Leitsatz (amtlich)
Das Verbot von Ankündigungen, in denen der ärztliche Inhaber eines Sanatoriums neben seinem Namen und seiner Arztbezeichnung mehr als das Hauptindikationsgebiet angibt, schränkt die freie Berufsausübung übermäßig ein.
Verfahrensgang
BGH (Urteil vom 14.10.1977; Aktenzeichen I ZR 7/76) |
LG Konstanz (Urteil vom 21.12.1973; Aktenzeichen 1 HO 188/73) |
Tenor
I. § 19 Absatz 2 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12. Oktober 1970 (Bayerisches Ärzteblatt 1970, S. 989) war unvereinbar mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes und nichtig, soweit dadurch euch solche Anzeigen und Ankündigungen als mittelbare Werbung verboten waren, in denen ein Sanatorium, Institut oder eine Klinik neben dem Namen und der Arztbezeichnung des ärztlichen Inhabers oder des leitenden Arztes mehr als ein Hauptindikationsgebiet angegeben hatte.
II. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Oktober 1977 – I ZR 7/76 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
III. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich dagegen, daß dem beschwerdeführenden Arzt die von ihm für sein Sanatorium betriebene Werbung als wettbewerbswidrig von den Zivilgerichten untersagt wurde.
I.
1. Den Ärzten wird in den Landesrechtlichen Berufsordnungen grundsätzlich jegliche Werbung untersagt. Für den Erlaß einer Berufsordnung enthielt das bayerische Gesetz über die Berufsvertretungen und über die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker (Kammergesetz) vom 15. Juli 1957 (GVBl. S. 162) lediglich folgende Ermächtigungsvorschrift (zu der ab 1. Januar 1978 in Bayern geltenden Regelung des Kammergesetzes und der Berufsordnung für Ärzte vgl. im einzelnen den Beschluß vom heutigen Tage – 1 BvR 934/82 –):
Art. 15
Die Landesärztekammer regelt in einer Berufsordnung die ärztlichen Berufspflichten und die Facharztanerkennung. Die Berufsordnung bedarf der Genehmigung des Staatsministeriums des Innern.
Aufgrund dieser Ermächtigung beschloß die Landesärztekammer die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12. Oktober 1970 (BayÄrztebl. 1970, S. 989). Diese untersagte dem Arzt auch jede mittelbare Werbung mit einer eng begrenzten Ausnahme:
§ 19
(1) Jegliche Werbung und Anpreisung ist dem Arzt untersagt. …
(2) Dem Arzt ist auch jede mittelbare Werbung verboten, indem er Sanatorien, Institute, Kliniken oder andere Unternehmen veranlaßt, unter seinem oder unter Hinweis auf seinen Namen für ihre Heilmittel, Heilmethoden oder Heilerfolge zu werben.
Als mittelbare Werbung sind solche Anzeigen und Ankündigungen nicht anzusehen, in denen ein Sanatorium, Institut oder eine Klinik neben dem Hauptindikationsgebiet lediglich zutreffendenfalls den ärztlichen Inhaber oder leitenden Arzt mit seinem Namen und seiner Arztbezeichnung angibt. Diese Ausnahme liegt nicht vor, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, daß der Arzt die Bezeichnung als Sanatorium, Institut oder Klinik zum Zwecke der Umgehung des Werbeverbotes für seine Tätigkeit benutzt. Ein solches Verhalten ist verbotene Werbung nach Abs. 1 Satz 1.
Der Arzt ist verpflichtet, bei derartiger Werbung, die ohne seine Mitwirkung erfolgt ist, auf das betreffende Unternehmen einzuwirken, damit eine Werbung in der durch diese Berufsordnung für unzulässig erklärten Weise unterbleibt.
(3)–(4) …
Diese Regelung ist im wesentlichen unverändert auch in der ab 1. Januar 1978 geltenden Neufassung der Berufsordnung enthalten. Das Verbot der mittelbaren Werbung beruht auf der von der Bundesärztekammer empfohlenen Muster-Berufsordnung. Es war in ihrer ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1956 noch strenger und erlaubte eine mittelbare Werbung für Sanatorien, Institute oder Kliniken nur in der Weise, daß in Anzeigen und Ankündigungen der Inhaber oder leitende Arzt mit seinem Namen und seiner Facharztbezeichnung angegeben werden durfte (Ärztliche Mitteilungen 1956, S. 943). Die zusätzliche Angabe eines Hauptindikationsgebietes sieht erst die im Jahre 1970 beschlossene Mustersatzung vor (Deutsches Ärzteblatt 1970, S. 2021).
2. Berufspflichtverletzungen von Ärzten werden grundsätzlich im berufsgerichtlichen Verfahren verfolgt (vgl. den Beschluß vom heutigen Tage – 1 BvR 934/82 –). Soweit sie zugleich den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs im Sinne von § 1 UWG erfüllen, kann dies vor den Zivilgerichten auch von Wettbewerbern oder Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden (§ 13 Abs. 1 UWG).
