enteignung ihrer Art nach oder im Einzelfall ausdrücklich verboten hatte. Allein eine daran orientierte Abgrenzung von alliierten – sei es besatzungsrechtlichen, sei es besatzungshoheitlichen – Entscheidungen und deutschen Beschlüssen wird der Rechtswirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone und dem Begehren der Sowjetunion, die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahmen nicht in Frage zu stellen, gerecht.
b) Danach können die Beschwerdeführer von den angegriffenen Regelungen betroffen sein. Enteignungen im Zuge der Bodenreform beruhen ebenso wie Industrieenteignungen, die nach Beschlagnahme gemäß dem SMAD-Befehl Nr. 124 erfolgten und durch den SMAD-Befehl Nr. 64 bestätigt wurden, im dargelegten Sinne auf besatzungshoheitlicher Grundlage (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪113 ff.≫).
2. Die Beschwerdeführer können – abgesehen von ihrem Vortrag, in ihren Fällen lägen jeweils auch Enteignungsexzesse vor, auf die die angegriffenen Regelungen nicht angewendet werden dürften – auch nicht darauf verwiesen werden, die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen im Rechtsweg vor den Fachgerichten klären zu lassen. Sie haben in substantiierter Weise Gesichtspunkte angeführt, aus denen sie herleiten, das Bundesverfassungsgericht habe in dem Urteil vom 23. April 1991 auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage entschieden. Die Frage, ob dieses Urteil wegen neuer tatsächlicher Erkenntnisse überdacht werden muß, hat allgemeine Bedeutung im Sinne des insoweit entsprechend anwendbaren § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪116≫).
Dies gilt allerdings nicht, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Enteignungen beruhten in ihren Fällen auf einem exzessiven Vorgehen der handelnden deutschen Stellen in der sowjetischen Besatzungszone (Verfahren 1 BvR 1459/90) oder dürften aus sonstigen, personenbezogenen Gründen nicht unter die angegriffenen Normen subsumiert werden (Verfahren 1 BvR 1452/90). Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 23. April 1991 ausgeführt, daß auch Enteignungsmaßnahmen, bei denen die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Maßstäben willkürlich angewendet worden sind, als Maßnahmen auf besatzungshoheitlicher Grundlage angesehen werden können, ohne daraus eine verfassungsrechtliche Beanstandung herzuleiten (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪115≫). Ob und inwieweit eine bestimmte Maßnahme unter die angegriffenen Regelungen fällt oder wegen fehlenden Zurechnungszusammenhangs zur Besatzungsmacht nicht von ihnen erfaßt wird, muß danach der Klärung durch die Fachgerichte vorbehalten bleiben. Das gleiche gilt, wenn geltend gemacht wird, das besondere Schicksal eines von den Folgen einer besatzungshoheitlichen Enteignung Betroffenen erfordere zu seinen Gunsten eine ausdehnende Anwendung von Vorschriften, die vergleichbare Lebenssachverhalte beträfen und für diese den Restitutionsausschluß durchbrächen. Insoweit kommt es maßgeblich auf die jeweils im fachgerichtlichen Verfahren zu prüfenden Umstände des Einzelfalls an.
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht begründet.
I.
Der Ausschluß der Rückgabe von Vermögenswerten, die in den Jahren 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet wurden (Art. 41 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 ≪Anlage III des Einigungsvertrages≫ und § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG), ist im Grundgesetz selbst für bestandskräftig erklärt worden. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat dies mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen der Bundesrates (Art. 79 Abs. 2 GG) in Art. 143 Abs. 3 GG bestimmt. Das Bundesverfassungsgericht kann folglich nur prüfen, ob dabei die Anforderungen gewahrt worden sind, die Art. 79 Abs. 3 GG an Verfassungsänderungen stellt.
Nach dieser Vorschrift sind Änderungen unzulässig, durch die die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze „berührt” werden. Andere Prüfungsmaßstäbe kommen hier nicht in Betracht. Insbesondere scheiden Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG als unmittelbar anwendbarer Maßstab aus. Sie können nur insoweit herangezogen werden, als Kernelemente dieser Grundrechte zu den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen gehören und sich daher einer Verfassungsänderung entziehen (vgl. BVerfGE 90, 84 ≪120 f.≫).
II.
Die angegriffenen Regelungen verletzen nicht Grundelemente des Gleichheitssatzes, die nach Art. 79 Abs. 3 GG unantastbar sind.
1. Zu den grundlegenden Gerechtigkeitspostulaten, die der verfassungsändernde Gesetzgeber unter dem Blickwinkel der Art. 1 und 20 GG nicht außer acht lassen darf, gehören der Grundsatz der Rechtsgleichheit und das Willkürverbot (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪120 f.≫ m.w.N.). Da Art. 79 Abs. 3 GG jedoch nur verlangt, daß die genannten Grundsätze nicht berührt werden, hindert er den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht, ihre positivrechtliche Ausprägung aus sachgerechten Gründen zu modifizieren (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪121≫).
