Verfahrensgang
VG Berlin (Beschluss vom 30.12.1993; Aktenzeichen VG 25 A 312.93) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Geltung des Investitionsvorrangs für Restitutionsansprüche von Verfolgten des NS-Regimes nach § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes (VermG).
I.
1. Die Beschwerdeführer meldeten als Erben jüdischer Aktionäre, deren Unternehmen 1936 arisiert und nach 1949 in einen Volkseigenen Betrieb überführt worden war, nach § 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 6 Abs. 5 und 5 a Buchstabe c VermG Ansprüche auf Rückübertragung von Aktien der aus dem Volkseigenen Betrieb hervorgegangenen Aktiengesellschaft an. 1993 erließ die Treuhandanstalt nach Anhörung der Beschwerdeführer einen Investitionsvorrangbescheid, in dem festgestellt wurde, daß die Veräußerung der Mitgliedschaftsrechte aus Aktien dieser Gesellschaft an zwei Investoren für einen investiven Zweck (Schaffung und Erhaltung von 600 Vollzeitarbeitsplätzen) erfolge. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Anfechtungsklage, über die bisher noch nicht entschieden ist. Außerdem beantragten sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt (vgl. Leitsätze in OV spezial 1994, S. 14, und VIZ 1994, S. 355), im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der angefochtene Investitionsvorrangbescheid sei auch bei umfassender Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig. Vermögenswerte, die durch nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen entzogen worden seien, könnten ebenfalls Gegenstand eines Investitionsvorrangverfahrens sein. Dies ergebe sich aus einem Gegenschluß zu § 22 des Investitionsvorranggesetzes (In-VorG) vom 14. Juli 1992 (BGBl I S. 1268). Nur für die dort aufgeführten Grundstücke aus der Liste C gelte dieses Gesetz nicht. Rückerstattungsansprüche auf während der Herrschaft des Nationalsozialismus entzogene Vermögenswerte seien für das Beitrittsgebiet erst aufgrund des Vermögensgesetzes entstanden und unterlägen damit auch den entsprechenden Einschränkungen. Die Ausschlußfristen des § 5 Abs. 2 und 3 InVorG gälten auch für Ansprüche von NS-Verfolgten.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und 3 sowie Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Die Anwendung des Investitionsvorranggesetzes auf ihre Ansprüche verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 und 3 GG, weil dadurch in Rechte eingegriffen werde, die ihnen nicht erst durch das Vermögensgesetz eingeräumt worden seien. Für die Wiedergutmachung von NS-Unrecht habe ein Anspruch auf Rückgabe bereits aufgrund der alliierten Rechtsvorschriften bestanden. Der Bundesgerichtshof habe schon 1955 festgestellt, daß die Verfallerklärung nach § 3 der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl I S. 722), welcher der rechtsgeschäftliche Entzug jüdischer Vermögenswerte zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 durch sogenannte Arisierungsverträge gleichgestellt werden müsse, wegen Verstoßes gegen den übergesetzlichen Gleichheitssatz und die durch Art. 153 WRV verbürgte Eigentumsgarantie keinen wirksamen Eigentumsverlust zur Folge gehabt habe (BGHZ 16, 350 ≪353≫). Der bundesdeutsche Gesetzgeber sei ebenfalls vom Fortbestand der Eigentumsrechte an den Vermögenswerten der NS-Verfolgten ausgegangen, deren feststellbare Vermögenswerte sich im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und von Berlin (Ost) befunden hätten. Das gleiche gelte für die Deutsche Demokratische Republik, die dieses Vermögen einer besonderen Behandlung unterworfen habe, wie der sogenannte „Liste C”-Vermerk zeige, der auf die Gemeinsame Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Oktober 1961 über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reichs-, Preußen-, Wehrmachts-, Landes-, Kreis- und Gemeindevermögens (abgedruckt bei Gräf, in: Rodenbach/ Söfker/Lochen, Investitionsvorranggesetz, Stand: Januar 1995, Anlage 1 zu § 22) zurückgehe. Auf diesen Vermerk nehme § 22 InVorG Bezug. Der Eingriff in die bereits vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes entstandenen Rechtspositionen sei wegen Fehlens einer Entschädigungsregelung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG unzulässig.
b) Gegen Art. 3 Abs. 1 GG habe das Verwaltungsgericht verstoßen, weil es bei dem von ihm gezogenen Gegenschluß zu § 22 InVorG verkannt habe, daß diese Vorschrift wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nichtig sei. Es seien nicht alle der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz unterworfenen Grundstücke mit dem Vermerk „Liste C” gekennzeichnet worden. Auch seien von rechtsgeschäftlichen Entziehungsmaßnahmen betroffene Grundstücke, deren Eigentümer nach der sogenannten Arisierung im Konzentrationslager umgebracht worden seien, nicht mit dem Vermerk „Liste C” versehen worden. Soweit der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, daß die Eintragung „Liste C” grundbuchgängig und dadurch ein brauchbares Entscheidungskriterium geschaffen worden sei, das ohne Einzelfallprüfung eine zügige Feststellung gestatte, ändere das nichts an der Verletzung des Gleichheitssatzes.