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß Sanatorien, die keinen Arztnamen in ihrer Unternehmensbezeichnung führen, weder nach ärztlichem Standesrecht noch nach Wettbewerbsrecht an einer Werbung mit mehreren Indikationsgebieten gehindert seien. Tatsächlich geschehe dies in erheblichem Umfang. Dies sei nach dem Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz) vom 11. Juli 1965 (BGBl. I S. 604; neu bekanntgemacht am 18. Oktober 1978 [BGBl. I S. 1677]) auch zulässig. Dieses verbiete zwar bestimmte Werbemaßnahmen für Arzneimittel und erfasse auch die Werbung für Verfahren und Behandlungen, soweit sich die Werbeaussagen auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden beziehe. Es enthalte aber im letzten Satz der folgenden Vorschrift eine Ausnahme, die auch Sanatorien sogar für die Behandlung der in der Vorschrift erfaßten Krankheiten und Leiden zugute komme, für die im übrigen außerhalb der Fachkreise ein absolutes Werbeverbot bestehe:
§ 12
(1) Die Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise darf sich nicht auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung der in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführten Krankheiten oder Leiden beim Menschen oder Tier beziehen.
(2) Die Werbung für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegenstände außerhalb der Fachkreise darf sich nicht auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung dieser Krankheiten oder Leiden beziehen. Dies gilt nicht für die Werbung für Verfahren oder Behandlungen in Heilbädern, Kurorten und Kuranstalten.
II.
Der beschwerdeführende Arzt ist Inhaber eines Privatsanatoriums für Frischzellenbehandlungen in Bayern mit etwa 110 Mitarbeitern. Er hatte in zwei Zeitschriften unter Angabe von Anschrift und Telefonnummer folgende Anzeige veröffentlicht:
Privatsanatorium für Frischzellenbehandlungen Dr. med. S. B. Bei allen Abnutzungserscheinungen, Verschleißerkrankungen usw. 6-Tage-Kur.
1. Der im Ausgangsverfahren klagende Verein, der sich nach seiner Satzung die Verfolgung unlauteren Wettbewerbs zum Ziel gesetzt hat, hält diese Anzeige für unlauter im Sinne von § 1 UWG. Mit seiner auf Unterlassung gerichteten Klage obsiegte er erstinstanzlich beim Landgericht und letztinstanzlich beim Bundesgerichtshof, während er in der Berufungsinstanz erfolglos blieb.
Die erkennenden Gerichte sahen übereinstimmend in der Werbung des Beschwerdeführers einen Verstoß gegen das standesrechtliche Werbeverbot des § 19 Abs. 2 der damals geltenden Berufsordnung für die Ärzte Bayerns von 1970. Der Beschwerdeführer habe für das Sanatorium nicht nur mit seinem Namen und dem Hauptindikationsgebiet, sondern mit weiteren Angaben geworben. Die Nennung mehrerer Indikationsgebiete sei in der Sanatoriumswerbung nur dann unbedenklich und üblich, wenn nicht gleichzeitig ein Arztname verwendet werde.
a) In diesem Verstoß gegen die Standesregeln sah das Landgericht zugleich ein unlauteres Verhalten. Demgegenüber will das Oberlandesgericht nicht mehr an seiner bisherigen Auffassung festhalten, eine Werbung der vorliegenden Art sei allein schon deshalb unlauter, weil sie gegen einschlägige ärztliche Standesregeln verstoße. Ein Interesse der Allgemeinheit an Werbeverboten könne lediglich für den Fell der „eigentlichen” Arztwerbung grundsätzlich bejaht werden. Hier diene das Verbot dem Schutz kranker und hilfsbedürftiger Menschen, die bei der Suche nach Heilung erfahrungsgemäß besonders ansprechbar und verführbar durch werbende Anpreisungen seien. Insoweit beruhe es auf einer sittlich begründeten Forderung, die aus der Sicht und im Interesse der Allgemeinheit aufgestellt sei; Verstöße dagegen seien per se wettbewerbswidrig.
In Rechtsprechung und Lehre werde indessen anerkannt, daß nicht jeder Verstoß gegen Standesregeln unlauter im Sinne von § 1 UWG sei. Es müsse ihnen ein solches Gewicht zukommen, daß ihre Mißachtung im Wettbewerb als anstößig anzusehen sei. Schon dies erscheine im Falle der Sanatoriumswerbung fraglich. Jedenfalls fehle das weitere Erfordernis, daß das standeswidrige Verhalten auch vom Standpunkt der Allgemeinheit zu mißbilligen sei. Ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit werde bei der Werbung für ein Sanatorium nicht dadurch verletzt, daß unter Angabe der Heilmethoden und Indikationen geworben werde. Dies ergebe sich schon daraus, daß dies rechtlich zulässig sei, sofern der Name des ärztlichen Leiters verschwiegen werde. Das Schutzbedürfnis der kranken Bevölkerung sei in diesem Falle aber nicht anders zu bewerten als in den Fällen, in denen Ärzte genannt würden; zudem gehe jeder von einer Sanatoriumswerbung Angesprochene als selbstverständlich davon aus, in einem Sanatorium ärztlich behandelt zu werden. An der früheren Auffassung, für den Sanatoriumsarzt könne nichts anderes gelten als für den niedergelassenen Facharzt, werde nicht mehr festgehalten. Es dürfe nicht außer acht bleiben, daß der Sanatoriumsarzt regelmäßig nicht mit dem niedergelassenen Arzt oder Facharzt, sondern mit anderen Sanatorien in Wettbewerb stehe, unabhängig davon, ob diese mit Nennung ihres leitenden Arztes würben oder nicht. Es sei auch der praktische Gesichtspunkt zu berücksichtigen, daß es einem Sanatorium unbenommen bleibe, abwechselnd standesrechtlich korrekt entweder mit einem Hauptindikationsgebiet und der Nennung des leitenden Arztes oder mit mehreren Indikationsgebieten ohne Nennung eines Arztes zu werben.
