Leitsatz (amtlich)

Zur Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Beteiligung des Personalrats bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Arbeitern und Angestellten während der Probezeit (§ 79 Abs. 3 BPersVG a.F.).

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Vorlegungsbeschluss vom 23.01.1992; Aktenzeichen 2 Ca 762/86)

ArbG Frankfurt am Main (Vorlegungsbeschluss vom 26.06.1985; Aktenzeichen 9 Ca 483/84)

 

Tenor

§ 79 Absatz 3 Satz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 (Bundesgesetzbl. I Seite 693) war in der bis zum 23. Dezember 1993 geltenden Fassung nach Maßgabe der Gründe mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar.

 

Tatbestand

A.

Die Vorlagen betreffen die Frage, ob die unterschiedliche Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Personalrats bei Kündigungen von Arbeitern und Angestellten während der Probezeit in der bis zum Dezember 1993 geltenden Fassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar war.

I.

1. Nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693, zuletzt geändert durch Art. 3 des Zehnten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1993) werden bei den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, den Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie den Gerichten des Bundes Personalräte gebildet, die unter anderem bei personellen Maßnahmen des Arbeitgebers zu beteiligen sind. Dabei wird zwischen Mitbestimmung, Mitwirkung und Anhörung unterschieden.

Unterliegt eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats, so ist eine vorherige Einigung zwischen Dienststelle und Personalvertretung erforderlich, damit die vorgesehene Maßnahme durchgeführt werden kann. Gelingt die Einigung auf der örtlichen Ebene nicht, so wird ein sogenanntes Stufenverfahren unter Einschaltung der nächsthöheren Dienststelle durchgeführt. Wird auch hierbei keine Einigung erzielt, so entscheidet eine paritätisch besetzte Einigungsstelle unter einem neutralen Vorsitzenden (§§ 69, 71 BPersVG). Besteht ein Mitwirkungsrecht des Personalrats, so kann dieser, falls seinen Einwendungen nicht entsprochen wird, die Angelegenheit der höheren Dienststelle zuleiten, die darüber mit der bei ihr bestehenden Stufenvertretung verhandeln muß. Danach entscheidet der Leiter der höheren Dienststelle ohne Einschaltung der Einigungsstelle. Die Maßnahme ist bis dahin regelmäßig auszusetzen (§ 72 BPersVG). Sieht das Bundespersonalvertretungsgesetz lediglich die Anhörung des Personalrats vor, so haben Dienststelle und Personalrat mit dem Willen zur Einigung über die vorgesehene Maßnahme zu verhandeln; die Entscheidung trifft der Dienststellenleiter.

Die Befugnisse der Personalvertretungen bei der Entlassung von Arbeitnehmern regelt § 79 BPersVG. Die Norm lautete in der hier maßgeblichen Fassung:

  • Der Personalrat wirkt bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. …
  • Vor fristlosen Entlassungen, außerordentlichen Kündigungen und vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeiters während der Probezeit ist der Personalrat anzuhören. …
  • Eine Kündigung ist unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.

Durch Art. 3 des am 24. Dezember 1993 in Kraft getretenen Zehnten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2136) ist § 79 Abs. 3 BPersVG geändert worden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeiters während der Probezeit wird dort jetzt nicht mehr erwähnt und fällt damit unter § 79 Abs. 1 BPersVG.

2. Aufgrund tarifvertraglicher Regelungen waren ursprünglich auch die Probezeiten für Arbeiter und Angestellte sowie die während einer Probezeit einzuhaltenden Kündigungsfristen verschieden lang. Nach § 55 des Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. Februar 1964 konnte das Beschäftigungsverhältnis eines Arbeiters in der Probezeit vom Arbeitgeber auch ohne besonderen Grund jederzeit zum Ende einer Arbeitsschicht beendet werden. Angestellten hingegen konnte ohne wichtigen Grund während der Probezeit nur mit zweiwöchiger Frist zum Monatsende gekündigt werden (§ 53 Abs. 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag – BAT – vom 23. Februar 1961). Die Probezeiten betrugen für Arbeiter vier bis acht Wochen, für Angestellte hingegen regelmäßig sechs Monate (vgl. § 5 MTB II, § 5 BAT).

Seit 1991 gelten tarifvertraglich gleiche Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Während der ersten sechs Monate beträgt die Frist – unabhängig von der Dauer der Probezeit – zwei Wochen zum Monatsende (§ 57 Abs. 1 MTB II i.d.F. des 47. Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991, § 53 Abs. 1 BAT i.d.F. des 66. Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991).