Ein weiterer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich aus der Anwendung der kurzen Fristen des § 5 Abs. 2 und 3 InVorG auf den Personenkreis des § 1 Abs. 6 VermG, auch soweit er seit der deutschen Vertreibung im Ausland lebe. Dadurch werde dieser Personenkreis den übrigen Berechtigten des § 1 VermG trotz der unterschiedlichen Schwere des erlittenen Unrechts und ungeachtet des Umstands gleichgestellt, daß es die in der ganzen Welt verstreut lebenden NS-Opfer schwerer hätten, unter mehreren Berechtigten eine Abstimmung über die notwendigen und möglichen Investitionen herbeizuführen.
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz für die Bundesregierung und die Treuhandanstalt Stellung genommen. Sie halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
4. Den mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat die Kammer mit Beschluß vom 27. Juni 1994 abgelehnt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
2. Eine Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von den Beschwerdeführern als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt.
a) Die angegriffene Entscheidung verletzt nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
aa) Ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht läßt sich nicht damit begründen, daß das Verwaltungsgericht angenommen hat, Rückerstattungsansprüche auf während der Herrschaft des Nationalsozialismus entzogene Vermögenswerte seien für das Beitrittsgebiet erst durch das Vermögensgesetz geschaffen worden. Die dem zugrunde liegende Auffassung, vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes habe ein Anspruch auf Rückübertragung der von den Beschwerdeführern begehrten Anteilsrechte, in den das Vermögensgesetz und das Gesetz über besondere Investitionen in der Deutschen Demokratischen Republik vom 23. September 1990 (BGBl II S. 885, 1157; im folgenden: Investitionsgesetz – InVG) mit ihren beschränkenden Maßgaben hätten eingreifen können, nicht bestanden, betrifft die Auslegung einfachen Rechts (insbesondere des alliierten und des bundesdeutschen Rückerstattungsrechts), die das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht überprüft. Das vom Verwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis wäre von Verfassungs wegen nur zu korrigieren, wenn Auslegungsfehler sichtbar würden, die auf einer grundlegend unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Art. 14 GG, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫), oder wenn die Auslegung des Verwaltungsgerichts willkürlich wäre (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪96≫). Beides ist nicht der Fall.
Anhaltspunkte dafür, daß das Verwaltungsgericht Bedeutung und Reichweite des Art. 14 GG verkannt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Seine Antwort auf die Frage, ob für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Vermögensgesetzes Ansprüche auf Rückgabe von Vermögenswerten bestanden, die im Beitrittsgebiet aufgrund nationalsozialistischer Unrechtsmaßnahmen entzogen worden waren, beruht auch nicht auf sachfremden Erwägungen. Die von ihm dazu vertretene Rechtsauffassung steht im Einklang mit der – eingehend und nachvollziehbar begründeten, jedenfalls vertretbaren – Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 98, 261 ≪264 ff.≫) und mit Äußerungen des Schrifttums (vgl. vor allem Dietsche, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 VermG Rn. 286 f. ≪Stand: Oktober 1997≫; Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, § 1 Rn. 131 f. ≪Stand: April 1995≫; Wasmuth, VIZ 1992, S. 81; a.A. allerdings Hintz, VIZ 1992, S. 18; Düx, VIZ 1992, S. 257; Welge, VIZ 1993, S. 420). Von willkürlicher Rechtsfindung und Rechtsanwendung kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden.
bb) Art. 14 GG ist auch nicht deshalb verletzt, weil das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß Rückübertragungsansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG durch das Investitionsvorranggesetz und dessen Anwendung eingeschränkt werden.
aaa) Die Anwendung des Investitionsvorranggesetzes greift in eine Rechtsposition der Beschwerdeführer ein.