Solche sachgerechten Gründe hatte der verfassungsändernde Gesetzgeber für die verfassungsrechtliche Absicherung des Restitutionsausschlusses in Art. 143 Abs. 3 GG. Die Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Eigentümern, die Vermögenswerte vor 1949, und solchen, die sie nach 1949 durch Enteignungsmaßnahmen verloren haben, liegen in der Ermöglichung der Wiedervereinigung Deutschlands, die im Grundgesetz den Organen der Bundesrepublik Deutschland als anzustrebendes Ziel ihrer Politik verfassungsrechtlich vorgegeben war (vgl. BVerfGE 36, 1 ≪17≫). Im Hinblick auf dieses Ziel und seine überragende Bedeutung durfte dem Restitutionsausschluß für die Enteignungen vor 1949, auch wenn dies von den Betroffenen als schweres Unrecht empfunden wird, der Vorrang vor einer Gleichbehandlung aller Enteignungen eingeräumt werden. Das gilt um so mehr, als die Interessen der früheren Eigentümer bei einem Scheitern der Wiedervereinigung ebenfalls nicht hätten befriedigt werden können.
Die Einschätzung, ob die Wiedervereinigung in der Tat von der Zustimmung zum Restitutionsausschluß abhing, war Sache der Bundesregierung. Dieser steht im Bereich der Außenpolitik – Gleiches galt für die Deutschlandpolitik im Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik (vgl. BVerfGE 36, 1 ≪17 f.≫) – ein breiter Raum politischen Ermessens zu. Das wirkt sich gerade beim Abschluß von Staatsverträgen aus, deren Inhalt nicht einseitig bestimmt werden kann, sondern von der Übereinstimmung der Verhandlungspartner abhängt. Die Ausübung dieses Ermessens bei der Einschätzung der Verhandlungssituation ist zwar nicht völlig unbegrenzt. Die Grenzen verlaufen aber erst dort, wo die Einschätzung der Bundesregierung nicht mehr als pflichtgemäß anzusehen ist (BVerfGE 84, 90 ≪127≫). Davon kann indes nur dann die Rede sein, wenn sich der Bundesregierung bei den Verhandlungen aufdrängen muß, daß sie von falschen Voraussetzungen ausgeht.
Nur in diesem Umfang kann das Vorgehen der Bundesregierung bei Verhandlungen über Staatsverträge vom Bundesverfassungsgericht nachgeprüft werden. Dagegen ist das Bundesverfassungsgericht weder in der Lage noch befugt zu untersuchen, ob die Bundesregierung den objektiv zur Verfügung stehenden Verhandlungsrahmen richtig erkannt und das in jeder Hinsicht bestmögliche Verhandlungsergebnis erreicht hat. Noch weniger darf es seine eigene Lagebeurteilung an die Stelle derjenigen der Bundesregierung setzen (vgl. BVerfGE 66, 39 ≪61≫). Das gilt auch für die Frage, ob die Bundesregierung im Verlauf der Verhandlungen zur Herstellung der deutschen Einheit durch unnachgiebiges Beharren auf bestimmten Verhandlungspositionen das verfassungsrechtlich verbindliche Ziel der Wiedervereinigung gefährdet hätte und ob sie deshalb mit Blick auf die überragende Bedeutung der deutschen Einheit von diesen Positionen abrücken durfte (vgl. BVerfGE 5, 85 ≪126 ff.≫; 12, 45 ≪51 f.≫; 36, 1 ≪17 ff.≫).
2. Die von der Bundesregierung vorgenommene und bis heute aufrechterhaltene Einschätzung, sowohl die Deutsche Demokratische Republik als auch die Sowjetunion hätten ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung von der Unumkehrbarkeit der besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen abhängig gemacht, kann nach wie vor nicht als pflichtwidrig angesehen werden. Die den Beschwerdeführern bekannten und von ihnen kritisch gewürdigten Erklärungen, die Bundesminister Dr. Kinkel, Ministerpräsident a.D. de Maiziere und Staatssekretär Dr. Kastrup in der dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 1991 abgegeben haben, stützen weiterhin diese Beurteilung. Denn der Sachvortrag der Beschwerdeführer enthält kein schlüssiges Vorbringen, das den Aussagegehalt dieser Erklärungen erschüttern und zu der Annahme führen könnte, die Einschätzung der Verhandlungspositionen durch die Bundesregierung sei pflichtwidrig gewesen.
a) Dies gilt zunächst für die Verhandlungen mit der Deutschen Demokratischen Republik.
aa) Deren Vorstellungen konnte die Bundesregierung nicht übergehen. Die beiden deutschen Staaten hatten sich für den Weg des Beitritts nach Art. 23 Satz 2 GG alter Fassung sowie dafür entschieden, die Bedingungen des Beitritts vertraglich zu regeln. Wenn die Einheit in geordneter Form verwirklicht und von der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik als Ergebnis ihrer Selbstbestimmung akzeptiert werden sollte, mußte die Bundesregierung den Willen der erstmals demokratisch gewählten Volksvertretung und der von ihr gewählten Regierung bei den Verhandlungen ernst nehmen (vgl. BVerfGE 82, 316 ≪320 f.≫). Die Nichtberücksichtigung ihrer Vorstellungen hätte jedenfalls der Achtung, die die Bundesrepublik den Deutschen im Beitrittsgebiet schuldete (vgl. auch die beiden letzten Absätze der Präambel des Grundgesetzes in ihrer ursprünglichen Fassung) widersprochen und einen geordneten Einigungsprozeß erheblich gefährden können.