b) Auf die zugelassene Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und das erstinstanzliche Verbot wiederhergestellt (GRUR 1978, S. 255). Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts laufe die beanstandete Werbung einer gefestigten und einheitlich befolgten Standesauffassung zuwider. Regele das Standesrecht – wie hier – unmittelbar den Wettbewerb der Standesgenossen, so verstoße seine Verletzung regelmäßig zugleich gegen § 1 UWG; es komme dann nicht einmal darauf an, ob sich der Verletzer dadurch einen Wettbewerbsvorsprung verschaffe. Voraussetzung für den auf § 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruch sei lediglich, daß die angegriffene Werbemaßnahme zu Zwecken des Wettbewerbs erfolge, zu dessen Regelung das Werbeverbot geschaffen worden sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der niedergelassene Arzt oder Facharzt regelmäßig nicht mit Sanatoriumsärzten in Wettbewerb stehe, widerspreche der Lebenserfahrung. Wettbewerbsrechtlich könnten Verstöße der Sanatoriumsärzte gegen das Werbeverbot nicht anders gewertet werden als solche niedergelassener Ärzte. Praktische Erwägungen für eine Zulassung der beanstandeten Werbung – etwa das Informationsbedürfnis der Kranken und das betriebswirtschaftliche Bedürfnis des Klinikbetreibers – könnten nicht maßgeblich sein, da sich entsprechende Gründe auch für die Werbung von niedergelassenen Ärzten anführen ließen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, schon die Möglichkeit abwechselnder Werbung mit und ohne Arztnamen spreche im vorliegenden Falle gegen die Anwendung des § 1 UWG, begegne Bedenken; eine derartige Wechselwerbung könne eine unzulässige Umgehung des Werbeverbots im Sinne des § 19 Abs. 2 der Berufsordnung sein.
Das Sanatorium des Beschwerdeführers, das beim Gewerbeamt unter einer seinen Namen enthaltenden Bezeichnung angemeldet sei, werde wettbewerbsrechtlich auch nicht gegenüber solchen Sanatorien benachteiligt, deren Bezeichnungen keine Arztnamen aufwiesen. Zwar habe jeder das Recht, sich unter seinem Namen im Geschäftsverkehr zu betätigen, jedoch nur, soweit er damit nicht gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstoße. So sei es dem Beschwerdeführer zwar nicht verwehrt, ein Sanatorium unter seinem Namen zu betreiben. Wolle er in der Werbung für sein Sanatorium auf die Nennung seines Namens und der Arztbezeichnung nicht verzichten, sei er aber den standesrechtlichen Beschränkungen der Berufsordnung unterworfen. Lege er Wert auf die Herausstellung mehrerer Indikationen, bleibe es ihm unbenommen, ohne Nennung seines Namens und seiner Arztbezeichnung zu werben; auch die gewerberechtliche Anmeldung zwinge ihn nicht dazu, mit der vollen Sanatoriumsbezeichnung zu werben. Hierbei werde nicht verkannt, daß eine den Sanatorien erlaubte Werbung mit mehreren Indikationen mittelbar immer auch eine Werbung für die nicht namentlich genannten Sanatoriumsärzte darstelle. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, bei der dem Informationsbedürfnis der Kranken der Vorzug gebühre, lasse sich dies rechtfertigen. Das allgemeine ärztliche Werbeverbot richte sich eben allein an die namentlich und unter ihrer Berufsbezeichnung nach außen hin in Erscheinung tretende Person des Arztes, während bei der Sanatoriumswerbung ohne Arztnamen das ärztliche Personal nach außen hin anonym bleibe.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, 2, 3, 5 und 12 GG.
