Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft unter anderem die Zulässigkeit von Fragen nach einer früheren Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS).
1. Der Beschwerdeführer arbeitete seit 1990 bei der Beklagten des Ausgangsverfahrens, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, als Angestellter mit hoheitlichen Befugnissen. Seiner Einstellung gingen zwei Gespräche voraus, bei denen er Fragen nach einer früheren Tätigkeit für das MfS wahrheitswidrig beantwortete. Im Jahr 1995 erfuhr die Beklagte, daß der Beschwerdeführer nach einer im Februar 1963 begonnenen Kontaktphase von September 1964 bis September 1972 als Informeller Mitarbeiter (IM) des MfS unter verschiedenen Decknamen erfaßt war. In der MfS-Akte des Beschwerdeführers befinden sich insgesamt 90 Berichte, davon 47 eigene, welche insbesondere Einschätzungen von Kollegen, deren politische Meinungsäußerungen und Westkontakte betreffen. Der Beschwerdeführer nahm selbst Kontakt zu einem Führungsoffizier auf, um über Fluchterwägungen eines Kollegen zu berichten. Der letzte Bericht des Beschwerdeführers datiert vom 20. August 1970. Das letzte Treffen mit einem Führungsoffizier fand am 11. August 1971 statt. Die abschließende Einschätzung des MfS vom 30. September 1971 erwähnt die Treffdisziplin des Beschwerdeführers und dessen gute Einstellung zum MfS. Sein IM-Status endete im September 1972 wegen einer Versetzung. Die Beklagte focht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an.
2. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Klage hatte letztlich keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht nahm insbesondere an, daß die Beklagte nach einer Tätigkeit für das MfS habe fragen dürfen und der Beschwerdeführer zu einer wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet gewesen sei. Zwar sei der Zeitfaktor nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insoweit zu berücksichtigen, daß Tätigkeiten für das MfS, die vor dem Jahr 1970 abgeschlossen waren, in aller Regel verschwiegen werden dürften. Eine weitergehende zeitliche Beschränkung des Fragerechts komme aber nicht in Betracht.
3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere, das Bundesarbeitsgericht habe zu Unrecht eine Anwendung des § 242 BGB abgelehnt, obwohl der Anfechtungsgrund infolge Zeitablaufs an Bedeutung verloren habe, was eine Verletzung der Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG darstelle.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu. Die einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 96, 171 ff.). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Zwar weist der Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, daß für die Beurteilung der Folgen einer lange zurückliegenden Tätigkeit für das MfS keine überhöhten Maßstäbe gesetzt werden dürfen. Wenn es im angegriffenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts heißt, eine weitergehende zeitliche Beschränkung des Fragerechts komme im Hinblick auf Vorfälle nach dem Jahre 1970 nicht in Betracht, könnte dies als eine Art Stichtag und damit als ein zu enges Verständnis der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 8. Juli 1997 (BVerfGE 96, 171 ≪188 f.≫) dargelegten Erwägungen aufgefaßt werden. Dort wird ausgeführt, daß Fragen nach Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit, die vor dem Jahre 1970 abgeschlossen sind, den Betroffenen regelmäßig in unzumutbarer Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen und deshalb unzulässig sind. Eine Stichtagsregelung, wie sie der Gesetzgeber vorsehen kann – und im einschlägigen Zusammenhang mit § 19 Abs. 1 Satz 2 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2026) auch vorgenommen hat –, wollte das Bundesverfassungsgericht damit nicht treffen. Vielmehr ist hinsichtlich der nach 1970 abgeschlossenen Verstrickungen in Tätigkeiten für das MfS dem Schutz des Persönlichkeitsrechts durch Würdigung der jeweiligen Fragen und Antworten Rechnung zu tragen. Auch dabei kommt es wesentlich auf den Zeitablauf und die Bedeutung der Umstände des Einzelfalls für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an (so bereits BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. Januar 1998 – 1 BvR 390/96 –, NZA 1998, S. 418 f.).
Das angegriffene Urteil hält jedoch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Zutreffend hat das Bundesarbeitsgericht bei der Beurteilung des Fragerechts des Arbeitgebers und seiner Folgen neben dem Zeitablauf die konkrete hoheitliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, den Grad seiner Verstrickung – die sich insbesondere in Zahl und Inhalt seiner Berichte widerspiegelte –, die Gründe für die Beendigung der Tätigkeit und die Beeinträchtigung des Getäuschten auch noch im Zeitpunkt der Anfechtung berücksichtigt. Damit hat es in ausreichendem Maße die besonderen Umstände des Einzelfalls in seine Entscheidung einbezogen.
Im übrigen wird von einer weiteren Begründung gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kühling, Jaeger, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1102050 |
NZA 1999, 1095 |
ZBR 1999, 379 |
AP, 0 |