Dieser Beurteilung steht der wirtschaftliche und politische Zustand der Deutschen Demokratischen Republik im Zeitpunkt der Verhandlungen nicht entgegen. Die damals bestehenden Schwierigkeiten waren vielmehr eher geeignet, das Streben nach Durchsetzung einiger zentraler Forderungen durch die Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik noch zu verstärken. Dafür sind die schwierigen Verhandlungen über die Sicherung und Nutzung von Stasi-Unterlagen ein anschauliches Beispiel (vgl. dazu Schäuble, Der Vertrag, 1991, S. 277 ff.). Die Grundlagen für eine pflichtgemäße Einschätzung der Verhandlungslage durch die Bundesregierung, die unter großem Zeitdruck vorzunehmen war, werden deshalb durch nachträgliche Deutungen der politischen Verhältnisse, wie sie hier erörtert werden, nicht erschüttert.
Danach kam eine Wiedervereinigung durch bloßes Überleitungsgesetz und ohne vertragliche Festschreibung der Bodenreform, wie sie insbesondere die Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1459/90 unter Berufung auf Äußerungen des letzten Außenministers der Deutschen Demokratischen Republik Meckel für möglich zu halten scheinen, nicht in Betracht. Außenminister a.D. Meckel hat in seinen Äußerungen im übrigen ausdrücklich das Interesse der Deutschen Demokratischen Republik daran betont, eine solche Lösung zu vermeiden und die Anerkennung der Bodenreform vertraglich zu sichern.
bb) Die Bundesregierung brauchte auch nicht zu der Einschätzung zu gelangen, der Deutschen Demokratischen Republik sei es am Ende des innerdeutschen Einigungsprozesses nur noch um den Schutz redlich erworbener Eigentums- und Nutzungsrechte ihrer Bürger, nicht dagegen um eine Erhaltung von volkseigenem Vermögen gegangen. Wie Ministerpräsident a.D. de Maiziere in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 22. Januar 1991 ausgeführt hat, hätte sich eine Revision der Eigentumsordnung in der Deutschen Demokratischen Republik zum sozialen Sprengstoff ersten Ranges entwickelt. Deshalb sei es das Ziel der von ihm geführten Regierungskoalition gewesen, nicht nur das sogenannte Bodenreformeigentum im Bereich der Landwirtschaft, sondern die Irreversibilität der Bodenreform insgesamt sicherzustellen. Dieses Ziel wurde, wie sich aus den Redebeiträgen in den Beratungen der Volkskammer ergibt, im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreichte vertragliche Absicherung auch dann noch verfolgt, als die Eckwerte in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 schon verabredet waren (vgl. Volkskammer, 10. Wahlperiode, 15. Tagung vom 17. Juni 1990, Prot. S. 551 ≪Abg. Holz≫; 16. Tagung vom 21. Juni 1990, Prot. S. 579 f. ≪Abg. Dr. Goepel≫).
cc) Nichts anderes gilt für den Einwand, Ministerpräsident a.D. de Maiziere sei es nach seiner Darstellung der Verhandlungsposition der Deutschen Demokratischen Republik nur um die Struktur der ostdeutschen Landwirtschaft, nicht dagegen um die Unantastbarkeit gewerblichen Eigentums und der von 1945 bis 1949 vorgenommenen Industrieenteignungen gegangen. Seinem Redebeitrag vom 22. Januar 1991 ist hinreichend deutlich zu entnehmen, daß sein Anliegen die Festschreibung aller auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen war. Den Bereich der Landwirtschaft hat er lediglich besonders herausgestellt. Dies entspricht im übrigen auch der Diskussionslage in der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik (vgl. etwa Volkskammer, 10. Wahlperiode, 4. Tagung vom 20. April 1990, Prot. S. 67 ≪Abg. Dr. Maleuda≫; 16. Tagung vom 21. Juni 1990, Prot. S. 581 f., 584 ≪Abg. Dr. Ringstorff/Dr. Steinecke≫).
dd) Nicht schlüssig dargetan ist auch der Vorwurf, für den Restitutionsausschluß seien ausschließlich fiskalische Interessen der Bundesrepublik Deutschland bestimmend gewesen. Er läßt sich insbesondere nicht mit dem Bericht im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” vom 5. März 1990 belegen. Zwar steht darin, eine Expertenrunde der Bundesregierung sei sich schon damals darüber einig gewesen, Enteignungen von Großgrundbesitz, Großindustrie und Bodenschätzen vor 1949 nicht wieder rückgängig zu machen und die früheren Eigentümer nicht zu entschädigen. In dem Bericht ist jedoch gleichzeitig ausgeführt, Bundeskanzler Kohl sei im Vorfeld der Volkskammerwahl vom 18. März 1990 noch keineswegs sicher gewesen, wie das Thema der Enteignungen im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik bei den Verhandlungen mit dieser angegangen werden solle. Aus dem Bericht kann daher nicht geschlossen werden, daß die Bundesregierung sich die dort wiedergegebene Expertenmeinung zu eigen gemacht hatte.