Zwar trat das Vermögensgesetz in seiner ursprünglichen Fassung gleichzeitig mit dem Investitionsgesetz in Kraft. Ansprüche, die wie diejenigen nach § 1 Abs. 6 VermG nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichts im Vermögensgesetz konstitutiv begründet wurden, entstanden demzufolge nur mit den Beschränkungen, die sich aus dem Investitionsgesetz ergaben. Solche Beschränkungen hatten für restitutionsfähige Unternehmen aber noch nicht bestanden. § 1 InVG regelte den Vorrang für besondere Investitionszwecke nur für Grundstücke und Gebäude. Erst das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung der Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766; im folgenden: Hemmnisbeseitigungsgesetz) mit der Erweiterung des Vermögensgesetzes um die Neuregelungen in § 3 Abs. 6 bis 8 und § 3 a hat den Investitionsvorrang auf Unternehmen erstreckt; das Investitionsvorranggesetz von 1992 hat diese Regelungen im Grundsatz bestätigt und ihnen die heute maßgebliche Fassung gegeben (vgl. vor allem § 1, § 2 Abs. 2 und § 3 Abs. 2 InVorG). Auf diese Weise sind auf die Rückübertragung von Unternehmen gerichtete Ansprüche, auch soweit sie auf § 1 Abs. 6 VermG beruhen, nachträglich eingeschränkt worden.
bbb) Mit Art. 14 GG ist dies vereinbar.
(1) Dabei kann offenbleiben, ob Art. 135 a Abs. 2 GG oder, wie der Gesetzgeber angenommen hat (vgl. BTDrucks 12/103, S. 37), Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Vorbehalt in Art. 41 Abs. 2 des Einigungsvertrags (im folgenden: EV) zugunsten einer Investitionsvorrangregelung für restitutionspflichtige „Grundstücke oder Gebäude” den Gesetzgeber insoweit von der Beachtung der Eigentumsgarantie freistellt, als Eingriffe in das Eigentum an Unternehmen wegen des Vorrangs investiver Maßnahmen nicht mehr rückgängig gemacht werden (vgl. dazu Uechtritz, in: Clemm, Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Einf Investitionsvorranggesetz, Rn. 145 ff. ≪Stand: Februar 1994≫; Söfker, in: Rodenbach/Söfker/Lochen, a.a.O., § 1 Rn. 14 f.; Redeker/Hirtschulz/Tank, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 3 Rn. 11 ≪Stand: August 1997≫; Wegner, in: Kimme, a.a.O., Vor § 1 InVorG Rn. 17 ≪Stand: April 1996≫). Auch wenn dies verneint wird, wird Art. 14 GG durch die in Rede stehende Ausdehnung der Vorrangregelungen auf Unternehmen nicht verletzt.
(2) Zwar wird durch diese Ausdehnung in das Eigentumsgrundrecht eingegriffen, wenn mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 48 ≪58≫) angenommen wird, daß Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz von Art. 14 GG geschützt werden. Doch handelt es sich dabei um eine Regelung, durch die im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in zulässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt werden.
(a) Eine Enteignung im Verständnis des Art. 14 Abs. 3 GG oder die Ermächtigung zu einer solchen kann darin nicht gesehen werden.
Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪27≫; 72, 66 ≪76≫; 79, 174 ≪191≫). Eine solche Entziehung wird unmittelbar durch das Investitionsvorranggesetz nicht bewirkt; eine Legalenteignung liegt deshalb nicht vor.
Die Anwendung des Gesetzes führt aber auch nicht zu einer Administrativenteignung. Unmittelbare Folge des Erlasses eines Investitionsvorrangbescheids ist nach § 8 Abs. 1 InVorG die Freistellung des Verfügungsberechtigten von der Verfügungssperre des § 3 Abs. 3 VermG. Darüber hinaus hat der Bescheid nach § 11 Abs. 1 InVorG die Wirkung einer Verfügungsgenehmigung. Zum „Entfallen” der Rückübertragung und damit zum Eigentumsverlust führt nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InVorG erst die danach mögliche, zwischen Verfügungsberechtigtem und Investor zu vereinbarende, also rechtsgeschäftliche Veräußerung. Das entspricht nicht dem typischen Bild einer Enteignung als dem Entzug subjektiver vermögenswerter Rechtspositionen durch einseitigen Hoheitsakt.