II.

1. Verfahren 1 BvL 21/85 (Arbeitsgericht Frankfurt am Main)

Der Kläger des Ausgangsverfahrens, der schwerbehindert ist, begann am 1. August 1984 ein Ausbildungsverhältnis bei der Deutschen Bundespost, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, zum Ausbildungsberuf “Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb”. Dieses Berufsbild ist das eines Arbeiters. Der Ausbildungsvertrag sieht in § 7 (1) vor, daß das Ausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Frist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden kann. Gemäß § 1 (2) des Vertrages beträgt die Probezeit drei Monate. Während der Probezeit entschloß sich die Beklagte zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses und hörte hierzu den Personalrat gemäß § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. an. Dieser widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 4. Oktober 1984 und schlug anstelle der Kündigung eine Verlängerung der Probezeit des Auszubildenden vor. Ungeachtet dessen kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis mit sofortiger Wirkung und teilte dies der zuständigen Hauptfürsorgestelle mit.

Mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage begehrt der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, seine Berufsausbildung zu den bisherigen Bedingungen fortzusetzen. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG insoweit verfassungswidrig ist, als danach bei der Kündigung eines Arbeiters während der Probezeit der Personalrat lediglich anzuhören ist, während er bei der Kündigung eines auf Probe beschäftigten Angestellten gemäß § 79 Abs. 1 BPersVG mitzuwirken hat.

Auf die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift komme es an, weil weder kündigungsschutzrechtliche Gründe noch solche aus dem Schwerbehindertengesetz (in der damals geltenden Fassung vom 8. Oktober 1979 – BGBl. I S. 1649 – zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 – BGBl. I S. 1532 – SchwbG a.F.) oder aus dem Recht der Berufsbildung gegen die Wirksamkeit der Kündigung sprächen. Das Ausbildungsverhältnis habe seitens der Beklagten grundsätzlich gemäß § 7 des Berufsausbildungsvertrags und §§ 13, 15 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) während der Probezeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden können. Einer vorhergehenden Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nach § 12 SchwbG a.F. habe es nicht bedurft, weil eine Probezeit vereinbart gewesen sei (§ 17 Abs. 3 SchwbG a.F.). Zwar hätte die Beklagte die Vier-Wochen-Frist des § 13 SchwbG a.F. einhalten müssen. Die Nichtbeachtung dieser Regelung hätte aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge; vielmehr sei diese nur zu dem vorgesehenen Zeitpunkt noch nicht wirksam geworden. Unwirksam sei die Kündigung jedoch, wenn der Personalrat gemäß § 79 Abs. 1 BPersVG hätte mitwirken müssen; denn dieser sei nur angehört worden. Der Kläger sei Arbeiter. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. sei deshalb diese Vorschrift – und nicht § 79 Abs. 1 BPersVG – auf ihn anzuwenden.

§ 79 Abs. 3 BPersVG a.F. sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Für die Schlechterstellung von Arbeitern gegenüber Angestellten hinsichtlich der Beteiligung des Personalrats bei Kündigungen während der Probezeit gebe es keinen vernünftigen, in der Natur der Sache liegenden oder sonstwie einleuchtenden Grund.

Die unterschiedliche Regelung lasse sich aus historischen und tarifvertraglichen Gesichtspunkten wohl erklären, aber nicht rechtfertigen. § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. betreffe primär die außerordentliche Kündigung und sehe hierfür schwächere Beteiligungsrechte des Personalrats vor. Die Einbeziehung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeiters während der Probezeit in den Regelungsbereich des § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. beruhe allein darauf, daß gemäß § 55 MTB II a.F. die Kündigung eines Arbeiters während der Probezeit ohne Einhaltung einer Frist – “zum Schluß einer Arbeitsschicht” – ausgesprochen werden könne, so daß in bezug auf die Frist die ordentliche Kündigung während der Probezeit der außerordentlichen Kündigung gleichgestellt sei. Dies habe der Gesetzgeber zum Anlaß genommen, auch die Beteiligungsrechte des Personalrats insoweit gleich auszugestalten. Angestellte hingegen hätten auch während der Probezeit gemäß § 53 Abs. 1 BAT a.F. eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende, so daß eine Vergleichbarkeit mit der außerordentlichen Kündigung fehle; deswegen habe der Gesetzgeber Angestellte nicht in den Anwendungsbereich des § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. einbezogen. Die unterschiedlichen tarifvertraglichen Regelungen seien aber kein hinreichender Grund für die gesetzliche Ungleichbehandlung.