Auch aus Art. 26 Abs. 4 Satz 2 und Art. 27 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 läßt sich für den Vorwurf nichts herleiten. Diese Vorschriften behandeln die künftige Verwendung von volkseigenem Vermögen und von Treuhandvermögen, sagen aber nichts darüber aus, daß ein Restitutionsausschluß mit dem Ziel einer solchen Verwendung der von dem Ausschluß betroffenen Vermögenswerte angestrebt und mit der Deutschen Demokratischen Republik dann auch verabredet wurde.
Das gleiche gilt für die Äußerung von Bundesfinanzminister Dr. Waigel bei der ersten Beratung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990, die Erlöse aus den möglichen Veräußerungen des von der Treuhandanstalt verwalteten Vermögens sollten zum Ausgleich staatlicher Verpflichtungen eingesetzt werden (vgl. Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, 212. Sitzung vom 23. Mai 1990, StenBer S. 16670 B). Auch die Ausführungen des damaligen Bundesinnenministers Dr. Schäuble (Der Vertrag, 1991, S. 255), durch sein Insistieren habe bei den Schlußarbeiten an der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 erreicht werden können, daß in (Nr. 1 Satz 4) dieser Erklärung der Begriff „Entschädigungen” durch den Begriff „Ausgleichsleistungen” ersetzt worden sei und dadurch dem Bundesfinanzminister erhebliche Mehrausgaben erspart geblieben seien, belegen nicht die Annahme, fiskalische Gründe seien das maßgebliche Motiv für den Restitutionsausschluß bei den Enteignungen auf besatzungsrechtlicher und besatzungshoheitlicher Grundlage gewesen. Die fragliche Formulierung betraf nicht mehr die Grundsatzentscheidung über das Ob eines Restitutionsausschlusses, sondern nur noch Folgemaßnahmen dieses Ausschlusses.
ee) Unbegründet ist schließlich der Einwand, die Deutsche Demokratische Republik habe die Forderung nach dem hier angegriffenen Restitutionsausschluß seit dem Inkrafttreten des Verfassungsgrundsätzegesetzes vom 17. Juni 1990 wegen des darin enthaltenen Bekenntnisses zur Rechtsstaatlichkeit und der damit verbundenen Geltung des Willkürverbots gar nicht mehr erheben dürfen. Aus der Sicht der ostdeutschen Verhandlungsführer konnte die besondere Behandlung der von 1945 bis 1949 auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage durchgeführten Enteignungen nicht nur mit der dafür gegebenen Verantwortlichkeit der Sowjetunion, sondern auch damit gerechtfertigt werden, daß ohne eine Aufrechterhaltung dieser – nach Zahl, Umfang und Gewicht besonders bedeutsamen – Enteignungen der soziale Friede im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik nicht zu sichern gewesen wäre.
b) Auch in bezug auf die Verhandlungen mit der Sowjetunion liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die die Einschätzung der Bundesregierung als pflichtwidrig erscheinen lassen.
Die Verhandlungsposition der Sowjetunion im Zwei-plus-Vier-Prozeß zur Enteignungsfrage war nach den von ihr dazu abgegebenen Erklärungen und den einschlägigen Verhandlungspapieren (vgl. oben A I 2 a) von Anfang an durch zwei Forderungen gekennzeichnet: Das vereinigte Deutschland müsse – erstens – die Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit oder Legitimität der von 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone durchgeführten Enteignungsmaßnahmen anerkennen. Die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse dürfe – zweitens – nicht revidiert werden. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Bundesregierung diese Verhandlungsziele dahin gedeutet hat, von der Sowjetunion werde auch die Unantastbarkeit und Unumkehrbarkeit der genannten Enteignungen gefordert.