(b) Die Regelungen des Investitionsvorranggesetzes über die Ausdehnung des Investitionsvorrangs auf Unternehmen sind deshalb als Bestimmungen über Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu begreifen. Mit solchen Bestimmungen legt der Gesetzgeber Rechte und Pflichten hinsichtlich solcher Rechtsgüter abstrakt und generell fest, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind. Durch objektivrechtliche Normierung werden Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form neu bestimmt (vgl. BVerfGE 52, 1 ≪27≫; 72, 66 ≪76≫). Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gibt dem Gesetzgeber aber auch die Befugnis, nach bisherigem Recht begründete Rechte umzugestalten, der von ihm geschaffenen Neuregelung anzugleichen, und zwar auch dann, wenn dadurch bisher gewährte Rechtspositionen eingeschränkt werden. Selbst die völlige Beseitigung solcher Rechtspositionen kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (vgl. BVerfGE 58, 300 ≪351≫; 78, 58 ≪75≫; 83, 201 ≪212 f.≫).
(aa) Um eine derartige Regelung handelt es sich bei der in Rede stehenden Ausweitung des Investitionsvorrangs auf restitutionspflichtige Unternehmen.
Der Gesetzgeber hat Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz von Anfang an nicht einschränkungslos gewährt. Schon nach der Ursprungsfassung des Gesetzes war die Pflicht zur Rückübertragung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VermG davon abhängig, daß die Restitution „nicht nach diesem Gesetz ausgeschlossen ist”. Dazu kamen Anspruchsbeschränkungen, die sich wie diejenigen nach dem Investitionsgesetz aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergaben. Im Bereich des Investitionsvorrangrechts waren sie, wie ausgeführt (vgl. oben II 2 a bb aaa), zunächst auf solche Ansprüche bezogen, die die Rückgabe von Grundstücken und Gebäuden zum Gegenstand hatten. Es bedeutete vor diesem Hintergrund nur eine Fortentwicklung der bisherigen Rechtslage, als der Gesetzgeber im Hemmnisbeseitigungsgesetz die Beschränkungen des Investitionsvorrangs auch für Unternehmen einführte. Dadurch wurden zwar nachträglich Ansprüche auf Unternehmensrestitution dahin geändert (und im Wert gemindert), daß sie hinter erfolgreich ins Werk gesetzten Investitionsvorhaben zurückstehen müssen. Doch geschah dies im Rahmen des vor allem in Art. 41 Abs. 2 EV von Anfang an vorgegebenen Verhältnisses von Eigentumsrückgabe und Investitionsvorrang, das nicht als ein für allemal feststehend angesehen werden konnte, sondern im Hinblick auf die unübersichtliche Lage im Beitrittsgebiet latent auf Änderung, Anpassung und Umgestaltung angelegt war. Darin findet typischerweise eine auf neue Situationen und Erkenntnisse reagierende Inhalts- und Schrankengesetzgebung ihren Ausdruck.
(bb) Als Inhalts- und Schrankenbestimmung ist die Ausdehnung des Investitionsvorrangs auf Unternehmen zulässig.
(aaa) Allerdings unterliegt der Gesetzgeber auch bei Wahrnehmung seiner Befugnisse nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlichen Schranken. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch eine gesetzliche Neuregelung ist zunächst, daß die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen, verfassungsmäßig ist (vgl. BVerfGE 83, 201 ≪212≫ m.w.N.). Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muß darüber hinaus durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 31, 275 ≪290≫; 70, 191 ≪201 f.≫). Dabei müssen die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, so schwerwiegend sein, daß sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesicherten Rechts (vgl. BVerfGE 42, 263 ≪294 f.≫; 58, 300 ≪351≫). Auch das Ausmaß des zulässigen Eingriffs hängt vom Gewicht des dahinterstehenden öffentlichen Interesses ab (vgl. BVerfGE 83, 201 ≪212≫).
(bbb) Nach diesen Grundsätzen ist die in Rede stehende Regelung mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.
Anhaltspunkte dafür, daß die Erstreckung des Investitionsvorrangs auf Unternehmen unabhängig von der damit verbundenen Einschränkung bestehender Rechte verfassungswidrig sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die Maßnahme genügt auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie dient einem wichtigen Gemeinschaftsbelang.
Daß der Investitionsvorrang bis zum Inkrafttreten des Hemmnisbeseitigungsgesetzes nicht auch für Unternehmen galt, ist vom Gesetzgeber, ohne daß dies verfassungsgerichtlich zu beanstanden wäre, als ein erhebliches Investitionshindernis angesehen worden. Er erblickte darin die Gefahr, daß die Investitionstätigkeit im Beitrittsgebiet ihre volle Schwungkraft nicht würde entfalten können. Deshalb sollten mit der Neuregelung die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, nicht nur im gesamtwirtschaftlichen Interesse Unternehmen zu erhalten, sondern auch und vor allem Investitionen weiter zu fördern und gegenständlich zu verbreitern (vgl. BTDrucks 12/103, S. 25 i.V.m. S. 37). Das ist ein Ziel von erheblichem öffentlichem Interesse (vgl. BVerfGE 85, 130 ≪133≫; 89, 113 ≪118≫; 94, 334 ≪350≫).
