Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristgemäße Begründung der Verfassungsbeschwerde
Beteiligte
Rechtsanwalt Dr. Armin Geyer |
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und ihre Annahme daher mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫).
1. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG in einer den Darlegungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz, 92 BVerfGG entsprechenden Weise substantiiert begründet (vgl. BVerfGE 5, 1 ≪1≫; 18, 85 ≪89≫; 88, 40 ≪45≫). Die fristgemäße Begründung erfordert insbesondere, dass die angegriffene Entscheidung selbst vorgelegt oder doch wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt oder sich mit diesem Inhalt auseinandergesetzt wird (vgl. BVerfGE 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫). Nur so wird der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang vollständig in einer der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglichen Weise aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar dargelegt (vgl. BVerfGE 81, 208 ≪214≫). Nimmt die Verfassungsbeschwerde auf Ausführungen in anderweitigen Schriftsätzen oder Dokumenten Bezug, ist dem Formerfordernis im Übrigen nur genügt, wenn diese beigefügt werden (vgl. BVerfGE 78, 320 ≪327≫), bzw. die Begründungsfrist nur dann eingehalten, wenn die Schriftsätze dem Bundesverfassungsgericht innerhalb der Frist vorliegen. Daran fehlt es hier.
Der angegriffene letztinstanzliche Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ging bei dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 21. Juni 2000 ein. Die einmonatige Beschwerdefrist lief demnach entsprechend § 222 Abs. 1, 2 ZPO i.V.m. §§ 187 ff. BGB am Freitag, dem 21.Juli 2000, ab. Mit der vor Fristablauf am 20. Juli 2000 per Telefax erhobenen Verfassungsbeschwerde wurden keinerlei Anlagen übersandt. Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen und die übrigen Anlagen folgten auf dem normalen Postweg (Poststempel: 21. Juli 2000) und gingen erst am Samstag, dem 22. Juli 2000, also nach Fristablauf beim Bundesverfassungsgericht ein. Die am 20. Juli 2000 hier vorliegende Begründung der Verfassungsbeschwerde ist auch aus sich heraus nicht ausreichend, um die behauptete Grundrechtsverletzung substantiiert darzutun. Darüber hinaus wird in ihr auf zahlreiche Unterlagen aus den Akten des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verwiesen, die ebenfalls nicht fristgemäß als zur verfassungsrechtlichen Überprüfung unverzichtbare Anlagen übersandt oder ihrem wesentlichen Inhalt nach hinreichend wiedergegeben worden sind.
2. Die Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 93 Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Es fehlt an einer hinreichenden Glaubhaftmachung von Tatsachen, die auf eine unverschuldete Fristversäumnis schließen ließen.
a) Eine den Verschuldensvorwurf auslösende Verletzung der von einem Bevollmächtigten zu wahrenden Sorgfaltspflicht fällt diesem unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens insbesondere dann zur Last, wenn er nicht durch allgemeine Weisung dafür Sorge trägt, dass der Ablauf von Rechtsmittelfristen einschließlich der Rechtsmittelbegründungsfristen zuverlässig rechtzeitig bemerkt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2000 – BVerwG 11 C 10.00 –, JURIS; Beschluss vom 24. August 1995 – BVerwG 3 B 37.95 –, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 202). Diese Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Fristen eigenverantwortlich überwacht (vgl. BVerwGE 74, 289 ≪293≫). Eine gesteigerte Aufmerksamkeit (vgl. etwa auch BVerwGE 74, 289 ≪293 f.≫ für die Revisionsbegründungsfrist) erfordert die Einhaltung der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; dies ergibt sich vor allem daraus, dass das fristgebundene Begründungserfordernis gemäß § 92 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BVerfGG maßgeblich durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 5, 1 ≪1≫; 18, 85 ≪89≫; 78, 320 ≪327≫; 88, 40 ≪45≫; 93, 266 ≪288≫) konkretisiert ist, mit der sich der Bevollmächtigte befassen muss, um die Einhaltung der Frist sicherstellen zu können. Dies schließt es freilich nicht aus, dass sich der Rechtsanwalt im Allgemeinen darauf verlassen darf, dass eine damit beauftragte erfahrene Hilfsperson den Fristenkalender ordentlich führt und entsprechend den erteilten allgemeinen Anweisungen im Einzelfall die maßgeblichen Fristen beachtet (BVerwGE 74, 289 ≪294≫). Bei der normalen und regelmäßigen Überwachung ist u.a. durch eine geeignete Büroorganisation eine wirksame End- oder Ausgangskontrolle für fristwahrende Schriftsätze zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1994 – XI ZB 9/94 –, NJW 1994, S. 3235; Beschluss vom 26. September 1994 – II ZB 9/94 –, NJW 1994, S. 3171).
b) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist – ausgehend von den tatsächlichen Angaben des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers und seiner Angestellten zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags – nicht glaubhaft gemacht, dass es ohne ein nach Maßgabe von § 93 Abs. 2 Satz 6 BVerfGG dem Verschulden des Beschwerdeführers gleichstehendes Verschulden des Bevollmächtigten zu der Fristversäumung gekommen ist.
Das Vorbringen enthält nur unzureichende Angaben zur Organisation der Fristenkontrolle in der Kanzlei des Bevollmächtigten im Allgemeinen und hinsichtlich einer Ausgangskontrolle im Besonderen. Der Hinweis, „die Organisation sei zuverlässig”, greift offensichtlich zu kurz. Die Aussage, „Fehlverfristungen sindso gut wie nie vorgekommen”, deutet darauf hin, dass es in der Vergangenheit eben zu solchen Fristversäumnissen gekommen ist. Welche besonderen Vorkehrungen danach getroffen worden sind, um derartige Fehler zukünftig zu vermeiden, wird nicht dargelegt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den dargelegten besonderen Erfordernissen der fristgebundenen Begründung bei Erhebung einer Verfassungsbeschwerde durch eine eigene Fristenkontrolle oder durch eine hierauf bezogene besondere Anweisung gegenüber der zuständigen Büroangestellten Rechnung getragen hat. Aus der Aussage, „sie ≪die Rechtsanwaltsfachangestellte≫ hätteselbstverständlich auch die Anlagen mitfaxen müssen, habe dieses aber übersehen, weil von den Anlagen erst Fotokopien gefertigt werden mussten”, lässt sich eine entsprechende Weisung des Bevollmächtigten gerade nicht entnehmen; warum es sich für die Rechtsanwaltsfachangestellte insoweit um eine „Selbstverständlichkeit” gehandelt haben soll, bleibt unklar. Auch deren „eidesstattliche Versicherung” führt nicht weiter; in ihr heißt es im Wesentlichen lediglich, ihr sei aufgetragen worden, „das Rechtsmittel per Fax einzulegen und gesondert nochmals per Post zu verschicken”. Ob sie von dem Prozessbevollmächtigten auch darüber im erforderlichen Maße ins Bild gesetzt worden ist, dass zur fristwahrenden Erhebung der Verfassungsbeschwerde auch die Übermittlung der Anlagen innerhalb der Frist gehört, bleibt offen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Sommer, Broß, Mellinghoff
Fundstellen
Haufe-Index 564941 |
NJW 2001, 1567 |
NVwZ 2001, 797 |
MittRKKöln 2001, 150 |