aa) Dabei kommt es angesichts des weitreichenden Ermessens in Fragen der auswärtigen Politik nicht darauf an, ob die Deutung der Erklärungen und Verhandlungsunterlagen der Sowjetunion, von der die Bundesregierung ausgegangen ist, die einzig mögliche war. Es reicht vielmehr aus, daß diese Deutung in den Verhandlungsunterlagen eine plausible Stütze findet. Dies läßt sich ernsthaft nicht bezweifeln. Es ist im Gegenteil einleuchtend, wenn nicht naheliegend, die genannten Papiere so zu verstehen, daß die Sowjetunion eine Rückabwicklung der Enteignungen ablehnte, weil sie aus ihrer Sicht die Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht nachträglich als rechtswidrig hätte erscheinen lassen. Dafür spricht, daß als Grund für eine umfassende Rückgabe offenkundig nur die Rechtswidrigkeit der Enteignungsmaßnahmen in Betracht kommen konnte und daß deshalb mit einer Restitution Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität der von der Sowjetunion durchgeführten oder verantworteten Maßnahmen nicht nur im nachhinein implizit in Frage gestellt, sondern letztlich im Sinne der sowjetischen Verhandlungstexte auch revidiert worden wären. Damit aber wäre im Ergebnis gerade das eingetreten, was die Sowjetunion bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen mit ihren Forderungen und Erklärungen zur Eigentumsfrage unstreitig verhindern wollte. Ihr Verlangen gegenüber der Bundesrepublik, die Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität der von 1945 bis 1949 durchgeführten Enteignungen anzuerkennen und eine Überprüfung oder Revision durch deutsche Gerichte oder andere staatliche Stellen auszuschließen, kann daher mit guten Gründen so verstanden werden, daß alle Restitutionsmaßnahmen zu unterbleiben hätten, die einen nachträglichen Unrechtsvorwurf zum Ausdruck bringen könnten.
bb) Dem steht nicht entgegen, daß der Begriff der Unumkehrbarkeit nur in dem Positionspapier der Sowjetunion vom 9. Juni 1990 verwendet wurde. Zwar läßt sich im Hinblick auf den im allgemeinen sorgfältigen diplomatischen Sprachgebrauch die Auffassung vertreten, die Forderung nach Anerkennung und Nichtrevision von Gesetzlichkeit, Rechtmäßigkeit und Legitimität der Enteignungen schließe deren Unumkehrbarkeit nicht ein, weil dieser Begriff in den späteren Dokumenten nicht mehr verwendet wurde. Nicht minder einleuchtend ist aber die – vorstehend unter aa) erörterte – Deutung der Bundesregierung, die vom materiellen Anliegen der Sowjetunion ausging. Dies gilt um so mehr, als seit der Einigung auf die Gemeinsame Erklärung vom 15. Juni 1990 zwischen den beiden deutschen Regierungen Einvernehmen über die Unumkehrbarkeit der fraglichen Enteignungsmaßnahmen bestand und die Sowjetunion daher von der ausdrücklichen Verwendung dieses Begriffs im Rahmen der weiteren Zwei-plus-Vier-Verhandlungen absehen konnte.
cc) Auch der Umstand, daß der Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 keine Regelung über den Restitutionsausschluß enthält, spricht nicht gegen eine pflichtgemäße Lageeinschätzung durch die Bundesregierung. Staatssekretär Dr. Kastrup hat dazu am 22. Januar 1991 vor dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß es der Bundesregierung in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen am Ende gelungen sei, sich mit ihrer beharrlich vertretenen Position durchzusetzen, die Enteignungsfrage nicht in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln. Er hat aber ausdrücklich hinzugefügt, nach der ganzen Verhandlungsgeschichte unterliege es keinem Zweifel, daß ohne die zuvor im Einigungsvertrag im sowjetischen Sinne getroffene Regelung Moskau der Unterzeichnung der abschließenden Regelung im Zwei-plus-Vier-Vertrag nicht zugestimmt hätte. Das Fehlen einer Aussage über die Behandlung der besatzungsrechtlichen und besatzungshoheitlichen Enteignungen in diesem Vertrag beruht also maßgeblich darauf, daß im September 1990 der Restitutionsausschluß im Einigungsvertrag bereits vereinbart war und sich die Sowjetunion deshalb mit einer einseitigen förmlichen Mitteilung dieser Regelung in Gestalt des Gemeinsamen Briefes vom 12. September 1990 zufriedengeben konnte (ebenso Genscher, Erinnerungen, 1995, S. 857 f.). Selbst wenn das Angebot eines solchen Vorgehens im Zusammenhang mit dem Vertragsentwurf vom 1. September 1990 von der sowjetischen Seite unterbreitet worden sein sollte, folgt daraus nicht, daß die Sowjetunion damit, für die Bundesregierung erkennbar, auf die Erfüllung ihrer ursprünglich erhobenen Forderung nach Unumkehrbarkeit der Enteignungen verzichtet habe. Ein solches Entgegenkommen in formeller Hinsicht durfte die Bundesregierung damit erklären, daß der sowjetischen Position zur Enteignungsfrage bereits im Rahmen der Verhandlungen über den Einigungsvertrag materiell Rechnung getragen war. Unter diesen Umständen konnte die Bundesregierung davon ausgehen, daß der Gemeinsame Brief vom 12. September 1990 – namentlich im Hinblick auf das Erfordernis der Ratifizierung des Zwei-plus-Vier-Vertrags durch den Obersten Sowjet – für den sowjetischen Verhandlungspartner notwendig, aber auch ausreichend war. Ob und inwieweit diesem Brief eine völkerrechtliche Wirkung zukommt, ist für diese Einschätzung unerheblich.