Die Ausdehnung des Investitionsvorrangs auf restitutionspflichtige Unternehmen ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich. Ein gleich wirksames, das Eigentumsgrundrecht nicht oder weniger fühlbar einschränkendes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Maßnahme ist aber auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Das Investitionsvorranggesetz enthält zugunsten der Anmelder unternehmensbezogener Rückübertragungsansprüche Sicherungen, die die Interessen dieses Personenkreises in ausreichendem Maße berücksichtigen. Der Anmelder auch solcher Ansprüche ist im Investitionsvorrangverfahren nach Maßgabe des § 5 InVorG anzuhören, kann selbst investive Maßnahmen zusagen (vgl. § 5 Abs. 2 und 3 InVorG) und ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 InVorG mit einem eigenen Investitionsvorhaben im Regelfall bevorzugt zu berücksichtigen. Unternehmen sind auf den Veräußerer zurückzuübertragen (und stehen damit zur Erfüllung von Restitutionsansprüchen wieder uneingeschränkt zur Verfügung), wenn der Erwerber die für die ersten zwei Jahre zugesagten Maßnahmen nicht durchführt oder davon wesentlich abweicht (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 InVorG). Rechtsschutz gegenüber Investitionsvorrangentscheidungen zugunsten Dritter ist nach Maßgabe des § 12 InVorG dem Anmelder auch im Fall der Unternehmensrestitution garantiert (zum Umfang dieses – vom Verwaltungsgericht gewährten – Rechtsschutzes vgl. BVerfGE 88, 76 ≪81≫; 89, 113 ≪117≫). Schließlich kann er, wenn infolge der Veräußerung des Unternehmens dessen Rückübertragung ausscheidet, gemäß § 16 Abs. 1 InVorG Erlösauskehr mindestens in Höhe des Verkehrswerts verlangen, den das Unternehmen in dem Zeitpunkt hatte, in dem der Investitionsvorrangbescheid vollziehbar wurde. Diese Regelungen stellen insgesamt sicher, daß der von einem Investitionsvorrangbescheid Betroffene nicht übermäßig belastet wird. Auch die Erstreckung des Investitionsvorrangs auf Unternehmen ist ihm deshalb zuzumuten.
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes erfordern keine andere Beurteilung. Es ist schon ausgeführt worden, daß der Anspruch auf Rückgabe vom Zeitpunkt seiner Einräumung an durch den Gesetzgeber dem Grunde nach unter dem Vorbehalt des Investitionsvorrangs stand und daß die 1990 geschaffene Rechtslage im Hinblick auf die unübersichtlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet latent auf Änderung, Anpassung und Umgestaltung angelegt war (vgl. II 2 a bb bbb ≪2≫ ≪b≫ ≪aa≫). Die Inhaber von Ansprüchen auf Rückübertragung von Unternehmen konnten deshalb nicht damit rechnen, daß es bei den auf Grundstücke und Gebäude beschränkten Regelungen in Art. 41 Abs. 2 EV und § 1 Abs. 1 InVG endgültig sein Bewenden haben werde (vgl. auch Friauf/Horscht, Rechtsfolgen der Enteignung von Grundbesitz und Wohngebäuden in der ehemaligen DDR zwischen 1949 und 1990, 1993, S. 161 f.). Doch selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, könnten sich die Beschwerdeführer auf ein schützenswertes Vertrauen nicht berufen, weil die vorstehend angeführten Gründe, die den Gesetzgeber veranlaßt haben, den Investitionsvorrang auf Unternehmen zu erstrecken, im Interesse des wirtschaftlichen Aufschwungs im Beitrittsgebiet als so gewichtig angesehen werden müßten, daß ihnen der Vorrang vor einem Vertrauen der Alteigentümer von Unternehmen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage hätte eingeräumt werden können (vgl. BVerfGE 30, 367 ≪390 f.≫; 88, 384 ≪404≫).
b) Die angegriffene Entscheidung steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz.
aa) § 22 InVorG, gegen den sich die Verfassungsbeschwerde in diesem Zusammenhang mittelbar wendet, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
aaa) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫). Dies gilt auch dann, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪146≫; 88, 87 ≪96 f.≫).