2. Verfahren 1 BvL 4/92 (Arbeitsgericht Wilhelmshaven)

Die Bundesrepublik Deutschland – Beklagte des Ausgangsverfahrens – stellte den Kläger zum 15. Juli 1986 als Arbeiter bei der Marine ein. Der MTB II a.F. wurde zum Vertragsinhalt gemacht. In § 3 des Arbeitsvertrages wurde eine Probezeit von zehn Wochen vereinbart. Die Beklagte entschloß sich noch während der Probezeit zur Kündigung. Sie hörte deswegen den Personalrat an. Dieser widersprach und schlug statt dessen eine Ermahnung des Arbeiters vor. Die Beklagte entließ jedoch den Kläger aus dem Probearbeitsverhältnis.

Mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden sei. Das Arbeitsgericht Wilhelmshaven setzte das Verfahren ebenfalls aus und legte dem Bundesverfassungsgericht dieselbe Frage vor wie das Arbeitsgericht Frankfurt am Main im oben erwähnten Vorlagebeschluß.

Auf § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. komme es an, weil die Kündigung – abgesehen von der Frage nach der Beteiligung des Personalrats – wirksam sei. Wäre hingegen die zur Prüfung gestellte Norm verfassungswidrig, fehlte es an der ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats, was nach § 79 Abs. 4 BPersVG die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hätte.

Arbeiter würden gegenüber Angestellten durch § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. erheblich benachteiligt. Ihre Interessen würden durch die bloße Anhörung des Personalrats bei einer Kündigung während der Probezeit schlechter gewahrt. Angestellte genössen neben einer intensiveren Interessenwahrung durch die Mitwirkung des Personalrats den Vorteil, daß sie während des länger währenden Beteiligungsverfahrens ihren Arbeitsplatz behalten könnten.

Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen sachlichen Grund. Die unterschiedlichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte des Bundes seien nur tarifvertraglich begründet und daher nicht geeignet, eine gesetzliche Differenzierung zu rechtfertigen. Außerdem seien auch die ungleichen Kündigungsfristen verfassungswidrig.

III.

1. Der Bundesminister des Innern trägt namens der Bundesregierung vor:

a) Die Vorlage des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main sei unzulässig, da es an der Entscheidungserheblichkeit des § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. fehle. Die Vorschrift finde auf den Kläger des Ausgangsverfahrens keine Anwendung. Vielmehr sei § 79 Abs. 1 BPersVG einschlägig. Für Auszubildende aller Berufe habe der Gesetzgeber die Kündigung während der Probezeit einheitlich ausgestaltet (§ 15 Abs. 1 BBiG). Deshalb könne auch nur eine einheitliche Beteiligungsregelung gelten. Als solche komme nur § 79 Abs. 1 BPersVG in Betracht, weil eine Kündigung nach § 15 Abs. 1 BBiG eine ordentliche Kündigung im Sinne von § 79 Abs. 1 BPersVG sei.

Zwar gelte die im Personalvertretungsrecht enthaltene Unterscheidung zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern grundsätzlich auch für Auszubildende. Diese Unterscheidung habe aber nur für die Tatbestände Bedeutung, in denen das Gesetz selbst auf eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit der Beschäftigten abstelle, etwa bei Wahlvorschriften oder bei der Vertretung der einzelnen Gruppen innerhalb des Personalrats. Knüpfe das Personalvertretungsgesetz hingegen – wie in den §§ 75 ff. – an Begriffe oder Bestimmungen in anderen Regelungswerken an, so seien für die Auslegung der Begriffe diese anderen Texte heranzuziehen. § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. nehme konkludent auf § 55 MTB II a.F. Bezug. Diese tarifvertragliche Regelung sei aber gerade nicht auf Auszubildende anwendbar, da die Kündigung während der Probezeit für Auszubildende in § 15 BBiG geregelt sei. Demgemäß beziehe sich auch § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. nicht auf Auszubildende.

b) § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. sei materiell verfassungsgemäß. Die Ungleichbehandlung liege noch im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Die voneinander abweichenden tarifvertraglichen Regelungen über die Dauer der Probezeit bei Arbeitern und Angestellten bildeten einen sachlichen, die Differenzierung rechtfertigenden Grund. Die unterschiedliche Dauer der Probezeit sei ihrerseits berechtigt, weil bei Arbeitern Geeignetheit und Bewährung typischerweise rascher festgestellt werden könnten als bei Angestellten. Proportional zur Dauer der Probezeiten sei auch die Kündigungsfrist unterschiedlich lang ausgestaltet. Sähe man bei einer nur vierwöchigen Probezeit noch – wie bei Angestellten – eine zweiwöchige Kündigungsfrist zum Monatsende vor, so würde sich die effektive Probezeit auf zwei Wochen verkürzen und damit ihren Sinn verlieren. Das rechtfertige auch die unterschiedlich lange Dauer der Kündigungsfristen.