dd) Daß die Bundesregierung Inhalt und Gewicht der sowjetischen Verhandlungsziele pflichtwidrig falsch eingeschätzt habe, kann auch nicht aus den Erklärungen gefolgert werden, die der sowjetische Verhandlungsführer Kwizinskij bei den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen ausweislich der Gesprächsnotiz vom 13. August 1990 gegenüber Staatssekretär Dr. Kastrup abgegeben hat. Die Äußerung, die Sowjetunion sei in der Eigentumsfrage nur im Blick auf alliierte Entscheidungen besorgt, deutsche Beschlüsse interessierten in diesem Zusammenhang nicht, steht der Annahme nicht entgegen, die Sowjetunion habe die Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage im hier verstandenen Sinne (vgl. oben B II 1 a) in ihre Forderung einbeziehen wollen.
Nichts anderes ergibt sich aus der weiteren Bemerkung Kwizinskijs, Platz für Entscheidungen im Einzelfall wäre vorhanden, es gehe lediglich darum, die Entscheidungen nicht in toto für null und nichtig zu erklären. Diese Äußerung kann ohne weiteres dahin verstanden werden, daß es möglich sein sollte, die Opfer von Enteignungsmaßnahmen deutscher Stellen in Fällen zu „rehabilitieren”, in denen die Maßnahmen der Besatzungsmacht nicht zugerechnet werden konnten. Die Anerkennung solcher Ausnahmen läßt die Forderung nach einem grundsätzlichen Restitutionsausschluß unberührt.
ee) Die Annahme einer pflichtgemäßen Einschätzung der Verhandlungslage durch die Bundesregierung wird schließlich nicht durch nachträgliche Äußerungen von Beteiligten an den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen in Frage gestellt.
(1) Insbesondere ergeben sich aus den Äußerungen des früheren sowjetischen Staatspräsidenten Gorbatschow gegenüber dem britischen Historiker Norman Stone vom Juli 1994 (vgl. oben A I 2 b) insoweit keine neuen Gesichtspunkte. Aus diesen Äußerungen läßt sich mit hinreichender Sicherheit nur entnehmen, daß auf der Verhandlungsebene des Staatspräsidenten der Restitutionsausschluß keine Rolle gespielt hat. In späteren Erklärungen, unter anderem in seinem Beitrag für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel” vom 5. September 1994 (vgl. oben A I 2 b), hat Gorbatschow ergänzend ausgeführt, es hätten intensive Gespräche zwischen den Vertretern beider deutscher Staaten in engem Kontakt mit dem sowjetischen Außenministerium stattgefunden. Dieses habe dabei klar den sowjetischen Standpunkt vertreten. Ebenso hat er ausdrücklich erklärt, der sowjetischen Position sei in der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Staaten vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen Rechnung getragen worden. Zwar hat Gorbatschow am Ende dieser – wie berichtet wird (vgl. Wasmuth, VIZ 1995, S. 489 ≪493≫), von ihm nicht selbst formulierten, aber vor Veröffentlichung gebilligten – Stellungnahme auch davon gesprochen, daß von einer Alternative „Restitutionsverbot oder Scheitern des Großen Vertrages” (gemeint ist der Zwei-plus-Vier-Vertrag) keine Rede habe sein können. Die Äußerung Gorbatschows kann aber unschwer dahin verstanden werden, daß es, nachdem der sowjetischen Forderung bereits in der deutsch-deutschen Erklärung vom 15. Juni 1990 Rechnung getragen und dies auch gegenüber der Sowjetunion in Gestalt des Gemeinsamen Briefes vom 12. September 1990 mitgeteilt worden war, einer von sowjetischen Verantwortlichen unterzeichneten Regelung darüber nicht mehr bedurfte.
(2) Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht die Äußerung des früheren sowjetischen Außenministers Schewardnadse in dem in der Zeitung „Die Welt” vom 5. September 1994 wiedergegebenen „Spiegel TV”-Interview, die Sowjetunion habe ihre Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung nicht von der Garantie der Bodenreform abhängig gemacht, Vorbedingungen in bezug auf die Vereinigung seien nicht gestellt worden, und dieses Thema sei weder im Stab von Gorbatschow noch im Außenministerium erörtert worden (vgl. oben A I 2b). Was mit dieser Äußerung im einzelnen gemeint war, kann dahingestellt bleiben. Sie muß jedenfalls nicht dahin verstanden werden, daß dieses Thema auf der Ebene der Außenminister nicht besprochen worden ist. Wie die Beschwerdeführer in den Verfahren 1 BvR 1452/90 und 1 BvR 1459/90 selbst vortragen, hat Schewardnadse am 5 und 23. Mai 1990 von Außenminister Genscher gefordert, das vereinte Deutschland dürfe die Legitimität der Maßnahmen der vier Mächte nicht revidieren oder in Zweifel ziehen. Hierzu gehörten auch die Vergesellschaftung von Eigentum und insbesondere Grundbesitz betreffende Maßnahmen (vgl. dazu die oben A I 2 a angeführte Chronologie des Presse- und Informationsamtes der Bunderegierung, S. 3 f.).