bbb) Gemessen daran begegnet § 22 InVorG auch im Blick auf den Gleichheitssatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
(1) Nach dieser Vorschrift sind nur Grundstücke und Gebäude und diese nur dann von den Regelungen des Investitionsvorranggesetzes ausgenommen, wenn ihre Grundakten mit einem Vermerk über die Eintragung in die Liste zu Abschnitt C der Gemeinsamen Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Oktober 1961 über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reichs-, Preußen-, Wehrmachts-, Landes-, Kreis- und Gemeindevermögens gekennzeichnet oder wenn die Grundstücke und Gebäude aus dem Grundbuch als Synagoge oder Friedhof einer jüdischen Gemeinde zu erkennen sind. Nicht erfaßt von der Ausnahmeregelung und damit vom Investitionsvorrang betroffen sind danach Grundstücke und Gebäude, deren Grundakten nicht in der genannten Weise gekennzeichnet oder die aus dem Grundbuch nicht als Synagoge oder jüdischer Friedhof erkennbar sind, und nicht erfaßt sind darüber hinaus Unternehmen. Das gilt für Inhaber von Rückübertragungsansprüchen nach § 1 Abs. 6 VermG ebenso wie für Alteigentümer und Anmelder von Restitutionsansprüchen, die nicht zum Personenkreis dieser Vorschrift gehören.
(2) Die unterschiedliche Behandlung der danach von § 22 InVorG nicht begünstigten Personengruppen ist verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt.
(a) Daß Vermögenswerte der in § 22 InVorG genannten Art vom Geltungsbereich des Investitionsvorranggesetzes ausgenommen worden sind, erklärt sich aus der besonderen Widmung dieser Vermögenswerte und dem besonderen Unrechtsgehalt der nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers vor allem auf der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 beruhenden Vermögensentziehungen (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 75; 12/2944, S. 62), von denen nach dem Geheimen Runderlaß des Reichsministers des Innern vom 3. Dezember 1941 (abgedruckt bei H. G. Adler, Der verwaltete Mensch, 1974, S. 503 f., und – aus dem Englischen rückübersetzt – Strecker, Dr. Hans Globke: Aktenauszüge – Dokumente, 1961, S. 123 f.; vgl. auch Wilhelm, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 22 InVorG Rn. 21 ≪Stand: November 1993≫) auch und insbesondere diejenigen Juden betroffen waren, die im Zuge der Massendeportationen in den Osten und dort vor allem in die Vernichtungslager des Generalgouvernements verbracht worden waren. Bis zum Inkrafttreten des Investitionsvorranggesetzes galt der Investitionsvorrang nach dem bis dahin maßgeblichen Recht uneingeschränkt auch für Personen, die (oder deren Rechtsvorgänger) ihr Vermögen aus den in § 1 Abs. 6 VermG genannten Gründen verloren hatten. Demgegenüber war es während der Beratungen des Investitionsvorranggesetzes das Anliegen der Jewish Claims Conference gewesen, alle Ansprüche nach dieser Vorschrift vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen. Dem wollte der Gesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung aller Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht entsprechen. Er hat sich schließlich zu einem Kompromiß bereitgefunden und die Ausnahmen vom Investitionsvorrang in § 22 InVorG auf die von dieser Vorschrift in erster Linie erfaßten Fälle von „besonderem Charakter” (BTDrucks 12/2944, S. 62) beschränkt. Dieser besondere Charakter reicht als Rechtfertigung für die mit der Regelung verbundene benachteiligende Ungleichbehandlung derjenigen Inhaber und Anmelder von Restitutionsansprüchen aus, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG erfüllen.
(b) § 22 InVorG ist aber auch insoweit ausreichend gerechtfertigt, als er innerhalb der Gruppe der durch § 1 Abs. 6 VermG begünstigten Personen differenziert und mit Bezug auf sie Grundstücke und Gebäude, deren Grundakten nicht in der in § 22 InVorG angegebenen Weise gekennzeichnet oder die aus dem Grundbuch nicht als Synagoge oder Friedhof einer jüdischen Gemeinde zu erkennen sind, und Unternehmen weiterhin im Anwendungsbereich des Investitionsvorranggesetzes beläßt. Zwar schließt die Anknüpfung des Gesetzgebers an den Vermerk über die Eintragung in die Liste C nicht aus, daß Vermögenswerte der genannten Art, deren frühere Eigentümer gleichem oder vergleichbarem NS-Unrecht ausgesetzt waren wie die durch § 22 InVorG begünstigten Personen oder deren Rechtsvorgänger, dem Investitionsvorrang weiter zugänglich bleiben. Das kann darauf beruhen, daß Vermerke über die Eintragung in die Liste C in den Grundakten infolge unzureichender Handhabung des Abschnitts C der Gemeinsamen Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik nicht gefertigt oder später wieder gelöscht worden waren, ergibt sich im übrigen aber auch daraus, daß Vermögensverluste, die auf der Grundlage sogenannter Arisierungsverträge eingetreten waren, nicht in einer der Eintragung in die Liste C vergleichbaren Weise dokumentiert worden waren und deshalb bei Abfassung des § 22 InVorG grundsätzlich unberücksichtigt blieben. Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich jedoch nicht gezwungen, bei der Herausnahme jüdischen Vermögens aus den Regelungen des Investitionsvorrangrechts diesen und anderen Besonderheiten Rechnung zu tragen.