Die so legitimierten unterschiedlich langen Kündigungsfristen hätten Auswirkungen auf die Beteiligungsrechte des Personalrats. Bei einer sechsmonatigen Probezeit sei das Risiko, wegen eines Fehlverhaltens oder anderer Schwierigkeiten als ungeeignet entlassen zu werden, viel höher als bei einer nur wenige Wochen dauernden Probezeit. Diese erhöhte Unsicherheit der Angestellten und die damit verbundene psychische Belastung werde durch einen besseren personalvertretungsrechtlichen Schutz bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit ausgeglichen. Aus diesem Grund sehe § 79 Abs. 1 BPersVG die Mitwirkung des Personalrats vor.

Die Durchführung eines Mitwirkungsverfahrens bei der Kündigung eines Arbeiters während der Probezeit würde schon aus Zeitgründen die Lösung des Probearbeitsverhältnisses im Regelfall unmöglich machen, da das Mitwirkungsverfahren, einschließlich eines eventuellen Einigungsverfahrens nach § 72 BPersVG, erfahrungsgemäß länger als vier Wochen dauere.

2. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sieht in den unterschiedlichen tariflichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes einen hinreichenden Grund für die unterschiedliche Regelung der Beteiligungsrechte des Personalrats in § 79 BPersVG a.F. Die Regelung stelle einen vertretbaren Kompromiß zwischen den gegenläufigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen dar. § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. zeige, daß der Gesetzgeber bei allen fristlosen und entfristeten Kündigungen ein langes Verfahren habe vermeiden wollen, um nicht den Sinn einer solchen Kündigung durch ein unter Umständen mehrere Wochen dauerndes Anhörungs- oder sonstiges Mitwirkungsverfahren zu entleeren.

3. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält eine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten für unzulässig. Jedenfalls dürften daran keine unterschiedlichen Rechtsfolgen mehr geknüpft werden. Es fehle an sachgerechten, eine Differenzierung tragenden Gründen. Insbesondere seien unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen zur Begründung einer gesetzlichen Ungleichbehandlung ungeeignet. Die verschiedenen Beteiligungsformen des Personalrats bei den Kündigungen von Arbeitern und Angestellten während der Probezeit führten mittelbar zu einer Verlängerung der Kündigungsfristen für Angestellte, da das Mitwirkungsverfahren länger dauere als das Anhörungsverfahren.

Auch seien sämtliche Probezeiten des geltenden Rechts lang genug, um selbst unter Einhaltung des Mitwirkungsverfahrens nach § 79 Abs. 1 BPersVG eine Kündigung innerhalb der Probezeit zu gewährleisten; bei Großunternehmen folge dies aus den hochentwickelten Personalplanungsinstrumenten, in kleineren Unternehmen beschleunige erfahrungsgemäß die größere Kenntnis der einzelnen Personen untereinander das Verfahren.

4. Der Vorsitzende des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts teilt mit, daß das Gericht bisher keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. geäußert habe. Im Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten werde jedoch der Auffassung der vorlegenden Gerichte nicht entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Vorlagen sind zulässig. Beide Arbeitsgerichte haben die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ausreichend dargelegt. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main vertritt den Standpunkt, daß § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. auch für Auszubildende in Arbeiterberufen gelte. Diese Auslegung ist angesichts des Gesetzeswortlauts nicht offensichtlich unhaltbar. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ist sie deshalb vom Bundesverfassungsgericht hinzunehmen (BVerfGE 7, 171 ≪175≫; st. Rspr.).

C.

Die vorgelegte Norm war jedenfalls in der Zeit, auf die es hier ankommt, nach Maßgabe der unter I 4 folgenden Ausführungen mit dem Grundgesetz vereinbar. Die streitigen Kündigungen wurden im Oktober 1984 und im September 1986 ausgesprochen. Damals ließ sich bei typisierender Betrachtung noch eine unterschiedliche Regelung der Probezeit bei Arbeitern und Angestellten rechtfertigen, wie sie in den einschlägigen Tarifverträgen getroffen worden war. An diese Unterschiede knüpfte die vorgelegte Norm an und erhielt dadurch ihre sachliche Rechtfertigung.