3. Auch im übrigen sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die dazu Anlaß geben könnten, von der Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 abzurücken.
a) Das folgt für den Einwand, durch den Restitutionsausschluß werde den davon Betroffenen ein Sonderopfer auferlegt, das vor dem Prinzip der Lastengleichheit keinen Bestand haben könne (vgl. oben A I 3 a), schon aus dem bisher Gesagten. Die Ungleichbehandlung diente, wie dargelegt, der Herbeiführung der Wiedervereinigung und ist deshalb im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG nicht zu beanstanden.
b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in Art. 41 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 enthaltene Grundentscheidung zum Restitutionsausschluß lassen sich auch nicht aus § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG 1992 herleiten. Zu Unrecht wird gegen die Anfügung des Halbsatzes 2 durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz eingewandt, daß sie ohne sachlichen Grund den Restitutionsausschluß des Einigungsvertrages zugunsten der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 6 und 7 VermG durchbreche und damit den Ausschluß selbst in Frage stelle.
§ 1 Abs. 6 VermG bezweckt die dauerhafte und nachhaltige Wiedergutmachung von Vermögensverlusten, die den vom NS-Regime aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen Verfolgten zugefügt worden waren (s. BTDrucks 12/2480 S. 39). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber auf die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts auch dann nicht verzichten wollte, wenn damit zugleich eine auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte weitere Enteignung rückgängig gemacht wird (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 3 und 12/2480 S. 39). Da Anknüpfungspunkt des § 1 Abs. 6 VermG ausdrücklich die nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen aus der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 sind, mußte der Gesetzgeber auch nicht besorgen, daß die Sowjetunion in dieser Regelung einen gegen sie gerichteten Unrechtsvorwurf sieht. Für die in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG 1992 enthaltene Ausnahmeregelung in bezug auf Absatz 7 (Rückgabe von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- und verwaltungsrechtlicher Entscheidungen) gilt sinngemäß das gleiche. Auch hier steht die Wiedergutmachung von Unrecht anderer Art im Vordergrund.
4. Nicht gefolgt werden kann schließlich dem Einwand, § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG gehe ohne sachlich rechtfertigenden Grund über den Restitutionsausschluß in Art. 41 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 weit hinaus und sei deshalb wegen Verstoßes gegen die Grundelemente des allgemeinen Gleichheitssatzes nichtig. Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung läßt vom Wortlaut her keinen Zweifel, daß die Enteignungen insgesamt und damit auch hinsichtlich aller der von ihnen betroffenen Einzelobjekte nicht mehr rückgängig zu machen sind. Das deckt sich mit Inhalt und Reichweite des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG und wird durch das „Gesamtgefüge” des Rückgabeausschlusses bestätigt. Danach dient § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG im Sinne des Art. 143 Abs. 3 GG der Durchführung der in Art. 41 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Satz 1 der Gemeinsamen Erklärung getroffenen Regelung. Diese wird in § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG inhaltsgleich wiederholt. Davon ist das Bundesverfassungsgericht schon in dem Urteil vom 23. April 1991 ausgegangen; dort ist ausgeführt, daß die angegriffenen weiteren Bestimmungen, darunter § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, neben der in erster Linie zur Prüfung gestellten Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung keine selbständige Beschwer enthalten (BVerfGE 84, 90 ≪132≫). Einen Rückerwerb von im Einzelfall noch vorhandenem ehemaligem Eigentum hat es nur im Rahmen der Gewährung von Ausgleichsleistungen für möglich gehalten (BVerfGE 84, 90 ≪126 f., 131≫).
III.