(aa) Der Gesetzgeber hat, wenn er sich anschickt, wie im Fall des § 1 Abs. 6 VermG von einer dem Grundgesetz nicht verpflichteten Staatsgewalt zu verantwortendes Unrecht wiedergutzumachen, einen besonders weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 13, 39 ≪43≫; 84, 90 ≪125 f., 130 f.≫; vgl. außerdem zur Bewältigung von Kriegsfolgelasten BVerfGE 71, 66 ≪76≫ m.w.N.). Das entbindet ihn zwar bei der Ausgestaltung der von ihm beabsichtigten Wiedergutmachungsregelungen nicht von der Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl. BVerfGE 13, 39 ≪43 ff.≫; 84, 90 ≪128 ff.≫). Doch kommt der grundsätzlichen Befugnis des Gesetzgebers, vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 22, 163 ≪169≫; 45, 376 ≪390≫; 84, 348 ≪365≫), in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Regelungen auf dem Gebiet des Wiedergutmachungsrechts sind durch diese Befugnis gedeckt, wenn sie wenigstens in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung dem Gerechtigkeitsgebot entsprechen (vgl. BVerfGE 27, 253 ≪286≫).
(bb) Gemessen daran sind auch die hier in Rede stehenden Differenzierungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
§ 22 InVorG will einerseits, wie ausgeführt (vgl. II 2 b aa bbb ≪2≫ ≪a≫), Grundstücke und Gebäude, die Verfolgten im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG in Zufügung besonders krassen NS-Unrechts weggenommen worden waren, vom Investitionsvorrang freistellen. Die Regelung mußte andererseits so konzipiert werden, daß sie weder die Rückgabe von Vermögenswerten nach dem Vermögensgesetz noch die Durchführung von im Interesse des wirtschaftlichen Aufschwungs Ost unaufschiebbaren Investitionsvorhaben mehr als unabweisbar behinderte.
Dabei war vom Gesetzgeber in Rechnung zu stellen, daß nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern zunächst noch eine Verwaltung vorhanden war, die personell, sächlich und in organisatorischer Hinsicht den Anforderungen an eine moderne, funktionsfähige, rasch und effizient handelnde Verwaltung in keiner Weise genügte. Diese Verwaltung wäre nach der nachvollziehbaren und einleuchtenden Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz nicht in der Lage gewesen, nach inhaltlichen Kriterien gefaßte, womöglich umfangreiche historische und rechtliche Ermittlungen erfordernde Ausnahmetatbestände vom Investitionsvorrang in angemessener Zeit anzuwenden. Notwendig war deshalb nicht nur generell, für die Durchführung des Investitionsvorrangs – wie des Vermögensgesetzes – ein möglichst einfach zu handhabendes Verfahren zu schaffen. Erforderlich war vielmehr auch, speziell für die Ermittlung der Vermögenswerte, für die nach § 1 Abs. 6 VermG ein Rückübertragungsanspruch in Betracht kam und die aus den genannten Gründen vom Investitionsvorrang ausgenommen werden sollten, ein formales Kriterium zu bestimmen, das der Verwaltung trotz der geschilderten unzureichenden Ausstattung ihrer Behörden eine rasche Entscheidung ermöglichte. Dieses Kriterium wurde in Gesprächen mit der Jewish Claims Conference – ergänzend zu dem aus den Bestandsverzeichnissen des Grundbuchs erkennbaren Merkmal der Widmung eines Grundstücks als Synagoge oder als jüdischer Friedhof (vgl. dazu BTDrucks 12/2944, S. 62) – typisierend und generalisierend in dem Vermerk „Liste C” gefunden, wie er nach der Anweisung Nr. 28/64 des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Kennzeichnung bestimmter Grundbuchblätter und Grundakten vom 20. Oktober 1964 (abgedruckt bei Gräf, a.a.O., Anlage 3 zu § 22) auf Grundbuchblättern und Grundakten über Grundstücke anzubringen war, die gemäß Abschnitt C der Gemeinsamen Anweisung der Minister der Finanzen und des Innern der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Oktober 1961 in einer besonderen Liste zu erfassen waren (vgl. BTDrucks 12/2480, S. 75 f.).