Die angegriffenen Entscheidungen regelten seine Berufsausübung. Als gesetzliche Grundlage habe der Bundesgerichtshof nur scheinbar § 1 UWG herangezogen. In Wahrheit beruhe der Unlauterkeitsvorwurf allein auf dem standesrechtlichen Werbeverbot, da der Bundesgerichtshof von seiner bisherigen Rechtsprechung abgegangen sei, daß ein Hinwegsetzen über Standesrecht nur dann unlauter sei, wenn sich dadurch der Täter einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern verschaffe. Das Satzungsrecht der Ärztekammern sei jedoch als Eingriffsgrundlage überhaupt nicht geeignet. Die Kammern könnten allenfalls zur Regelung von Verbandsangelegenheiten ermächtigt werden, nicht aber zu Eingriffen in Grundrechte der Mitglieder. Keinesfalls dürften die Standesauffassungen der Ärztekammern durch Satzung auf die Werbung für Sanatorien und Krankenhäuser ausgedehnt werden, seien diese doch wegen ihrer Größe und ihrer Investitionen schon nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zur Werbung gezwungen. Tatsächlich dürften Sanatorien ohne Arztnamen in den Grenzen des Heilmittelwerbegesetzes unbeschränkt mit sämtlichen Indikationen werben. Im übrigen legten die Berufsgerichte die Berufsordnung in neueren Entscheidungen dahin aus, daß neben dem Hauptindikationsgebiet (hier: Verschleißerscheinungen) auch die Behandlungsart (hier: Frischzellentherapie) angegeben werden dürfe.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bedeute zugleich einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht; es dürfe dem Beschwerdeführer nicht verwehrt werden, sich wie jeder Gewerbetreibende im Geschäftsleben unter seinem Namen werbend zu betätigen. Die unterschiedliche wettbewerbsrechtliche Behandlung von Sanatorien mit und ohne Arztnamen in der Firmenbezeichnung sei ferner unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG; beide Male sei das Informationsbedürfnis der Kranken gleich zu bewerten. Art. 5 GG werde verletzt, weil der Beschwerdeführer gehindert werde, seine erprobten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Behandlungsmethoden bekannt zu machen.
3. Zur Verfassungsbeschwerde haben die Bundesärztekammer, die Bayerische Landesärztekammer, die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V., die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. und der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen; der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die bisher ergangenen einschlägigen Entscheidungen berichtet.
a) Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs weist darauf hin, das Verbot standeswidriger Werbung wolle eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes durch Werbemethoden verhindern, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich seien. Diene aber das Werbeverbot dem Schutz des ärztlichen Berufsbildes, so sei der Arzt ihm unterworfen, wann immer er – außerhalb der Fachkreise – nach außen in Erscheinung trete. Das gelte auch im Rahmen einer Werbung für Sanatorien. Es sei nicht einzusehen, daß in diesen Fällen eine standesrechtlich mißbilligte Werbung dem Arztbild weniger abträglich sein solle, als wenn ein niedergelassener Arzt sie treibe, zumal erfahrungsgemäß Sanatoriums- und Klinikärzte, insbesondere Chefärzte, vielfach gleichzeitig eine ambulante Praxis ausübten.
b) In den weiteren Stellungnahmen wird die Verfassungsbeschwerde als unbegründet beurteilt. Dabei weisen die Bundesärztekammer und die Bayerische Landesärztekammer darauf hin, daß der Beschwerdeführer seit Jahren eine aufwendige Werbekampagne betreibe und sich in ungewöhnlichem Ausmaß über das ärztliche Werbeverbot hinwegsetze. Im übrigen wird in den Stellungnahmen im wesentlichen übereinstimmend folgendes ausgeführt:
Das in der Berufsordnung geregelte Werbeverbot, das in erster Linie dem Schutz der Bevölkerung diene und eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern solle, regele in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Berufsausübung der Ärzte. Deren Grundrechte würden auch nicht durch das mittelbare Werbeverbot verletzt. Daß dies auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhe, wird von der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. ohne abschließende Meinungsbildung unterstellt. Da die Regelung über das mittelbare Werbeverbot die Sanatoriumsärzte gegenüber anderen Ärzten sogar begünstige, sei eine unverhältnismäßige Belastung nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer nehme in zweifacher Weise am Rechtsverkehr teil, nämlich einmal als ein im Sanatorium tätiger Arzt und zum anderen als ein das Sanatorium betreibender Unternehmer; er verquicke also eine freiberufliche und eine gewerbliche Tätigkeit. Dieses Handeln im Schnittpunkt zweier Rechtskreise rechtfertige es nicht, daß er einen Sonderstatus erhalte und als Arzt wegen seiner gleichzeitigen Eigenschaft als Sanatoriumsinhaber vom berufsrechtlichen Werbeverbot freigestellt werde. Anderenfalls könne das Werbeverbot durch Gründung gewerblicher Unternehmen unterlaufen werden. Eine Auflockerung des Verbots für Sanatoriumsärzte, die über das derzeitige, auf sachgerechten Erwägungen beruhende Maß hinausgehe, bewirke eine Ungleichbehandlung innerhalb des ärztlichen Berufsstandes, die sogar verfassungsrechtlich bedenklich sein dürfte. Im Falle des Beschwerdeführers werde dies zu einer einseitigen Begünstigung der Frischzellentherapie führen, obwohl diese in ihrem therapeutischen Nutzen ernsthaft umstritten sei. Dies erscheine um so weniger vertretbar, als der Beschwerdeführer für sein Sanatorium unbeschränkt werben dürfe, wenn er in zulässiger Weise auf die Nennung seines Namens mit Arztbezeichnung verzichte. Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Notwendigkeit von Werbung bei Sanatorien rechtfertigten keine andere Beurteilung; sie könnten, in ähnlicher Weise für manche Praxis eines niedergelassenen Arztes Geltung beanspruchen, wenn dieser etwa hohe Investitionen für teure Gerate habe vornehmen müssen.