Auch aus dem Eigentumsschutz, soweit er von Art. 79 Abs. 3 GG umfaßt wird, ergeben sich gegen den Restitutionsausschluß für die Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 nach wie vor keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
1. Völkerrechtliche Gesichtspunkte führen nicht zur Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelungen. Insoweit wird vornehmlich geltend gemacht, daß die in Rede stehenden Enteignungen, soweit sie der Sowjetunion zuzurechnen sind, gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßen hätten (vgl. oben A I 3 b aa). Eine Verletzung von Art. 46 Abs. 2 HLKO, wonach das Privateigentum vom Besetzenden „nicht eingezogen” werden „darf”, hätte indessen nur dann eine Rechtsposition begründen können, die von den angegriffenen Regelungen beeinträchtigt worden wäre, wenn die Enteignungsmaßnahmen im Falle des geltend gemachten Verstoßes als nichtig zu behandeln gewesen wären oder wenn sich daraus individuelle völkerrechtliche Ansprüche ergeben hätten, die durch die angegriffenen Regelungen beseitigt worden wären. Insofern ist jedoch schon zweifelhaft, ob und gegebenenfalls in welchem rechtlichen Gewand – unmittelbar kraft vertraglicher Verpflichtung oder im Wege völkergewohnheitsrechtlicher Inpflichtnahme – Art. 46 Abs. 2 HLKO in dem hier maßgeblichen Zeitraum (1945 bis 1949) für die Sowjetunion Bindungen erzeugte (vgl. dazu BGH, LM Art. 53 HLKO Nr. 4, sowie neuerdings Gornig, VIZ 1993, S. 136 ≪138 f.≫, und Gertner, VIZ 1995, S. 440 ≪443≫). Zweifelhaft ist ebenso, ob ein Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung zur Nichtigkeit der fraglichen Maßnahmen geführt hätte (verneinend Schmidt-Jortzig in: Verfassungsrecht im Wandel, hrsg. von J. Ipsen u.a., 1995, S. 207 ≪211≫). Fraglich ist schließlich, ob Rückgabeansprüche gegen die sowjetische Besatzungsmacht in Betracht gekommen wären, in die durch den Restitutionsausschluß eingegriffen werden konnte. All dies bedarf jedoch hier keiner Entscheidung. Denn derartige Rechtspositionen wären auch ohne die angegriffenen Regelungen jedenfalls nicht durchsetzbar und damit praktisch wertlos gewesen. Auch ohne Art. 143 Abs. 3 GG hätte der Gesetzgeber daher zur Herbeiführung der staatlichen Einheit Deutschlands einem Ausschluß derartiger Ansprüche zustimmen dürfen (vgl. BVerfGE 41, 126 ≪166 ff.≫; 84, 90 ≪124 f.≫).
2. Der Gesichtspunkt des ordre public (vgl. jetzt Art. 6 EGBGB) führt zu keinem anderen Ergebnis. Den Betroffenen standen vor der Wiedervereinigung keine durchsetzbaren Rechtspositionen zu (vgl. BVerfGE 84, 90 ≪123 f.≫). Daran hätte sich allenfalls durch die Wiedervereinigung etwas ändern können, die jedoch nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Bundesregierung ohne den Restitutionsausschluß nicht zu erreichen gewesen wäre.
3. Wie unter dem Blickwinkel der Grundelemente des Gleichheitssatzes (vgl. vorstehend II 3 b) lassen sich auch unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes aus der auf dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz beruhenden Fassung des § 1 Abs. 8 Buchst. a Halbsatz 2 VermG 1992 keine verfassungsrechtlichen Bedenken herleiten. Soweit geltend gemacht wird, durch die Anfügung des Halbsatzes 2 seien für den Personenkreis des § 1 Abs. 6 VermG erstmals – bisher ausgeschlossen gewesene – Rückgabeansprüche begründet und damit die durch den Restitutionsausschluß in der früheren Fassung Begünstigten unter Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 GG enteignet worden, ist schon nicht ersichtlich, wie dieser Einwand, falls er durchgreifen würde, zu mehr als zur Nichtigkeit des Halbsatzes 2 führen könnte. Die Rückgängigmachung des Restitutionsausschlusses des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG und der Regelungen im Einigungsvertrag könnte auf diesem Wege nicht erreicht werden. Abgesehen davon hat der Gesetzgeber mit der Anfügung des Halbsatzes 2 nur klarstellen wollen, daß die in § 1 Abs. 6 VermG vorgesehenen Rückgabeansprüche der Opfer des Nationalsozialismus nicht deshalb entfallen, weil der zurückzugebende Vermögenswert während der Zeit der sowjetischen Besatzung erneut enteignet worden ist (vgl. BTDrucks 12/2480 S. 39). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen sind nicht erkennbar (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪24≫).
4. Nicht überzeugen kann schließlich der Einwand, daß es für die Beurteilung der Enteignungen auf Art. 153 WRV ankomme (vgl. oben A I 3 b aa). Zwar hat Art. 153 WRV nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes als einfaches Reichsgesetz ohne Verfassungsrang fortgegolten (vgl. zu Art. 153 Abs. 2 WRV BVerfGE 2, 237 ≪248 ff.≫). Da die in Rede stehenden Enteignungen jedoch auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage vorgenommen wurden, waren sie von der sowjetischen Besatzungsmacht zu verantworten. Diese aber war nicht an Art. 153 WRV gebunden.
IV.
Aus Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den nach dieser Vorschrift unantastbaren Kernelementen anderer Grundrechte ergeben sich keine weiteren Bedenken, durch die die angegriffenen Regelungen in Frage gestellt werden.
Eine verfassungsrechtliche Prüfung ist schließlich entbehrlich, soweit die Beschwerdeführer in den Verfahren 1 BvR 1452/90 und 1 BvR 1459/90 weitere Vorschriften zum Gegenstand ihrer Verfassungsbeschwerden gemacht haben (vgl. oben A III 1). Es handelt sich dabei durchweg um Bestimmungen, die neben Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 EV, Nr. 1 der Gemeinsamen Erklärung und § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG keine selbständige Beschwer enthalten. Da die genannte Grundregelung verfassungsmäßig ist, braucht darauf nicht mehr eingegangen zu werden.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Unterschriften
Seidl, Grimm, Kühling, Seibert, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner
Fundstellen