Auch wenn mit der Anknüpfung an den Vermerk über die Eintragung in die Liste C, wie oben (unter II 2 b aa bbb ≪2≫ ≪b≫) schon erwähnt, nicht vermieden werden kann, daß im Einzelfall Grundstücke und Gebäude und generell Unternehmen, deren frühere Eigentümer gleichem oder vergleichbarem NS-Unrecht ausgesetzt waren wie die durch § 22 InVorG begünstigten Personen oder deren Rechtsvorgänger, weiter dem Investitionsvorrang unterfallen, liegt in der Regelung eine zulässige, im Hinblick auf verwaltungspraktische Schwierigkeiten unvermeidliche Typisierung und Generalisierung. Eine als erheblich zu qualifizierende Abweichung vom Gleichheitssatz (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪365≫) kann darin jedenfalls deshalb nicht gesehen werden, weil den Personen, die sich auf § 22 InVorG nicht berufen können, zumindest der Anspruch nach § 16 InVorG auf den Gegenwert des für einen besonderen Investitionszweck verwendeten Vermögensgegenstandes verbleibt. Ob darüber hinaus die mit der Typisierung verbundenen Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Personen betreffen (vgl. BVerfGE 63, 119 ≪128≫), kann dahingestellt bleiben. Dahin gehender Feststellungen bedarf es nicht, weil eine schonendere Zwischenlösung nach den nicht widerlegten Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz aus sachlichen Gründen nicht möglich erscheint (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪365≫).
Nach dieser Stellungnahme hätte, wie schon erwähnt, eine Ausnahmeregelung vom Investitionsvorrang, die für vermögensrechtliche Ansprüche nach § 1 Abs. 6 VermG an materielle Abgrenzungskriterien angeknüpft hätte, verwaltungsmäßig nicht durchgeführt werden können. Die Alternative, alle diese Ansprüche vom Anwendungsbereich der Vorrangregelungen auszunehmen, schied nach Auffassung des Gesetzgebers aus, weil er an dem Grundsatz, sämtliche Ansprüche nach dem Vermögensgesetz im Hinblick auf das Vorrangprinzip gleichzubehandeln, so weit wie möglich festhalten wollte (vgl. BTDrucks 12/2944, S. 62). Auch dies kann trotz der Unterschiede zwischen NS- und DDR-Unrecht im Kontext des Wiedergutmachungsrechts nicht als unsachlich angesehen werden.
bb) Art. 3 Abs. 1 GG ist weiter nicht deshalb verletzt, weil die Fristen des § 5 Abs. 2 und 3 InVorG auch für im Ausland lebende Anmelder gelten, deren Rückübertragungsansprüche auf § 1 Abs. 6 VermG beruhen. Wie die Treuhandanstalt in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, unterscheidet § 5 Abs. 2 und 3 InVorG nicht zwischen Alteigentümern, die NS-Verfolgte sind, und Anmeldern, die ihr Vermögen nicht als Opfer des NS-Regimes verloren haben. Beide Personengruppen werden vielmehr gleichbehandelt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz könnte deshalb nur darin erblickt werden, daß Anmelder im In- und Ausland – ohne Rücksicht auf den Grund für den Verlust ihres Vermögens – gleichbehandelt werden. Auch dies ist jedoch nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Die Gleichbehandlung findet ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung hinreichend darin, daß auch bei Vermögenswerten, deren Rückübertragung von im Ausland lebenden Anmeldern begehrt wird, im Interesse der Förderung und Intensivierung des wirtschaftlichen Aufschwungs in den neuen Bundesländern möglichst schnell entschieden werden muß, ob, von wem und zu welchen Konditionen sie investiven Zwecken im Sinne des Investitionsvorranggesetzes zugeführt werden können.
c) Im übrigen wird von einer Begründung gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Grimm, Hömig
Fundstellen
Haufe-Index 1210311 |
NJW 1999, 1460 |
EuGRZ 1998, 689 |
VIZ 1999, 81 |
WM 1999, 82 |
WuB 1999, 495 |
ZAP-Ost 1999, 230 |
NJ 1999, 193 |
www.judicialis.de 1998 |