I.

Als Prüfungsmaßstab kommt allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht.

Der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, soll in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern. Deshalb unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪88≫). Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪89≫). Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 60, 123 ≪134≫; 82, 126 ≪146≫; 88, 87 ≪96 f.≫).

Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung. Kommt als Maßstab nur das Willkürverbot in Betracht, so kann ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (vgl. BVerfGE 55, 72 ≪90≫). Dagegen prüft das Bundesverfassungsgericht bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪146≫).

II.

Daran gemessen war die vorgelegte Norm mit dem Grundgesetz vereinbar.

1. § 79 BPersVG a.F. regelte die Beteiligung des Personalrats bei ordentlichen Kündigungen von Arbeitern und Angestellten während der Probezeit. Die unterschiedlichen Rechtsfolgen der Regelung trafen mithin verschiedene Personengruppen (vgl. BVerfGE 82, 126 ≪146≫). Der Gesetzgeber unterlag daher grundsätzlich der strengeren Bindung.

2. Die unterschiedliche Form der Beteiligung des Personalrats bei Kündigungen während der Probezeit führte zu einer Ungleichbehandlung von erheblichem Gewicht. Angestellte waren eindeutig bevorzugt. Zwar konnte sich der Arbeitgeber auch bei ihrer Kündigung während der Probezeit über eine ablehnende Stellungnahme des Personalrats hinwegsetzen. Eine solche Stellungnahme führte aber zu einer erneuten Überprüfung der Entscheidung auf der nächsthöheren Ebene. Dort war regelmäßig wegen der personellen Distanz zum Betroffenen ein höheres Maß an Objektivität zu erwarten. Für Angestellte wirkte sich auch die längere Dauer des Mitwirkungsverfahrens vorteilhaft aus, weil sie bis zu seinem Abschluß ihren Arbeitsplatz behielten.

Die bei der Kündigung eines Arbeiters während der Probezeit vorgesehene bloße Anhörung war demgegenüber weniger wirksam. Dienststelle und Personalrat brauchten lediglich mit dem Willen zur Einigung über die vorgesehene Maßnahme zu verhandeln. Das Entscheidungsrecht blieb beim Dienststellenleiter. Anders als bei einem Angestellten entfiel ein Beschäftigungsanspruch für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses auch dann, wenn der Personalrat eingewendet hatte, eine Weiterbeschäftigung sei nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung möglich (§ 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 BPersVG).

3. Die unterschiedliche Beteiligung des Personalrats war aber sachlich gerechtfertigt. Sie knüpfte an die verschieden langen Probezeiten und Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte an, wie sie seinerzeit tarifvertraglich festgelegt waren. Das zeitraubendere Mitwirkungsverfahren hätte die für Arbeiter geltende Regelung praktisch hinfällig gemacht.

Das Mitwirkungsverfahren nach § 72 BPersVG kann wegen der dabei einzuhaltenden Fristen gut zwei Wochen dauern. Bei der vierwöchigen Probezeit, die damals für Arbeiter typischerweise galt, hätte sich ein Arbeitgeber bei notwendiger Mitwirkung des Personalrats spätestens nach zwei Wochen über das Ergebnis der Erprobung klar werden müssen. Eine so kurze Entscheidungsfrist konnte der Gesetzgeber als sachwidrig ansehen. Er durfte daher die kurze Probezeit zum Anlaß nehmen, eine Form der Beteiligung des Personalrats zu wählen, die dem Arbeitgeber einen längeren Beurteilungszeitraum gewährte. Auch die damals im öffentlichen Dienst tarifvertraglich vorgesehene Kündbarkeit eines Arbeiters im Probeverhältnis zum Schichtende war ein sachlicher Gesichtspunkt, der die Einführung der formlosen und nicht fristgebundenen Anhörung anstelle eines Mitwirkungsverfahrens rechtfertigen konnte. Durch dieses Verfahren hätte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses um mindestens zwei Wochen hinausgeschoben werden können.

Hingegen konnte bei der damals sechsmonatigen Probezeit für Angestellte mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen ein Mitwirkungsverfahren ohne weiteres durchgeführt werden. Insgesamt hatte daher der Gesetzgeber hinreichend gewichtige Gründe für seine differenzierende Regelung.