Zur Anwendung der standesrechtlichen Regelung in den angegriffenen Entscheidungen haben sich die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. sowie die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. geäußert. Nach ihrer Ansicht ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn der Bundesgerichtshof in einem Verstoß gegen das standesrechtliche Werbeverbot zugleich unlauteren Wettbewerb erblickt. Dessen Untersagung beschränke die Berufsausübung nicht unzulässig. Beim Werbeverbot für Ärzte handele es sich nicht lediglich um eine sittlich neutrale Vorschrift berufsordnender Zweckmäßigkeit. Im übrigen sei es offensichtlich, daß sich derjenige, der gegen das Werbeverbot verstoße, einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung gegenüber denjenigen Ärzten verschaffe, die sich daran hielten.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
I.
1. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung ist davon auszugehen, daß Sanatorien an Werbeankündigungen der hier strittigen Art nicht gehindert sind, wenn sie dabei auf die Nennung eines ärztlichen Inhabers oder mitarbeitenden Arztes verzichten. Diese Beurteilung wird sowohl vom Bundesgerichtshof als auch in den meisten Stellungnahmen vertreten. Sie steht in Einklang damit, daß Sanatorien als gewerbliche Unternehmen zur Werbung befugt bleiben, soweit nicht die freie Berufsausübung durch Gesetze oder auf gesetzlicher Grundlage wirksam beschränkt wird. Weder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb noch das Heilmittelwerbegesetz untersagt Sanatorien, die keinen Arztnamen verwenden, wahrheitsgemäß und in sachlicher Form mehr als ein einziges Hauptindikationsgebiet sowie ihre spezifische Behandlungsmethode anzugeben (vgl. dazu BGH, GRUR 1970, S. 558 – Sanatoriumswerbung; 1971, S. 585 – Spezialklinik; WRP 1979 S. 193 – Arztinformationen; GRUR 1982, S. 124 – Vegetative Dystonie; 1982, S. 618 – Klinik-Prospekt; zurückhaltend: Doepner in einer Anmerkung zu dem angegriffenen Urteil GRUR 1978, S. 257). Tatsächlich wird – wie der Beschwerdeführer durch zahlreiche Inserate belegt hat – in erheblichem Umfang in dieser Weise von Sanatorien geworben. Die Befugnis dazu wird damit gerechtfertigt, daß Sanatorien meist mit größerem personellem und sachlichem Aufwand arbeiten und zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz darauf angewiesen sind, auf ihr Leistungsangebot aufmerksam zu machen; auch besteht ein Bedürfnis der Allgemeinheit, sich über das Vorhandensein von Sanatorien, deren Indikationsgebiete und Behandlungsverfahren informieren zu können. Kuranstalten, zu denen auch Sanatorien gehören, werden sogar von dem in § 12 HeilWerbG enthaltenen absoluten Werbeverbot freigestellt, das einer Verleitung Kranker zur Selbstbehandlung entgegenwirken soll und das demgemäß bei gravierenden, in einer Anlage genannten Krankheiten grundsätzlich jegliche Werbung für Arzneimittel und Behandlungen außerhalb der Fachkreise untersagt (vgl. dazu BTDrucks. IV/1867, S. 8 f. zu §§ 5 f.; ferner BGH, GRUR 1971, S. 585 [587]). Diese Begünstigung von Kuranstalten wird damit begründet, daß die hier durchgeführten Behandlungen regelmäßig ohnehin von Ärzten veranlaßt und von Heilkundigen überwacht werden und daß daher hier die Verhinderung von Selbstbehandlungen weniger dringlich erscheint (vgl. Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 1980, Rdnr. 25 zu § 12). Im Schrifttum wird allerdings bezweifelt, ob zu Kuranstalten im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 HeilWerbG auch solche Sanatorien gehören, die Heilmethoden anwenden, die – wie etwa eine Frischzellentherapie – für Kuranstalten unspezifisch seien (Doepner, a.a.O., Rndr. 34 m.w.N.). Dies bedürfte aber im vorliegenden Falle nur dann einer weiteren Prüfung, wenn die im Sanatorium des Beschwerdeführers behandelten und in der strittigen Anzeige genannten Abnutzungserscheinungen und Verschleißerkrankungen überhaupt zu den in der Anlage zu § 12 HeilWerbG aufgeführten Leiden gehören würden. Dafür ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Es bleibt daher dabei, daß es Sanatorien der in Rede stehenden Art, die in ihrer Werbung nicht den Namen und die Berufsbezeichnung eines Arztes angeben, unbenommen ist, mehrere Indikationsgebiete sowie die Behandlungsmethoden zu nennen.
2. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist ferner von Bedeutung, daß es Ärzten nicht untersagt ist, Kliniken und Sanatorien zu betreiben, obwohl es sich dabei um gewerbliche, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Unternehmen handelt. Der Gesetzgeber, dem die rechtliche Ordnung von Berufsbildern obliegt, hat davon abgesehen, eine ärztliche und eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit für unvereinbar zu erklären. Aus welchen Gründen dies geschehen ist (vgl. dazu Kraßer, GRUR 1980, S. 191 [192]), mag auf sich beruhen. Jedenfalls wird damit auf kommerzielle Interessen stärker Rücksicht genommen, als dies bei niedergelassenen Ärzten geschieht. Wenn aber Ärzte befugt sind, sich trotz ihrer Eigenschaft als Freiberufler gewerblich auf dem Gebiet des Heilwesens zu betätigen, dann führt dies zwangsläufig zu einer Verquickung ärztlicher und gewerblicher Tätigkeiten mit der Folge, daß zwischen niedergelassenen Ärzten und ärztlichen Inhabern von Sanatorien – auch rechtlich relevante – Unterschiede entstehen und daß sich das Werbeverbot für die zweite Gruppe nicht mehr voll rechtfertigen läßt. Das Standesrecht hat dem bereits dadurch Rechnung getragen, daß es einen gewissen Spielraum für mittelbare Werbung läßt und Ankündigungen für unbedenklich hält, bei denen Sanatorien neben dem ärztlichen Inhaber oder leitenden Arzt das Hauptindikationsgebiet nennen.
II.
Werden bei der weiteren Überprüfung die zuvor genannten Umstände berücksichtigt, dann hielt bereits die normative Regelung, die den angegriffenen Urteilen zugrunde liegt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand. Während das allgemeine Werbeverbot für Ärzte keine Grundrechte verletzt (vgl. Beschluß vom heutigen Tage in der Sache 1 BvR 934/82), war die spezielle Regelung über die „Sanatoriumswerbung” in § 19 Abs. 2 BO 1970 (jetzt § 21 Abs. 3 BO 1978) mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, weil sie die freie Berufsausübung unverhältnismäßig einschränkte.
Werbeverbote für freie Berufe sind verfassungsrechtlich als Regelung der Berufsausübung zu beurteilen. Deren Beschränkung ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig, wenn sie durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgt, wenn sie ferner durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 68, 272 [282]). Diesen Anforderungen genügt die strittige Regelung nicht.
1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Beschränkung der Berufsausübung durch Satzungsrecht der Ärztekammer auf der Grundlage der damaligen gesetzlichen Ermächtigung im Kammergesetz aus dem Jahre 1957 erfolgen durfte. Zwar kann der Gesetzgeber innerhalb bestimmter Grenzen auch Berufsverbände zum Erlaß von Berufsausübungsregelungen ermächtigen. Er muß aber das zulässige Maß des Eingriffs in seiner Ermächtigung um so deutlicher selbst bestimmen, je empfindlicher der einzelne Berufsangehörige in seiner freien beruflichen Betätigung beeinträchtigt und je stärker das Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Tätigkeit berührt wird (vgl. BVerfGE 38, 373 [381] m.w.N.).
Die strittige Vorschrift des § 19 Abs. 2 BO 1970 über die mittelbare Werbung für Sanatorien erschöpfte sich nicht in einer bloß internen Regelung für den ärztlichen Berufsstand, die alle Berufsangehörigen gleichermaßen belastete. Vielmehr beschränkte die Landesärztekammer die Berufsausübung speziell derjenigen Ärzte, die Inhaber oder leitender Arzt eines Sanatoriums waren, das seinerseits mit solchen Sanatorien in Wettbewerb stand, die der Satzungsgewalt des Berufsverbandes nicht unterlagen. Da der Gesetzgeber im Heilmittelwerbegesetz eine Werbung der strittigen Art für die anderen Sanatorien unbeanstandet gelassen und diesen zur Information der Patienten die Angabe aller Indikationen und der Behandlungsmethoden ermöglicht hatte, spricht viel dafür, daß die Ärztekammern eine engere Regelung über die mittelbare Werbung für solche Sanatorien, welche einen Arztnamen nennen, allenfalls dann hätten vornehmen dürfen, wenn sie dazu vom Gesetzgeber hinreichend ermächtigt worden wären. Das Kammergesetz aus dem Jahre 1957 enthielt aber in Art. 15 lediglich die allgemeine Ermächtigung der Landesärztekammer, in einer Berufsordnung die ärztlichen Berufspflichten zu regeln, die ihrerseits in dem als fortgeltend angesehenen § 12 der Reichsärzteordnung nur generalklauselartig umschrieben waren (vgl. dazu BVerfGE 33, 125 [127 ff.]).