4. Es kann offenbleiben, inwieweit Tarifverträge unmittelbar an den Grundrechten zu messen sind. Die tarifvertragliche Lage, an die § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. anknüpfte, wäre jedenfalls im Jahre 1986 noch nicht unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gewesen. Dieser Zeitpunkt ist hier maßgeblich, weil die spätere der beiden Kündigungen, um die in den Ausgangsverfahren gestritten wird, im September 1986 ausgesprochen wurde. Beim Abschluß der seinerzeit geltenden Tarifverträge waren die Tarifvertragsparteien erkennbar davon ausgegangen, daß die Tätigkeiten von Arbeitern und Angestellten wesentlich durch den Unterschied zwischen manueller und geistiger Arbeit geprägt waren. Diese Einschätzung war jedenfalls für den damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar realitätsfremd. Zumindest gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß schon Mitte der 80er Jahre die Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst vergleichbar komplexe Aufgaben zu erfüllen hatten. Wenn die Tarifvertragsparteien die Lage übereinstimmend dahin einschätzten, daß eine vierwöchige Probezeit für Arbeiter ausreichte, für Angestellte hingegen ein deutlich längerer Zeitraum notwendig war, so kann mangels eindeutiger anderer Erkenntnisse davon ausgegangen werden, daß dies auch den tatsächlichen Verhältnissen und den darauf beruhenden wechselseitigen Interessen entsprach.

Die kurze Kündigungsfrist für Arbeiter während der Probezeit hing mit deren Dauer eng zusammen. Eine Angleichung an die zweiwöchige Frist, die bei Angestellten während der Probezeit einzuhalten war, wäre kaum möglich, jedenfalls aber nicht sinnvoll gewesen. Auch insoweit lagen daher der Beurteilung der gegenseitigen Interessen durch die Tarifvertragsparteien sachliche Gesichtspunkte zugrunde, die die unterschiedliche Regelung im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes hinreichend rechtfertigten. Es kommt hinzu, daß die kurze Kündigungsfrist die Arbeiter nicht einseitig benachteiligte, sondern durch die für sie vorteilhafte – kurze – Probezeit in gewissem Umfang kompensiert wurde.

5. Die genannten Gründe für die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten galten allerdings auch in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht für Auszubildende. Für sie sah – und sieht – § 13 BBiG eine einheitliche Probezeit von einem bis höchstens drei Monaten vor; während dieser Zeit konnte das Ausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Eine gleichlautende Regelung enthielt der Manteltarifvertrag für Auszubildende vom 6. Dezember 1974. Sachliche Gründe, die auch bei Auszubildenden eine ungleiche Beteiligung des Personalrats hätten begründen können, sind nicht ersichtlich und werden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht. Die Auszubildenden sind auch keine so kleine Gruppe, daß der Gesetzgeber sie aus Gründen der Typisierung vernachlässigen konnte (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪359 f.≫ mit weiteren Hinweisen).

Würde § 79 Abs. 3 BPersVG a.F., wie das Arbeitsgericht Frankfurt am Main meint, auch diese Gruppe erfassen, wäre die Vorschrift insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Vielmehr ist es, wie der Bundesminister des Innern darlegt, mit der Systematik und dem Sinn des Bundespersonalvertretungsgesetzes durchaus vereinbar, bei einem Tatbestand, der wie § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. hinsichtlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen während der Probezeit an Regelungen außerhalb des Personalvertretungsrechts anknüpft, von einer dort vorgefundenen Gruppenbildung auszugehen. Das Berufsbildungsgesetz behandelt Auszubildende für Arbeiter- und Angestelltenberufe als einheitliche Gruppe. Überträgt man diese Systematik auf die Beteiligungsregelung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, so ist für eine Anwendung der in § 79 Abs. 3 BPersVG a.F. enthaltenen Sonderregelung für Arbeiter während der Probezeit kein Raum. Vielmehr konnten danach bei einer ordentlichen Kündigung von Ausbildungsverhältnissen nur die Absätze 1, 2 und 4 des § 79 BPersVG Anwendung finden. Die Vorschrift ließ also eine verfassungskonforme Auslegung zu. Sie war deshalb in diesem Sinne anzuwenden (vgl. BVerfGE 83, 201 ≪214 f.≫ mit weiteren Hinweisen).

 

Unterschriften

Herzog, Henschel, Seidl, Grimm, Söllner, Kühling, Seibert

 

Fundstellen

Haufe-Index 1084296

EuGRZ 1994, 404

NZA 1994, 661

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