2. Die vorstehenden formell-rechtlichen Zweifel bedürfen keiner abschließenden Klärung, denn jedenfalls genügte die Vorschrift des § 19 Abs. 2 BO 1970 über die mittelbare Werbung für Sanatorien nicht den materiell-rechtlichen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie Werbeanzeigen mit mehr als einem Hauptindikationsgebiet untersagte, wenn gleichzeitig der ärztliche Inhaber oder leitende Arzt mit seinem Namen und seiner Arztbezeichnung genannt wurde (so auch Kraßer, GRUR 1980, S. 192 ff.).
a) Es ist schon nicht recht ersichtlich, mit welchen vernünftigen Gemeinwohlbelangen sich diese Beschränkung der Berufsausübung rechtfertigen läßt. Es fällt auf, daß in den Stellungnahmen im wesentlichen diejenigen Rechtfertigungsgründe genannt werden, mit denen das allgemeine ärztliche Werbeverbot begründet wird. Die Erwägung, daß Ärzten eigentlich jegliche Werbung untersagt sei, ist aber in sich brüchig, seitdem das Standesrecht den gewerblich tätigen Sanatoriumsärzten in gewissem Umfang eine mittelbare Werbung zugestanden hat. Es bedarf nunmehr besonderer, nicht schon für das allgemeine ärztliche Werbeverbot angeführter Gründe des Gemeinwohls, um es als sachgerecht erscheinen zu lassen, daß ein Sanatoriumsinhaber, der Arzt ist und unter Nennung seines Namens für sein Unternehmen wirbt, zwar das Hauptindikationsgebiet, nicht aber Informationen über weitere Indikationen und über die Behandlungsmethode angeben darf.
Solche Gründe sind auch dann nicht erkennbar, wenn berücksichtigt wird, daß durch das ärztliche Werbeverbot nicht lediglich eine unsachliche oder gar marktschreierische Werbung, sondern auch eine Werbung mit Sachlichen Aussagen, die einen den Laien mehr verwirrenden als aufklärenden Umfang erreichen, verhindert werden soll. Mit dieser Erwägung läßt sich die hier strittige Beschränkung auf ein einziges Indikationsgebiet nicht rechtfertigen. Insoweit würde es genügen, die Benutzung allgemein gebräuchlicher und verständlicher Bezeichnungen vorzuschreiben und eine verwirrende Häufung von Einzelangaben zu unterbinden. Die darüber hinausgehende Beschränkung auf ein Hauptindikationsgebiet stammt ersichtlich aus einer Zeit, in der auch der Facharzt, der mehrere Facharztbezeichnungen erworben hatte, nur eine seiner Spezialisierungen nennen durfte (vgl. dazu BVerfGE 33, 125 [168 ff.]). Der wahrheitsgemäße und sachlich gehaltene Hinweis auf mehrere tatsächlich angebotene Indikationen und auf die dabei angewandten Behandlungsmethoden läßt sich aber im Allgemeininteresse ebensowenig beanstanden wie die Angaben mehrerer rechtsförmlich erworbener fachlicher Qualifikationen; der Hinweis liegt eher im Gegenteil im Informationsinteresse der Patienten, die sich über das Leistungsangebot konkurrierender Sanatorien informieren wollen.
Ein hinreichender Grund für die strittige Beschränkung ist auch nicht darin zu erblicken, daß Sanatoriumsärzte gegenüber niedergelassenen Ärzten bevorzugt würden, wenn ihnen eine mittelbare Werbung mit mehr als einem Indikationsgebiet und den Behandlungsmethoden erlaubt wird. Schon die bisherige Regelung enthält eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Berufsgruppen. Diese wird durch die zwischen ihnen bestehenden betriebswirtschaftlichen Unterschiede gerechtfertigt: Infolge des höheren sachlichen und personellen Aufwandes und der laufenden Betriebskosten wird die Gruppe der ärztlichen Inhaber von Sanatorien durch das in der Berufsordnung statuierte Verbot der mittelbaren Werbung typischerweise stärker belastet als die Gruppe der niedergelassenen Ärzte. Die derzeitige Ausnahme vom Verbot gleicht diese Mehrbelastung nicht aus. Da im übrigen zwischen beiden Gruppen wegen des unterschiedlichen Leistungsangebots von stationärer und ambulanter Behandlung ein unmittelbarer Wettbewerb selten sein dürfte, gebietet auch der Grundsatz der Chancengleichheit nicht die Untersagung einer mittelbaren Werbung durch Angabe von mehr als einem Hauptindikationsgebiet.
Schließlich läßt sich die strittige Regelung auch nicht mit der Gefahr einer Umgehung des ärztlichen Werbeverbots rechtfertigen. Die Einrichtung von Sanatorien oder Kliniken ist derart kostenaufwendig, daß die Annahme wirklichkeitsfremd wäre, sie erfolge lediglich zur Umgehung des Werbeverbots. Werden Sanatorien zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens im üblichen Sinne gegründet, handelt es sich überhaupt nicht um den Fall einer Umgehung. Wirkliche Umgehungsversuche, etwa durch die Errichtung von „Zimmerkliniken”, lassen sich standesrechtlich auf andere Weise unterbinden; dies geschieht bereits dadurch, daß nach der Berufsordnung Ausnahmen vom Verbot der mittelbaren Werbung dann entfallen, „wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, daß der Arzt die Bezeichnung als Sanatorium, Institut oder Klinik zum Zwecke der Umgehung des Werbeverbots für seine Tätigkeit benutzt”.
b) Selbst wenn sich die bisherige Regelung für die Sanatoriumswerbung abweichend von den vorstehenden Erwägungen noch hinreichend mit Allgemeinwohlbelangen rechtfertigen lassen sollte, führt jedenfalls eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe zu dem Ergebnis, daß die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten sind.
Auf der einen Seite ist nicht einzusehen, daß eine stärkere Beeinträchtigung der Allgemeininteressen zu befürchten ist, wenn statt eines Hauptindikationsgebietes wahrheitsgemäß und in sachlicher Form weitere Indikationen und die Behandlungsmethode genannt werden. Auf der anderen Seite tritt die Unzumutbarkeit der derzeitigen Regelung besonders deutlich in Erscheinung, wenn die unmittelbaren Wettbewerber miteinander verglichen werden, nämlich einerseits Sanatorien mit einer reinen Sachbezeichnung und andererseits Sanatorien, die in ihrer Bezeichnung den Namen des ärztlichen Inhabers enthalten. Offensichtlich bestehen zwischen beiden keine erheblichen Unterschiede; in ihrem wesentlichen Merkmal – dem Betrieb eines Sanatoriums – stimmen sie überein. Gleichwohl werden sie von der normativen Regelung verschieden behandelt. Der ärztliche Inhaber, der das Sanatorium unter seinem Namen führt, müßte den Namen seines Unternehmens weglassen oder dieses umbenennen, um in gleicher Weise werben zu dürfen wie Sanatorien mit einer Sachbezeichnung. Da der Name eines Unternehmens regelmäßig ein wichtiger Werbeträger ist, wird der ärztliche Inhaber erheblich gegenüber dem unter einer Sachbezeichnung handelnden ärztlichen oder nichtärztlichen Inhaber benachteiligt. Diese empfindliche Benachteiligung ist unzumutbar; für sie gibt es keine hinreichenden Gründe. Der einzige Unterschied, nämlich die Angabe eines Arztnamens, rechtfertigt die Verschiedenbehandlung um so weniger, als – wie bereits das Oberlandesgericht ausgeführt hat – das Publikum ohnehin weiß, daß ein Sanatorium unter ärztlicher Leitung steht.
Die Unzumutbarkeit der strittigen Regelung läßt sich nicht etwa dadurch ausräumen, daß es dem Arzt freisteht, zwischen einer Sachbezeichnung oder einer Bezeichnung mit seinem Namen zu wählen. Die Befugnis, eine gewerbliche Betätigung unter dem eigenen Namen auszuüben, ist Bestandteil des in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Persönlichkeitsrechts. Dieses wird in besonderer Weise durch das Grundrecht der Berufsfreiheit konkretisiert (vgl. BVerfGE 30, 292 [334]), dessen hoher Rang in dem engen Zusammenhang mit der freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit im ganzen begründet ist (vgl. BVerfGE 19, 330 [336]; 30, 292 [334]; 63, 266 [286 f.]). Ein Zwang, auf die Ausübung der grundrechtlich geschützten Rechtsposition zu verzichten und bei einer erlaubten beruflichen Betätigung den eigenen Namen zu verschweigen, erschiene nur dann gerechtfertigt, wenn dies durch überwiegende Interessen Dritter oder durch gewichtige Gemeinwohlbelange geboten wäre. Dafür ist nichts Hinreichendes ersichtlich.
III.
Nach alledem war bereits die normative Regelung in § 19 Abs. 2 BO 1970 über die mittelbare Werbung für Sanatorien als unverhältnismäßige Einschränkung der freien Berufsausübung zu beanstanden. Da das Urteil des Bundesgerichtshofs auf der Anwendung dieser Regelung beruht, mußte es aufgehoben werden. Es bedurfte keiner weiteren Prüfung, ob der Beschwerdeführer auch dadurch in seiner Berufsausübung unverhältnismäßig eingeschränkt worden ist, daß seine Werbung in dem angegriffenen Urteil nicht nur als Standeswidrigkeit, sondern zugleich als Wettbewerbsverstoß beurteilt wurde, obwohl nicht festgestellt worden ist, daß er sich gegenüber konkurrierenden Sanatorien durch den Standesverstoß einen Wettbewerbsvorsprung verschafft hat.
Unterschriften
Dr. Herzog, Dr. Simon, Dr. Hesse, Dr. Katzenstein, Dr. Niemeyer, Dr. Heußner
Fundstellen
Haufe-Index 1471296 |
BVerfGE, 183 |
NJW 1986, 1536 |
GRUR 1986, 387 |
JZ 1986, 235 |
PharmaR 1986, 207 |